Protocol of the Session on December 17, 2015

Vielen Dank, Frau Henfling. Weitere Redemeldungen aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor, sodass ich Herrn Minister Tiefensee für die Landesregierung das Wort gebe.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren, lieber Gast auf der Tribüne!

(Heiterkeit und Beifall im Hause)

(Zwischenruf Abg. Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt ist er wieder wach!)

Ja, 7, 8 Minuten vor 0.00 Uhr. Einzelplan 07, ich habe – glaube ich – eine halbe, Dreiviertelstunde Redezeit eingeräumt bekommen.

(Heiterkeit im Hause)

19 Minuten. Nicht übertreiben!

19 Minuten nur? So was! Ich wollte die von meiner Kollegin Keller noch mithaben, damit sie morgen früh nicht aufstehen muss.

Also ganz kurz und knapp. Ich will beginnen mit einem Dank, mit einer Irritation und mit einem ziemlichen Unverständnis. Herzlichen Dank an alle, die an diesem Haushalt mitgewirkt haben: meinem Amtschef Markus Hoppe, dem anderen Staatssekretär, den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Sie alle. Ich beziehe auch die Opposition mit ein. Ganz herzlichen Dank für eine ganz intensive Debatte.

Irritationen: Als Demokrat habe ich es in den 25 Jahren Berufserfahrung eigentlich immer so erlebt, dass ich die Vorschläge der Opposition sehr ernst aufgenommen habe.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Du soll- test deine Erfahrungen nicht auf alle bezie- hen!)

Ich bin wirklich sehr, sehr irritiert darüber – das gilt für Herrn Mohring, aber insbesondere auch für

(Abg. Henfling)

Herrn Dr. Voigt –, dass die klugen Ideen – mehr oder minder klugen Ideen – zum einen in Form eines Entschließungsantrags und zum anderen vor allen Dingen, Herr Dr. Voigt, jetzt hier am Pult ausgebreitet werden. Warum kann man sich nicht zuvor mit all dem, was Sie meinen Richtiges hinzufügen zu müssen, vorher auseinandersetzen?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das irritiert mich sehr und das entspricht nicht den demokratischen Gepflogenheiten. Wenn man dann so einen Entschließungsantrag noch kurz vor der Angst kriegt und soll darauf eingehen, ist das umso schwieriger. Und ich bin sehr entsetzt über den Kollegen der AfD-Fraktion, was da heute wieder von Björn Höcke gesagt wurde. Ich will das in den Zusammenhang mit dem Einzelplan 07 setzen. Ich hätte jetzt beinahe gesagt, sehr verehrte Kollegen – ich sage jetzt mal –: Kollegen. Wer eine solche Politik betreibt, wer eine solche Wortwahl im Munde führt, wer in dieser Art und Weise agiert,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Wie denn?)

der gefährdet den Standort Thüringen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Wer sagt, Erfurt ist schön deutsch, Erfurt bleibt schön deutsch, wie ich das von Herrn Höcke gehört habe, dem kann ich nur sagen:

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Heute hat er das noch nicht gesagt!)

Herr Höcke, Sie sind und bleiben primitiv.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Meine Damen und Herren, wie sind wir vorgegangen? Wir haben zunächst die Analyse gemacht, wie steht Thüringen in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und digitale Gesellschaft da. Und dann haben wir versucht, die Schwerpunkte zu setzen, und das in einer sehr, sehr schwierigen Situation. Der Ministerpräsident und die Finanzministerin haben mehrfach darauf hingewiesen, dass es nicht einfach ist, Schwerpunkte zu setzen, obwohl die Einnahmen einerseits zurückgehen und andererseits extreme neue Herausforderungen kommen, die unabweisbar sind.

Herr Dr. Voigt, das sei gleich mal die Eingangsbemerkung: Wenn Sie bemängeln, dass aus dem Haushalt 07 Gelder genommen worden sind, um andere Maßnahmen zu fördern, dürfte Ihnen nicht entgangen sein, dass der Haushalt zunächst eine höhere Stufe, ein höheres Volumen hatte, aber wegen dieser unabweisbaren Ausgaben, die sich seit der Erstellung des Haushalts, der Verabschiedung im Kabinett bis heute ergeben haben – zum Bei

spiel Stichwort Lehrer, Stichwort Flüchtlinge –, ist es nötig gewesen, dass die Fraktionen mit dem Einverständnis des Ministers auch alle anderen Positionen durchgangen sind.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Das wür- de ich jetzt auch sagen!)

Sie haben sicherlich auch zur Kenntnis genommen, dass diese Gelder quer über alle Haushalte genommen sind. Wenn man ein hohes Haushaltsausgabenvolumen hat, wie das in meinem Haus der Fall ist, dann ist das Volumen halt quotal entsprechend auch so anzusetzen. Also, es ist zurückzuweisen, dass sich jetzt jemand im Haushalt 07 für irgendwelche Maßnahmen bedient, die eigentlich nicht notwendig seien und dass hier ein Minister wider besseres Wissen etwas drangegeben hätte. Ich stehe dazu, dass wir extreme Herausforderungen haben, denen muss sich unser Haus stellen, wie übrigens alle anderen Häuser auch.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Helmerich, fraktionslos)

Wir haben eine sehr gute Situation. Ich bin den Kollegen der regierungstragenden Fraktionen dankbar, dass Sie schon eine Fülle von Fakten beschrieben haben. Ich will es dennoch noch einmal kurz in Erinnerung rufen: Es ist eine unglaubliche Ausgangsplattform, dass wir im Industriearbeitsplatzbesatz auf dem 5. Platz in Deutschland stehen, weit vor allen anderen ostdeutschen Bundesländern. Es ist gleichermaßen bei der Erwerbstätigenquote die Spitze in Ostdeutschland. Arbeitslosigkeit – es ist angesprochen worden: fünfte Stelle in Deutschland, weit vor allen anderen ostdeutschen Ländern, besser als Nordrhein-Westfalen, Bremen und Hamburg. Patentanmeldungen sind angesprochen worden. Wir haben also eine sehr, sehr solide Grundlage.

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren – hier haben einige zwischendurch ein Gläschen Wein getrunken –,

(Heiterkeit DIE LINKE)

wir haben auch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten. Herr Dr. Voigt hat zu Recht darauf hingewiesen. Es ist ganz gut, wenn wir beim Industriebesatz eine hohe Quote aufweisen, aber es ist nicht gut, dass unser Wirtschaftswachstum nach wie vor lahmt. Wir kennen die Gründe und wir haben die Gründe analysiert und jetzt geschaut, an welchen Positionen wir ansetzen müssen. Sie haben es alle sattsam gehört: Insbesondere die Kleinteiligkeit der Wirtschaft macht uns zu schaffen, wir haben eine zu geringe Innovationsquote. Wenn die Gelder, die für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden, in Thüringen eben nur 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts Thüringens betragen und dann eben fifty-fifty durch die öffentliche Hand und durch die Industrie getragen werden, dann, Herr Dr. Voigt,

(Minister Tiefensee)

macht es keinen Sinn, die 1,2 Prozent, die wir am BIP geben, aufzustocken, sondern es ist die Entscheidung zu fällen, wie wir unterstützen können, dass in der Industrie Forschung und Entwicklung entsteht, denn hier lahmt es.

Das Gleiche gilt für die Exportquote. Wir sind bei 32 Prozent. Die entspricht übrigens unserer Investitionsquote im Haushalt. Unsere Exportquote in Thüringen mit 32 Prozent relativiert sich, wenn wir den Bundesdurchschnitt sehen. Auch hier müssen wir nachlegen. Also die Internationalisierung vorantreiben – ein weiteres Thema.

Auch bei der Investitionsrate hinkt Thüringen hinterher. Wir haben eine ganze Reihe von Erneuerungsinvestitionen, aber Erweiterungsinvestitionen, Neuinvestitionen lassen auf sich warten.

Jetzt setzen wir an diesen Punkten an und ich will einige kurz herausgreifen. Der erste Punkt ist die Fachkräftesituation. Mit meiner Kollegin Werner zusammen kämpfen wir dafür, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Thüringen endlich wegkommt vom Image eines Niedriglohnlandes,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn dieses Image schadet uns in mehrerlei Hinsicht. Es schadet uns bei der Finanzierung unserer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Unser gemeinsames Ziel in der Regierung ist es: Wir wollen in Thüringen gute Arbeit. Und gute Arbeit heißt ordentlich bezahlte Arbeit, auskömmlich bezahlte Arbeit. Aber das heißt eben auch, dass wir von der Fachkraft bis hin zum Ingenieur die Menschen nicht in unser Land holen können, die immer noch dieses Image im Ohr haben. Aus diesem Grund ergreifen wir eine Fülle von Maßnahmen, die darauf zielen, dass wir Fachkräfte hierherholen, dass wir diejenigen, die auspendeln, die ihre Arbeitsplätze woanders gesucht haben, wieder zurückbekommen, eine Kampagne, Studierende hier zu halten. Herr Dr. Voigt, wir haben, was die Kampagne für Thüringen angeht, zugelegt. Wir haben bei den Studierenden nicht nur eine neue Kampagne, sondern den Aufwuchs in dieser Position, die, wie Sie wissen, eine aus den Haushalten der Universitäten und Hochschulen zusammengelegte Position ist, verstetigt, sondern wir haben darüber hinaus zum Beispiel im Tourismusbereich dafür gesorgt, dass Thüringen bekannter wird. Und wenn Sie eine Studie ansprechen, die angeblich die Summe gesenkt habe, so ist mir nur erinnerlich, dass wir jetzt in der Ausschreibung sind für die nächste Agentur, die uns wiederum helfen soll, Schub zu bringen, und dieses Geld müssen wir aufwenden.

Herr Minister Tiefensee, eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mohring.

Ja, gern.

Herr Mohring, bitte.

Herr Minister, vielen Dank. Ich habe nur eine Verständnisfrage. Sie haben von dem Image des Billiglohnlandes gesprochen. In der letzten Wahlperiode waren aus Ihrer Partei zwei Minister verantwortlich. Ich will einfach nur fragen: Diese Geschichte, die immer wieder erzählt wird, glauben Sie daran, dass die letzten fünf Jahre die Kampagnen Ihrer Vorgänger nichts gebracht haben, dass sie nicht gewirkt haben, oder warum halten Sie immer so partout daran fest, von diesem vermeintlichen Image zu sprechen, obwohl es seit 15 oder 20 Jahren gar keine strategische Entscheidung bei irgendeiner Landesregierung gibt, an diesem Image festzuhalten?

Also ad eins steht immer die gesamte Regierung in der Pflicht, denke ich, Herr Mohring. Wenn ich mich richtig erinnere, war das eine schwarz-rote Regierung. Die Ministerpräsidenten Ostdeutschlands, insbesondere die CDU-Ministerpräsidenten – wir können es aktuell immer noch bei Ihrem Kollegen Tillich beobachten –, werben darum: Arbeitsplätze sind billig, kommt als Investoren. Das Gleiche galt in Thüringen und das haben wir geändert.

Das Zweite, was ich darauf antworten möchte, ist: Eine solche Kampagne über die letzten 20 Jahre – schauen Sie in die 90er-Jahre, das war das schlagende Argument: keine Tarifbindung, keine Betriebsräte, niedrige Löhne. Das war das Argument. Wenn Sie mögen, liefere ich Ihnen gern die Zitate von Bernhard Vogel nach.

Jetzt ist der Punkt, dass ein solches Image sich eben nicht so leicht verändern lässt. Da können sich Uwe Höhn oder Matthias Machnig abstrampeln, das wird nicht in drei Jahren oder in fünf Jahren zu machen sein, genauso wie es uns wahrscheinlich nicht gelingt, das mit einem Umdrehen eines Schalters aus den Köpfen herauszubringen.

Ein nächster Punkt, den ich ansprechen möchte, ist das Thema der Innovation, und zwar nur ganz kurz.

Ad eins: Ich möchte deutlich dafür werben, dass Sie sich in der Opposition mit der regionalen Innovationsstrategie beschäftigen oder Forschungsund Innovationsstrategie, wie sie im langen Namen heißt. Was wir hier leisten, nicht nur was Transparenz und Beteiligung von Hochschulen und Wirtschaft anbetrifft, sondern was wir hier für Gelder in

(Minister Tiefensee)

vestieren, mit zwei Calls pro Jahr uns bestimmte Projekte aussuchen, die ganz besonders in den fünf Feldern, die ich jetzt nicht aufzählen will, von Relevanz sind, um einen Schub in die Innovation zu bekommen, das ist, denke ich, Benchmark und da kann Thüringen sich sehen lassen.