Sie haben in dieser gesamten Diskussion immer wieder gesagt, es ginge uns darum, die Wahlbeteiligung zu steigern. Das hat, glaube ich, in der gesamten Debatte keiner gesagt, aber das ist natürlich tatsächlich ein Moment, Menschen, auch junge Menschen und dann mit ihrer persönlichen Entwicklung bis ins höhere Alter hinein für Politik zu interessieren, zu begeistern und ihnen nicht nur das Gefühl zu geben, sie sind beteiligt, sondern sie tatsächlich zu beteiligen. Aber es ist natürlich kein primäres Ziel, weil es in erster Linie eine demokratietheoretische Frage ist, auf die ich kurz noch eingehen will. Aber Herr Kellner, Sie haben in Ihrem Redebeitrag auch ein Beispiel genannt, wo Sie deutlich machen, dass sogar dieses Ziel, was Sie unterstellen, wirklich erreicht worden ist. In SachsenAnhalt – so haben Sie ausgeführt – sind 29 Prozent
der 16- bis 18-Jährigen zur Wahl gegangen. Lieber Herr Kellner, das sind 29 Prozent mehr als ohne das Wahlrecht ab 16 Jahre. Das heißt, Sie geben 29 Prozent der Menschen die Möglichkeit, sich tatsächlich an Wahlen zu beteiligen. Ich finde, das ist eine starke Steigerung der Wahlbeteiligung. Das wollen wir erreichen, weil wir die Beteiligung der Menschen sichern wollen.
Da will ich Ihnen auch sagen: Wir diskutieren vielleicht politisch sehr oft über die Argumentation, wir wollen das Wahlalter absenken. Aber im Beitrag von Herrn Adams ist es angeklungen, im Beitrag von Frau Engel ist es angeklungen, dass es eigentlich im Kern gar nicht um die Frage geht, das Wahlalter oder das Alter zum Ausüben des aktiven Wahlrechts abzusenken, sondern es geht um die Frage: Weiten wir – oder andersrum gesagt – wie weit weiten wir den Wahlrechtsausschluss aus? Da ist es verfassungsrechtlich Aufgabe – das hat Herr Adams deutlich gemacht – stetig zu überprüfen, ob die Gründe nach wie vor beständig sind, dass wir die Wahlrechtsausübung der Menschen bis zum 18. Lebensjahr praktisch gesetzlich ausschließen, oder ist es mittlerweile tatsächlich so, dass die Gründe es nur noch rechtfertigen, Menschen bis zum 16. Lebensjahr tatsächlich vom Wahlrecht auszuschließen. Ich glaube, die Antwort haben wir auch im Innenausschuss gemeinsam mit Jugendlichen, gemeinsam mit Jugendverbänden, praktisch, aber auch demokratietheoretisch erörtert.
Die Frage des Auseinanderfallens von aktivem und passivem Wahlrecht wurde an verschiedenen Stellen natürlich schon beantwortet. Ich will nur ein Beispiel hinzufügen, um, glaube ich, die Haltlosigkeit Ihrer Argumentation oder die fehlende Stichhaltigkeit aufzuzeigen. Im Hessischen Landtag kann man erst mit 21 Jahren Mitglied werden.
Also insofern sehen wir, dass neben vielen Beispielen, die Herr Adams genannt hat, auch noch andere Gründe es rechtfertigen, möglicherweise tatsächlich eine Unterscheidung vorzunehmen, die haben wir auch im Landeswahlrecht, beispielsweise bei der Wohnsitznahme – wie lange muss man irgendwo wohnen, um tatsächlich das aktive oder passive Wahlrecht zu erhalten. Diese enge Kopplung, die Sie immer wieder beschreiben, gibt es so nicht. Aber wir sind natürlich gemeinsam gern mit Ihnen bereit, auch über die Frage der Volljährigkeit im Zivilrecht zu diskutieren, weil die natürlich sehr viel unmittelbarer noch mit der Frage des passiven Wahlrechts zusammenhängt als die Frage des aktiven Wahlrechts, weil eben die Frage von Geschäftsfähigkeit und Haftbarkeit hier durchaus sehr beachtenswerte Rechtskriterien sein werden.
In einem – und in diesem Zusammenhang durchaus wichtigen – Punkt, Herr Kellner, möchte ich Ihnen aber auch deutlich widersprechen und das war, glaube ich, ursprünglich Anlass dafür, dass ich mich noch einmal gemeldet habe. Sie haben auf die Stellungnahme des Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen verwiesen und uns hier der Diskriminierung bezichtigt. Das will ich wirklich mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Es gibt in der Tat ein Problem, was wir hier erörtert haben, auch im Innenausschuss, auch in der Auswertung. Das ist nicht die Frage, Herr Kellner, dass wir mit diesem Gesetzentwurf eine Diskriminierung vornehmen, sondern durch den Wahlrechtsausschluss infolge der Vollbetreuung, die erst mit der Volljährigkeit ausgesprochen wird, einen Zustand herbeiführen, dass Menschen mit Behinderung, die möglicherweise mit dem 18. Lebensjahr in die Vollbetreuung fallen, zunächst im Alter von 16 und 17 Jahren ein Wahlrecht erhalten, was ihnen dann mit 18 Jahren bei Eintritt in die Vollbetreuung wieder genommen wird. Das mag durchaus ein beachtenswertes Argument sein. Es wäre aber auch dann, und da zeigt sich, glaube ich, die fehlende Stichhaltigkeit dieser Argumentation, ein beachtenswertes Argument gegen diesen Gesetzentwurf, wenn es wirklich diese Kausalität in dieser Form gäbe. Es gibt natürlich auch Menschen, die in Vollbetreuung fallen, ohne durch den Alterseintritt in diese Situation gekommen zu sein, sondern durch Unfall, durch Krankheit. Das kann doch nicht Grundlage für uns sein, ihnen vor diesem Zeitraum bereits das Wahlrecht zu entziehen. Die Beurteilung der Vollbetreuung ergibt sich tatsächlich erst aus gutem Grund in dem Zustand, wo sie tatsächlich vom rechtlichen Tatbestand her voll über ihre Geschäfte und ihre eigene Handlungsverantwortung entscheiden können. Das ist dann eben auch die letztendliche Entscheidung über die Frage der Ausübung des passiven oder aktiven Wahlrechts. Und das ist doch keine Entscheidung, die wir mit vorbeeinflussen oder vornehmen müssen, wenn wir darüber diskutieren, dass wir das Wahlrecht mit 16 einführen wollen. Aber es ist richtig – das sage ich auch –, dass auf Bundesebene gemeinsam mit den Bundesländern geprüft wird, ob dieser Wahlrechtsausschluss infolge der Vollbetreuung tatsächlich noch zeitgemäß ist oder nicht tatsächlich einen diskriminierenden Tatbestand darstellt. Wir hatten hier gemeinsam mit der Landesregierung vereinbart, dass wir diesen Prüfungsprozess auf Landesebene tatsächlich abwarten.
In diesem Sinne, meine Damen und Herren, werbe ich noch einmal für die Zustimmung zu diesen beiden Gesetzesinitiativen.
Meine Damen und Herren der CDU, Sie können selbst dafür Sorge tragen, dass das aktive Wahlrecht auf Landesebene wie auf Kommunalebene nicht auseinanderfällt. Stimmen Sie einfach allen
drei Gesetzentwürfen zu und wir haben hier tatsächlich eine kongruente Entwicklung. Herzlichen Dank.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dittes, ich muss noch einmal vorkommen, um das mal richtigzustellen.
Sie haben immer diese Angewohnheit, das so darzustellen, wie es Ihnen gefällt, nicht das, was man gesagt hat, sondern Sie interpretieren das so, wie Sie es gern hätten. Da bin ich beim Wahlgesetz, bei der Änderung Kommunalwahlrecht, die Absenkung. Da haben Sie gesagt, wir würden Ihnen absprechen, dass wir als Minderheit entscheiden können, was Zustimmung erfährt oder was nicht oder was durchgeht oder nicht. Ich habe explizit auf diesen Gesetzentwurf abgestellt. Ich habe gesagt, dass die Wahlen so wichtig sind, und das war auch die Argumentation von den Anzuhörenden, von der KAS, der darüber genau gesprochen hat; der hat gesagt, das ist so weitreichend dieses Gesetz, diese Absenkung, dass es einer großen Mehrheit bedürfte. Darum ging es. Es ging nicht um alle Gesetze, die hier im Haus verhandelt werden. Darum ging es überhaupt nicht. Das habe ich auch vorhin gesagt und das will ich an der Stelle noch einmal deutlich machen. Das war mein Grund, zu sagen, hier sollte man eine breite Mehrheit haben, weil es doch wirklich ein so wichtiges Gesetz ist, und dass man das nicht so leichtfertig einfach mal mit einfacher Mehrheit beschließen sollte. Man sollte schon Mehrheiten finden.
Was die andere Angelegenheit, die Vollbetreuung, anbelangt, da habe ich auch gesagt, dass es unter Umständen dazu führen kann, dass sie diskriminiert werden, und habe gebeten, dass man das Ergebnis auf Bundesebene abwartet – mehr nicht. Man sollte es abwarten, weil es nämlich ein großes Problem auch in der Anhörung dargestellt hatte. Da sollte man abwarten. Das war die Bitte. Wenn Sie das nicht machen, dann ist das natürlich Ihre Entscheidung.
Herr Adams, wenn ich einmal hier vorn bin, Ihre wissenschaftlichen Studien, die alle festgestellt haben, dass die Jugendlichen mit 16 Jahren alle reif genug sind, um aktives Wahlrecht …
Bei passivem reicht es nicht, das hatten wir schon ausgiebig diskutiert. Ich vermisse – Sie müssten doch einfach mal mit den Menschen sprechen, mit den Jugendlichen sprechen.
Da gibt es genauso viele Studien, die sagen, wir fühlen uns nicht reif, dieses Wahlrecht anzunehmen. Das ist die konkrete Frage, nicht was Wissenschaftler einschätzen könnten, die überblicken, was ein Gesetzentwurf beinhaltet oder nicht. Nein, man sollte vielleicht mal mit den Betroffenen sprechen, ob sie sich das zutrauen oder nicht und da ist die überwiegende Mehrzahl der Auffassung, dass sie sich das nicht zutrauen. Da gibt es genügend Umfragen. Da rede ich jetzt nicht von unserer Umfrage.
Da schaue ich jetzt zur Außenwahrnehmung des Landtags, da wurde es auch gefragt. In der Studie, die der Landtag jetzt erst in Auftrag gegeben hat, wurde gefragt, wann das Politikinteresse zunimmt – mit zunehmenden Alter. Im jugendlichen Alter war der Balken nur so lang, Sie können es ansehen. Das haben wir nicht in Auftrag gegeben. Da gibt es eine ganze Menge Erfahrungen, die dazu geführt haben, dass wir genau das ablehnen, weil man die Jugendlichen nicht gefragt hat, so, wie das in der Anhörung auch schon der Fall war. Danke.
Herr Kellner, Sie haben mir etwas – ich will nicht sagen – die Show gestohlen, aber zu den Genossen Adams und Dittes wollte ich auch ein paar Sachen sagen. Die beiden haben sich hier, sage ich mal, durch ihre Äußerungen an diesem Rednerpult disqualifiziert.
Herr Adams, ich war kurz davor, meinen Prinzipien untreu zu werden, als ich Ihnen zugehört habe, und dachte kurz darüber nach: Mensch, so eine Diätenerhöhung muss doch sein, allein Schmerzensgeld, wenn man sich diesen Unsinn anhören muss, den Sie hier verbreiten. Ich weiß nicht, was Sie gelernt haben oder wo Sie vorher tätig waren, aber sobald Sie versuchen, irgendetwas logisch herzuleiten, dann geht das so was von vor den Baum, dass man entweder nur schreiend rausrennen kann oder vor Lachen nicht mehr in den Schlaf kommt. Ihre
Ausführungen hier zu dem aktiven und passiven Wahlrecht – vielleicht lesen Sie das mal in einer ruhigen Stunde morgen nach –,
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Können Sie außer Beleidi- gungen noch irgendetwas anderes?)
ich glaube, Sie bekommen wahrscheinlich auch rote Ohren, wenn Sie das lesen, was Sie da gesagt haben.
Herr Dittes, Genosse Dittes, Ihre diebische Freude darüber, dass angeblich 29 Prozent der 16- bis 18-jährigen Jugendlichen in Sachsen-Anhalt an der Wahl teilgenommen haben – ich kenne die absolute Zahl jetzt nicht, Sachsen-Anhalt ist ja auch nicht so dicht bevölkert,
ich weiß nicht, wie viele Hundert Leute das waren, vielleicht waren es Tausend, wenn man Tausend noch sagen darf, ich sage es mal. Da freuen Sie sich, jetzt haben wir die Wahlbeteiligung um 1.000, 1.500 Leute erhöht und dann kommen Ihre demokratietheoretischen Ausführungen hier, ziemlich langweilig und vor allem völlig unglaubwürdig, Herr Dittes.
Sie versuchen zu erklären, dass man Jugendliche für Politik interessieren soll, dadurch dass man politische Prozesse offenlegt und das vielleicht auch akzeptiert, was gewählt wird. Genau das Gegenteil machen Sie seit einem Jahr hier in diesem Landtag. Sie und Ihre außerparlamentarischen Schlägertrupps, von Frau König angeführt, schauen Sie sich mal an,
wie Sie außerparlamentarisch mit uns umgehen und wie Sie innenparlamentarisch mit einer Fraktion umgehen, die nicht von ein paar hundert Leuten gewählt wurde, sondern die hunderttausend Thüringer gewählt haben. Herr Dittes, Sie diffamieren, Sie beschimpfen, Sie beleidigen, Sie verbreiten Lügen, Sie rufen zur Gewalt auf, Sie verteidigen ausgeübte Gewalt gegen uns, Sie üben Gewalt gegen uns aus und grenzen uns aus und das soll dann Demokratie sein, Herr Dittes? Wenn das Ihr Demokratieverständnis ist, dann armes Deutschland.
Ich sehe derzeit keine Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten. Das Wort hat der Minister für Inneres und Kommunales, Herr Dr. Poppenhäger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsident, liebe Zuschauer, bis vor 5 Minuten wollte ich noch sagen, nach der umfassenden und qualifizierten Debatte kann ich mich kurzfassen. Diesen ersten Satz kann ich so jetzt nicht mehr aufrechterhalten.
Ich will kurz noch im Namen der Landesregierung Stellung nehmen. Wir haben uns bisher immer eindeutig positioniert in diesem Meinungsbildungsprozess und wir sprechen uns auch weiterhin deutlich für die Herabsetzung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre aus. Herr Kellner, Ihr Beitrag veranlasst mich zu folgender Bemerkung: Wir wollen gar keine Wahlpflicht einführen. Wir wollen überhaupt keine Wahlpflicht einführen, sondern wir wollen die Chance auf Mitbestimmung für eine bestimmte Bevölkerungsgruppe eröffnen, nicht mehr und nicht weniger.
Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zu dieser Shell Jugendstudie sagen, die jetzt mehrfach zitiert worden ist, auch kontrovers. Ich kann nur empfehlen, diese Jugendstudie zu lesen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass das Interesse der Jugendlichen an der Politik deutlich gestiegen ist und damit auch die Bereitschaft einhergeht, sich an politischen Aktivitäten zu beteiligen, und eben auch, dass die junge Generation sich durchaus in einem Umbruch befindet und mitgestalten will. Darüber sollten wir uns alle freuen.
Zu dem Thema der unterschiedlichen Festlegung des Wahlalters auf kommunaler und auf Landesebene: Ja, in der Tat, das sollte vermieden werden. Dieser Auffassung bin ich auch und die Landesregierung schließt sich uneingeschränkt dieser Auffassung an. Eine Absenkung des Wahlalters sollte daher nach unserer Auffassung einheitlich sowohl im kommunalen Wahlrecht als auch im Landeswahlrecht erfolgen. Aus diesem Grund haben wir beide Gesetzentwürfe parallel vorgelegt. Ich werbe noch einmal dafür bei den Oppositionsparteien, sich auch der einhelligen Auffassung der angehörten Experten anzuschließen und der notwendigen Verfassungsänderung und der Änderung des Landeswahlgesetzes zuzustimmen.
Wenn man – wie die Thüringer Landesregierung – von der notwendigen Reife auch von 16-jährigen Jugendlichen ausgeht, ist es nur konsequent, ihnen dieses Wahlrecht auch für die Landtagswahlen zu gewähren.
Landesebene soll zugleich – ich sprach es auch bereits an – das Wahlalter auf kommunaler Ebene auf 16 Jahre abgesenkt werden. Hierfür haben sich – mit Ausnahme der Jungen Union – durchgehend alle angehörten Jugendverbände – ich nenne sie hier nochmals: DGB-Jugend, der Landesjugendring Thüringen, die Thüringer Linksjugend [‘solid], die Jusos Thüringen, die Grüne Jugend, das Jugendforum Thüringen, der Nachhaltigkeitsbeirat Thüringen, der Deutsche Bundesjugendring, der Stadtjugendring, die Naturfreundejugend Thüringen und die Sozialistische Jugend Deutschlands – die Falken –, ausdrücklich alle haben sich für eine Absenkung des aktiven Wahlrechts ausgesprochen.