Protocol of the Session on November 25, 2015

An der Stelle zeigen Sie ganz deutlich, dass Sie letztendlich mit Ihrer Ein-Stimmen-Mehrheit völlig ignorieren, was die Bevölkerung in Thüringen sagt, was die Umfragen sagen, das wird ignoriert, das setzen Sie durch, egal, mit welchen Konsequenzen das letztendlich erfolgt. Wir haben auch den Wahlrechtsausschluss für Menschen mit Behinderung gehört, wozu hier erhebliche Bedenken angeführt wurden, was die Wahlbeteiligung bei Vollbetreuung angeht. Hierzu wurde im Ausschuss gesagt, das wird alles noch auf Bundesebene geregelt, da wird das abschließend geregelt, weil es im Moment nicht so geregelt ist. Nun hätte ich mir doch gewünscht, bevor wir hier Gesetzentwürfe vorlegen und beschließen, hätte man doch diese abschließende

Regelung auf Bundesebene erst mal abwarten sollen, wie mit solchen Personen umgegangen wird, mit den Menschen, die in Vollbetreuung leben, wie denn letztendlich ihr Wahlrecht wahrgenommen werden kann oder nicht. Das sollte auf Bundesebene erst abgeschlossen werden. Ich verstehe nicht, warum man dem jetzt vorgreift und dies schnell auf den Weg bringt, ohne das abzuwarten, weil das meiner Ansicht nach unter Umständen auch eine Diskriminierung von behinderten Menschen darstellt.

Ich komme zum Nächsten, was wir als Risiko sehen, wenn wir das Wahlalter absenken, dass nämlich der Wahlkampf zukünftig auf Schulhöfe, in Jugendklubs verlagert wird, wo dann Parteien aktiv auf den Plan gerufen werden, gerade in diesem Bereich, wo Jugendliche noch schnell und leicht beeinflusst werden können, wenn wir den Wahlkampf in diese Bereiche verlagern. Ich denke, das kann auch nicht im Interesse von uns allen sein, dass unter Umständen nicht demokratische Parteien dann hier ihre Wähler akquirieren. Ich habe keine Lust, Wahlkampf auf Schulhöfen und in Jugendklubs zu machen.

(Beifall CDU)

(Unruhe DIE LINKE)

Ich denke, auch das sollte man mit bedenken. Aber, vielleicht ist das Ihre Absicht. Ich, wir haben da große Bedenken, dass das funktioniert.

(Beifall CDU)

Also, Sie haben meine und unsere Argumente gehört, warum wir diese Gesetzentwürfe

(Zwischenruf Abg. König, DIE LINKE: Argu- mente waren das jetzt nicht, Herr Kellner!)

(Unruhe DIE LINKE)

Sie können dann gleich reden, Frau König – ablehnen. Ich habe jedenfalls weder in der Anhörung noch in der Diskussion im Ausschuss noch an anderer Stelle, wo diskutiert wurde, gehört, dass es Sinn macht, dieses Wahlalter auf 16 abzusenken. Es spricht mehr dagegen als dafür. Und das sollte man letztendlich auch hier im Hohen Haus bedenken, mit diesen weitreichenden Folgen, die sich daraus ergeben. Wir sollten wirklich verantwortungsvoll mit dem Wahlrecht umgehen. Das ist nämlich ein hohes Gut. Wir haben bis 1989 keins gehabt. Seit 1990 haben wir das. Also, wir sollten zukünftig sehr vorsichtig damit umgehen. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Das Wort hat Abgeordnete Engel von der Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Besucherinnen, liebe Presse, liebe Zuhörerinnen am Livestream, liebe Kolleginnen! Da unseren Gästen und Zuhörerinnen die jetzt zu behandelnden Gesetzentwürfe der Landesregierung nicht vorliegen, möchte ich diese zu Beginn noch mal kurz umreißen. Das Mindestalter für das aktive Wahlrecht, also das Recht, wählen zu gehen, soll auf Landesebene von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden. Das passive Wahlrecht, also das Recht, sich zu einer Wahl aufstellen zu lassen, soll weiterhin bei 18 Jahren bleiben. Außerdem sollen in der Thüringer Landesverfassung Voraussetzungen geschaffen werden für den Fall, dass der Bund oder die Europäische Union ein Wahlrecht für Menschen ohne deutschen Pass einführt. Dafür ist es nötig, die Thüringer Verfassung und das Thüringer Wahlgesetz für den Landtag zu ändern.

Mit der Herabsenkung der Altersgrenze erhalten die Jugendlichen auf Landesebene auch Stimmrecht bei Bürgeranträgen, Volksbegehren und Volksentscheiden, da die Stimmberechtigung an die Wahlberechtigung gebunden ist.

Im zweiten Gesetzentwurf geht es um die Absenkung des Mindestalters für die Ausübung des aktiven Wahlrechts, des Rechts zu wählen, bei Kommunalwahlen. Die Landesregierung möchte hier ebenfalls das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre senken. Das passive Wahlrecht, also das Recht, sich bei einer Kommunalwahl wählen zu lassen, soll unverändert bei 18 Jahren bleiben. Dafür ist eine Änderung des Thüringer Kommunalwahlgesetzes nötig.

Mit dem aktiven Wahlrecht für die Kommunalwahlen würden die Jugendlichen auch den Rechtsstatus eines Bürgers der Gemeinde bzw. des Landkreises erhalten. Die Jugendlichen würden damit volljährigen Bürgerinnen gleichgestellt und erhalten auch alle damit verbundenen Rechte und Pflichten wie zum Beispiel Beantragung und Unterzeichnung bei Bürgerbegehren, Stimmrecht bei Bürgerentscheiden, Mitwirkung als sachkundige Bürgerinnen in Ausschüssen des Gemeinderats und des Kreistags, Mitarbeit im Wahlausschuss und Wahlvorstand sowie Mitwirkung bei der Aufstellung von Wahlvorschlägen.

Beide Gesetzentwürfe wurden im Innen- und Kommunalausschuss, im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport und im Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz beraten. Alle drei Ausschüsse sprechen sich für die Annahme dieser Gesetzentwürfe aus. Zusätzlich wurde diesen September eine öffentliche Anhörung zu beiden Gesetzentwürfen durchgeführt. Von 27 Personen oder Organisationen, die dabei angehört wurden, sprachen sich lediglich vier gegen die Absenkung aus. Deshalb finde ich es ein bisschen erstaunlich, dass

(Abg. Kellner)

die CDU-Fraktion das scheinbar nicht gehört hat. Die angestrebten Änderungen würden nämlich positive Auswirkungen auf mehr als 30.000 junge Menschen in Thüringen haben.

(Unruhe CDU)

Durch das Festhalten am Wahlalter mit 18 Jahren wurde diese Gruppe bei demokratischen Entscheidungsprozessen bisher stets ausgeschlossen. Doch 16-Jährige sind von der Kommunal- und Landespolitik nicht weniger betroffen als 18-Jährige. Die Schulpolitik beispielsweise ist Ländersache und betrifft Jugendliche am stärksten.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Was ist denn das für eine Argumentation?)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Bisher hatten sie aber keine Möglichkeit, ihre Meinung über Wahlen auszudrücken. Warum sollten sie dann von der Mitentscheidung ausgeschlossen sein?

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Frau Engel, von welcher Wolke kommen Sie denn?)

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Absenkung des Wahlalters ist damit auch ein wichtiger Beitrag zur Generationengerechtigkeit. Denn angesichts der demografischen Entwicklung stellen Jugendliche zunehmend eine gesellschaftliche Minderheit dar. Im Moment kann eine immer älter werdende Bevölkerung ihre Interessen durchsetzen, ohne die späteren Betroffenen zu beteiligen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Könnten Jugendliche früher wählen, könnten sie auch eher selbst für ihre Interessen eintreten. Bereits 2002 hielt die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zum demografischen Wandel in ihrem Schlussbericht fest, ich zitiere: „Schließlich bedarf das durch den demographischen Wandel abnehmende zahlenmäßige Gewicht von Kindern und Jugendlichen eines Ausgleiches bei den politischen Artikulationschancen. [...] Zu prüfen ist [...] eine direkte Übertragung von politischer Gestaltungsmacht an Jugendliche etwa durch eine Absenkung des Wahlalters. Jugendliche könnten so verbesserte Chancen haben, ihre spezifischen Bedürfnisse, aber auch Ängste und Empfindlichkeiten politisch zum Ausdruck zu bringen und damit eine Art Warnfunktion für spezifische gesellschaftliche Probleme und Konflikte übernehmen.“

Im Übrigen ist das stets angeführte Argument, dass es einen Zusammenhang zwischen Wahlalter und Volljährigkeit gibt, nicht haltbar. Denn Altersgrenzen im Straf- und Zivilrecht dienen dem Schutz von Min

derjährigen. Welchen Grund gibt es, junge Menschen vor dem Wahlrecht zu schützen?

(Beifall DIE LINKE)

Bei der Ausübung des Wahlrechts geht es nicht um rechtliche Bindungsfähigkeit. Minderjährige können auch nicht für die Ausübung ihres Wahlrechts persönlich haftbar gemacht werden. Warum sollten sie das auch?

Die hinter dem Argument der Volljährigkeit stehende Behauptung, dass Rechte und Pflichten in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, stimmt auch nicht, denn eine altersbedingte Aufteilung von Rechten und Pflichten gibt es im deutschen Recht bereits. So setzt die volle Strafmündigkeit erst mit dem 21. Lebensjahr ein. Außerdem halten wir Jugendliche doch auch für mündig genug, zum Beispiel ab 14 Jahren ihre Religionszugehörigkeit zu wählen, ab 16 Jahren einen Führerschein zu machen, zu heiraten oder Alkohol zu trinken.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Aber das sind doch keine Argumente!)

(Beifall DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

Das zeigt doch nur, dass es sich hierbei eben nicht um eine juristische, sondern um eine politische Frage handelt. Es ist das Wesen einer Demokratie, denen, die von Entscheidungen betroffen sind, auch ein Mitwirkungsrecht zu geben. Das Wahlrecht ist daher eines der wichtigsten Rechte der Demokratie. In einer Demokratie entscheidet nämlich immer das sogenannte Volk. So steht es auch im Grundgesetz, Artikel 20 Abs. 2: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.“ Jede Gruppe, die wir davon ausschließen, gehört dann nicht dazu und wird ausgegrenzt.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist ein erheblicher Einschnitt in ihre demokratischen Grundrechte.

(Beifall DIE LINKE)

Selbst das Bundesverfassungsgericht bestätigt im Jahr 2000: Begrenzungen des allgemeinen Wahlrechts sind verfassungsrechtlich zulässig, sofern für sie ein zwingender Grund besteht und wenn die Ausnahmen auf das unvermeidbare Minimum beschränkt bleiben. – Es gehört zu den Grundvoraussetzungen einer demokratischen Gesellschaft, dass alle Menschen an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben können. Effektiv mitwirken kann aber nur, wer auch das Wahlrecht hat. Menschen von diesem Recht auszuschließen, bedarf folglich schwerwiegender Gründe. Ausgehend von diesen Grundlagen ist eine Diskussion über Politikinteresse oder Wahl

beteiligung der 16- und 17-Jährigen hinfällig. Das Beibehalten des Wahlalters ab 18 Jahren wäre eine grundlose Beschränkung des Grundrechts und dieses Grundrecht darf nicht denen verwehrt werden, die wählen gehen wollen.

Grundsätzlich gilt sowieso, dass in der Debatte um die Absenkung des Wahlalters an die 16- und 17Jährigen Anforderungen gestellt werden, die bei allen anderen Wählergruppen keine Relevanz haben. Führt man das Beispiel der Wahlbeteiligung oder das Politikinteresse an, Herr Kellner, so müsste nach Ihrer Logik ganz Sachsen-Anhalt das Wahlrecht entzogen werden. Das haben auch alle Jugendverbände, die zur Anhörung eingeladen wurden, so erkannt und kritisiert. Alle, bis auf einen. Der einzige Jugendverband, der sich gegen eine Absenkung des Wahlalters aussprach, war die Junge Union Thüringen.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Die Junge Union ist nämlich unter anderem der Auffassung, dass unterschiedliche Wahlalter bei den verschiedenen Wahlen den Eindruck vermitteln, dass Kommunalwahlen minderwertiger als Landtagswahlen seien. Ja, der Meinung sind Sie auch, Herr Kellner.

(Zwischenruf Abg. Kellner, CDU: Genauso ist das!)

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Da haben Sie die Meinung vor- gegeben!)

Hierzu sei kurz erklärt, dass die Junge Union davon ausgeht, dass wir heute nur das Wahlalter für Kommunalwahlen senken. Bei einer Änderung des Wahlalters auf Landesebene bräuchten wir nämlich eine Zweidrittelmehrheit, also auch die Stimmen der CDU,