Protocol of the Session on November 6, 2015

(Unruhe CDU)

Niemand von uns will sich in die Erziehung der einzelnen Familien einmischen. Das wäre weder unser Recht noch unsere Aufgabe, meine sehr geehrten Damen und Herren. Der Bildungsplan gilt auch nicht für die Eltern als Plan für ihre Erziehung, sondern der Bildungsplan gilt selbstverständlich für die Institutionen, die mit der Bildung, Erziehung und Betreuung unserer Kinder betraut sind, sprich für die Kindertagesstätten, für die Schulen selbstverständlich und für weitere Bildungsinstitutionen.

Wenn Sie sich den Entwurf auf der Homepage mit Stand vom 14. Oktober 2013 vornehmen, dann steht dort schon im Kapitel 1.2 – 2013, nur noch mal zur Erinnerung, da regierten CDU und SPD – unter der Überschrift „Heterogenität als Normalfall, individuelle und soziale Vielfalt, Umgang mit Heterogenität“, ich zitiere: „Die Entwicklung von Geschlechteridentität basiert auf Gleichberechtigung und Gleichachtung. Das schließt ein, dass alle am Bildungsprozess der Kinder und Jugendlichen Beteiligten Verallgemeinerungen stereotyper Rollenvorstellungen kritisch entgegentreten.“ Da waren wir doch schon relativ weit, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich jedenfalls bin guten Mutes, dass wir auch mit dem Bildungsplan für Kinder bis 18 Jahre eine gute, eine fundierte Vorlage bekommen, die Bildung als ganzheitlichen Prozess altersund lebensphasenübergreifend abbildet.

Ich hoffe auf eine sachliche Diskussion. Des Antrags der CDU bedarf es dafür nicht, zu dem der AfD äußere ich mich gar nicht erst. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten kann ich momentan nicht erkennen. Ich erteile das Wort der Landesregierung, Frau Staatssekretärin Ohler.

(Abg. Rothe-Beinlich)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Gäste auf der Tribüne! Als Erstes möchte ich dieses Thema dazu nutzen, den sehr engagierten Lehrerinnen und Lehrern für ihre Arbeit zu danken. Ich glaube, das ist in diesen Zeiten, in denen wir vor so großen Herausforderungen stehen, einmal besonders nötig. Der Bildungsplan dient der Unterstützung dieser Arbeit. Zur Einbindung der Lehrer und Eltern komme ich später noch.

Zunächst ein paar grundsätzliche Sachen. Mit dem Thüringer Bildungsplan für Kinder bis 18 Jahre ist Thüringen bundesweit Vorreiter. Mit dem Bildungsplan nehmen wir die gesamte Entwicklung des Kindes in den Blick. Wir sind das erste Bundesland, das in seinem Bildungsplan Bildung in diesem großen Bogen denkt, von der Kita bis in das Berufsleben. Meine Vorrednerinnen und -redner haben es schon gesagt, diesen Auftrag, Bildung bis 18 Jahre zu denken und zu durchplanen, zu besprechen, ist ein Auftrag der Vorgängerregierung, den wir gern fortgeführt haben. Mit dem Bildungsplan denken wir Bildung vom Kinde her. Kinder und Jugendliche nehmen nicht automatisch denselben Blickwinkel ein, nur weil sie gerade alle in der gleichen Bildungseinrichtung, in der Kita oder in der Schule sind. Gerade in den Phasen des Übergangs zwischen zwei Einrichtungen gibt es oft große Entwicklungsunterschiede. Hier setzt der Bildungsplan an. Der Bildungsplan anerkennt die Individualität von Lernprozessen. Damit gibt der Bildungsplan den pädagogischen Fachkräften, den Mitarbeitern in den Bildungseinrichtungen, ein unterstützendes Instrument an die Seite, um Kinder und Jugendliche bei ihrem individuellen Bildungsprozess bewusst begleiten zu können. Der Thüringer Bildungsplan ist ein Orientierungsrahmen für die pädagogische Arbeit, für alle Bildungsorte und für alle, die im Bildungsbereich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben: Kitas und Schulen, Träger der Berufsbildung, kirchliche Einrichtungen, Träger der kulturellen Bildung, Vereine etc. Der Thüringer Bildungsplan ist kein Lehrplan, kein Gesetz und keine Verordnung, sondern dient maßgeblich der Orientierung und Unterstützung der pädagogischen Fachkräfte. Der Thüringer Bildungsplan ist aus Sicht des Kindes und der Jugendlichen formuliert und fragt, wie man Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung unterstützen kann.

Der Bildungsplan orientiert sich dabei an vier Eckpunkten. Der Bildungsplan begreift Bildung als institutionenübergreifenden Prozess. Er fördert die Vernetzung aller Bildungsträger untereinander. Er hilft bei der Reflexion pädagogischen Handelns. Und der Bildungsplan unterstützt die systematische pädagogische Arbeit in den Einrichtungen. Das ist, Herr Tischner, das genaue Gegenteil der Abschaffung der Differenzierung. Abschaffung von Exklusion

meint, Abschaffung von Ausschluss, unter anderem wegen Armut und sexueller Orientierung. Uns geht es gerade um kindgerechte differenzierte Beschulung.

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Haben wir doch schon!)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Fortentwicklung des Thüringer Bildungsplans für Kinder bis 18 Jahre war 2009 Teil der Koalitionsvereinbarung. Im August 2008 war der Bildungsplan für Kinder bis zehn Jahre in Kraft getreten. Zu diesem Zeitpunkt hatten die meisten Bundesländer schon einen Bildungsplan. Eine Evaluierung des bestehenden Bildungsplans wurde damals nicht beschlossen. Es wurde entschieden, weiterzugehen und ein wissenschaftliches Konsortium – es wurde heute schon mehrfach erwähnt, das im Februar 2011 die Arbeit aufgenommen hat – mit der Weiterentwicklung des Thüringer Bildungsplans für Kinder bis 18 Jahre beauftragt. Das Konsortium besteht aus – auch das wurde schon erwähnt – neun Professorinnen und Professoren, die eine geballte Kompetenz im Bereich der Pädagogik mitgebracht haben. Darunter sind renommierte Experten aus den Bereichen pädagogische Psychologie, Kunst-, Musik-, Religionsund Chemiepädagogik. Diese Kompetenz ist direkt in den Bildungsplan eingeflossen. Im Januar 2012 hat sich der Fachbeirat konstituiert. Dem Fachbeirat gehören rund 30 Vertreter aus Wirtschaft, Kultur, aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften und der Gesellschaft an. Es kann also mitnichten davon gesprochen werden, die Gesellschaft habe bislang nicht mitdiskutiert.

Im Mai 2014 hat dann die Erprobungsphase begonnen. 150 Praxispartner aus dem frühkindlichen, dem schulischen und dem außerschulischen Bereich haben daran teilgenommen. Die Praxispartner haben in fünf zentralen Treffen während der Erprobungsphase 2015 ihre Erfahrungen und Änderungsvorschläge diskutiert und an das Konsortium weitergeleitet. Das Konsortium hat die Rückläufe geprüft und eingearbeitet. Seit Juni 2015 liegt dem Bildungsministerium die überarbeitete Entwurfsfassung vor. Aktuell prüfen wir den Entwurf. Geplant ist, dass Mitte November der Entwurf in den Druck geht und die Veröffentlichung Mitte Dezember stattfindet.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle allen danken, die sich in die Erarbeitung des Bildungsplans eingebracht haben. Ich danke den Wissenschaftlern um Frau Prof. Kracke. Ich danke dem Fachbeirat und ich danke den Praxispartnern, die das Papier mit viel Lust und Neugier einer ersten Nagelprobe unterzogen haben. Uns ist eines wichtig: Der Bildungsplan ist für die Praxis bestimmt und der Bildungsplan muss sich in der Praxis bewähren. Dafür werden wir uns Zeit nehmen.

Für die Implementierung haben wir ein effektives Konzept für die Umsetzung in die Praxis entwickelt, das Information und Evaluation verbindet. Anfang 2016 beginnt die Implementierungsphase. Wir werden den Bildungsplan in einer Reihe von Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen den zentralen Akteuren vorstellen. Dazu gehören insbesondere

die Pädagoginnen und Pädagogen im frühkindlichen Bereich, im schulischen Bereich sowie in der Lehrerbildung,

die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Liga-Verbände und der kommunalen Spitzenverbände,

die Beraterinnen und Berater für Schulentwicklung und die Verantwortlichen für Ausbildung,

die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Studienseminare, des ThILLM, der staatlichen Schulämter und der Schulverwaltungsämter,

die öffentlichen Träger der Jugendhilfe und sonstige mit der Jugendhilfe Befassten, inklusive des Landesjugendhilfeausschusses

sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jugendämter, der LAG Hilfen zur Erziehung, der landesweit tätigen Jugendverbände und kulturellen Jugendbildung.

Diese fachlichen Veranstaltungen dienen uns auch dazu, die Hinweise und Anmerkungen der Fachkräfte zu sammeln. Wir wollen die weitere Rückmeldung der Fachkräfte. Wir wollen eine Mitwirkung. Eine Möglichkeit ist die Einrichtung eines OnlineFormulars auf den Seiten des Bildungsministeriums. Für diese erste Implementierungsphase haben wir zwei Jahre vorgesehen. Danach führt das ThILLM eine Evaluierung durch, die untersucht, inwiefern eine Verankerung des Bildungsplans bis 18 Jahre in die pädagogische Praxis stattgefunden hat. Ende 2017 können wir dann eine erste Bilanz ziehen. Dann haben wir eine gute Grundlage für den nächsten Schritt, für die Transferphase.

Sehr geehrte Damen und Herren, wir setzen auf den Sachverstand der pädagogischen Fachkräfte. Auch bei der Umsetzung des Bildungsplans. Deswegen haben wir einen Fachbeirat, deswegen haben wir Praxispartner einbezogen und deswegen haben wir über die Jahre immer wieder in verschiedenen Veranstaltungen über das Grundanliegen des Thüringer Bildungsplans bis 18 Jahre informiert. Allein in den vergangenen 12 Monaten haben 13 Veranstaltungen in ganz Thüringen stattgefunden:

kontinuierliche Fachbeiratssitzungen zu jedem Bildungsbereich in der Erarbeitungsphase,

anschließend jeweils fünf Treffen der Praxispartner und des Konsortiums in der Erprobungsphase.

Das Schülerparlament in Mühlhausen hat den Plan am 29. Oktober 2014 diskutiert.

Vorgestellt wurde der Bildungsplan am 16.07.2015 an der Berufsschule Heldrungen

und bei Sitzungen des Landesschulbeirats, zum Beispiel am 12. November 2014,

am 28. November 2014 bei der Landeselternvertretung, das heißt, auch die Eltern wurden bereits eingebunden,

sowie in einem Seminar an der FSU Jena. Diese Fachdiskussionen wollen und brauchen wir.

Sehr geehrte Abgeordnete, der Bildungsplan ist also ein fachlicher Orientierungsrahmen. Der Bildungsplan ist kein politisches Papier. Er ist von renommierten Wissenschaftlern verfasst worden, die das volle Vertrauen der Vorgängerregierung hatten und die auch unser Vertrauen haben. Ihnen, den Abgeordneten, ist es natürlich unbenommen, im Bildungsausschuss und im Plenum über alle bildungspolitischen Themen zu diskutieren, also auch über den Bildungsplan bis 18 Jahre.

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Tischner?

Ja.

Bitte schön.

Herr Präsident. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin, Sie haben gerade noch mal sehr ausführlich darauf hingewiesen, was uns bekannt ist, dass mit verschiedenen Fachbeiräten und interessierten Multiplikatoren bereits gesprochen wurde. Das ist gut, das bezweifeln wir auch nicht. Können Sie uns auch sagen, welche Hinweise, welche Anregungen aus diesen Gesprächen bisher bei Ihnen eingegangen sind und inwiefern diese Anregungen/Anmerkungen auf den zu erwartenden Entwurf Einfluss genommen haben?

Das wird uns gerade für die Leitungsebene im Ministerium zugearbeitet. Deswegen könnte ich Ihnen danach, wenn die Zuarbeit bei mir ist, Auskunft geben. Jetzt aber noch nicht.

Das klang wie eine Zusage.

(Staatssekretärin Ohler)

(Zwischenruf Abg. Tischner, CDU: Ja, habe ich so verstanden!)

An den Ausschuss.

Herzlichen Dank, an den Ausschuss.

Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. Das bleibt auch dabei. Ich habe keinen Antrag auf Ausschussüberweisung vernommen. Ich gehe davon aus, auch das bleibt dabei.

Dann kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag der CDU-Fraktion, eine Neufassung in der Drucksache 6/1052. Wer diesem seine Zustimmung erteilen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der CDU-Fraktion und des Abgeordneten Gentele. Die Gegenstimmen bitte. Die Gegenstimmen aus den Reihen der Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen, der SPDFraktion und der AfD-Fraktion. Stimmenthaltungen? Stimmenthaltungen kann ich nicht erkennen. Damit ist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt.

Dann kommen wir zum Alternativantrag.

Herr Präsident, wir hätten gern eine namentliche Abstimmung zum Alternativantrag.

Wenn Sie die Freundlichkeit hätten, mich zumindest die Abstimmungsfrage stellen zu lassen, dann werden wir so verfahren.

Wir kommen zum Alternativantrag der Fraktion der AfD in der Drucksache 6/1147 – Neufassung. Auch da ist keine Ausschussüberweisung beantragt. Das bleibt auch dabei? Ja. Dann kommen wir direkt zur Abstimmung und da hat die Fraktion der AfD namentliche Abstimmung beantragt. Ich bitte, die Stimmkarten einzusammeln.

Es haben noch nicht alle ihre Stimme abgegeben – aber jetzt. Dann bitte ich, die Stimmen entsprechend auszuzählen.

Hier das Ergebnis der Abstimmung zur Drucksache 6/1147. Es wurden 83 Stimmen abgegeben. Davon entfielen auf Ja 5 Stimmen, 78 Neinstimmen (namentliche Abstimmung siehe Anlage 1). Damit ist dieser Alternativantrag mit Mehrheit abgelehnt. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 13