Zum Schluss der Hinweis, dass das Gesetz in der Tat einen neuen Namen braucht, weil es nicht nur Feiertage, sondern auch Gedenktage regelt. In diesem Sinne, meine Damen und Herren, lassen Sie uns gedenkpolitisch Maß halten. Jetzt freue ich mich, Herr Blechschmidt, auf unsere ideologische Auseinandersetzung.
(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Ich möchte Ihren Beitrag nicht intellektuell aufwerten mit meiner Frage!)
Herr Abgeordneter Brandner. Für Ihre Aussage „linkes Spitzelpaar“ erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf, weil auch das eine Herabwürdigung von Menschen in diesem Hause ist.
Aber es ist die Wahrheit, Frau Präsidentin. Ich nehme es zur Kenntnis, ich kommentiere es nicht. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich sage jetzt auch nichts zur Reihenfolge der Rednerinnen und Redner. Die ist, wie sie ist.
Wir reden heute über den Gesetzentwurf der CDU, der in der Tat an eine Debatte anknüpft, die wir erst vor wenigen Wochen in diesem Haus geführt haben. Ich habe den Aufruf unseres Ministerpräsidenten Bodo Ramelow etwas anders verstanden, nämlich, gemeinsam zu überlegen, welche Feier- oder Gedenktage vielleicht ebenso Eingang in ein solches Gesetz finden sollten. Sie als CDU-Fraktion haben das für sich so interpretiert, dass Sie einen eigenen Vorschlag vorlegen. Das ist Ihr gutes Recht, das ist überhaupt gar keine Frage. Wir sind selbstverständlich hier zur Diskussion bereit. Schöner wäre es in der Tat gewesen, man hätte sich vielleicht vorab verständigt und nach gemeinsamen Vorschlägen geschaut.
Ich gebe zu, dass mich Ihre Neufassung, die mich auch eben erst erreichte, hat schlucken lassen, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich hoffe, das ist nur der Tatsache geschuldet, dass Sie sehr schnell noch erweitert wurde. Vielleicht hat sich da hoffentlich auch nur der eine oder andere kleine Fehler eingeschlichen, denn in der Bewertung, meine sehr geehrten Damen und Herren, mit Blick auf den 9. November muss ich mich den Ausführungen meiner Kollegin Katharina König durchaus anschließen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen alle, dass Feiertage Landesrecht sind und dass es in der Gesetzlichkeit bundesweit eine Abstufung quasi in vier Kategorien gibt: Es gibt gesetzliche Feiertage, es gibt religiöse Feiertage, es gibt weite
re Gedenk- und Feiertage mit Gesetzesrang und es gibt weitere Gedenktage – diese legen zumeist die jeweiligen Regierungen fest – ohne Gesetzesrang. Ich habe bei der Bundeszentrale für politische Bildung einen sehr spannenden Beitrag zur Funktion von Gedenktagen gefunden. Vielleicht möchte ihn der eine oder die andere einmal nachlesen. Da heißt es nämlich zum Beispiel: „Gedenktage sind ‚Denkmäler in der Zeit‘. Sie sind zwar weder ortsgebunden noch von einem Medium abhängig, doch sie sind zeitgebunden und bedürfen der ständigen Pflege durch die Gesellschaft.“ Weiter heißt es: „Ihre periodische Wiederkehr ist ambivalent: Einerseits ermöglicht sie regelmäßiges Erinnern, andererseits birgt sie aber auch die Gefahr der Erstarrung in Routine.“ Diejenigen, die in der ehemaligen DDR groß geworden sind, wissen, glaube ich, was Erstarrung in Ritualen und Routine auch so mit sich bringen kann.
Nichtsdestotrotz ist es entscheidend, wie die erinnerungskulturelle Praxis dann in der Bedeutung eines Gedenktags aussieht, denn es geht um Selbstverständnis und Vergangenheitsdeutung. Welche Deutungen es da so gibt, mussten wir heute hier schon von unterschiedlicher Seite wahrnehmen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Gedenktage haben natürlich auch eine herrschaftsbewahrende und auch loyalitätserzeugende Funktion, das ist auch vielerorts nachlesbar. Sie sollen aber vor allem konsensstiftend und stabilisierend wirken. Außerdem haben sie durchaus auch ein kritisches Potenzial, weil sie als Stimulus für geschichtswissenschaftliche Erforschung der Vergangenheit dienen. Gedenktage sollen ermöglichen, innezuhalten und Anlass bieten zu kritischer Selbstreflexion – ich weiß, das fällt manchen schwer –, auch zur Korrektur von stereotypen Geschichtsbildern, die bisweilen sehr leichtfertig produziert werden.
Zu den konkreten Vorschlägen, die Sie von der CDU jetzt gemacht haben, will ich so viel sagen: Sie haben den 18. März als Tag der parlamentarischen Demokratie benannt. Das ist ja auch nicht neu, das wurde beispielsweise 2008 auch schon einmal von der bremischen CDU vorgeschlagen, auch in Sachsen ist es einmal diskutiert worden. Sie haben diesen Tag damit begründet, dass da die erste freie Kommunalwahl in der DDR stattfand. Ich habe auch noch mal nach einem Bezug zu Thüringen geschaut. Am 18. März 1990 fand übrigens nicht die erste freie Kommunalwahl in Thüringen statt, wenn wir schon über Geschichte sprechen. Diese fand bereits nach dem Zusammenschluss zum Land Thüringen am 10. September 1922 statt. Trotzdem finde ich es richtig, über diesen Tag nachzudenken.
sen. Diese sind allerdings bewusst nicht zum Bezugspunkt in dem CDU-Gesetzentwurf gemacht worden wie beispielsweise die Märzrevolution. Am 18. März 1793 gab es übrigens die Proklamation des rheinisch-deutschen Freistaats. Da entstand im Raum Mainz während der Französischen Revolution ein kurzlebiges republikanisches Staatswesen, das auf Menschenrechten und demokratischen Ideen gründete. Auch solche spannenden Bezüge finden wir, wenn wir einmal genauer nachschauen, was hinter diesen Daten steht.
Der 17. Juni als Gedenktag für die Opfer der SEDDiktatur, glaube ich, ist ein Tag, auf den wir uns sicher hoffentlich schnell verständigen können, denn ohne Zweifel ist das ein Tag, der uns alle immer wieder innehalten lässt und dem auch, glaube ich, ein entsprechender Stellenwert gegeben sein sollte. Er ist nationaler Gedenktag, er ist allerdings im Moment kein Feier- und Gedenktag mehr. Deswegen meinen wir durchaus, es lohnt sich, darüber weiter nachzudenken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der 25. Oktober, der Tag der Verfassung und des Landtags. Ich habe mich schon gefragt, welche Verfassung gefeiert werden soll, vermutlich die Thüringer Verfassung. Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, einen Tag einzurichten, um sich selbst zu feiern als Tag des Landtags und der Verfassung.
Ich kann das schon nachvollziehen. Ich weiß, dass die Verfassung durch Volksentscheid in Kraft getreten ist. Aber Sie wollen ihn ja nicht nur als Tag der Verfassung, sondern auch als Tag des Landtags – und darauf bezog sich das Sich-selbst-Feiern. Das liegt mir nicht so. Außerdem hatte Thüringen auch vor 1990 schon mal eine Verfassung und einen Landtag, vielleicht kommt man auch dazu mal ins Gespräch. Trotzdem ist es ein Vorschlag, über den zu diskutieren sich lohnt.
Sie haben jetzt noch den 9. November nachgereicht, den 9. November in all seiner – ich glaube, hier passt der Begriff tatsächlich – Ambivalenz, der 9. November, der der Beginn des millionenfachen Mords war, der industriellen Vernichtung von Menschen, von Juden, derer wir immer wieder gedenken und aus der für uns eine tiefe Verpflichtung entsteht, „nie wieder“ zu sagen zu derartiger Ideologie, „nie wieder“ zu sagen zu Faschismus, zu Rassismus, zu Antisemitismus, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da fand ich Ihre Redewendung, Herr Walk, auch ein wenig lapidar, als Sie über den 8. Mai gesprochen haben.
Zusammenfassend will ich feststellen, kein anderes deutsches Bundesland hat außer den üblichen weltlichen und religiösen Tagen Gedenktage mit
Gesetzesrang. Es gibt nur drei Ausnahmen, das ist der 8. Mai in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie in Sachsen die Möglichkeit eines örtlichen Gedenktags zur Erinnerung an die friedliche Revolution im Jahr 1989. Den können dort die Gemeinden und Kommunen per Satzung festlegen. In Bayern und nur für Augsburg gibt es das Friedensfest am 8. August.
Ich hoffe tatsächlich auf eine offene Diskussion und will einen weiteren Tag heute hier mit zu bedenken geben, nämlich den 10. Dezember, den Tag der Menschenrechte. An diesem Tag verleiht die Stadt Weimar seit vielen Jahren den Menschenrechtspreis. Ich glaube, der Tag der Menschenrechte ist auch ein Tag, der sich sicherlich als Tag des Nachdenkens, als Gedenktag eignen würde. Ich jedenfalls hoffe auf eine gute, auf eine inhaltlich vertiefte Debatte in den Ausschüssen und beantrage die Überweisung auch an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Vielen herzlichen Dank!
Für die Fraktion der SPD hat sich Abgeordnete Pelke zu Wort gemeldet. Ich möchte an dieser Stelle noch den Hinweis geben, dass wir danach den Tagesordnungspunkt 14 aufrufen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich zu dem eigentlichen Punkt komme, weshalb ich mich noch mal zu Wort gemeldet habe, vielleicht doch noch einen Satz zum Redner der AfD. Als ich seine Ausführungen gehört habe, ist mir eingefallen, dass ich noch mal ganz besonders stolz darauf bin, dass wir in Thüringen nun endlich ein Bildungsfreistellungsgesetz haben. Ich denke, Sie sollten es nutzen, um Ihre Geschichtskenntnisse aufzufrischen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich verstehe die Emotionalität von Frau König und auch, was Frau Rothe-Beinlich gesagt hat. Ich gehe davon aus, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, dass wohl doch tatsächlich aufgrund der Schnelle des Schreibens und des Einbindens eines weiteren Gedenktagvorschlags, was den 9. November angeht, Ihnen ein Fehler unterlaufen ist, und dass Sie nicht meinten, dass am 9. November im Rahmen der Reichspogromnacht etwas „inszeniert“ wurde, sondern dass etwas „initiiert“ wurde und et
was in Gang gesetzt wurde, was an Grausamkeit in dieser Welt nicht mehr zu überbieten war. Ich muss nicht für irgendjemand anderen reden, aber ich würde mir wünschen, dass wir an dem Thema der Gedenktage doch eine gemeinschaftliche Diskussion auf normalem Maß zustande bekommen, wie es eben auch Frau Rothe-Beinlich formuliert hat. Insofern finde ich es missverständlich in Ihrem Antrag, dass der 9. November ein Tag der „demokratischen Selbstbesinnung“ sei und diese Begrifflichkeit „inszeniert“. Vielleicht könnte das an dieser Stelle noch heute entsprechend von Ihnen verdeutlicht werden, was tatsächlich dahintersteht. Ansonsten wünsche ich mir sehr, wir bleiben dabei, dass dieser Antrag überwiesen wird. Wir werden uns auch als SPD-Fraktion noch mal sehr deutlich dazu positionieren. Der 17. Juni, das habe ich für die SPDFraktion schon gesagt, ist für mich ganz persönlich eine Selbstverständlichkeit als Gedenktag für die Opfer des DDR-Regimes und der SED-Diktatur. Wir sollten auch über den 9. November nachdenken. Wir sollten auch über andere mögliche Gedenktage noch mal miteinander ins Gespräch kommen. Wenngleich ich auch sage, was den 9. November angeht, dass bei alldem, was dieser Tag in seiner Ambivalenz auch an Positivem gegebenenfalls mit sich bringt, für mich dieser Tag immer überschattet ist von der Erinnerung an die Reichspogromnacht. Ich hoffe und wünsche, dass viele auch an diesem 9. November wieder hier – entweder in Erfurt oder an anderer Stelle – ihr Gedenken am Jüdischen Friedhof auch offenkundig werden lassen und dieses parteiübergreifend. Insofern hoffe ich, dass wir uns gemeinschaftlich einigen können, ohne Gedenktage und die Anzahl derer überstrapazieren zu wollen, aber dass wir auch deutlich machen, dass es bestimmte Tage gibt, die in der Erinnerung haften bleiben sollten, man sie deshalb durchaus auch als Gedenktag bezeichnen sollte und in den beiden von mir angesprochenen Fällen auch muss. Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte einfach ein paar Dinge noch mal klarstellen zu den Hintergründen unseres Antrags, weil von einigen Rednern doch falsche Dinge hier hineininterpretiert wurden.
Meine Damen und Herren, aus der Geschichte lernen, dazu gehört zum einen historische Sachkenntnis, und zwar tiefgründig und nach allen Richtungen, damit man sich ein eigenes Urteil bilden kann,
am besten liest man natürlich Primärquellen, damit niemand vorher schon kommentiert und zensiert und in eine bestimmte Richtung gelenkt hat. Das sage ich jetzt als einer, der in der DDR auch Geschichte studiert hat und wo es mir verwehrt wurde, Originalquellen zu lesen.
Aber das ist eben nur die eine Seite, zunächst erst einmal wirklich historische Kenntnisse haben und sich aneignen. Aber dann muss ich eben auch sagen, für uns als Politiker heißt es dann, wenn es darum geht, aus der Geschichte zu lernen: Wenn man politische Prozesse lenken will, dann muss man im Gespräch sein, und zwar mit allen. Das schließt die ein, mit denen man gut reden kann. Das schließt aber auch die ein, mit denen es schwer ist zu reden und wo man vielleicht auch emotionale Probleme hat, mit denen zu reden. Und trotzdem muss man im Gespräch bleiben. Das lehrt für mich jedenfalls die Geschichte.
Deswegen ist es ganz wichtig, dass man sich diese Haltung bewahrt, das Gespräch zu suchen, den anderen zu akzeptieren, auch andere Haltungen, zumindest zu versuchen, zu verstehen und zu ergründen, wo kommen sie her. Nur dann kann man Politik in demokratischen Prozessen gestalten.
Deswegen möchte ich noch mal etwas zu dem Verstehen des Textes hier sagen. Frau König, das hat mir überhaupt nicht gefallen, was Sie da in unsere Begründung hineininterpretieren. Wenn jetzt hier das Wort steht, die Novemberpogrome wurden 1938 von den Nationalsozialisten „inszeniert“, dann ist natürlich mit „inszenieren“ keine Verharmlosung gemeint, sondern es ging doch damals darum, öffentlich wirksam gegen die Juden zu Felde zu ziehen und Hass zu schüren und den Juden Angst einzutreiben und damit einen Prozess in Gang zu setzen, vielleicht auch Aggressionen auf der einen Seite loszutreten, auf der anderen Seite tiefe Einschüchterung und Verängstigung. Jetzt können wir gerne darüber reden, welche Begriffe wir wählen – darum werbe ich natürlich – und welchen Gedenktagen wir uns in Thüringen zukünftig widmen. Aber dass wir natürlich hier auch darüber reden, welche Hintergründe stehen und wie das zu verstehen ist, und dann können wir gerne an dem Text und an den Begründungen feilen.