Jetzt will ich mich noch mal ganz klar der AfD zuwenden. Was erlauben Sie sich? Was erlauben Sie sich, Menschen abzuwerten,
die einfach unterwegs sind in dieser Welt, einfach unterwegs sind aus wirtschaftlicher Not, aus rechtlicher Not oder es einfach nur wollen, in Freiheit mit mehr Perspektiven und besseren Perspektiven mit ihren Familien zu leben? Was glauben Sie, warum Sie die abwerten dürfen?
Die Geschichte unseres Landes ist voll von Menschen, die sich aufgemacht haben in andere Länder, in andere Regionen, um dort ihr Glück zu suchen, aus bitterer Armut. Wir müssen nicht nur über die deutschen Einwanderer, massenhaften Einwanderer in die USA reden, wir müssen nicht nur an die bitterarmen Schwaben, die sich aufgemacht haben, ein Land zu suchen, in dem sie genug fruchtbaren Boden haben, um ihre Familien zu ernähren, erinnern. Wir müssen uns einfach nur daran erinnern, zum Beispiel meine Generation, die mit Anfang 20 dieses Land, die DDR, verlassen hat, die haben nicht Hunger gelitten, die sind auch nicht alle vom Gefängnis bedroht gewesen. Sie wollten einfach nur mit ihrer Familie in Freiheit leben,
sie wollten Perspektiven entwickeln. Und Sie wollen dieses Argument Menschen absprechen? Das kann ich nicht verstehen.
Sehr geehrter Herr Kollege Möller – also Möller von der AfD, er ist jetzt gerade nicht da, wahrscheinlich mit seinem Handy draußen.
Er hat als Erstes, glaube ich, zwei Anfragen gestellt, zwei Anfragen, in denen er den Menschen, die hier in Thüringen vor Flucht und Vertreibung Obdach suchen, eines ganz klar ins Gesicht sagt: Wir wollen euch hier nicht haben. Das sagt er ganz klar mit seinen Anfragen, meine sehr verehrten Damen und Herren:
Wir wollen euch nicht hier haben; wir staunen darüber, dass die Statistik so schlecht ist, dass man euch, obwohl man euch rausschmeißen könnte, immer noch nicht rausgeschmissen hat. Und dass er danach fragt: Wie, was, die wehren sich sogar auch noch, wenn sie rausgeschmissen werden sollen? – das finde ich unglaublich.
Ja, die haben Angst. Ja, die haben Angst vor dem, was ihnen jetzt geschehen soll. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das darf man auch. Die sind nämlich nicht mit dem Reisebus hierhergekommen, so wie Sie in den Urlaub in interessante Gegenden fahren. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, glauben, dass die mit dem Reisebus hier angekommen sind. Das ist aber so nicht. Die sind bei Nacht aus ihren Dörfern losgegangen. Sie sind vor Schüssen in Deckung gegangen, diese Menschen. Diese Menschen haben an Grenzen und Meeren gestanden und sie wussten nicht, ob sie sie lebendig überqueren können, und kommen hier an, sind endlich hier in Freiheit und Frieden angekommen und dann kommt jemand von Ihnen und sagt: Aber avanti, schnell wieder zurück! – Unglaublich, meine sehr verehrten Damen und Herren, unglaublich!
Wie borniert muss man sein, unter den Bedingungen des demografischen Wandels, der uns große Sorgen macht, die Leute wegzuschicken, die gerne hierhergekommen sind? Ich kann das nicht verstehen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Wir sind deshalb sehr froh, sehr geehrter Herr Ramelow, lieber Minister Lauinger, dass das Kabinett als ersten Beschluss den Abschiebestopp beschlossen hat und damit den Menschen über die Zeit, die Winterzeit hier sicheres Obdach gibt. Das soll unsere Politik tragen. Ganz herzlichen Dank allen, die daran so schnell in der ersten Woche mitgearbeitet haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn ich diesen Tagesordnungs- oder diesen Diskussionspunkt von mir begonnen habe mit einem Wort aus der katholischen Kirche, dann möchte ich gern mit dem Leitspruch der EKM hier enden, der ganz klar sagt: „Nächstenliebe verlangt Klarheit.“
Es gibt noch viele Themen, die es anzureißen gilt. Mit Blick auf die Zeit will ich ganz kurz auf Wirtschafts- und Finanzpolitik eingehen. Alle haben es schon gesagt: Die CDU sollte sich in großer Demut üben. Sie haben uns 16 Milliarden Euro Schulden hinterlassen, wir werden mit diesem Erbe umgehen müssen. 16 Milliarden Euro Schulden, das bedeutet, dass Thüringen 7 Prozent seines Haushalts jeweils in die Zinsausgaben geben muss, im Vergleich dazu das Land Sachsen nur 2 Prozent oder Mecklenburg-Vorpommern, nicht schwarz regiert, sogar nur 5 Prozent. Alle sind besser als wir; wir sind nicht die Top-Thüringen-Leute, wie Sie es versuchen immer wieder darzustellen.
Zur Frage der Wirtschaftskompetenz, meine sehr verehrten Damen und Herren, gab es ja eine interessante Debatte am Anfang dieser Woche, vor Ihrem CDU-Parteitag, wo sich Leute aus dem DIW hinreichend geäußert haben und danach gefragt haben: Wo ist denn eigentlich die Wirtschaftskompetenz, die ehemalige Wirtschaftskompetenz der CDU hingegangen?
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen niemanden in der Wirtschaftspolitik gängeln. Wir werden neue Möglichkeiten eröffnen, die insbesondere im Klimawandel liegen, insbesondere in der Energiewende liegen, insbesondere in einer solidarischen Weise mit Pflege umzugehen, und insbesondere darin, dass wir Naturschutz voranbringen werden. Dieses Land, dieser wunderschöne Freistaat Thüringen, kann mehr, er kann mehr Ökologie mit Ökonomie verbinden, dieser Freistaat Thüringen kann mehr Demokratie in Regierungshandeln einbinden und dieser Freistaat Thüringen kann Solidarität üben, auch jenseits von MehrGeld-Ausgeben. Dafür stehen wir Grüne. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Adams. Meine Damen und Herren, damit ist zunächst einmal die Rednerliste, die gemeldet worden ist, abgearbeitet.
Gibt es aus den Reihen der Abgeordneten noch weitere Wortmeldungen? Das kann ich nicht erkennen. Wünscht die Regierung noch einmal das Wort? Herr Ministerpräsident, bitte.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es bleibt festzustellen: Innerhalb einer Woche hat die rot-rotgrüne Landesregierung die Arbeit aufgenommen. Die Landesregierung hat heute der Öffentlichkeit und den Parlamentariern, die sich damit auseinandersetzen wollen, was wir an Politik entwickeln wollen, einen ersten Überblick gegeben.
Ich darf Ihnen für die bevorstehenden Weihnachtsfeiertage eine geruhsame Zeit wünschen, einen besinnlichen Advent und vor allen Dingen einen guten Rutsch in das neue Jahr. Aber vor uns, dem Kabinett und den regierungstragenden Fraktionen, liegt viel Arbeit. Wir wollen schnell und zügig anfangen, die Eckpunkte des Haushalts vorzubereiten. Wir wollen schnell und zügig anfangen, in kniffligen Situationen den Gemeinden beizustehen, bei denen es im Moment sehr kompliziert ist. Die Bemerkung will ich mir schon erlauben, wenn man denn immer mit dem Finger auf uns zeigt: Ich finde kritische Begleitung völlig richtig, aber wir können nur abbilden, was der Stand ist, den wir vor einer Woche übernommen haben, und dieser Stand ist kompliziert genug und da bin ich …
Lieber Wolfgang Fiedler, ich finde es ja gut, dass die kommunale Stimme klar zu hören ist, aber dass die kommunale Familie große Sorgen hat, und nicht nur in Gera, sondern möglicherweise auch noch in anderen Städten, die ihre Haushalte nicht genehmigt kriegen, das befremdet mich denn schon, wenn innerhalb von wenigen Tagen auf einmal Situationen eintreten, dass Städte ihren Haushalt nicht freigegeben bekommen, obwohl sie große Kraftanstrengungen gemacht haben. Ich glaube, da muss die Landesregierung jetzt sehr schnell Partner unserer kommunalen Familie sein. Und in diesem Sinne danke ich für die Aufmerksamkeit heute für den ersten Einstieg in unsere Regierungsarbeit, aber ich sage Ihnen zu, dass wir überall da, wo Hilfe gebraucht ist und wir gefragt sind, gern ansprechbar sind und für Sie die Ärmel aufkrempeln wollen. Vielen Dank.
Herzlichen Dank, Herr Ministerpräsident. Noch einmal die Frage nach weiteren Wortmeldungen. Das kann ich nicht erkennen. Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 1. Wir treten jetzt in eine Mittagspause ein, die Sitzung wird um 13.45 Uhr fortgesetzt.
Wenn es den Wunsch aus dem Hohen Haus nach Fortsetzung der Sitzung gibt, dann möge man das dem Präsidium bitte mitteilen. Ich würde mich über eine Reaktion seitens der Parlamentarischen Geschäftsführer oder Fraktionsvorsitzenden sehr freuen.
Thüringer Gesetz zu dem Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/29 ERSTE BERATUNG
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen vorweg einige wichtige grundsätzliche Informationen zum Sechzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag mitteilen. Die vorgenommenen Änderungen sind überschaubar. Es geht lediglich um drei Punkte und sie betreffen ausschließlich die Höhe des Rundfunkbeitrags und dessen Verteilung. Sie sind jedoch durchaus – der Begriff „historisch“ wird so häufig verwendet, aber sie sind sicherlich von einer relativ großen Relevanz, denn der monatliche Rundfunkbeitrag wird zum 1. April 2015 abgesenkt. Das ist ein absolutes Novum in der Geschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Möglich wird dies durch die von den Ländern vollzogene Umstellung des Rundfunkbeitrags, die durchaus auch gesellschaftlich umstritten war. Sie ist aber im Ergebnis gleichwohl ein echter Erfolg für die Bürgerinnen und Bürger und ein Erfolg, der maßgeblich auch in Thüringen erarbeitet worden ist, denn die vorbereitende Arbeitsgruppe stand unter Thüringer Federführung.
Zweitens: Die prozentuale Aufteilung des Aufkommens aus dem Rundfunkbeitrag wird neu geregelt. Den überwiegenden Teil, 72 Prozent, erhält die ARD; das ZDF erhält einen Anteil in Höhe von 25 Prozent und das Deutschlandradio einen Anteil von 2,7 Prozent. Der Verteilungsschlüssel wurde von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten errechnet, von der Rundfunkkommission gebilligt und ist somit in den Staatsvertragstext eingeflossen. Er beruht also auf einer ausführlichen Auseinandersetzung auch mit den Rahmenbedingungen einer solchen Finanzierung.