Der 8. Mai steht für Befreiung. Befreiend wäre für uns am Tag der Demonstration gewesen, dass wir demonstrieren konnten und nicht behelligt wurden durch stundenlange Blockaden durch Abgeordnete aus diesem Hause, stundenlangen Rechtsbruch,
besoffenes Gegröle und Gepfeife – das war schlicht zum Kotzen – und dann konfrontiert zu werden – und da waren Sie alle dabei, meine Damen und Herren, von der Ramelow-Koalition –, als Plakate hochgehalten wurden, wie „Patrioten sind Idioten.“
Ja. „Deutschland nie wieder“ und „Mehr Sex mit Ausländern“, da war bei uns das Fass am Überlaufen, muss ich Ihnen sagen. Letzterem, Frau König, wünsche ich Ihnen viel Spaß, ansonsten, Herr Walk, kann ich inhaltlich das unterstützen…
Herr Abgeordneter Brandner, wenn Sie sich jetzt nicht mäßigen, erteile ich Ihnen einen zweiten Ordnungsruf und was dann passiert, wissen Sie.
Herr Walk, ansonsten kann ich das fast unterschreiben, was Sie gesagt haben, im Ergebnis nicht so, aber Ihre historischen Ausführungen, die gelten für uns uneingeschränkt so, wie Sie die gemacht haben und deshalb werde ich die auch nicht wiederholen.
Insbesondere sind wir nicht etwa traurig über den 8. Mai, sondern wir sehen das ganz genauso wie Sie.
Die Tage des 7. bis 9. Mai 1945, meine Damen und Herren, waren ohne Zweifel die bedeutendsten Tage in der Geschichte oder zumindest sehr bedeutende Tage. Sie markieren eine Zäsur in Europa. Insofern kann man auch am 8. Mai gedenken, das freilich auch offiziell, wobei man noch einmal darüber nachdenken müsste, warum es überhaupt der 8. Mai ist, denn am 7. Mai wurde gegenüber den Engländern und Amerikanern kapituliert, gegenüber den Russen erst am 9. Mai und der Waffenstillstand trat auch erst um 0.01 Uhr am 9. Mai in Kraft. Das war darauf zurückzuführen,
dass auch die Nazis die Sommerzeit hatten. Vielleicht denken wir mal darüber nach, die Sommerzeit demnächst dann auch abzuschaffen, dann können wir auch über den 8. Mai reden.
Meine Damen und Herren, Sie von der RamelowKoalition, wollen aber mit der Einführung Ihres Gedenktags eine ganz bestimmte, einseitige Interpretation der Geschichte gesetzlich verordnen. Von nun an soll aufgrund Ihres Gesetzes an jedem 8. Mai ausschließlich und uneingeschränkt der Befreiung gedacht werden. Auch wenn Sie inzwischen hier im Plenum von mir beigebracht bekommen haben – und Sie haben auch dazugelernt, das hätte ich nicht gedacht –, dass am 8. Mai 1945 nicht der Zweite Weltkrieg als solcher zu Ende war, sondern lediglich in Europa zu Ende ging, so nimmt der Gesetzentwurf von Ihnen doch nur einen Teil der Wahrheit in den Blick.
Herr Emde, gehen Sie raus, wenn Sie es nicht ertragen! Da hat der Maurer, wie sagt man so schön, das Loch gelassen!
Mit dem 8. Mai war der Weltkrieg in Europa zu Ende, meine Damen und Herren. Der ersehnte Frieden war noch lange nicht da. Auch uns ist klar, dass der 8. Mai für sehr viele Menschen ein Tag
der Befreiung war, aber es ist ganz und gar unhistorisch, dieses Datum darauf zu reduzieren. Der 8. Mai markiert nämlich hier in Thüringen den anderen auf dem Gebiet der DDR entstandenen Ländern und auch den – nun ehemaligen – deutschen Gebieten jenseits von Oder und Neiße und den anderen Teilen Osteuropas den nahtlosen Übergang von einer Diktatur zur anderen. Lediglich die Farbe von Braun zu Rot wechselte und das war nun wirklich alles andere als Befreiung.
Die Befreiung von dieser roten Diktatur, von der noch allerhand Vertreter, Zuträger, Spitzel, Unterstützer, Profiteure und Nachtrauernde hier im Halbrund links neben der AfD sitzen, erfolgte erst Ende 1989 mit dem Untergang der historisch überflüssigen menschenverachtenden DDR,
die bis dahin getragen wurde von den Blockparteien SED, nun Linke, LDPD und CDU, nun GesamtCDU. Diese Parteien prägten die DDR bis zu ihrem Ende. Das wollen wir und sollten Sie nicht vergessen.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das war die Demokratische Bauernpartei Deutschlands, aber egal!)
Also meine Damen und Herren, der 8. Mai 1945 war für viele Menschen der Beginn einer neuen Diktatur und der Beginn neuer Drangsalierung, Zersetzung und von Barbarei. Hierüber täuscht die von Ihnen betriebene Änderung des Feiertagsgesetzes – Herr Hoff wird wahrscheinlich gleich eine etwas andere Meinung vertreten – hinweg. Aber nicht nur das. Der 8. Mai bedeutete auch den Beginn von Flucht und Vertreibung, von millionenfachem Unrecht, von Mord, Tod, Elend und massenhaften Vergewaltigungen, übrigens nicht nur in der sowjetisch besetzten Zone, sondern auch woanders. Da haben viele Dreck am Stecken. Es ist auch ein Tag, der für viele die Aussichten einer ganz ungewisse Zukunft und einen Rückblick in Trauer über verlorene Angehörige bedeutete und der zutiefst mit persönlichem Unglück verbunden war und ist. Von Befreiung war daher für viele Menschen nichts zu spüren.
Der Tag hatte und hat einen äußert ambivalenten Charakter, gestern so wie heute. Dazu Theodor Heuss am 8. Mai 1949 im Parlamentarischen Rat, ich zitiere: „Im Grunde genommen bleibt dieser 8. Mai 1945 die tragischste und fragwürdigste Paradoxie der Geschichte für jeden für uns. Warum denn? Weil wir erlöst und vernichtet in einem gewesen sind.“ Auch der von mir eigentlich gar nicht so
oder eigentlich überhaupt nicht geschätzte ehemalige Bundespräsident von Weizsäcker hat in seiner berühmten und häufig auszugsweise zitierten Rede den durchaus ambivalenten Charakter des 8. Mai herausgestellt. In der Begründung des Gesetzentwurfs haben Sie es teilweise wiedergegeben. Weizsäcker sprach von schweren Leiden für viele Menschen, Leiden, die mit dem 8. Mai erst begannen und die danach folgten. Da haben Sie es, es ist halt kein Tag der uneingeschränkten Feierlichkeiten wegen Befreiung. Wir sollten also so ehrlich sein, in unserem Gedenken den von Theodor Heuss so gut zum Ausdruck gebrachten Charakter des 8. Mai nicht zu unterschlagen.
Meine Damen und Herren, wer an einer ehrlichen und nicht an einer anachronistischen, geradezu geschichtspopulistischen Auseinandersetzung mit der deutschen und europäischen Historie interessiert ist, der unterschlägt nicht, wie Sie es vorhaben, die Ambivalenz dieses Tages. Die Ramelow-Fraktion ist aber an einer solch nüchternen realistischen und historisch korrekten und angemessenen Auseinandersetzung gar nicht interessiert.
Sie wollen, wie es Ihnen, dem roten Zaren – wie ich gestern sagte – oder dem roten Baron Hoff eigen ist, Sie wollen erziehen, indoktrinieren und vorschreiben, wie zu gedenken ist, und das, meine Damen und Herren, machen wir von der AfD nicht mit. Wir sagen, am 8. Mai gedenken soll jeder so, wie er es für richtig hält, aber nicht gesetzlich verordnet uneingeschränkt die Befreiung von irgendwas bejubeln.
Der CDU-Änderungsantrag, am Ende noch, hat ein bisschen Charme, was den 18.03., den 17.06. und den 25.10. betrifft; man kann auch viele andere Daten dazu nehmen, beispielsweise den sehr ambivalenten 8. oder 9. November, da gibt es natürlich auch sehr verschiedene Ansichten, wie man mit dem historischen Datum umgeht. Allerdings haben wir deutlich gemacht, dass wir uns einer Gedenktagsinflation widersetzen. Jedem seinen Gedenktag, also das wird auch irgendwann mal affig. Wir haben Vergleichsbereitschaft oder Gesprächsbereitschaft signalisiert, was den 17. Juni angeht, das versucht ja Herr Carius so ein bisschen zu kanalisieren. Also wenn es um den 17. Juni ginge, dann würden wir aus Überzeugung und gern mitmachen. Alles andere, da meinen wir, ein Blick nach vorne ist viel wichtiger als ein Blick zurück. Wir haben heute schon stundenlang gehört, was in Thüringen alles anzupacken ist, deshalb schauen wir nach vorne und beschäftigen uns nicht mit Gedenktagsinflation in rauen Mengen. Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf den letzten Schmuddelbeitrag aus dem AfD-Container möchte ich eigentlich gar nicht näher eingehen.
Ich möchte nur hervorheben, dass mit der Bemerkung „der von mir gar nicht geschätzte Richard von Weizsäcker“ wirklich der Konsens der Demokraten hier weit verlassen wird. Aber gut,
Anlass für unseren Antrag als Koalitionsfraktionen, den 8. Mai zum Gedenktag im Thüringer Feiertagsrecht zu erklären, war der 70. Jahrestag des 8. Mai. Wir haben – ich denke an fast alle von Ihnen – an sehr bewegenden Feiern teilgenommen, an sehr bewegenden Gedenkveranstaltungen mit den Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, die nun, dem langen Zeitraum geschuldet, nach und nach sterben und uns nicht mehr live zur Verfügung stehen werden. Es ist anrührend, wenn dann immer gesagt wird: „Ich hoffe, ich bin das nächste Jahr hier noch einmal dabei.“ Geschichte kann man natürlich nicht verordnen, Gedenken kann man nicht verordnen, aber es ist schon wichtig, einen solchen Punkt zu setzen, auch gerade hier in Thüringen.
Jetzt begegnet uns der Vorwurf – leider auch von den Kolleginnen und Kollegen der CDU –, wir würden durch Herausnahme dieses Datums die Perpetuierung der SED-Sichtweise von diesem Gedenktag betreiben, und dem möchte ich doch noch einmal ausdrücklich widersprechen. Wir haben hier einen wirklich sehr besonderen Tag. Und tatsächlich, der Begriff der Befreiung ist durchaus ambivalent. Es wurde schon aus der Stellungnahme der Stiftung Ettersberg zitiert. Prof. Ganzenmüller hat ganz richtig festgestellt, ich zitiere: „Das Bild, die Deutschen seien vom Nationalsozialismus befreit worden, erweckt deshalb heute leicht den Eindruck, auch die Deutschen würden sich gern als Opfer des Nationalsozialismus begreifen. Damit wird die Tatsache verwischt, dass die nationalsozialistische Diktatur lange Zeit eine populäre Diktatur war, die in allen Schichten der Bevölkerung breiten Rückhalt hatte und aktive Unterstützer fand.“ In der Tat ein sehr bedenkenswerter Satz, den habe ich mir
durchgelesen und habe darüber nachgedacht: Ist es richtig, von der Befreiung zu reden oder ist es in der Tat eine Entschuldigung oder eine Entschuldung, die nicht angemessen ist für Deutschland oder auch für Thüringen? Ich bin aber dann doch zu der Überzeugung gelangt, dass es richtig ist, von Befreiung zu reden und nicht nur im Sinne des von mir jedenfalls sehr geschätzten Richard von Weizsäcker, sondern auch dahin gehend, dass es sich hier nicht um ein Thüringer Lokalereignis handelt, das wir in einen Gedenktag gießen wollen, sondern um ein Weltereignis und vor allen Dingen einen europäischen Tag. Dieser Tag wird auch europäisch begangen, auch die Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag. Die internationale Föderation der Widerstandskämpfer hat darauf hingewiesen, ich zitiere: Als internationale Dachorganisation der Veteranenverbände waren wir eingeladen zu Gedenkveranstaltungen von Griechenland bis Dänemark und von Italien bis Russland, von Ungarn bis in die Niederlande, von Serbien und Polen bis Frankreich, um nur die geografische Dimension nachzuzeichnen. – Deswegen bin ich jedenfalls der Ansicht – und denke, das wird auch von den Koalitionsfraktionen geteilt –, es handelt sich vor allen Dingen auch um einen europäischen Gedenktag. Der europäische Gedenktag und der europäische Blickwinkel müssen sein und dann ist es ganz logisch eine Befreiung. Deswegen können wir auch in Thüringen einen Gedenktag der Befreiung einführen und ihn hier begehen, und zwar nicht nur in unserem kleinen Kästchen, sondern als einen europäischen Tag, wie er immer schon in den letzten Jahren begangen wurde, nämlich mit dem Zusammentreffen mit Opfern aus der damaligen Zeit oder auch Jugendverbänden. Es ist ja nicht so – auch da wollen wir überhaupt nicht an SED-Traditionen anknüpfen –, dass wir jetzt eine Fahnenparade veranstalten wollen. Sondern ein solcher Gedenktag lädt doch gerade auch dazu ein, die vielen ambivalenten Schattierungen in Ruhe zu diskutieren und beleuchten zu können und das wirklich zu einem ehrenhaften Gedenken werden zu lassen.