Protocol of the Session on October 2, 2015

(Beifall CDU, AfD)

Weder moderne Managementstrukturen, kleine Einheiten versus große Managementstrukturen, sind hier beachtet noch bei allen anderen Vorlagen. Das ist das, was mich inhaltlich stört, dass Sie versuchen, zu suggerieren, dass es verwaltungswissenschaftlich effizient sein soll. Aber Sie betrachten weder die volkswirtschaftlichen Effekte Ihrer potenziellen Reform, Sie achten nicht auf das soziale Gefüge und Sie denken auch nicht darüber nach, was es eigentlich für die Identitätsstiftung vor Ort bedeutet. All diese Punkte zusammengenommen sind meiner Meinung nach ein klarer Nachweis dafür, dass die Reform, die Sie hier vorzulegen gedenken,

einfach ein Rohrkrepierer und tatsächlich auch ein „Leidbild“ sein wird.

(Beifall CDU)

Ich will es Ihnen an zwei Punkten deutlich machen. Sie können doch aus den Erfahrungen von Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und aus Sachsen lernen. Wenn der ehemalige Fraktionsvorsitzende der SPD in Sachsen sagt, dass die Verwaltungsreform dort, die Gebietsreform, das Land 500 Millionen Euro mehr gekostet hat und tatsächliche Einspareffekte, Zitat: „nicht sichtbar sind auf lange Sicht“, dann ist offensichtlich auch dort etwas falsch in der Substanz. – Herr Höhn, bitte an Frau Klaubert hinten anstellen.

Herr Dr. Voigt, noch stelle ich Ihnen die Frage, ob Sie eine Anfrage gestatten. Die Antwort haben Sie ja schon gegeben.

Gern. Danke, Frau Präsidentin.

Mecklenburg-Vorpommern: 13 Landkreise vor der Reform, sechs nach der Reform. Vorher 13 Landkreise mit ausgeglichenen Haushalten, nach der Reform kein einziger Landkreis, der mehr einen ausgeglichenen Kreishaushalt vorlegen konnte.

(Beifall CDU, AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Aber die Reform haben Sie und Ihre Regierung gemacht?)

Herr Kuschel erzählt wie immer nur die halbe Wahrheit. Herr Kuschel erzählt hier, es hat immer mehr Kandidaten gegeben als vorher. Das ist ja lächerlich. Wen es mehr gegeben hat, waren die hauptamtlichen Bürgermeister, die für die Kreisräte kandidiert haben, weil sie Sorge gehabt haben, dass Geld an ihnen vorbeigeht. Das bedeutet, dass sie die tatsächlichen Ehrenämtler aus den Ehrenämtern herausgedrängt haben, weil die gesagt haben, wir können uns die 200 Kilometer bis zur Kreishauptstadt nicht mehr leisten. Das ist der falsche Weg.

(Beifall CDU)

Sachsen-Anhalt – da ist im Diskussionsprozess offenbar geworden, dass die gemeindlichen Strukturen, die die sich vorgestellt haben, nicht funktionieren. Deswegen haben sie am Ende 40 Verbandsgemeinden gegründet, weil sie gesagt haben: Wir wollen die kommunale Selbstverwaltung nicht ad absurdum führen. Hier trifft sich eben das, was wir an Reformen in Thüringen überlegen aufseiten der Landesregierung, mit dem, was in der Realität passiert, dass Sie einfach betrachten müssen, was die Menschen vor Ort tatsächlich wollen und denken.

Da sind Sie komplett gegen den ländlichen Raum eingestellt. Ich kann Ihnen nur sagen: Sie unterschätzen total die Identifikationskraft, die dort die Vereine, die Bürgermeister, die Gemeinderäte, die ehrenamtlich Tätigen entfalten. Herr Kuschel, Sie haben vorhin wörtlich gesagt: Wir brauchen die starken Gemeinden, die Bürgermeister, denn die würden dann die Vereine usw. anleiten. – Tatsächlich ist es doch andersherum, es gibt dort ehrenamtliches Engagement und dieses ehrenamtliche Engagement fängt ehrenamtliche Strukturen in den Gemeinderäten und bei den Bürgermeistern auf, das unterstützt die. Das wird dann alles wegfallen, wenn Sie weiterhin solche zentralistischen Strukturen bauen, die letztlich den Vereinen das eigene Leben nehmen.

(Beifall CDU, AfD)

Frau Taubert, da Sie nachher eine Frage stellen werden: Schauen Sie in Ihren Sozialstrukturatlas, den Sie 2011 als Sozialministerin aufgelegt haben, dann werden Sie schnell feststellen, dass wir in all den Strukturen, die extrem zentralistisch organisiert sind, eine deutlich niedrigere Ehrenamtsquote haben als in den Strukturen, die sehr viel weitläufiger und freier organisiert sind. Das ist doch ein Nachweis dafür – Kollegin Tasch wird nachher noch sprechen –, dass in solchen Strukturen wie im Eichsfeld das ehrenamtliche Engagement und das bürgernahe Leben eben viel besser funktionieren als in den zentralistischen Strukturen, die Sie anstreben.

(Beifall CDU, AfD)

Das bringt mich zu meinem letzten Punkt, weil Herr Adams das sehr groß geritten hat, die Frage der Beteiligungskultur. Beteiligung finde ich gut und richtig und das haben wir als Union immer geprägt.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber der Unterschied zu Ihnen ist, Sie heucheln Beteiligung und ignorieren dann.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Schö- ner Witz!)

Das haben wir beim Bildungsfreistellungsgesetz gesehen. Dort haben Sie Leute beteiligt, aber am Ende nicht einen einzigen Punkt übernommen. Das ist quasi das alte Eingabensystem bei Honecker, die können zwar eine Eingabe schreiben, aber am Ende kommt nichts dabei raus.

(Beifall CDU, AfD)

Wir als Union sagen klipp und klar: Keine Reform gegen die Bürger. Wir wollen freiwillige Zusammenschlüsse. Wir wollen, dass der Bürger beteiligt wird. Haben Sie doch mal Mut! Das hat Herr Höhn gerade gesagt. Haben Sie den Mut, machen Sie doch eine Volksabstimmung darüber, ob die Men

schen in diesem Land das wollen oder nicht! Dann werden Sie sehen, was dabei rauskommt. Schönen Dank.

(Beifall CDU, AfD)

Frau Taubert hat ihre Redemeldung zurückgezogen, Herr Adams auch. Herr Höhn hat das Wort.

Herr Dr. Voigt, ich wollte Ihnen eigentlich nur die ganz einfache Frage stellen: Stellen Sie in Zweifel, dass die Gebietsreform von 1994, die gesetzgeberisch schon 1993 auf den Weg gebracht worden ist, im Verlaufe der dann folgenden 20 Jahre finanzielle und verwaltungsmäßige Einspareffekte gehabt hat?

Die Analyse hat keiner in diesem Land gemacht.

Das heißt, Sie stellen es in Zweifel?

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gut aufgepasst!)

Nein, nein. Ich kann Ihnen das ganz klar sagen. Es gibt in der ganzen Bundesrepublik eine Analyse über die Frage von Verwaltungseffizienz und deren Auswirkungen auf die kommunale Bilanzierung. Die stammt aus dem Jahre 1979, zwei Jahre nachdem ich geboren wurde. Das heißt, das ist so alt wie des Kaisers Bart. Wenn Sie sich dann die Frage stellen, dass keiner diese Analyse jemals wieder bei einer Verwaltungsreform angestellt hat, zeigt das für mich ganz eindeutig, dass es offensichtlich kein Fundament für diese Analyse gibt, die dieser Innenminister vorgelegt hat. Schönen Dank.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall CDU)

Sie stellen also fest, dass die Reform von 1994 nutzlos war?

Lieber Uwe Höhn! Es gibt eine weitere Wortmeldung der Abgeordneten Tasch, CDU-Fraktion.

(Abg. Dr. Voigt)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zu Beginn meiner Einwürfe, die ich hier auch aus meiner Erfahrung als Bürgermeisterin darlegen möchte, möchte ich sagen: Frau Hennig-Wellsow, den Herrn Abgeordneten Fiedler hier so abträglich als „Bäuerlichen“ zu bezeichnen; Sie, Herr Kuschel, sagen, Sie zollen dem Herrn Fiedler ihre Hochachtung als Bürgermeister, dafür sei er gerade gut, aber ansonsten – das finde ich gerade von Ihnen so unmöglich. Wolfgang Fiedler ist seit 1990 Bürgermeister. Gucken Sie mal, wie oft der Mann wiedergewählt worden ist.

(Beifall CDU)

Also sind das in Tröbnitz auch alles Bauern? In seinem Wahlkreis hat er auch gut gewonnen. Sind das dann auch alles Trottel oder was?

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Nichts gegen die Bauern!)

So eine Abwertung eines Mannes, der seit 25 Jahren vom Volk in freier und geheimer Wahl wiedergewählt worden ist, zeigt doch Ihr Demokratieverständnis. Das finde ich unmöglich, das gehört sich einfach nicht.

(Beifall CDU, AfD)

Wir brauchen auch einen Respekt vor den Ämtern, welche die Menschen ausüben.

(Unruhe SPD)

Bürgermeister ist ein Amt, bei dem ich auch Respekt für den Amtsinhaber erwarten kann.

Frau Tasch, gestatten Sie eine Anfrage?

Nein, gestatte ich nicht.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Gute Ent- scheidung!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, morgen begehen wir 25 Jahre deutsche Einheit. Für mich ist dieser Tag auch ein Glücksgriff – und zwar für mich, aus meiner persönlichen Sicht, ist kommunale Selbstverwaltung das höchste Gut, was wir vor 25 Jahren mit der deutschen Einheit erreicht haben.