Protocol of the Session on October 2, 2015

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Jeden- falls, was die Parteipolitik angeht!)

Mein zweiter Punkt in der Sache: Die Landesregierung verweist gern auf Gebietsreformen, die in Sachsen und Sachsen-Anhalt durchgeführt wurden. Diese seien erfolgreich gewesen und daran müsse man sich orientieren. Das hat Minister Poppenhäger ausdrücklich betont. Dummerweise zeigt gerade der Blick nach Sachsen genau das Gegenteil. Nämlich dass die dortige Reform nicht besonders erfolgreich war, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Wenn man mit einer Reform Einsparungen erzielen will, und das behauptet Rot-Rot-Grün, dann zeigt das Beispiel des Nachbarlands, dass der Schuss nach hinten losgegangen ist. Aus Sachsen ist zu hören, dass die Anschubfinanzierung der Gebietsreform auf 500 Millionen Euro zu schätzen ist. So stand es kürzlich in der OTZ,

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Hört, hört!)

die dazu auf eine Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung verweist, bei welcher das diskutiert wurde.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Die wird ja nicht lügen!)

Nach welchem Kriterium lohnt sich denn eine Reform, wenn sie Kosten in solchen Höhen erzeugt? Dazu lesen wir nichts im rot-rot-grünen Leitbild. In Sachsen liegt der Personalbestand der Kommunen

nach der Reform immer noch höher, als es gegenwärtig im nicht reformierten Thüringen der Fall ist. In Sachsen haben wir nach der Reform 16,26 Vollbeschäftigte pro 1.000 Einwohner, in Thüringen haben wir dagegen vor der Reform 15,27 Vollbeschäftigte pro 1.000 Einwohner. Das lässt sich erklären. Im Zuge der sächsischen Gebietsreform wurden staatliche Aufgaben auf die Ebene der kreisfreien Städte und Landkreise abgegeben und die kommunalen Gebietskörperschaften übernahmen Landespersonal. Hier wuchsen alleine im Reformjahr 2008 auf 2009 die Kosten um 147 Millionen Euro an.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wahn- sinn!)

Die thüringische Landesregierung will mit der Kommunalisierung von Aufgaben ähnlich wie Sachsen vorgehen. Da dürfen sich die hiesigen Kommunen schon heute auf Mehrbelastungen freuen, von denen fragwürdig ist, ob sie zur Gänze erstattet werden. Denn schon bisher kommt die Landesregierung bei Kostenerstattungen für die Kommunen ihren Pflichten nicht nach. Wir sehen, meine Damen und Herren, dass der Blick nach Sachsen kein Argument für die Reformpläne der Landesregierung liefert, sondern Argumente dagegen.

(Beifall CDU, AfD)

All das zeigt, dass die Sache nicht durchdacht ist. Alle Erfahrung – etwa mit Blick auf Sachsen oder die vollkommen gescheiterte Gebietsreform in Mecklenburg-Vorpommern – zeigt, dass eine Gebietsreform einem Bundesland am Ende teuer zu stehen kommt und dass gar nicht klar ist, ob und wann sich so etwas überhaupt rechnet. Ich sage nicht, dass es so, wie es heute ist, schon richtig ist, es kann durchaus einen Reformbedarf geben. Aber wenn man reformieren will, dann muss man das auf einer soliden Grundlage machen. Dann müssen wir klare Konzepte vorlegen, dann muss man sagen, was man erreichen will, und zeigen, wie man das Ziel erreicht. Doch schon bei der Begründung der Reformen hat das hier diskutierte Leitbild nichts anzubieten. Das bestätigt sich, wenn man hört, welche Antworten manche unserer rot-rot-grünen Koalitionäre von sich geben. Besonders beschämend ist diesbezüglich Frau Hennig-Wellsow, die von links außen verkündet, sie meint, dass die Gebietsreform jetzt durchgezogen werden müsse – ich zitiere das wörtlich –, „weil wir jeden Tag sehen, dass die heutigen Strukturen nicht funktionieren“. Und damit meint Frau Hennig-Wellsow die Kommunen, kreisfreien Städte und Kreise. Die nämlich zeigen sich angesichts der Flüchtlingszahlen überfordert. Frau Hennig-Wellsow, das ist an Arroganz und Zynismus kaum noch zu überbieten.

(Beifall CDU, AfD)

Ich frage mich, was die Bürgermeister und Landräte der SPD und ihrer eigenen Linkspartei dazu wohl

sagen, dass ausgerechnet Sie ihnen kurzerhand und pauschal Versagen vorwerfen. Die Landräte und Bürgermeister leisten gegenwärtig Großartiges und müssen mit ganz und gar absurden Situationen umgehen, die sie nicht verschuldet haben.

(Beifall AfD)

Da werden ohne Vorwarnung Migranten vor einem Landratsamt abgesetzt und plötzlich muss ein Landrat mal mir nichts, dir nichts eine Unterkunft organisieren. Und dann müssen diese Leute, die nicht nach acht Stunden den Bleistift fallen lassen, sich von Frau Hennig-Wellsow anhören, sie seien überfordert und die Strukturen würden nicht funktionieren. Das ist schon ein starkes Stück!

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Eine haltlose Argumentation! Völlig haltlos!)

Ja, ja! Aber, meine Damen und Herren, schauen wir nur nach Gera, da wissen wir, wie das nicht funktioniert. Aber, meine Damen und Herren, Frau Hennig-Wellsows Einlassungen zeigen, worum es hier in Wahrheit geht. Die Anführerin der Thüringer Linken hat kürzlich ein Buch veröffentlicht, in dem sich die Nachfolgepartei der SED selbst feiert. Für das Buch hat auch der Herr Minister Prof. Hoff einen Beitrag geschrieben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Oh, was für ein Wunder!)

Und in diesem Beitrag schreibt Herr Minister Prof. Hoff, dass der rot-rot-grünen Landesregierung die Landkreise ein Dorn im Auge sind.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Na, so was!)

Aha! Der Thüringische Landkreistag jedenfalls stünde in Gestalt von dessen Präsidenten und den Vizepräsidenten in strikter Opposition zur rot-rot-grünen Landesregierung, und zwar in einer Opposition, die weit über den klassischen Interessenkonflikt von Land versus Kommunen hinausgehe. So steht es da. Ich denke nicht, dass Herr Minister Prof. Hoff hier richtig liegt. Aber eines ist klar, in den Landkreisen hat der Minister den Feind entdeckt und den Feind gilt es zu bekämpfen. Vor diesem Hintergrund drängt sich der Eindruck auf, dass die Gebietsreform und unsere Landesregierung als ein Mittel begriffen wird, die politische Landschaft Thüringens umzukrempeln, und zwar zugunsten der Roten und der ganz Roten.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Gleichzu- schalten!)

Wenn man sieht, welche Kommunal- bzw. Kreispolitiker die Reformpläne der Regierung gutheißen, dann wird man in diesem Eindruck nur noch bestärkt. Man will hier unter dem Deckmantel der Gebiets- und Verwaltungsreform sein parteipolitisches Süppchen kochen. Dafür zerschlägt man schon mal

bewährte Strukturen. Das konnten Sie ja schon immer besonders gut. SED lässt grüßen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Und gleichschalten! Klassische Gleichschaltung!)

Deshalb nimmt man auch keine Rücksicht auf Einwände und auf die gegenwärtige Situation, sondern will die Reform auf Gedeih und Verderb durchziehen. Niemand, der bei Sinnen ist, kann das unterstützen. Die Kreise und Kommunen haben gegenwärtig mit der Bewältigung des ungesteuerten Migrantentums alle Hände voll zu tun und müssen in diesen Krisensituationen ja auch das Alltagsgeschäft weiter regeln.

In dieser Situation eine grundlegende Gebiets- und Verwaltungsreform durchzudrücken, das ist abwegig. Lassen Sie davon ab, Herr Minister Poppenhäger, ruinieren Sie nicht unser Land.

(Beifall AfD)

Denn Ihr Leitbildentwurf ist nicht solide, Ihr Leitbildentwurf geht von falschen Annahmen aus, Ihr Leitbildentwurf gibt keine Antworten. Das Ding gehört in die Mülltonne. Vielen Dank.

(Beifall CDU, AfD)

Danke schön, Herr Kollege Henke. Das Wort hat nun Kollege Adams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Thüringer Landtag, liebe Gäste – es sind gerade keine da, aber es schauen uns viel mehr zu als wir denken. Normalerweise sind gerade unsere Besucherränge hier immer erfreulich gefüllt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Thüringer Politik hat kein Erkenntnisdefizit, sie hat ein Handlungsdefizit. Ich bin Herrn Minister Dr. Holger Poppenhäger sehr dankbar, dass er diesen Aspekt in den Mittelpunkt seiner Rede gestellt hat. Das ist nämlich das, was dringend zu erkennen ist.

Die Aufgabe ist klar, klar beschrieben – und zwar seit Jahren, Frau Tasch. Seit Jahren ist im Ergebnis klar – und zwar spätestens nach dem Bericht der Enquetekommission wie auch nach dem Bericht der Expertenkommission aus dem Hause von Frau Lieberknecht –, die Thüringer Landesstrukturen brauchen eine Reform. Die Enquetekommission, der Expertenbericht – alle sagen das. Sie stellen sich hier in der Debatte hin und erzählen uns immer wieder, dass es keine Belege gäbe, dass es keine Kritik der Strukturen gäbe, dass es keine Aufgabenkritik gäbe. Damit hat sich das Land in den letzten

zehn Jahren befasst, aber es wurde nichts gemacht, weil die CDU das nicht wollte, meine sehr verehrten Damen und Herren. Es ist gut, dass die CDU heute nicht mehr die Mehrheit hat, das zu verhindern,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

einen Prozess zu verhindern, der Thüringen voranbringt.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Aber ihr habt nicht die Mehrheit, es wirklich allein um- zusetzen!)

Sehr geehrter Herr Mohring, die Rede von Herrn Fiedler hat uns doch gezeigt, auf welches Niveau wir uns hierbei einrichten müssen. Wir versprechen, wir werden uns auf dieses Niveau nicht runterziehen lassen.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Über den Willen der Gemeinschaft!)

(Beifall DIE LINKE)

Ihr Diskussionsansatz, Frau Tasch, versucht, das Verfahren einer in starker Bürgerbeteiligung durchgeführten Gebietsreform zu diskreditieren. Sie haben ein Problem mit offenen Prozessen und Sie können nicht glauben, dass es keine zementierte Linke-, Grüne- oder SPD-Position gibt. Sie können nicht verstehen, dass in diesem Land verantwortungsvolle Menschen, wie Herr Kuschel, Frau Sojka, Herr Kobelt aus Weimar,

(Unruhe CDU, AfD)

wie unsere Kreisrätin Frau Pfefferlein im Kyffhäuserkreis, natürlich ganz andere Anforderungen an eine Gebietsreform haben, als es Frau Rothe-Beinlich hat, die im Erfurter Stadtrat sitzt. Die prosperierende Region im Ilm-Kreis – hier vertreten durch unser Mitglied des Kreistags, Frau Henfling – hat dabei wieder ganz andere Sorgen und Nöte.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das glaube ich auch!)

Sie können das nicht verstehen, dass Herr Uwe Höhn doch mit einem ganz anderen kommunalpolitischen Hintergrund hier ringt, als es Herr Warnecke macht, und weiß, dass wir eine Reform durchführen müssen. Sie sind nicht bereit, sich dieser Diskussion zu stellen, das ist das Problem.

(Heiterkeit SPD)

Das ist das Problem, an dem Thüringen krankt und gekrankt hat.