Protocol of the Session on September 11, 2015

Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt. Wir kommen jetzt direkt zur Entscheidung über den

Antrag in der Drucksache 6/977. Herr Abgeordneter Möller, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, wir beantragen die namentliche Abstimmung.

Ich bitte die Schriftführer, die Stimmkarten einzusammeln.

Hatten alle Abgeordneten die Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben? Das sieht so aus, dann bitte ich um Auszählung.

Ich verkünde das Ergebnis der Abstimmung über die Drucksache 6/977. Es wurden 83 Stimmen abgegeben, davon entfielen auf Ja 8 und auf Nein 75. Es gab keine Enthaltungen (namentliche Abstim- mung siehe Anlage 3). Damit ist der Antrag mit Mehrheit abgelehnt und ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15

Auswirkungen des Wegfalls des Bundesbetreuungsgeldes auf Familien in Thüringen Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/976

Gibt es den Wunsch nach Begründung der antragstellenden Fraktion? Das kann ich nicht erkennen. Damit eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Muhsal, AfD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, ich freue mich, dass durch diesen Antrag der AfD-Fraktion noch mal die Familien sozusagen als Höhepunkt dieser Plenardebatte ganz am Ende auf diese Tagesordnung gekommen sind.

Am 21. Juli dieses Jahres entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Bundesbetreuungsgeld verfassungswidrig ist, weil es Ländersache und nicht Bundessache ist, ein Betreuungsgeld einzuführen. Das Thüringer Landeserziehungsgeld wurde durch Rot-Rot-Grün bereits im Juni abgeschafft. Vor dieser Situation hat die AfD-Fraktion schon vor der Abschaffung des Landeserziehungsgelds gewarnt. Früher erhielten beispielsweise Eltern von drei Kindern für ihr jüngstes Kind 400 Euro monatlich, wenn sie es auch nach dem 1. Geburtstag noch selbst betreuten. In Zukunft müssen die Eltern, die die Betreuung ihres Kindes selbst gewährleisten, ohne Unterstützung auskommen. Dabei wird gegenüber den Eltern vor allem seitens der Regierungsfraktionen Misstrauen geschürt. Beispielsweise wird behauptet, die angebliche Bildung,

die Kindern in der Krippe vermittelt werden soll, sei durch die Eltern gar nicht zu schaffen und ohnehin viel höherwertiger als alles, was die Familie zu bieten hätte. Es folgt eine Verstaatlichung der Kindheit, die mit allen Mitteln vorangetrieben wird. Wir als AfD-Fraktion sagen dagegen: Egal ob die Eltern sich für die Krippenbetreuung oder für die Eigenbetreuung ihres Kindes entscheiden, Eltern sollten die Freiheit haben, das zu tun, was sie für das Beste für ihr Kind halten.

(Beifall AfD)

Und genau diese Freiheit besteht eben nicht, wenn man die Entscheidung für die Krippe damit belohnt, dass die Gesellschaft den Löwenanteil an der Kinderbetreuung, in dem Fall ungefähr 1.000 Euro im Monat, schultert und die Eigenbetreuung der Kinder durch die Eltern aber gar nicht unterstützt wird. In der Familienpolitik in Deutschland wird das Wohl der Kinder, das zentrale Interesse der Familien, bereits seit Jahrzehnten durch die politischen Entscheidungsträger an den Rand gedrängt. Es geht um andere Dinge, neben der schon genannten Verstaatlichung der Erziehung zum Beispiel darum, Arbeitskräfte verfügbar zu machen. Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftspolitik bestimmen schon längst, was in der Familienpolitik zu laufen hat. „Mütter in die Produktion“ ist die Devise. Zugpferd dafür ist auch die sogenannte Gleichstellung. Frauen, die ihre Kinder zu Hause betreuen, haben kein Erwerbseinkommen und sind deshalb von Armut gefährdet. Es besteht die Möglichkeit, Müttern, die ebenso hart arbeiten wie jeder Arbeitnehmer, einen finanziellen Ausgleich zu schaffen und sie aus der Armutsfalle zu befreien. Stattdessen wird so getan, als sei nur die Erwerbsarbeit nach dem Vorbild der Männer eine gleichwertige Tätigkeit, und das nennt man dann Gleichstellung.

Wir fordern die Landesregierung deswegen dazu auf, die finanziellen Folgen des Wegfalls des Landeserziehungsgelds und des Bundesbetreuungsgelds für die Thüringer Familien langfristig zu untersuchen und insbesondere darauf einzugehen, wie sich die Betreuungsquote verändert, wie groß die Armutsgefährdung für Familien ist, wie sich die Erwerbsbeteiligung von Eltern eines oder mehrerer Kinder verändert und wie sich die Zahl der Eltern, die trotz sozialversicherungspflichtiger Erwerbsarbeit soziale Aufstockungsleistungen in Anspruch nehmen müssen, mit der Kinderzahl verändert. Wenn Sie von Ihrer angeblichen Familienpolitik wirklich überzeugt sind, müssen Sie sich vor den Ergebnissen ja nicht fürchten. Es sollte Ihrerseits also nichts gegen diese Untersuchung sprechen.

(Beifall AfD)

Weiterhin ist die Frage: Was passiert mit dem Geld, das durch die Abschaffung des Bundesbetreuungsgelds frei wird? Im Bund bahnt sich ein handfester Koalitionsstreit an. Jeder möchte etwas von den

(Vizepräsident Höhn)

900 Millionen haben, die das Bundesbetreuungsgeld bisher kostet. Möglich wäre es, das Geld einzusparen oder vielleicht sogar Schulden zu tilgen. Das wäre aber am falschen Ende gespart, denn vor ein paar Wochen wurden noch 86 Milliarden Euro – also fast das Hundertfache des Bundesbetreuungsgelds – auf Nimmerwiedersehen nach Griechenland geschickt.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sehr richtig!)

Genau dort – und nicht bei den Familien – wäre der richtige Ort zum Sparen.

(Beifall AfD)

Wir finden, das Geld sollte wieder bei den Familien, die sich persönlich um ihre Kinder kümmern, ankommen. Deswegen fordern wir die Landesregierung dazu auf, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass die aus dem Wegfall des Bundesbetreuungsgelds frei werdenden Mittel an die Länder weitergereicht werden. Außerdem fordern wir die Landesregierung dazu auf, diese Mittel dann für die Kinder unter drei Jahren einzusetzen, die keine öffentlich geförderte Kinderbetreuung in Anspruch nehmen.

Zur weiteren Beratung beantrage ich die Überweisung des Antrags an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheit. Die CDU-Fraktion mache ich schon mal darauf aufmerksam, wenn unser Antrag abgelehnt werden sollte – was wahrscheinlich ist –, dass wir dann in der Schlussabstimmung eine namentliche Abstimmung beantragen. Da müssen Sie nicht immer wie die gescheuchten Hühner reinrennen. Danke schön.

(Beifall AfD)

Als Nächster erteile ich das Wort Frau Abgeordneter Meißner, CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnetenkollegen, als letzter Tagesordnungspunkt ein Tagesordnungspunkt zur Familie. Das ist der einzige Grund, wo ich Ihnen recht geben kann, Frau Muhsal: Familie in dieser Plenarsitzung ist recht wohltuend.

(Beifall CDU, AfD)

Darüber freuen wir uns auch als CDU-Fraktion.

Ja, das Thema „Betreuungsgeld“, „Landeserziehungsgeld“ hat uns hier in diesem Hause schon oft und auch intensiv beschäftigt. Ich denke, an der Stelle brauchen wir nicht mehr die Argumente darüber austauschen, ob diese Leistung sinnhaft ist oder nicht. Ich denke, gerade im Rahmen der Diskussion um die Abschaffung des Landeserzie

hungsgelds habe ich ganz deutlich gemacht, warum die CDU denkt, dass es eine wichtige Sache ist, die Familien in Thüringen unterstützt hat und die deswegen letztendlich auch Vorbild für das Bundesbetreuungsgeld war, was jetzt durch das Bundesverfassungsgericht abgeschafft wurde.

Wir haben das nicht nur ausführlich getan, Sie haben dargelegt, was Ihre Gründe sind. Wir haben festgestellt, dass diese Debatte Ihrerseits eher ideologisch geführt wird. Deswegen will ich es dabei belassen. Sie haben aber auch deutlich gemacht, wie beratungsresistent Sie bei diesem Thema sind. Deswegen will ich dazu nur noch die TLZ zitieren, die nach der Abschaffung am 08.07. eine Umfrage veröffentlicht hat, in der es zu folgendem Ergebnis kam: Vor allem die jüngeren Jahrgänge bis 49 Jahre geben Rot-Rot-Grün überwiegend schlechte Noten, wenn es um die Abschaffung des Thüringer Erziehungsgelds geht. Die 18- bis 29Jährigen, also die Gruppe, die am ehesten von dem Landeserziehungsgeld hätte profitieren können, sehen den Einschnitt mit 6,7 Punkten auf der Skala von 1 bis 10 besonders negativ. Die Gruppe der 30bis 39-Jährigen kommt auf 6,4. Das heißt, zwei Drittel der repräsentativ befragten tausend Thüringer sind der Ansicht, dass die Abschaffung eher nicht ihren Vorstellungen entspricht. Ich glaube, das ist aussagekräftig genug und das legt die Latte auch ziemlich hoch, wie es jetzt in Thüringen und auch Deutschland mit der Familienpolitik und insbesondere mit der Förderung von Familien weitergehen sollte.

Wir bedauern die Abschaffung durch das Bundesverfassungsgericht. Aber ich möchte in dem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass es eine Abschaffung aus formellen Gründen war, nämlich weil es aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts keine Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist, ein Bundesbetreuungsgeld für Familien zu zahlen. Das heißt aber nicht, dass es Länder tun können. Deswegen war es richtig und verfassungsrechtlich legitim, dass Thüringen das getan hat. Leider hat die Regierungskoalition dieses Urteil nicht abwarten können und hat das Landeserziehungsgeld abgeschafft und deswegen den Einschnitt für Familien in Thüringen ganz besonders groß gemacht. Daher muss die Landesregierung, muss sich auch die Regierungskoalition jetzt die Frage gefallen lassen: Wie geht es weiter mit der Familienförderung in Thüringen? Ich muss ganz ehrlich sagen, ich vernehme da derzeit viele Versprechungen und Ankündigungen, aber nichts Konkretes. Da gibt es auch Familien, die jetzt warten und ungeduldig werden bezüglich des beitragsfreien Kita-Jahres.

(Beifall CDU)

Ich weiß, es gibt viele Themen, die derzeit die Medien – sicherlich auch zu Recht – beherrschen, aber das ist nicht nur ein Wahlversprechen und ei

(Abg. Muhsal)

ne Forderung von Ihnen, die noch im Raum steht, das ist ein dringendes Problem, was Familien geklärt haben wollen. Deswegen frage ich Sie auf Grundlage auch dieses Antrags: Was ist Ihr Plan für Familien in Thüringen? Wie geht es weiter nach der Abschaffung dieser familienfreundlichen Leistung? Momentan entsteht eher der Eindruck, dass Sie mit dem Rasenmäher durch die Familienpolitik ziehen. Sie schaffen Leistungen ab, Sie denken darüber nach, die Stiftung FamilienSinn umzustrukturieren, und ich frage mich, was da wohl noch kommt.

(Beifall CDU)

Alles Versprechungen, außer Spesen nichts gewesen, deswegen werden wir auch weiter die Forderungen der Familien hier deutlich machen. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie auch nochmals auf die Thüringer Verfassung hinweisen. Das ist eben ein Punkt, den das Bundesverfassungsgericht nicht beurteilt hat, denn in der Thüringer Verfassung haben wir in Artikel 17 geregelt, dass Familien, die ihre Kinder zu Hause betreuen, Entlastung verdient haben und auch einen Anspruch darauf haben, und für diese Familien habe ich von Ihnen bisher nirgendwo einen Vorschlag gehört.

(Beifall CDU, AfD)

Ich fordere Sie auf, legen Sie endlich eine Alternative für diese Familien vor, und wenn es nicht ein Erziehungsgeld ist, dann bin ich gespannt, was das sein soll. Diese Familien haben nicht nur eine Alternative verdient, sondern es ist auch keine geringe Zahl und ich könnte mir vorstellen, die Frau Ministerin wird das nachher auch noch einmal belegen. Wir haben über Zehntausende von Familien, die nicht nur Erziehungsgeld, sondern auch Bundesbetreuungsgeld beantragt haben, und die warten auf ihre Antwort. Da gibt es, wie es das Bundesverfassungsgericht auch ausführt, aufgrund von Artikel 17 auch eine Kompensationspflicht.

Jetzt nur noch ein paar Worte zu Ihrem Antrag: Sicherlich, die in Punkt II genannten Kriterien sind wichtige, die man beobachten muss. Viele Zahlen liegen davon bereits auch vor, aber ich glaube, diese Zahlen braucht man nicht, um einen Vorschlag vorzulegen. In Punkt III fordern Sie, dass die frei werdenden Mittel auf die Länder übertragen werden. Das kann man fordern, wenn man weiß, dass in den Ländern dann letztendlich auch dieses Geld bei den Familien ankommt. Aber ich muss ganz ehrlich sagen, für Thüringen fehlt mir da der Glaube, dass das Geld wirklich bei den Familien ankommt, die es nämlich durch die Streichung verloren haben. Deswegen haben wir als CDU in Thüringen in persona unseres Landes- und Fraktionsvorsitzenden einen Plan vorgelegt und einen guten Plan, der eigentlich im Sinne der Ideologie von RotRot-Grün alle Familien im Blick behält, nämlich die, die ihre Kinder in Kitas oder bei der Tagespflege

betreuen lassen wollen, oder die, die eben sagen, sie wollen ihr Kind zu Hause betreuen. Wir fordern, dass die frei werdenden Mittel schnellstmöglich in ein „Kindergeld plus“ investiert werden. Derzeit bekommen Eltern für das erste und zweite Kind im Monat 188 Euro, für das dritte 194 Euro und ab dem vierten 219 Euro gezahlt. Wir finden, das ist zu wenig, um eine freie Entscheidung treffen zu können, vor allen Dingen, wenn man sein Kind zu Hause betreuen will. Deswegen ist der Vorschlag, mit dem Kindergeld je nach Staffelung in den ersten drei Lebensjahren monatlich etwa 200 bis 400 Euro mehr pro Kind auszugeben. Das bietet mehrerlei Gründe bzw. Vorteile für Familien. Erstens stärkt es stärkt die Entscheidungsfreiheit für Eltern. Eltern können mit dem höheren Kindergeld ihrem Kind einen Krippen- oder Kindergartenplatz finanzieren oder es von der Tagesmutter betreuen lassen. Aber sie hätten damit natürlich auch die Möglichkeit, ihr Kind zu Hause zu betreuen. Das sieht im Übrigen auch ein Großteil der Bevölkerung so. Das INSA-Institut hat eine Abstimmung über diesen Vorschlag gemacht und 53 Prozent der Befragten sprachen sich für „Kindergeld plus“ aus und nur 27 Prozent dagegen.

(Beifall CDU)

Auch hier kann ich hoffen, dass Sie sich nicht beratungsresistent zeigen und das zur Kenntnis nehmen. Die Finanzierung für diesen Vorschlag ist gesichert. Die Mittel werden frei und einen Vorteil hat dieser Vorschlag auch: Er wäre unkompliziert ohne Gesetzesänderung schnellstmöglich umsetzbar. Das ist ein Beispiel für Politik, die nicht auf Versprechungen und Ankündigungen beruht, sondern die ganz konkret sagt, wir wollen das umsetzen und wir schaffen das auch schnell, ohne es kaputt zu diskutieren. Letztendlich wäre das auch eine Erhöhung, die keinen bürokratischen Aufwand darstellt, welcher letztendlich auch geringer ist als die Abrechnung beim Bundesbetreuungsgeld.

Ich kann Sie nur auffordern: Unterstützen Sie uns bei diesem Vorschlag. Das „Kindergeld plus“ behält die Entscheidungsfreiheit der Eltern je nach ihrer individuellen Situation im Auge und gibt allen Familien in Thüringen und in Deutschland die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden. Lassen Sie uns deswegen über Parteigrenzen hinweg dafür streiten, dass die frei werdenden Mittel dafür eingesetzt werden und dass damit auch ein deutliches Zeichen gesetzt wird, dass uns die Familien viel und vielleicht auch mehr wert sind. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU; Abg. Gentele, fraktionslos)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Als Nächste spricht Frau Abgeordnete Pfefferlein, Bündnis 90/ Die Grünen.

(Abg. Meißner)

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dieser Antrag der AfD-Fraktion ist nicht überraschend, nichts Neues und auch nicht fachlich und inhaltlich annähernd gut.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Gleichfalls!)