Protocol of the Session on September 11, 2015

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir bedauern auch, dass Sie gesprochen haben!)

Ich würde Ihrem Wunsch, eine sachliche Debatte hier zu führen, Rechnung tragen. Hinsichtlich des Interesses Ihrerseits wird durch Ihre Zwischenrufe deutlich, dass der Aufruf zu einer sachlichen Debatte eher in den Wind gesprochen war. In der Reaktion auf Sie wurde bereits insbesondere durch Herrn Walk, aber auch durch Frau Marx darauf hingewiesen, dass dieser Antrag entbehrlich ist. Diese Position wird auch von der Landesregierung geteilt. Wir haben erst am 24. August 2015 im Rahmen einer Sondersitzung des Landtags zu Stand und Perspektiven der Asyl- und Flüchtlingspolitik diskutiert. In dieser Debatte wurde dargestellt, dass wir einen enormen Anstieg von Flüchtlingszahlen haben, der Bund, Länder und Kommunen vor große Herausforderungen stellt. Wir werden in diesem Jahr nach Aussage des Bundes voraussichtlich rund 800.000 Flüchtlinge in Deutschland haben, die um Asyl nachsuchen. Allein im August dieses Jahres beantragten mehr als 100.000 Menschen Asyl, 40.000 Menschen kamen in den vergangenen Tagen in München an. Für den Freistaat bedeutet dies, dass bis zum Ende des Jahres voraussichtlich mindestens 22.000 Flüchtlinge aufzunehmen sein werden. Diese Aufgabe ist nur zu bewältigen durch die Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen und durch die Unterstützung der Europäischen Union nach dem Prinzip der Subsidiarität. Darauf habe ich in der Debatte im August hingewiesen gehabt.

Es bedarf aber zudem eines Zusammenwirkens sämtlicher gesellschaftlicher Kräfte, aber erst mal keiner neuen Statistik.

Sehr geehrte Damen und Herren, mit vorliegendem Antrag begehrt die Fraktion der AfD aber eine Statistik, um Auskunft zu erlangen über die Anzahl gewalttätiger und sonstiger Konflikte zwischen den Bewohnern von Landeserstaufnahmeeinrichtungen sowie den Bewohnern in den kommunalen Gemeinschaftsunterkünften. Der inhaltliche Hintergrund ist bereits dargelegt worden durch Kollegen Möller, indem er deutlich machte, dass die Statistik im Wesentlichen eine Funktion hat: ein bereits festes Bild einer gesellschaftlichen Gruppe, die hier um Asyl nachsucht, noch statistisch zu unterfüttern zu versuchen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist ein wirklich linkes Verständnis!)

Wir haben im Rahmen der Beantwortung parlamentarischer Fragen bereits mehrfach darauf verwiesen, dass es dazu bisher tatsächlich keine statistischen Erhebungen gibt, aber dass es selbstverständlich in den Unterkünften des Landes sowie in den kommunalen Gemeinschaftsunterkünften zwischen den dort lebenden Asylbegehrenden Konflikte gab und natürlich auch gibt. Ob es sich hierbei vorrangig um interethnische oder interreligiöse Konflikte handelt, wie Sie suggerieren, lässt sich nicht sagen. Es spricht aber viel dafür – und dafür liegen nicht nur aus der aktuellen Situation, sondern über eine lange Betrachtung empirische Unterlagen vor –, dass es sich vielmehr um zwischenmenschliche Probleme und Auseinandersetzungen handelt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Vielleicht bei Frau König!)

Denn das Zusammenleben vieler Menschen über einen längeren Zeitraum in Aufnahmeeinrichtungen, häufig mit traumatischen Belastungsstörungen verbunden, häufig mit einer unklaren Aufenthaltsperspektive verbunden, häufig mit einer Trennung von Familienangehörigen verbunden, häufig mit fehlendem Kontakt zu Familien …

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD)

Sie wollten doch eine sachliche Debatte haben. Wenn Sie aber die ganze Zeit versuchen, durch Zwischenrufe deutlich zu machen, dass Sie es eigentlich schon wissen, warum laden Sie dann überhaupt zu einer Debatte ein?

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sagen Sie doch einfach, dass Sie Ihre Meinung haben. Dann können wir darauf kurz und schmerzlos reagieren. Aber wenn Sie von der Landesregierung eine Auskunft verlangen, dann müssen Sie, wenn Sie wenigstens den Funken bürgerlichen Anstands haben, einmal zuhören können.

(Abg. Marx)

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

Aber vielleicht ist das als bürgerliches Kriterium schon zu viel verlangt. Und auch, wenn es Ihnen nicht gefällt, gibt es – und Sie haben den Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Soziologie benannt – im wissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen Kontext eine ganze Reihe von interessanten Fachgesellschaften, unter anderem auch einen jährlich in Berlin stattfindenden Kongress von Psychologen, Psychotherapeuten und Neurowissenschaftlern. Sie können versuchen, sich deren Erkenntnisse, beispielsweise in den entsprechenden psychotherapeutischen und psychologischen Fachjournalen, die sich unter anderem auch mit Flucht und Migration beschäftigen, zu Gemüte zu führen. Das würde vielleicht nicht Ihrem fest gefügten Ressentiment entsprechen. Aber es könnte Ihnen eine Ahnung davon geben, was es heißt, wenn Menschen, wie ich dargestellt habe, in entsprechenden Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind und damit selbstverständlich gewissen Einschränkungen in der Privatsphäre unterworfen sind, auch aus Gründen, wie beispielsweise Adoleszenzproblemen, aus Gründen, die durch entsprechende Erfahrungen, die man auf dem Weg der Flucht gemacht hat etc., dazu führen, dass wir uns als Landesregierung weniger auf Ihren Wunsch, einer Statistik zur Unterfütterung Ihrer Argumentation, sondern eher auf Präventionsmaßnahmen verständigen müssen und dort unseren Schwerpunkt setzen sollen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Deshalb wird bereits jetzt in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen Eisenberg, Suhl und Mühlhausen eine qualifizierte Sozialbetreuung vorgehalten und es ist unser Bestreben, sie auch den wachsenden Zahlen von Flüchtlingen entsprechend anzupassen. Zum verbesserten Schutz von Asylsuchenden und Flüchtlingen, aber auch, um Konflikten vorzubeugen, Straftäter zur Rechenschaft zu ziehen und friedliche Menschen zu schützen, hat der Thüringer Minister für Inneres und Kommunales ebenfalls im Rahmen des Sonderplenums des Thüringer Landtags am 24. August ein Fünf-Punkte-Programm vorgestellt, welches insbesondere polizeiliche Maßnahmen im Kontext des Betriebs und der Nutzung der Landeserstaufnahmestellen und Gemeinschaftsunterkünfte koordiniert. Auf diese Ausführungen nehme ich ausdrücklich Bezug, weil die Koalition, die Sie gern als Hippie-Koalition schmähen, sie sich auch zur Grundlage ihrer Arbeit gemacht hat.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im vorliegenden Antrag fordert die AfD die statistische Er

fassung, zu deren, sagen wir mal, politischer Nichtnotwendigkeit ich hier bereits ausgeführt habe. Es ist aber an anderer Stelle schon und insbesondere auch durch Herrn Walk deutlich gemacht worden, dass der von Ihnen gewählte Begriff der interethnischen und interreligiösen Konflikte zu unkonkret ist, um eine, selbst wenn man Ihrem Antrag folgen würde, aussagekräftige und belastbare Statistik zu erstellen. Die Polizei erfasst bereits alle Straftaten in der Polizeilichen Kriminalstatistik oder, sofern eine politische Motivation vorliegt, in der Statistik zur politisch motivierten Kriminalität. Die Polizeiliche Kriminalstatistik enthält regelmäßig auch einen Abschnitt zu nichtdeutschen Tatverdächtigen. Eine Regionalisierung erfolgt ebenfalls in der in der PKS enthaltenen Regionalanalyse, in der die Daten auch für die nichtdeutschen Tatverdächtigen auf die Ebene der Landespolizeiinspektion heruntergebrochen werden. Die im Bereich der Justiz geführten einschlägigen Statistiken, insbesondere die Geschäftsanfallstatistik der Staatsanwaltschaften und die Strafverfolgungsstatistik, werden nach bundeseinheitlichen Kriterien geführt. Eine regionalspezifische Erfassung nach Landkreisen und kreisfreien Städten sowie nach dem Zeitpunkt der Tat ist dabei durchgängig nicht vorgesehen. Es spricht derzeit nichts dafür, von diesem bundeseinheitlichen Verfahren abzuweichen. Dem erheblichen Aufwand, der mit den zusätzlichen Erfassungen verbunden wäre, stünde kein entsprechender Mehrwert gegenüber, zumal belastbare Daten aus dem Bereich der Justiz im Vergleich zu Angaben der Polizeilichen Kriminalstatistik erst erheblich später vorlägen. Die Landesregierung sieht deshalb keinen Bedarf für die vorgeschlagenen zusätzlichen statistischen Erhebungen. Für die Beurteilung der Kriminalitätsdelikte, die auf nichtdeutsche Personen zurückzuführen sind, dürften die soeben erwähnten, im Rahmen der Polizeilichen Kriminalitäts- und der Strafverfolgungsstatistik erhobenen Daten ausreichend sein. Statistische Erfassungen haben, wie wir alle wissen, ihre inhaltlichen Grenzen und können auch nicht jedes Detail abbilden. Auch lässt die Betrachtung statistischer Zeiträume von weniger als einem Jahr ohnehin keine belastbaren Vergleiche zu. Aber, ich wiederhole noch mal, all das bewegt sich tatsächlich in einem Bereich der methodischen Diskussion. Die methodische Diskussion ist aber – und das haben Sie, Kollege Möller, ja hier deutlich gemacht – gar nicht der Gegenstand Ihrer Diskussion gewesen, sondern Sie haben ein fest gefügtes Bild einer von Ihnen als nicht mehr potenziell, sondern tatsächlich kriminalitätsaffinen Bevölkerungsgruppe definiert. Und Sie wollen, dass das Land sozusagen Ihnen im Rahmen von methodisch, aus Ihrer Sicht unsauber vorgeschlagenen Datenerhebungen Futter für Ihre politische Argumentation liefert.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Herr Prof. Hoff, der Herr Möller hat eine Studie zi- tiert!)

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Herr Abgeordneter Höcke, ich darf Sie darauf aufmerksam machen,

(Unruhe DIE LINKE)

dass die Landesregierung, in persona Herr Prof. Hoff, das Wort hat.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das habe ich Ihnen schon das letzte Mal gesagt, das verstehen Sie einfach nicht!)

Der Punkt ist, Herr Höcke, Sie haben eine Position. Und was Sie nicht verstehen können – und damit teilen Sie das Schicksal jeder dogmatischen Gruppe, die ein fest gefügtes Weltbild hat –, Sie können nicht akzeptieren,

(Heiterkeit AfD)

dass es eine Welt gibt, die anders ist als Ihre. Und deshalb fühlen Sie sich verletzt,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

abgestoßen, zurückgestoßen und stigmatisieren

(Beifall AfD)

sich selbst als eine Opfergruppe, die den Altparteien gegenübersteht. Dass aber möglicherweise auch hier gilt, dass nicht die Weisheit bei einer Gruppe liegt, sondern dass aus kollektiver Weisheit über die eigene Gruppe hinaus ein Stand an Erfahrungswissen generiert werden kann, der sich tatsächlich von dem Ihrigen unterscheiden kann und trotzdem richtig ist, das ist etwas, was wir als Diskussion gerne bis zum Ende dieser Wahlperiode jede Plenarsitzung aufs Neue ausdiskutieren können. Ich bin mir nur nicht sicher, ob diese Botschaft tatsächlich bei Ihnen ankommt.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Mit Sicherheit nicht!)

Insofern führe ich meinen Punkt zurück.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie haben hier ein festgefügtes Bild dargelegt. Dafür wollen Sie entsprechende Statistik zur Verfügung stellen. Wir wollen nicht, dass der Staat in diesem Sinne zur Beute Ihrer politischen Handlung gemacht wird. Aus diesem Grunde schlagen wir vor, den Antrag abzulehnen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN (Unruhe AfD)

Vielen Dank, Prof. Hoff. Gibt es weitere Wortmeldungen? In der Reihenfolge: Herr Abgeordneter Henke, Herr Abgeordneter Möller. Ich darf die Fraktion der AfD darauf aufmerksam machen, dass laut Protokoll noch immerhin 14 Sekunden Redezeit zur Verfügung stehen.

Ich glaube in dieser Zeit kann ich das nicht so schnell darstellen. Ich fordere die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen und alle ihre Anhänger auf, ihren Wohnraum, ihre Häuser zur Verfügung zu stellen, Flüchtlinge aufzunehmen, um diesen Notstand im Lande zu beenden, damit die Kinder wieder in ihre Schule gehen können, ihren Sport ausüben können. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Nun ist gut. Danke. Eine weitere Wortmeldung kann ich der Fraktion der AfD leider nicht erteilen. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das sehe ich nicht. Dann schließe ich die Aussprache.

Eine Ausschussüberweisung ist nicht beantragt.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Herr Präsi- dent!)

Deswegen kommen wir direkt zur Abstimmung über den Antrag der AfD in Drucksache 6/977.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Lassen Sie mich raten: Na- mentliche Abstimmung!)

Herr Abgeordneter Möller, bitte.

Ich würde gern die Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Justiz, Migration und Verbraucherschutz beantragen.

Dann springen wir noch einmal einen Schritt zurück und stimmen ab über den Antrag auf Ausschussüberweisung an den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz. Wer dem seine Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus der AfD-Fraktion. Die Gegenstimmen? Das sind die Gegenstimmen aller anderen Abgeordneten aus allen Fraktionen.

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Das ist ja ungewöhnlich!)

Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt. Wir kommen jetzt direkt zur Entscheidung über den