Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie herzlich zur heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich erlaube mir anlässlich der aktuellen Entwicklung eine kurze Vorbemerkung.
Meine Damen und Herren, die Ereignisse von Heidenau erfüllen mich – und ich glaube, in Ihrer aller Namen zu sprechen –, erfüllen uns mit Entsetzen und Abscheu. Angesichts des nie dagewesenen Zustroms von Flüchtlingen nach Europa steht auch Thüringen vor großen Herausforderungen. Die Mitarbeiter in den zuständigen Behörden und Hunderte ehrenamtliche und hauptamtliche Helfer sind seit Monaten sehr engagiert tätig, nehmen erhebliche Belastungen in Kauf. Sie bemühen sich darum, dass diejenigen, die zu uns kommen und um Asyl bitten, angemessen versorgt, betreut und geschützt werden. Allen Menschen in Thüringen, die an der Betreuung und am Schutz von Asylsuchenden mitwirken, gilt unser Respekt und Dank.
Wir als Demokraten müssen diese Herausforderung annehmen. Wir müssen aber auch die Sorgen und Ängste der Bürger ernst nehmen, die sich auch am Handeln der Zuständigen entzünden. Und wir müssen klar jene verurteilen, die diese Angst schüren und sagen, das Boot sei voll. Das Boot ist nie voll für die wirklich Bedürftigen. Ich sage, Deutschland kann angesichts humanitärer Katastrophen nicht tatenlos zusehen und das tun wir auch nicht. Viele nehmen ihre Verantwortung wahr, aber wir können und müssen noch mehr tun. Dazu gehört immer auch, Recht und Gesetz zu achten und anzuwenden.
Die Ereignisse von Heidenau – ich sage aber, auch die Gewalteskalation in Suhl – zeigen, wie vielschichtig die Herausforderungen sind. Ich warne vor Schwarz-Weiß-Malerei. Gewalt und Hass, ganz gleich, gegen wen sie sich richten, dürfen in unserer Gesellschaft keinen Platz finden. Ich rufe in diesem Sinne alle Demokraten – nicht nur hier im Haus, aber auch hier im Haus – in unserem Land dazu auf, diesen humanitären Konsens immer wieder zu bekräftigen.
Ich habe noch eine andere Pflicht zu erfüllen. In den vergangenen Tagen haben die Einsatzkräfte der Feuerwehr bei den zahlreichen Unwettern in Thüringen sehr viel geleistet. Bei diesen Einsätzen ist ein ehrenamtlicher Feuerwehrmann, Martin Gündner, ums Leben gekommen. Ich bitte Sie, sich
Ich begrüße nun auch die Gäste und Vertreter der Medien auf der Zuschauertribüne. Die heutige Sitzung wurde gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen in Verbindung mit § 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags aufgrund eines Antrags der Fraktion der CDU einberufen. Die entsprechende Unterrichtung liegt Ihnen in Drucksache 6/918 vor.
Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführer neben mir Platz genommen Frau Abgeordnete Dr. MartinGehl, die Redeliste führt Frau Abgeordnete Herold. Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Abgeordnete Liebetrau sowie Frau Abgeordnete Dr. Lukin.
Zum Beratungsgegenstand dieser gemäß dem Antrag der Fraktion der CDU gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen in Verbindung mit § 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags außerplanmäßig einberufenen Sitzung wurden ein Alternativantrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/928 sowie ein Alternativantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/945 verteilt.
Am 20. August 2015 haben Sie eine Neufassung der Einladung zu dieser Sitzung erhalten. Darin sind diese Alternativanträge ausgewiesen. Im Ergebnis einer Vereinbarung der Fraktionen unter Einbeziehung der Landesregierung ist mit der neu gefassten vorläufigen Tagesordnung vorgesehen, den Antrag der Fraktion der CDU samt den dazu eingegangenen Alternativanträgen gemeinsam mit der für diese Sitzung angekündigten Regierungserklärung des Ministers für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zur Flüchtlingspolitik in Thüringen zu beraten. Dazu liegt Ihnen die Unterrichtung der Landesregierung in der Drucksache 6/935 vor.
Ich frage: Gibt es Widerspruch dagegen, so zu verfahren, wie es vereinbart wurde? Das ist nicht der Fall.
Zu TOP 1 – dem Antrag der Fraktion der CDU – wurde ein Änderungsantrag des Abgeordneten Krumpe in der Drucksache 6/947 verteilt. Gemäß § 64 Abs. 3 der Geschäftsordnung sind Änderungsanträge zu selbstständigen Vorlagen nur mit Zustimmung des Antragstellers zulässig. Ich frage die CDU-Fraktion, ob Zustimmung dazu signalisiert wird. Nein, es gibt keine Zustimmung. Damit ist dieser Antrag nicht zugelassen.
Stand und Perspektiven der Asyl- und Flüchtlingspolitik im Freistaat Thüringen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/918 dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/928
dazu: Alternativantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN - Drucksache 6/945
Regierungserklärung des Ministers für Migration, Justiz und Verbraucherschutz zur Flüchtlingspolitik in Thüringen Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 6/935
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, eine richtige Sommerpause gab es in diesem Jahr nicht. Insbesondere das Thema der ansteigenden Asylbewerberund Flüchtlingszahlen hat uns in den letzten Wochen und Monaten auf Trab gehalten. Doch die vielen Menschen, die zu uns kommen, sind nicht nur ein Thema für die Medien, sie sind eine ganz greifbare Herausforderung für alle Verantwortungsträger in unserem Land.
Wir haben diese Sondersitzung heute einberufen, da dieses Thema und seine Folgewirkungen keinen Aufschub dulden. Für die CDU-Fraktion sage ich an dieser Stelle noch einmal klar, dass jeder, der nachweisbar schutzbedürftig ist, auch unsere Solidarität und unseren Schutz bekommen muss. Am Grundrecht auf Asyl darf es keine Abstriche geben,
auch wenn mehr Menschen berechtigt zu uns kommen als in den letzten Jahren. Die individuellen Schicksale dieser Menschen bewegen uns sehr. Wer allerdings kein Anrecht auf Asyl oder anderweitigen Schutz bei uns hat, muss unser Land auch zügig wieder verlassen und den Platz für wirklich Schutzbedürftige frei machen, entweder freiwillig oder nach einem Monat mit dem Zwangsmittel der Abschiebung.
Was rechtlich möglich ist, muss hier konsequent und zügig angewendet werden. Doch das passiert im Moment leider nur in Millimeterschritten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wollten als rot-rot-grüne Landesregierung in der Asylund Flüchtlingspolitik alles besser machen und eigene Akzente setzen. Im MDR mussten Sie, Herr Ramelow, nun gestern zugeben, die Landesregierung sei in der Flüchtlingspolitik permanent überfordert.
Nun: Einsicht ist bekanntlich der erste Schritt zur Besserung. Wenn Sie allerdings gleich wieder auf den Bund als bösen Übeltäter verweisen, ist es mit der Einsicht schon wieder dahin. Für Versäumnisse und Missmanagement vor Ort liegt die Verantwortung hier in Thüringen.
Sie sind an Ihren eigenen Maßstäben gescheitert, denn was ist der Unterschied zwischen einer permanenten Überforderung und einem Scheitern, meine Damen und Herren? Die Konsequenzen Ihres Scheiterns treffen als Erstes die Menschen, die bei uns Schutz suchen und in Eisenberg auf Feldbetten, die auf der blanken Erde stehen, überspannt von notdürftig errichteten Zelten, die Nacht verbringen müssen. Die Konsequenzen Ihres Scheiterns erleben die Menschen in Suhl, die unter unwürdigen Bedingungen in einer teilweise um 50 Prozent überbelegten Einrichtung auf dem Friedberg mit Betten auf dem Gang schlafen oder Toiletten benutzen müssen, die nicht mal eine Tür haben. Wäre das unter einem CDU-Ministerpräsidenten passiert, würden die edelmütigsten Linksaußentruppen Ihrer Landtagsfraktionen seit Wochen vor den Einrichtungen demonstrieren
Wo sind jetzt Ihre profilierten Flüchtlingspolitiker? Seit Wochen ist so gut wie nichts zu hören und das kann nicht nur an der Sommerpause liegen, meine Damen und Herren. Die Liste des Unvermögens in Ihrer Flüchtlingspolitik ist lang, sehr lang.
Erstens: Ein Winterabschiebestopp, der uns in der restlichen Republik isoliert hat und völlig falsche Anreize setzt.
Zweitens: Die teils dilettantische Suche nach neuen Erstaufnahmeeinrichtungen und Unterbringungsmöglichkeiten, begleitet von falschen Versprechun
gen, bei denen selbst das Wort des Ministerpräsidenten in Mühlhausen nicht mal eine Woche Bestand hatte.
Das Land lehnte angebotene Wohncontainer Anfang des Jahres ab und musste zusehen, wie diese Herrn Lauinger, nachdem er sich mithilfe der OTZ nach einem halben Jahr wieder erinnerte, von Landrätin Schweinsburg vor der Nase weggekauft wurden.
Drittens beschließt Rot-Rot-Grün die Vereinbarung der Ministerpräsidenten über die gesonderte Unterbringung von Asylbewerbern aus sicheren Drittstaaten mit. Kurz darauf will man in Thüringen von einer irgendwie gearteten Aufteilung der Asylbewerber in der Erstaufnahme nichts mehr wissen.
Unmittelbar nach den Vorfällen in Suhl fabulierten Sie, Herr Ministerpräsident Ramelow, plötzlich über die Separierung nach Ethnien.
Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Verlässlichkeit und planvolles Vorgehen sehen jedoch anders aus, meine Damen und Herren. Ihre neueste Antwort ist ein schnell zusammengeschusterter Flüchtlingsgipfel in dieser Woche. Wenn dabei so viel herauskommt wie bei dem Gipfel vor vier Monaten oder der Beratung mit Landräten und dem Gemeinde- und Städtebund vor wenigen Tagen mit Minister Lauinger, dann schlafen in vier Monaten an Heiligabend die Asylbewerber in Eisenberg immer noch in den Zelten auf Feldbetten. Die Zeit für weitere unverbindliche Gipfel und Diskussionsforen und endlose Arbeitskreise ist erschöpft, meine Damen und Herren. Legen Sie endlich einen Plan vor, wie Sie mit der Situation umgehen wollen, mit konkreten Maßnahmen, einem konkreten Zeitplan und dem Willen von Rot-Rot-Grün, endlich bestehendes Recht auch umzusetzen.