Ich diskriminiere die Ehe ganz bestimmt nicht, ich bin sogar glücklich verheiratet, kann ich Ihnen versichern.
denn sie stellt sich unseren Lebensrealitäten. Es gibt sie übrigens seit jeher: Unverheiratete Menschen, die mit Kindern leben, verheiratete Menschen ohne Kinder, wie beispielsweise auch unsere Bundeskanzlerin, Alleinerziehende, es gibt auch viele Menschen, die sich bewusst entscheiden, ganz ohne Partnerschaft zu leben. Warum jetzt aber die Ehe für alle den Fortbestand des Landes gefährden soll – das haben Sie ja ein Stück weit eben hier suggeriert, Frau Muhsal –, das erschließt sich, glaube ich, tatsächlich nicht annähernd.
Ehe ist nun einmal nicht gleich Familie. Wenn sich der Familienbegriff im Grundgesetz ändern konnte – das ist ja passiert –, warum soll das dann nicht auch für den Begriff der Ehe gelten? Warum soll es übrigens, wenn es um das Kindeswohl geht, in gleichgeschlechtlichen Ehen um Selbiges schlechter bestellt sein als das Kindeswohl bei Heterofamilien? Das erschließt sich mir jedenfalls nicht annähernd.
Sonst, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sind Ihnen doch die Freiheit und der Freiheitsbegriff so wichtig. Die Eheschließungsfreiheit – auch ein hehres Wort –, sprich, die Freiheit, mit einem selbst gewählten erwachsenen Partner oder einer Partnerin den Bund der Ehe schließen zu können, ist in der Europäischen Menschenrechtskonvention als Menschenrecht ausdrücklich verbrieft. Das war im Übrigen auch eine Antwort auf die Beschränkung dieses Rechts durch die Nürnberger Rassengesetze der Nazis. Der Kampf gegen Eheverbote war historisch ein Thema in fast allen Bewegungen, die die Emanzipation einer benachteiligten Gruppe zum Gegenstand hatten, von den Angehörigen des dritten Standes bis zu den Schwarzen in den USA.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin mir sicher, die Ehe für alle wird auch in Deutschland kommen. Verzögern Sie dies nicht weiter unnötig! Zum Glück wissen wir, werte Kollegen von der AfD, Homophobie ist heilbar. Wir stehen für ein Miteinander, für eine Gesellschaft frei von Diskriminierung und Benachteiligung, daher Dank an die klare Haltung unserer Regierung im Bundesrat und danke für diese höchst Aktuelle Stunde.
Vielen Dank. Gibt es noch weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Das ist nicht der Fall, sodass ich Frau Staatssekretärin Albin das Wort erteile.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, in Artikel 6 Abs. 1 stellt das Grundgesetz Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes würdigen mit diesem Grundrecht die Liebe zweier Menschen und die daraus resultierende Übernahme von Verantwortung füreinander. Im Kern sagen sie damit, dauerhaftes füreinander Einstehen, die gegenseitige Fürsorge zweier Menschen sind das Fundament unserer Gesellschaft. Es bedarf in der Form der Ehe des besonderen Schutzes; sie kann und darf durch den Staat nicht infrage gestellt werden. Ich spreche hier bewusst von zwei Menschen. Denn was sollte der Staat, was sollten wir, die Gesellschaft, dagegen haben, wenn zwei Menschen auch des gleichen Geschlechts Verantwortung füreinander übernehmen und das verbindlich machen wollen?
Verantwortung bleibt Verantwortung, auch wenn sie von zwei Frauen oder zwei Männern füreinander übernommen wird.
Abgeordnete Stange hat schon darauf hingewiesen, in Artikel 3 Abs. 1 formuliert das Grundgesetz: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Sehr geehrte Damen und Herren, es heißt „alle Menschen“, ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Lebensweisen. Für die Landesregierung bedeutet dies, dass auch die Gemeinschaft von gleichgeschlechtlichen Paaren nicht diskriminiert werden darf. Alles andere, als die völlige rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Paaren, wäre aber eine solche Diskriminierung.
Bestätigt sieht sich die Landesregierung hierin durch das Bundesverfassungsgericht. Seine schon erwähnten Urteile zum Ehegattensplitting und zur Erbschafts- und Schenkungssteuer sind demnach deutliche Voten dafür, dass es für eine Ungleichbehandlung der Lebenspartnerschaft gegenüber der Ehe keine gewichtigen Sachgründe gibt. Das Gericht machte in seinem Urteil deutlich, für die Ausgestaltung des Instituts der Ehe ist das gesell
schaftliche Verständnis maßgeblich, das die Verfassungswirklichkeit prägt. Es kann gar keinen Zweifel darüber geben: Dieses gesellschaftliche Verständnis hat sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gewandelt.
Noch vor etwas mehr als 20 Jahren war die Strafbarkeit homosexueller Handlungen Rechtswirklichkeit in diesem Land. Über Jahrzehnte hat der Staat Lesben und Schwule, ihre Beziehungen und die ihnen innewohnende Fürsorge diskriminiert und schwule Männer kriminalisiert und stigmatisiert. Der Staat hat rosa Listen geführt und selbst nach Ende des NS-Regimes Tausende Männer auf der Basis eines Naziparagrafen verurteilt. Heute wird die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare in allen Meinungsumfragen ganz überwiegend befürwortet. Noch bis 1992 galt Homosexualität bei der WHO als Krankheit, heute wachsen Kinder bei Regenbogenfamilien mit zwei Müttern oder zwei Vätern glücklich und wohlbehütet auf.
Das ist eine Selbstverständlichkeit und längst gesellschaftlich akzeptiert. Auch redet niemand mehr davon, dass gleichgeschlechtliche Paare sich verpartnern ließen. Da wird geheiratet, schmerzlich wissend, dass das, was gleich klingt, noch lange nicht gleich ist, denn trotz der bereits erfolgten rechtlichen Korrekturen sind gleichgeschlechtliche Paare einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zum Teil noch immer gegenüber Eheleuten verschiedenen Geschlechts benachteiligt. Das gilt insbesondere für den Bereich des Adoptionsrechts. Daneben finden sich in einer Vielzahl von Gesetzen über 100 Regelungen, wo zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unterschieden wird – Auslandszuschläge, Entschädigung bei Impfschäden, ja selbst im Sprengstoffgesetz wird diskriminiert. Wir können kaum vom Bundesverfassungsgericht verlangen, all diese Ungleichbehandlungen zu beseitigen. Es gibt einen viel einfacheren Weg: Die Öffnung der Ehe durch den Gesetzgeber. Es ist höchste Zeit.
Was sollte dagegensprechen? Dass die Ehe Schaden nimmt? Wie soll ein Rechtsinstitut Schaden nehmen, wenn es von einer größeren Gruppe von Menschen gewollt, gefordert und in Anspruch genommen wird?
Dass Regenbogenfamilien die traditionelle VaterMutter-Kind-Familie unterwandern? Ich bin sicher, dass Kinder in Familien mit zwei Müttern oder zwei Vätern ebenso liebevoll und umsorgt aufwachsen können wie in traditionellen Familien.
2001 war die Bundesrepublik mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz noch Vorreiter. Mittlerweile haben uns viele Länder überholt. In Irland wurde die Ehe per Volksentscheid geöffnet, in Mexiko jüngst per Urteil des obersten Gerichts. Es spricht vieles dafür, dass auch das Bundesverfassungsgericht gegenwärtig, sollte es im Wege einer Verfassungsbeschwerde angerufen werden, die Definition des Ehebegriffs auf die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften erstrecken würde. Wir müssen jedoch nicht auf das Verfassungsgericht warten. Angesichts des erheblichen gesellschaftlichen Wandels und des geänderten Verständnisses von Ehe, Familie und Partnerschaft in weiten Teilen der Bevölkerung ist es nur folgerichtig, Diskriminierung konsequent und vollständig abzubauen.
Die Bundesregierung hat jetzt den Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner auf den Weg gebracht. Dieser Entwurf beschränkt sich jedoch auf bloße redaktionelle Änderungen. Er berücksichtigt bei Weitem nicht alle Bereiche der Ungleichbehandlung und ist daher enttäuschend. Die Thüringer Landesregierung hat sich deshalb entschlossen – meine Vorrednerinnen haben schon darauf hingewiesen –, aktiv zu werden und gemeinsam mit anderen Ländern im Wege einer Bundesratsinitiative einen Anstoß zu geben. Zusammen mit Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben wir einen Entschließungs- und einen Gesetzesantrag bezüglich eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts gestellt. Im Kern geht es hierbei um die Ergänzung des § 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, wo klargestellt werden soll, dass die Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen wird. Noch 2001 hat Thüringen gemeinsam mit Bayern und Sachsen gegen diese Lebenspartnerschaft geklagt und erst 2011 mit der SPD die Zuständigkeit der Standesämter begründet. Und das, nachdem die Landesregierung um die Jahrtausendwende noch keine andere Übergangslösung gefunden hatte, als das ehemalige NS-Gauforum – in Sichtweite zu Buchenwald – zum einzigen Eintragungsort für Lebenspartnerschaften in Thüringen zu bestimmen. Man hatte einst alles unternommen, gleichgeschlechtliche Paare schlechter zu stellen. Gut, dass wir jetzt vorangehen, denn alles andere als die Öffnung der Ehe ist und bleibt Diskriminierung. Vielen Dank.
Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Abgeordneten? Das sehe ich nicht. Dann schließen wir den ersten – doch! Bitte, Herr Brandner.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Rothe-Beinlich, ich finde es unerträglich, dass Sie von diesem Standort die Rassengesetze der Nazis mit den gesetzlichen Bestimmungen bei uns im Grundgesetz und im BGB auf eine Stufe stellen. Sie sollten sich mal überlegen, was Sie damit anrichten. Unter aller Kanone, muss ich Ihnen sagen!
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben mir nicht zuge- hört! Das ist ja nichts Neues!)
Werte Kolleginnen und Kollegen, Frau Staatssekretärin Albin hat gerade sehr ausführlich auf diese Kontinuitätslinie aufmerksam gemacht – mit den rosa Listen. § 175 und die Kennzeichnung als Schwule hat in der Kombination im NS-Regime dazu geführt, dass die Menschen direkt in die Konzentrationslager gebracht worden sind.
Ich empfinde es als unerträglich, dass bis weit in die 70er-Jahre hinein in Westdeutschland dieser § 175 zu einem Klima geführt hat, bei dem ein General Kießling seine gesamte Karriere zerstört bekommen hat, nur weil irgendein Geheimdienst behauptet hat, dass er vor einer Schwulenkneipe gesehen worden sei. Das mag Ihnen entgangen sein, Herr Brandner, obwohl Sie auch aus Westdeutschland kommen und das wissen müssten. Aber die Zehntausenden von Menschen, die in Westdeutschland über Jahrzehnte hinweg diskriminiert worden sind, und das Schweigen in der DDR zu Schwulen und zu Homosexuellen gehören in die gleiche Kontinuität, wo man sich von der Denkstruktur des NS-Regimes eben nicht entfernt hat.
schen wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden. Die Ehe des Grundgesetzes markiert die Verantwortung zweier Partner und die Basis dazu ist und bleibt die Liebe. Die Frage des religiösen Sakraments ist hier überhaupt nicht berührt. Hier geht es um zivilstandliche Regelungen und vor dem Gesetz ist jeder Mensch gleich. Es gibt keine Gleicheren und keine Ungleicheren.
Werter Herr Brandner, noch in den 60er-Jahren gab es das Gesetz in Westdeutschland, dass Ehefrauen kein eigenes Konto eröffnen durften. Das ist das Familienbild des Grundgesetzes und der Gesetze, mit denen wir nach der NS-Zeit gestartet sind. Es war ein langer Weg, bis die Gleichberechtigung der Frau zur Normalität wurde. Und es ist ein langer Weg, bis wir auch geschlechtsspezifische Diskriminierungen überwinden. Wenn Sie möchten, dass das Institut der Ehe und des Ehegattensplittings endlich den Kindern zugute kommt, dann muss man den Steuervorteil, der hier erlangt wird, endlich an die Kinder binden. Da gehört er hin, da wäre er richtig aufgebaut.
Es wäre völlig unerheblich, ob die alleinerziehende Mutter den Steuervorteil oder eine Steuervergünstigung bekommt. Ich weiß nicht, warum Eheleute, die verheiratet sind, deshalb vom Staat eine Steuervergünstigung bekommen. Ich glaube, richtig wäre es, wenn Kinder der Grund für Steuervergünstigungen und für eine stärkere Förderung wären und Ende mit der Diskriminierung gemacht wird, wenn es um lebenspartnerschaftliche Verhältnisse geht, denn Verpartnerung ist eine Diskriminierung. Frau Albin hat darauf hingewiesen: Dass man in Thüringen das Gauforum genommen hat, um die Verpartnerung dort durchzuführen und ein normaler Eheschluss in einem Standesamt nach Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes in Thüringen nicht eingeführt worden ist, das war die Kontinuität der Diskriminierung. Lassen Sie uns damit Schluss machen!
Vielen Dank. Die Redezeit der Fraktionen hat sich nun noch mal um jeweils eine halbe Minute verlängert. Ich sehe aber keine weiteren Wortmeldungen, sodass wir diesen Teil der Aktuellen Stunde schließen.