Wir haben dem unser Integrationsgesetz entgegengestellt, ich will das zum Schluss sagen. Gegen jedwede parlamentarische Gepflogenheit haben Sie das einfach liegen lassen. Sie haben einen Gesetzentwurf einer Fraktion, der größten Fraktion in diesem Landtag, ignoriert, haben verweigert, ihn in den Ausschüssen zu bearbeiten. Darin zeigt sich Ihre gesamte Ignoranz in dieser Wahlperiode. Sie reden von Freiheit, Sie reden von Toleranz. Aber das Wenigste, was Sie selbst bieten können – von links ausdrücklich –, ist Toleranz zu leben.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie reden von allem Mögli- chem, aber nicht von der Enquete!)
Toleranz ist keine Einbahnstraße und eine Demokratie ist stark, wenn man beides respektiert, die Meinung des anderen, und auch für die eigene streitet.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie mich darauf hinweisen, dass die Redezeit zu kurz ist. Ich will nur einen Punkt zusammenfassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste, spätestens mit der Rede von Mike Mohring ist hier eines klar geworden: Dass die CDU diese Enquetekommission tatsächlich nur für ihren Wahlkampf missbraucht.
Es ist schon einigermaßen erstaunlich, wie Sie sich hier vorn hinstellen und die Arbeit dieser Kommission bewerten, ohne auch nur ein einziges Mal da gewesen zu sein. Ich persönlich finde, das ist eine Unverschämtheit.
Ich bedauere sehr, wie die öffentliche Debatte zu unserer Kommission in den letzten Wochen gelaufen ist. Es ist eigentlich die Aufgabe einer Enquetekommission, einen breiten politischen und gesellschaftlichen Konsens zu erreichen. Darum haben wir uns immer bemüht, auch wenn das nicht leicht war.
Über Rassismus und Diskriminierung zu sprechen, führt immer wieder zu Abwehrreflexen, die oft mit dem Vorwurf verbunden sind – und das haben wir auch heute gehört –, dass es sich um einen Generalangriff auf ganze Personengruppen handelt. An dieser Stelle will ich eines klarstellen: Wir nehmen keine Generalisierung vor. Meine Fraktion und ich sind dankbar für die Arbeit, die zum Beispiel in der öffentlichen Verwaltung, im Bildungssystem und bei der Polizei geleistet wird.
Das heißt aber nicht, dass dort keine Fehler gemacht werden, und das heißt auch nicht, dass man über diese Fehler dann nicht sprechen darf. Im Gegenteil, staatliche Institutionen müssen sich wie alle anderen auch in unserer Demokratie an demokratischen Prinzipien messen lassen. Eine Auseinandersetzung zu Rassismus und Diskriminierung zu führen, ohne Rassismus zu benennen, ist schlichtweg unmöglich. Und es ist wichtig, darüber zu sprechen. Genauso wie wir eine breite Debatte über die Klimapolitik brauchen, brauchen wir auch eine Debatte um das politische Klima in unserem Land. Dabei können wir Rassismus nicht verschweigen.
Wir als Parlament tragen Verantwortung dafür, dieses Thema ernst zu nehmen und Konsequenzen daraus abzuleiten.
Dieser Aufgabe haben wir uns in den letzten gut zweieinhalb Jahren gestellt und uns als Abgeordnete haben unabhängige Sachverständige unterstützt. Mein besonderer Dank gilt an dieser Stelle den Sachverständigen, die von CDU, von der Linken, von der SPD und von den Grünen benannt wurden. Stellvertretend vielen Dank an Dr. Britta Schellenberg und Frau Dr. Franziska Schmidtke für eure Zeit, für eure Expertise und für die Zusammenarbeit!
Außerdem haben wir über 200 Betroffenenverbände und Opfergruppen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Personen mit Fachexpertise aus dem institutionellen Bereich und aus der Zivilgesellschaft angehört. Auch ihnen gilt in besonderem Maße unser Dank für die klaren, aber auch berührenden Worte. Im Ergebnis stand eine Bestandsaufnahme, die gezeigt hat, dass im gesellschaftlichen Zusammenleben in Thüringen klare Defizite bestehen. Rassismus und Diskriminierung erfahren Betroffene in vielen Lebensbereichen. Mit vielen davon haben wir uns beschäftigt: mit institutionellem und behördlichem Handeln bei Polizei, Justiz und Verwaltung sowie mit Schulen und dem Arbeitsmarkt, aber auch mit Medien, Kultur und der Aufarbeitung des Kolonialismus.
Auch wenn in den letzten Wochen zum Teil ein anderer Eindruck entstanden ist und auch der eine oder andere daran gearbeitet hat, den heute fortzusetzen: Es gibt Maßnahmen, die auch über die Grenzen der Koalitionsfraktionen hinaus eine breite Zustimmung in der Kommission gefunden haben. Auf einige würde ich gern eingehen.
Eine Forderung, die immer wieder aufkam, war, die Fortbildungsangebote für Pädagoginnen und Pädagogen in der Schule, aber auch im Kindergarten, für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Justiz, Verwaltung und bei der Polizei zu stärken, weil das rassismuskritisch und diskriminierungssensibel wirken kann. Außerdem haben wir vorgeschlagen, die Projekte zur Förderung der Demokratie zu stärken, indem wir diese Projekte verstetigen. Das kann aus unserer Sicht zum Beispiel mit einem Demokratiefördergesetz passieren, wie es zurzeit auf Bundesebene diskutiert wird, ein Thüringer Zentrum für Demokratieförderung könnte aber beide Aspekte auch noch miteinander verbinden, Weiterbildung auf der einen Seite und Demokratiebildung auf der anderen Seite.
Ein dritter Punkt ist die Verankerung von „Rassismus und Diskriminierung“ als Querschnittsthema in Schulen und im Sozialkundeunterricht. Dieser Ansatz rassismuskritischer und diskriminierungssensibler Bildung – die CDU nennt es in ihrem Sondervotum „soziales Lernen“ – ist sich im Kerngedanken eigentlich sehr ähnlich. Mir ist schleierhaft, warum die CDU trotz dieser Gemeinsamkeiten die entsprechenden Empfehlungen abgelehnt hat. Gerade vor dem Hintergrund, dass Sie sagen, dass Rassismus eher ein individuelles Einstellungsproblem ist, hätten Sie diesen Maßnahmen erst recht zustimmen müssen, weil die sehr konkret bei Individuen ansetzen müssen.
Es gibt natürlich auch Handlungsempfehlungen, die kontrovers diskutiert wurden. Ein Beispiel ist heute hier schon aufgekommen, das Racial Profiling. Jetzt gibt – und da sind wir uns gar nicht uneinig – der Gesetzestext zum Polizeiaufgabengesetz eigentlich keine Grundlage dafür, dass Personenkontrollen ausschließlich aufgrund der vermeintlichen ethnischen Herkunft durchgeführt werden. Das hat auch zum Beispiel das Innenministerium in der Kommission noch mal klargestellt. Betroffenenverbände haben aber berichtet, dass es dennoch immer wieder zu genau solchen Kontrollen kommt. Das heißt für uns, dass wir damit auch umgehen müssen, und deswegen sprechen wir uns dafür aus, ein explizites Verbot von Racial Profiling ins Polizeiaufgabengesetz zu übernehmen.
Wenn Sie jetzt sagen, das gibt es gar nicht und das ist gar kein Problem, gäbe es an und für sich auch kein Problem, das mit in das Gesetz aufzunehmen. Ich hätte das gern in der Kommission diskutiert, ich wäre auch bereit gewesen, diese Forderung in einem Sondervotum zu formulieren, wenn wir für die oben genannten Empfehlungen eine gemeinsame Empfehlung hätten abgeben können, aber dazu war die CDU-Fraktion in der Kommission leider nicht bereit.
Sie wollten stattdessen einen Abschlussbericht ohne Handlungsempfehlungen abgeben, das war Ihre Strategie. Das verfehlt aber Sinn und Zweck einer Kommission, dann hätten wir uns die Arbeit in den vergangenen zweieinhalb Jahren schlicht sparen können.
Stattdessen versuchen Sie sich hier jetzt noch in eine Opferrolle zu stilisieren. Das ist auch deswegen nicht angemessen, weil wir als regierungstragende Fraktionen immer versucht haben, die Arbeit der Kommission und auch die Erarbeitung der Handlungsempfehlungen mit Ihnen gemeinsam zu gestalten. Sie können Herrn Tischner gern mal fragen – er ist Vorsitzender der Kommission und für uns auch immer Ansprechpartner gewesen –, wie oft ich ihn seit Anfang des Jahres telefonisch, persönlich, per SMS oder per E-Mail kontaktiert habe, um mit Ihnen als CDU-Fraktion ins Gespräch zu kommen, um eben gemeinsame Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Das war leider erfolglos. Warum, müssen Sie uns erklären.
Wir haben immer wieder Brücken gebaut, genutzt haben Sie die nie. Das gilt im Übrigen auch bis zur letzten Sitzung der Enquetekommission, auch hier haben wir noch Anläufe unternommen, gemeinsame Empfehlungen zu erarbeiten. Das lässt sich zum Beispiel auch im Wortprotokoll der Sitzung nachvollziehen.
Dass Sie uns jetzt vorwerfen, dass wir keinen Diskussionsprozess zu den Handlungsempfehlungen wollten, ist auch vor dem Hintergrund einfach absurd. Dass es diese Zusammenarbeit nicht gegeben hat, finde ich persönlich wirklich enttäuschend, weil Sie sich damit dem Gedanken einer ergebnisorientierten und überparteilichen Enquetekommission entzogen haben. Das ist natürlich Ihr gutes Recht, aber anstatt inhaltlich und konstruktiv mitzuarbeiten, unternehmen Sie in Ihrem Sondervotum den Versuch, die Enquetekommission zu diskreditieren. Mit dem, was Herr Tischner am Anfang als Vorsitzender dieser Kommission hier gesagt hat, nämlich dass wir mit Anstand und Respekt miteinander umgehen wollen, hat das leider nicht besonders viel zu tun.
Wenn Sie Mitglieder der Kommission platt als verlängerten Arm der linksextremen Antifa und als ideologisch beeinflusst oder unsere Arbeit als eine Art Türöffner für Verschwörungstheorien bezeichnen, dann hat das mit einem guten Miteinander in diesem Parlament leider nichts gemein.
Als Politikerinnen und Politiker sind wir verbale Angriffe inzwischen leider gewohnt, aber wenn Sie re
nommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – und auch diese sind Mitglieder unserer Kommission – auf die Art und Weise diskreditieren, dann ist das meiner Meinung nach der Arbeit des Parlaments unwürdig.
Und das ist auch noch nicht alles, es geht weiter. Sie bezeichnen Opferverbände als private Interessengruppen. Damit nehmen Sie weder die Rassismus- und Diskriminierungserfahrungen der betroffenen Personen ernst, noch erkennen Sie die Fachexpertise der Opferverbände an. Das ist nicht nur unangemessen, das ist auch falsch.