Protocol of the Session on October 1, 2019

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ganz herzlich auch bei dem Sachverständigen unserer Fraktion, Kwesi Aikins. Vielen, herzlichen Dank, dass ihr diese Arbeit hier gemacht habt, weil es mehr oder weniger ehrenamtlich war und es war auch nicht einfach, wie ja die heutige Debatte auch regelmäßig zeigt.

Ganz herzlichen Dank auch noch mal an meinen Mitarbeiter Ralf Martin, der viele Aufgaben gestemmt hat. Viele Aushandlungsprozesse mussten unsere Referenten mittragen. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und vielen herzlichen Dank an die Kolleginnen von Rot-Rot-Grün für die gute und manchmal durchaus auch etwas streitige, aber doch immer zielgerichtete und konstruktive Zusammenarbeit. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Abgeordneter Schaft, Fraktion Die Linke.

Werte Kolleginnen und Kollegen, werte Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne und am Livestream, ganz kurz vorab: Was die CDU-Fraktion in ihrem Sondervotum und vor allem heute in ihrer Rede gemacht hat, ist das Opfern der Erkenntnisse der Enquetekommission für den Wahlkampf.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was die CDU-Fraktion heute gemacht hat, ist ein Schlag in das Gesicht aller Betroffenen von rechter und rassistischer Gewalt. Mike Mohring, dann sollte sich die CDU-Fraktion mal an Wort und Tat messen lassen,

(Beifall DIE LINKE)

wenn du deine Rede damit beginnst, die CDU würde alles dafür tun, dass wir an der Seite der Opfer rechter und rassistischer Gewalt stehen. – Wie hat denn die CDU gestimmt, als es um den Antrag zum humanitären Bleiberecht für die Opfer rechter und rassistischer Gewalt ging? Sie hat mit der AfD dagegen gestimmt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Unruhe CDU)

Wie hat sie denn gestimmt, als es um die Überprüfung von Todesfällen rechter Gewalt in Thüringen ging? Sie hat mit der AfD dagegen gestimmt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und das Sondervotum ist nichts anderes als eine reine Ablehnung der Handlungsempfehlungen, die vorliegen. Man tut so, als könnte man Rassismus wegbilden. Wenn das so wäre, dann würde das CDU-Sondervotum – glaube ich – anders aussehen, denn zweieinhalb Jahre haben wir uns in der Enquetekommission ja quasi bilden lassen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Aber eigentlich bin ich nach vorn gekommen, weil ich die Gelegenheit nutzen möchte, für die von den Fraktionen Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und SPD benannten Sachverständigen zu sprechen, denn die haben nicht die Möglichkeit, heute hier ein paar Worte zu sagen. Ich will in dem Zusammenhang auch noch mal den ganz herzlichen Dank aussprechen an die Sachverständigen, die uns begleitet haben: Ayşe Güleç, Koray Yılmaz-Günay, Joshua Kwesi Aikins, Iman Attia, Ozan Keskinkılıç und Franziska Schmidtke und auch Genesungswünsche an Britta Schellenberg an dieser Stelle.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Sachverständigen, die ich gerade benannt habe, die das Ganze ehrenamtlich gemacht haben, die genauso wie wir, die wir das nun hier in unserem Alltag tagtäglich machen, sich durch die Aktenberge, durch die Unterlagen, durch die Stellungnahmen wühlen mussten und durften und konnten und mit uns beraten konnten, schreiben uns Folgendes zur Enquetekommission ins Stammbuch: Die Enquetekommission „Ursachen und Formen von Rassismus und Diskriminierungen in Thüringen sowie ihre Auswirkungen auf das gesellschaftliche Zusammenleben und die freiheitliche Demokratie“ geht nach zwei Jahren Arbeit zunächst formal zu Ende. Mit der Einrichtung einer solchen Kommis

(Abg. Henfling)

sion waren zunächst viele Hoffnungen verbunden, ein Novum bundesweit: die Auseinandersetzung mit dem Thema „Rassismus“ und seinen Erscheinungsformen und Auswirkungen. Rassismus, der letztlich der Nährboden, der Unterbau und der ermöglichende Kontext war für die Taten des NSU, die rassistischen Ermittlungsverfahren der Polizeiapparate sowie die Rolle des Verfassungsschutzes. Zu Beginn der Arbeit legten die Sachverständigen wissenschaftliche Definitionen von Rassismus vor. Dabei wurde nicht zuletzt darauf verwiesen, dass rassistische Diskriminierung keineswegs nur ein Konzept ist, über das sich trefflich streiten lässt, sie verweisen dann auch auf die im Bericht zu findende Definition der UN-Antirassismuskonvention. Sie verweisen darauf, dass die Formulierung dort sagt, dass es darum geht, dass Rassismus am Ende ein Ziel und eine Folge hat. Damit wird unmissverständlich deutlich, dass für das Vorhandensein rassistischer Diskriminierung der diskriminierende Effekt und nicht die Intention der Diskriminierung ausschlaggebend ist. Diese Definition weist weit über die in Deutschland oft zu beobachtende definitorische Engführung von Rassismus hinaus. Sie ist daher auch für Gruppen von zentraler Bedeutung, die von Rassismus betroffen sind. Sie sollte daher auch für die Landespolitik, für die den Menschenrechten direkt verpflichteten Behörden sowie für die öffentlichen Einrichtungen handlungsleitend sein. Dass dies nicht so ist, haben die Anhörungen, aber auch die Diskussionen innerhalb der Enquetekommission bedauerlicherweise unmissverständlich deutlich gemacht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Die Sachverständigen betonen auch an der Stelle noch einmal: Nicht die Existenz von Rassen führt zu Rassismus. Es gibt ohnehin keine Menschenrassen. Das ist eine weiße Erfindung. Rassismus produziert die Rassenlogik,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

indem Menschen entlang von Kategorien wie Hautfarbe, Religion, Kultur oder Herkunft homogenisiert werden und ihrer vermeintlichen Gruppenzugehörigkeit nach wesenhafte negative Eigenschaften zugeschrieben bekommen. Die Menschenrechte aber sind Teil unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Es ist bedauerlich, aber bezeichnend, dass auch Mitglieder der Enquetekommission trotz vorliegender aktueller wissenschaftlicher Forschung zu dem Themenkomplex immer wieder hinter dieser Definition zurückgeblieben sind.

Das Bestehen darauf, dass Rassismus nur ein illegitimer Ausdruck des Denkens Einzelner sei, zeigt, dass trotz der Erfahrung von NSU oder NSU 2.0 der Versuch, Rassismus weiterhin zu externalisieren und somit zu depolitisieren, immer noch vorherrscht, indem die Figur des vermeintlich legitim Andersdenkenden bemüht wird. Rassismus ist ein strukturell verankertes Problem, es ist nicht nur ein Problem von Andersdenkenden. Zugleich gibt es eine engagierte Zivilgesellschaft, Selbstorganisation und von Rassismus betroffene Personen, auf allen Ebenen, auch in der Landesverwaltung Aktive, die sich bereits gegen rassistische Diskriminierung einsetzen oder sich einsetzen wollen. Die Anhörungen und die Analysen der Enquetekommission haben eine Reihe an Stellschrauben identifiziert. Von diesen seien hier nur die notwendige differenzierte Erfassung rassistischer Diskriminierung in Thüringen sowie die fortlaufende Konsultation von Organisationen von Rassismus Betroffener sowie die Rechtsfolgenprüfung auf rassistische und anderweitige Diskriminierung durch Thüringer Gesetze herausgegriffen.

Die Sachverständigen kommen zu dem Schluss, die Enquetekommission war eine Sonderkommission des Thüringer Landtags. Die Aussagen der eingeladenen Expertinnen und Experten machen jedoch überaus deutlich: Rassismus kann nur effektiv bekämpft werden, wenn die im Rahmen der Enquetekommission vorgenommenen Analysen, Überprüfungen und Dialoge mit Betroffenen Teil des routinemäßigen Handelns von Landesregierung und Landesverwaltung werden. In diesem Sinne bietet der Abschlussbericht einen Werkzeugkasten. Nun liegt es an Ihnen, die bereitgestellten Werkzeuge zur Reparatur des Thüringer Gemeinwesens und zur Stärkung seiner menschenrechtlichen Fundamente zu nutzen.

Ich glaube, diese Worte der Sachverständigen sollten wir alle in Erinnerung behalten und mit in die Arbeit der nächsten Legislatur nehmen, damit dieser Bericht nicht nur ein Bericht bleibt, sondern wir ihn uns handlungsleitend für unsere politischen Projekte in der nächsten Legislatur mitnehmen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Landesregierung hat Minister Maier das Wort.

(Abg. Schaft)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, es gibt auch meinerseits keinen Zweifel an der Wichtigkeit des Themas, dessen sich die Kommission angenommen hat. Ich danke daher der Kommission noch mal für die Vorlage ihres Berichts, den ich als gute Diskussionsgrundlage für eine wichtige Debatte betrachte. Ich möchte allerdings zu den konkreten Handlungsempfehlungen ein paar Dinge sagen.

Was die konkreten Empfehlungen anbelangt, insbesondere wo sie polizeiliche Themen betreffen, gibt es meines Erachtens noch Erörterungsbedarf.

(Beifall CDU)

Hier bleibt eine weitere Diskussion abzuwarten und ich biete gern an, hierbei auch den Fachverstand meines Hauses einfließen zu lassen.

Zum Punkt Racial Profiling: Die Kommission empfiehlt zum einen, ein Racial-Profiling-Verbot in das Polizeiaufgabengesetz aufzunehmen. Aus Sicht der Kommission kann ich diesen Wunsch gut verstehen. Wir müssen uns aber darüber im Klaren sein, dass eine solche Gesetzesergänzung ihrerseits Ressentiments Vorschub leistet. Leicht könnte man das dahin interpretieren, dass die Thüringer Polizei rassistische Kontrollpraktiken anwenden würde.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Unerhört!)

Ich möchte aus meiner Sicht deutlich machen: Das ist nicht der Fall.

(Beifall CDU, SPD)

Ich warne auch vor Symbolpolitik. Denn nicht nur das Racial Profiling, sondern alle Formen diskriminierender Polizeiarbeit sind ohnehin schon auch unter der geltenden polizeilichen Rechtslage verboten.

(Beifall CDU)

Zu der Studie „Diskriminierungserfahrungen“: Die Kommission empfiehlt, eine Studie zu Diskriminierungserfahrungen in Auftrag zu geben. Diesen Vorschlag begrüße ich sehr. Bisher ist mir keine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Untersuchung bekannt, die rassistische Denk- und Handlungsmuster bei der Thüringer Polizei belegen würde.

(Beifall CDU, SPD, AfD)

Auch sehe ich unsere Polizistinnen und Polizisten immer wieder teilweise hasserfüllten und persönlich sehr belastenden Unterstellungen ausgesetzt.

(Beifall CDU)

Vielleicht kann die Studie dazu beitragen, die tatsächliche Lage etwas zu erhellen.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Ja, Sie werden Ihr blaues Wunder erleben!)

Aus- und Fortbildung der Polizistinnen und Polizisten: Die Kommission empfiehlt, das Aus- und Fortbildungsprogramm der Thüringer Polizei hinsichtlich rassismus- und diskriminierungssensibler Inhalte durch eine unabhängige Studie zu evaluieren und in diesen Prozess externe Akteure einzubeziehen. Ich möchte betonen, dass die Aus- und Fortbildung in der Thüringer Polizei einer ständigen Qualitätskontrolle unterliegt, um jederzeit bestehende Verbesserungspotenziale erkennen und auf aktuelle Entwicklungen reagieren zu können. Bereits die Handlungsempfehlungen des Untersuchungsausschusses 5/1 „Rechtsterrorismus und Behördenhandeln“ fanden Berücksichtigung. So sind die Themen „Antidiskriminierung“, „Rassismus“, „Hasskriminalität“ und „Umgang mit Opfern“ im Unterricht fest integriert. Es werden unter anderem die Erscheinungsformen des politischen Extremismus und des Rechtspopulismus behandelt. Zudem gibt der Lehrplan Einblicke in Fluchtbewegungen, Fragen der Asylpolitik, Hintergründe zu ethnischen Konflikten und vermittelt interkulturelle Kompetenzen.

(Beifall SPD)