Das hätten Sie machen können, Sie wollten es nicht. Was Sie jetzt machen, ist wieder ein Sonderrecht für Abgeordnete oder Kandidaten der Altparteien. Das ist nicht in Ordnung. Es gibt eine Hotline für Sicherheit, das ist die 110.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich glaube, man kann das, was man sich vorher in Gedanken überlegt hat, hier in dieser Aktuellen Stunde zu sagen, weil sie doch ein sehr breit gefächertes Themenspektrum anspricht, zunächst getrost etwas zur Seite legen und auf den Beitrag des AfD-Abgeordneten Möller eingehen.
Als ich die Rede gerade gehört habe, fühlte ich mich an eine Veranstaltung im Sommer dieses Jahres im Rahmen des Kunstfestes erinnert, als in Weimar durch die Kunstfestinitiatoren das Reenact
ment der Weimarer Reichsverfassung praktisch neu inszeniert worden ist, um deutlich zu machen, welche geschichtlichen Parallelen wir in dieser Gesellschaft tatsächlich erleben. Es geht nicht um die Frage, ob sich Geschichte wiederholt, es geht um die Frage, ob wir Parallelen in der gesellschaftlichen Entwicklung erkennen und wie wir heute darauf reagieren mit den Erfahrungen, die wir aus der Geschichte haben.
Ich hatte die Möglichkeit, im Rahmen des Reenactments einen Auszug aus der Rede von Wilhelm Marx von der Zentrumspartei aus einer Parlamentsdebatte vorzutragen, die einen Tag nach der Ermordung Walther Rathenaus stattgefunden hat. Da sagte Wilhelm Marx etwas sehr Eindrucksvolles – er sagte: Während die politischen Morde in den ausgehenden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts davon geprägt waren, dass Menschen niederen Rangs von niederen Motiven getrieben worden sind, sind die Morde in der Weimarer Republik – etwa 500 davon sind nach heutiger Geschichtsforschung registriert – von Menschen verübt worden, denen man nicht vorwerfen kann, dass sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, dass sie etwa sozial ausgegrenzt sind oder dass sie nicht wüssten, was sie tun.
Diese Mörder hatten damals auch eine politische Entsprechung in der Reichsversammlung, und zwar die Deutschnationale Volkspartei. Und es war Wilhelm Marx, der gleichlautend mit allen anderen Abgeordneten an diesem Tag in Richtung Deutschnationale Volkspartei sagte: Sie sind die eigentlichen Brandstifter, die jeden Tag durch ihre Reden die Menschen in diesem Land aufhetzen und im Prinzip den politischen, klimatischen Boden für die politischen Morde, die sich in der Weimarer Republik vollziehen, erst schaffen.
Genau das, meine Damen und Herren, ist das, was ich heute auch an Parallelen zur Geschichte erkenne und was mich im Prinzip dazu bringt, nach solchen Redebeiträgen nicht meine Auseinandersetzung mit dem Innenminister zu führen, die ich gern politisch führe, oder mit der SPD zur Aktuellen Stunde, sondern genau darauf aufmerksam zu machen, was wir eigentlich an gesellschaftspolitischen Herausforderungen haben, um Gefahren für die Demokratie zu begegnen.
Die AfD versucht oftmals, sich in diesem Landtag als Opfer darzustellen. Wir hatten gestern wieder ein Schauspiel beim Gemeinde- und Städtebund,
wo es darum ging, es würde in diesem Land keine Meinungsfreiheit herrschen. Hier war ein exemplarisches Beispiel dafür, wie Meinungsfreiheit in diesem Land herrscht.
Aber was wir an anderer Stelle haben, ist, dass wir eine Gesellschaft brauchen, die genau dort widerspricht, wo die Meinungsfreiheit dazu benutzt wird, die Menschenrechte, die Grundrechte von anderen Menschen in diesem Land zu beschränken.
Und ich will es Ihnen auch ganz persönlich sagen, wenn es immer darum geht, dass man das doch zulassen muss: Nein, wir müssen agieren, wir müssen reagieren, wir müssen erwidern und wir müssen uns dem widersetzen, wenn es solche Menschen sind, die Freunden von mir – ob die aus Polen, aus Angola oder aus Ghana sind – im Prinzip das Lebensrecht hier in diesem Land nehmen wollen. Das sind Freunde von mir, die mit mir gemeinsam zusammenleben. Das ist mein persönliches Motiv, tatsächlich auch immer zu widerstehen und Demokratie zu verteidigen. Denn das, was wir an politischem System haben, ist vielleicht nicht das, was wir uns als Linke vorstellen, es ist vielleicht nicht das, was sich die Grünen vorstellen, es ist möglicherweise auch nicht das, was sich die SPD oder auch die CDU vorstellen. Aber das, was wir an zugrunde liegenden Grund- und Freiheitsrechten haben, ist etwas, was ich jederzeit verteidige, weil es nicht nur möglich macht, dass Menschen wie die AfD ihre Meinung sagen können, sondern es gibt uns auch die Möglichkeit und die Notwendigkeit, mit unseren Mitteln der freien Meinungsäußerung dagegen aufzustehen,
mit unseren Mitteln des zivilen Ungehorsams auch zu widerstehen und tatsächlich auch die Demokratie und die Freiheit nicht nur von unseren Freunden, sondern von allen Menschen zu verteidigen, die genau auch diese Freiheit für sich in Anspruch nehmen wollen.
Und deswegen glaube ich, dass diese Aktuelle Stunde auch am Ende dieser Legislaturperiode ein wichtiges Element ist, um über politische Freiheitsrechte zu reden, um über politische Grundrechte zu reden und auch um über Demokratie zu reden. Wir sollten uns gemeinsam auf den Weg machen, tatsächlich Demokratie zu verteidigen – und da beziehe ich die CDU ausdrücklich mit ein. Und da nehme ich auch Bezug auf das, was Kollege Adams hier
gesagt hat: Wir sollten uns auch – so weit die Unterschiede uns vielleicht auch politisch trennen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU – darauf konzentrieren, was uns vielleicht in dieser Frage gemein ist. Das ist nämlich die Anerkennung von Fakten, die Anerkennung von objektiven Tatsachen. Darauf gründend sollten wir in den politischen Meinungsstreit gehen, der aber vom Respekt füreinander getragen ist, der getragen ist vom Respekt für die Unterschiedlichkeit von Auffassungen und der eben auch getragen ist vom Ringen um das beste Argument und nicht um den lautesten Schreihals oder wer am meisten Menschen mobilisieren kann, dass wir die Stimme erheben, wenn gegenüber Gemeinderäten, gegenüber Lehrern, gegen Polizeibeamte gedroht wird. Das alles müssen wir im Prinzip auch gemeinsam in dieser Demokratie leisten. Und da gilt unsere Solidarität ganz ungeteilt für jeden, der in diesem Land durch Rechte bedroht ist, ganz gleich, ob er sich im Verein organisiert, ganz gleich, ob er Polizeibeamter ist, ganz gleich, ob er Landtagsabgeordneter ist, ob er Gemeinderat ist. Es ist mir gleich, welche Funktion ein Mensch in dieser Gesellschaft einnimmt, wir müssen ihn vor den Angriffen von Demokratiefeinden und von Rechtsextremen schützen. Dafür müssen wir gemeinsam stehen. Herzlichen Dank.
Vielen Dank. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen seitens der Abgeordneten. Für die Landesregierung Herr Minister Maier, bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wie sicherlich allgemein bekannt ist, bildet der Kampf gegen den Rechtsextremismus einen Schwerpunkt meiner Tätigkeit. Potenzielle Ziele von Gewalttätern aus dem rechten Spektrum beschränken sich nicht nur auf tatsächliche oder vermeintliche Migrantinnen und Migranten oder den politischen Gegner. Wie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke, aber auch die Angriffe – auch das ist heute schon angesprochen worden – auf die heutige Oberbürgermeisterin von Köln im Jahr 2015 sowie den Bürgermeister der Stadt Altena im Jahr 2017 zeigen, stehen insbesondere nicht nur staatliche Repräsentanten der Bundes- und Landesebene, sondern insbesondere auch die Kommunalebene im Fokus von Gewalttätern.
Die Kommunalpolitikerinnen und ‑politiker sind leider heutzutage teilweise erheblichen Bedrohungen ausgesetzt. Diese Taten belegen die Gefährlichkeit von entschlossenen, radikalisierten Tätern und führen uns vor Augen, dass Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker in bestimmten Kreisen mittlerweile als legitimes Mittel der Auseinandersetzung angesehen wird. Gewalt und Bedrohungsdelikte machen auch vor Ländergrenzen nicht halt; auch für Thüringen sind derartige Straftaten nicht auszuschließen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus diesem Grund habe ich letzte Woche die SPD-Innenministerkollegen und ‑senatoren nach Gotha eingeladen,
um gemeinsam nach Möglichkeiten zur Fortsetzung des konsequenten Kurses bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus zu suchen. Wir haben uns entschlossen, gemeinsam auf eine Intensivierung im Verfassungsschutzverbund hinzuwirken,
um sowohl der modifizierten Kriminalitätslage als auch der Polarisierung in der politischen Auseinandersetzung entgegenzusteuern. Es kommt darauf an, länderübergreifende rechtsextremistische Strukturen noch stärker als bisher zu überwachen und Straftaten möglichst bereits im Vorfeld zu erkennen und zu verhindern. Zu diesem Zwecke dringen wir auf die Einführung und Umsetzung eines sogenannten Radikalisierungsradars Rechtsextremismus. Es handelt sich hierbei um ein Risikobewertungssystem, welches potenzielle rechtsextremistische Gewalttäter bereits im Vorfeld erkennbar machen soll.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben dem Kampf gegen die Täter möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich noch mal betonen: Täter lauern in allen extremistischen Bereichen.
Auch diese Postkarte, die eben schon angesprochen wurde, die gegen den Abgeordneten Mohring gerichtet ist: Das ist krudes Zeug, was dort aufgeschrieben steht. Und die Gefahr lauert immer dort, wo man sie nicht vermutet. Deswegen: Wir können Ermittlungsarbeiten intensivieren, aber wir werden es nicht schaffen, 100 Prozent der Risiken auszuschließen. Deswegen ist es wichtig, Schutz zu bieten, und zwar Schutz für die Betroffenen. Das sind insbesondere die ehrenamtlichen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker. Diese brauchen ein Unterstützungsangebot, das ist momentan nicht
ausreichend. Ich selbst habe das am praktischen Beispiel des Bürgermeisters Haßkarl aus Magdala mitverfolgen können, als ihm am Tag nach der Verhinderung des Rechtsrockkonzerts Essensreste vor die Haustür gekippt wurden, mit Bedrohung verbunden. Er wusste sich in dem Moment nicht zu helfen, weil es natürlich erst mal auf den ersten Anschein keine direkte Bedrohung ist, aber dahinter steckt natürlich eine deutliche Botschaft. Er wandte sich an mich und ich konnte ihm Polizeischutz zur Verfügung stellen. Das soll aber jetzt institutionalisiert werden. Deshalb habe ich beschlossen, für Thüringen eine vertrauliche Telefonnummer zu schalten, um bedrohten Kommunalpolitikern unmittelbar Hilfe anzubieten. An diese polizeiliche Hotline können sich Betroffene jederzeit und unkompliziert wenden. Eines ist klar: Die Hotline ist ein ergänzendes Instrument. Wenn Gefahr im Verzug ist, ist die 110 natürlich die richtige Nummer. Aber wenn keine zeitkritischen Ereignisse vorliegen oder die Bedrohung nicht akut ist, dann wird mit dieser Hotline eine Möglichkeit eröffnet, vertrauliche bzw. persönliche Sachverhalte anzusprechen sowie damit zusammenhängende strafrechtliche relevante Vorgänge mitzuteilen. Selbstverständlich steht diese Nummer allen Parteien offen.
Des Weiteren soll im Einzelfall die Möglichkeit einer eingehenden Beratung geschaffen werden, wie man sich am besten verhält. Um eine durchgängige Erreichbarkeit zu sichern, ist die Hotline in der Landeseinsatzzentrale der Landespolizeidirektion aufgeschaltet. Sie ist 24 Stunden an sieben Tagen erreichbar. Die dort eingehenden Darlegungen werden analysiert und bewertet, neben den strafprozessualen Maßnahmen werden auch Sofortmaßnahmen der Gefahrenabwehr initiiert und koordiniert. Die vertrauliche Nummer wird allen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern über die kommunalen Spitzenverbände zur Verfügung gestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, neben diesem personalisierten Angebot unterstütze ich gleichzeitig eine Bundesratsinitiative zum verbesserten strafrechtlichen Schutz von Kommunalpolitikern. Der privilegierte Schutz von Bundes- und Landespolitikern vor dem Tatbestand der Verleumdung und üblen Nachrede muss nach meiner Auffassung nunmehr auch auf Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker ausgeweitet werden.
Der Gesetzentwurf erhält eine Ergänzung in § 188 Strafgesetzbuch, mit der eindeutig klargestellt wird, dass auch auf kommunaler Ebene tätige Politikerinnen und Politiker vor übler Nachrede und Verleumdung insbesondere über die sozialen Medien und
im Internet besonders geschützt werden. Wir müssen aus meiner Sicht hier sehr deutlich werden. Das Internet ist nicht der Wilde Westen, in dem das Gesetz des Stärkeren gilt. Im Gegenteil, auch dort gelten die rechtlichen Regelungen der Offline-Welt, darüber hinaus auch – wie ich feststellen und noch mal betonen will – die Regeln von Anstand und Höflichkeit.
Deshalb werden wir – das will ich betonen – nicht länger akzeptieren, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger, die sich häufig auch ehrenamtlich für ihre Kommunen engagieren und ihre Freizeit für Stadt- und Gemeinderat, Ausschusssitzungen und vieles mehr aufwenden, Opfer von Hass-Postings, Hetze im Internet und Bedrohung werden. Für diese Fälle soll auch das Strafantragserfordernis gelockert werden. Aufgrund der herausgehobenen Stellung der im politischen Leben des Volkes stehenden Personen soll den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit gegeben werden, im Einzelfall auch ohne Strafantrag der betroffenen Person die Strafverfolgung aufzunehmen.
Für Bedrohungen im Sinne von § 241 Strafgesetzbuch soll eine Strafrahmenerhöhung auf drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe vorgesehen werden, wenn die Tat öffentlich oder durch das Verbreiten von Schriften begangen wird. Des Weiteren soll für Bedrohungen im Sinne von § 241 Strafgesetzbuch, die Politiker betreffen, der erhöhte Strafrahmen mit einer Strafandrohung von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsentzug gelten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese zahlreichen Maßnahmen können aber nur dann wirksam werden, wenn eine Anpassung der Arbeitsstrategie unserer Sicherheitsbehörden erfolgt. Dies umfasst insbesondere auch eine angemessene personelle und finanzielle Ausstattung, aber auch eine weitere Verbesserung der Zusammenarbeit der Behörden in Thüringen selbst wie aber auch im bundesweiten Verbund der Sicherheitsbehörden. Lassen Sie mich zunächst feststellen, dass wir hierbei auf einem guten Weg sind. In meinem Zuständigkeitsbereich haben wir bereits eine Vielzahl an sicherheitspolitischen Maßnahmen realisiert, die unsere Sicherheitsbehörden in die Lage versetzen, ihre ihnen zugewiesenen Aufgaben uneingeschränkt erfüllen zu können. Herr Abgeordneter Dittes hat bereits ausführlich dargestellt, welche Verbesserungen dort vollzogen werden. Wenn man sich die Personalsituation bei der Thüringer Polizei im Zeitraum zwischen 2016 – und jetzt von der Lan