Protocol of the Session on September 26, 2019

Hass und Hetze führen dazu, dass aus Worten Taten werden. Das ist der Slogan des NSU gewesen und brutalerweise verwenden den mehr und mehr auch andere Kräfte hier im gesellschaftlichen Umfeld – leider auch in Thüringen. So haben wir mit einer Zunahme von Gewaltandrohungen und auch Übergriffen auf Politikerinnen und Politiker zu tun, auch hier bei uns in Thüringen. Zum Glück – kann man sagen – sind hier schwere Verletzungen bisher ausgeblieben, aber körperliche Angriffe gab es bereits und Sachbeschädigungen jede Menge.

Was wollen wir heute in unserer Aktuellen Stunde? Heißt das, dass die Politiker sich jetzt schon wieder ein Extrawürstchen braten wollen? Das ist nicht der Fall, sondern wir wollen einen bestehenden Schutz in Erinnerung rufen, den es im Strafgesetzbuch in § 188 StGB gibt, wo es eine besondere Strafandrohung für Angriffe gegen Politikerinnen und Politiker gibt. Die wird allerdings – warum auch immer – in der wissenschaftlichen Literatur und in der Rechtsauslegung bisher auf Politiker auf höheren Ebenen bezogen, also auf Landtagsabgeordnete, auf Bundestagsabgeordnete und auf Regierungsmitglieder. Wir denken, es ist allerhöchste Zeit, auch Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker zu schützen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie alle erinnern sich an den tragischen, lebensgefährlichen Anschlag auf Frau Reker, die Oberbür

(Minister Maier)

germeisterkandidatin in Köln. Es gab weitere Angriffe gegen Kommunalpolitiker in Schleswig-Holstein. Es gab erst jüngst den Mord an Herrn Lübcke, der auch hier in Thüringen lange Zeit tätig gewesen ist.

Was wollen wir mit dieser Aktuellen Stunde? Wir wollen nicht nur Strafrecht verschärfen, sondern wir wollen auch unseren Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern sagen: Wir stehen an eurer Seite, wir unterstützen euch, und wir wollen das nicht, dass die Gesellschaft hier resigniert. Und wenn dann Leute angegriffen werden, auch noch körperlich angegriffen werden, wenn ihre Familie angefeindet wird – Sie erinnern sich vielleicht auch noch an das Beispiel aus dem Bundesland Sachsen, wo bei einem Kommunalpolitiker Steine durch das Fenster flogen, in ein Zimmer, in dem die Kinder geschlafen haben –, dann ist es höchste Zeit, hier auch eine Aktivität von uns zu entfalten.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Angriffe auf Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sind die traurige Spitze eines Eisbergs, einer zunehmenden Radikalisierung, einer zunehmenden Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft. Wir finden im Internet mittlerweile Organisationen und Listen. Zuletzt war es die „Nordkreuz“Akte, wo dann schon Mord- und Attentatslisten verbreitet werden, auf der sich auch zahlreiche Politikerinnen und Politiker finden. Diese Verschärfung wird natürlich auch noch zusätzlich angeheizt durch Kräfte, die sich dann heute auch noch hier hinstellen und sich als bürgerliche Mitte bezeichnen. Darüber bin ich jetzt auch noch mal besonders sauer, denn es war 2018 die Junge Alternative in Köln, also die Jugendorganisation der AfD, die den Slogan des Reker-Attentäters auf ihrer Seite online gestellt hat, und nebendran waren Bilder mit scharfen Waffen publiziert – nur mal so weit.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ist es!)

Jetzt haben Sie von Ihrem Herrn Kubitschek – das ist immer der geistige Stichwortgeber für Herrn Höcke – eine Strategie verordnet bekommen, die nennt sich die „Selbstverharmlosung“. Das habe ich jetzt erfahren – wunderbar. Das haben wir heute schon hier von Ihnen erfahren, wie Sie das hier anzuwenden gedenken. Ein trauriger Höhepunkt – das ist nicht nur ein Phänomen hier in Deutschland oder in Thüringen – in Europa war übrigens gestern auch die Unterhausdebatte in Großbritannien, als sich der Premier zu der Bemerkung hinreißen ließ, dass man das Andenken der ermordeten Parlamentsabgeordneten Jo Cox am besten dadurch

wahren müsste, dass man den Brexit jetzt auch durchsetzt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Cox hatte sich gegen den Brexit gewandt und war auf dem Weg zu einer Wahlkreissprechstunde erschossen worden.

Wir brauchen deswegen auch Korrekturen im Strafrecht. Wir müssen das zum Offizialdelikt machen. Wir müssen den Strafrahmen erhöhen. Es geht uns aber auch darum, dass wir Leuten, die primär aus dem rechtsextremen Sektor kommen und diese Angriffe vornehmen, Waffen wegnehmen müssen.

Dann sage ich noch mal eines hier an die Adresse der AfD mit ihrer Selbstverharmlosungsverbalformulierung: Täter und Brandstifter verdienen gleichermaßen unseren entschiedenen Widerstand hier in Thüringen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Fiedler das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Demokratie verteidigen – Thüringer Kommunalpolitikerinnen oder -politiker vor Gewalt schützen – den Freistaat in Sicherheit bewahren“, dem kann man nur zustimmen.

(Beifall CDU, SPD)

Dem kann man nur zustimmen, da gibt es überhaupt keine Frage.

Meine Damen und Herren, wir erleben leider Gottes fast täglich Beschimpfungen, Drohungen und Gewalt gegen Kommunalpolitiker. Das sind leider keine Einzelfälle mehr. Wer gestern beim Gemeindeund Städtebund war – es waren ja einige mit dort –, weiß, dass das dort auch ein großes Thema war – der Innenminister und andere waren mit da –, dass die Kommunalpolitiker sagen: Leute, so geht es nicht mehr weiter. Es ist einfach kein Unrechtsbewusstsein da, es wird unverhohlen geschimpft und bedroht, dass man es kaum noch aushält, was eigentlich hier in diesem Lande los ist.

(Beifall CDU)

Da stellen sich Ehrenamtliche zur Verfügung, die müssen sich vor die Bevölkerung stellen und das, was die EU auskocht, was der Bund auskocht, was das Land auskocht, manchmal auch noch der Kreis – wenn ich jetzt mal nur die ganz unten nehme –, und müssen die Dinge alle rechtfertigen und durch

(Abg. Marx)

setzen. Da wird mit solchen massiven Dingen gegen die Leute vorgegangen und da ist mir vollkommen egal, welche politische Farbe sie haben, meine Damen und Herren. Es kann einfach nicht sein. Dazu kommt natürlich auch, dass vielleicht der eine oder andere – vielleicht gehöre ich auch dazu, ich weiß es nicht – durch die Entgrenzung der Sprache wie Hass und Hetze – meine Damen und Herren, das kann ich der AfD nun mal nicht ersparen – Hemmschwellen so absenkt, dass sie in Gewalt umschlagen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD)

Hetze und Hass, Gewalt und Mord, die Gewaltspirale beginnt immer mit der Relativierung von Gewalt, Gewalt in der Sprache, Gewalt gegen Sachen, Gewalt gegen Menschen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Genau, bei den Linksradikalen!)

Es gibt auch Linksradikale. Ich mache keinen Unterschied, das habe ich schon mehrfach hier gesagt, ob links- oder rechtsradikal, ob Reichsbürger, ob Islamisten,

(Beifall CDU)

wer auch immer, in diesem Land sind die Strafverfolgungsbehörden, Polizei etc. die einzigen, die überhaupt hier das Gewaltmonopol haben. Alle anderen haben sich an die Gesetze zu halten.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Die Polizei?)

Die Polizei hält sich natürlich selbstverständlich an die rechtsstaatlichen Dinge. Es soll da mal eine Ausnahme geben, Herr Polizist, aber ich denke mal, das Entscheidende sind die gegenüber, nicht die Polizisten. Da sind wir uns aber einig, hoffe ich. Das hoffe ich jedenfalls.

(Beifall CDU)

Die Zeit ist zu kurz, meine Damen und Herren, ich will noch einmal darauf hinweisen – und deswegen habe ich gestern Gemeinde- und Städtebund gesagt –, wir haben leider das unschöne Phänomen,

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das ist schwierig!)

man könnte noch die ganzen Dinge aus dem Magazin „KOMMUNAL“ nennen: Die Gewaltattacken haben sich um 25 Prozent erhöht, Bedienstete in Rathäusern werden durch Reichsbürger und andere bedroht. Es ist nicht mehr hinzunehmen, meine Damen und Herren, und jetzt komme ich auch mal zu dem Punkt, dass ich auch noch einmal an den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erin

nern möchte. Wir müssen es leider erleben, dass es wieder so weit ist, dass Menschen umgebracht werden, weil sie in einem Amt sind. Und mir macht es schwer zu schaffen, ich habe das heute erst mitgekriegt, dass mein Fraktionsvorsitzender Mike Mohring hier genauso bedroht wird.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Genau!)

Er wird wortwörtlich mit Kopfschuss bedroht und dass man ihn umbringen will. Wo sind wir denn eigentlich in diesem Land hingekommen?

(Beifall im Hause)

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Sauerei!)

Es ist doch wirklich unmöglich, dass es so weit geht, dass man offenkundig hier mit Mord droht – wo sind wir hingekommen? –, nicht nur Kommunalpolitikern, auch Kreistagsmitgliedern, Landtagsabgeordneten etc. pp. Es ist nicht mehr zu fassen. Ich bin froh, dass der Innenminister die vertrauliche Hotline geschaltet hat, Verbesserungen des strafrechtlichen Schutzes sind zu begrüßen.

Aber ich will auch mal in Richtung Strafrecht etwas sagen. Man soll ja gegen die Justiz nichts sagen, aber wenn ich erlebe, welche Anzeigen die Kommunen und alle dort bei den Staatsanwaltschaften hinterlegen, sage ich mal, es kommt fast zu 100 Prozent immer: Es ist eingestellt worden. Auch hier ist endlich mal nachzufassen, dass solche Dinge nicht mehr passieren.

(Beifall CDU, SPD, AfD)

Vielleicht sollten wir auch, wenn ich daran erinnere, damals war hier die Forderung der Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Polizisten, Widerstand gegen Einsatz- und Vollzugskräfte. Leider hat Thüringen damals nicht zugestimmt, meine Damen und Herren. Wir sollten es hier nicht so leicht nehmen, vielleicht weil es von den Schwarzen kommt oder von den Halbroten oder von den Roten, sondern wir sollten jetzt wirklich endlich mal gemeinsam sagen: Es ist Schluss mit dieser Gewaltspirale und gemeinsam gehen wir es an.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Danke schön. Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordneter Adams das Wort.

(Abg. Fiedler)