Protocol of the Session on September 26, 2019

(Abg. Henke)

werden muss. In der Debatte ist aber wichtig, sich klarzumachen, dass wir hier in Thüringen immer weiter sinkende Fallzahlen auf einem geringen quantitativen Niveau zu bearbeiten hatten. Das ist eine gute Nachricht. Und ich verstehe nicht, dass einige politische Kräfte in diesem Land die Schlechtfärbung, das Umdrehen dieser Nachricht, das Negieren von offiziellen Statistiken brauchen, um ihre Politik zu machen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier kann man nur eines sagen: Obacht und Vorsicht an der Bahnsteigkante bei solchen politischen Kräften, die uns die Kriminalität großreden wollen!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist erfreulich und gut, dass wir in Thüringen so wenige Ermittlungsverfahren, Ermittlungskomplexe haben wie in keinem anderen Bundesland – nur vier Stück.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Nein!)

Es ist vollkommen richtig von Frau Marx auch gesagt worden: Hierbei gibt es immer ein großes Dunkelfeld. Das sehen wir nicht und dort können wir nicht ermitteln, dort finden wir keine Ansatzpunkte, weil wir da nicht drankommen.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Was? Das ist ja ein Witz!)

Aber, Herr Walk, wenn Ihre Aktuelle Stunde und die Aussage von Herrn Fiedler, dass wir die rote Laterne hätten, bedeuten soll, dass wenige Ermittlungsverfahren, wenige Ermittlungskomplexe bedeuten, dass in der Thüringer Polizei jemand lose Enden liegen lassen würde, wo wir ermitteln könnten, dann hätte die CDU wirklich einen Pfad eingeschlagen, der sie weit in diese Richtung verschiebt.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU: Langsam, das sind Dunkelfälle!)

Ich weiß nicht, was Sie damit bezwecken, wenn Sie sagen, dass es schlecht sei, dass wir in Thüringen vier Ermittlungskomplexe haben, so wenig wie in keinem weiteren Bundesland. Sie haben das kritisiert und ich will bemerken, dass Sie in dieses Horn stoßen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Organisierte Kriminalität ist ein außerordentlich schwieriges Ermittlungsfeld. Organisierte Kriminalität hat immer eine hohe öffentliche Aufmerksamkeit, weil die Menschen zu Recht sagen: Davor habe ich besondere Angst und ich möchte, dass sich jemand darum kümmert. Die gute Nachricht ist: Darum wird sich gekümmert und da wird intensiv bearbeitet. Aber es macht auch keinen Sinn, organisier

te Kriminalität gegen zum Beispiel Cyberkriminalität, gegen zum Beispiel Wohnungseinbrüche zu stellen und zu sagen, nur das eine ist wichtig. Alle diese Kriminalitätsphänomene sind außerordentlich wichtig, weil sie im Einzelfall Menschen treffen. Deshalb müssen wir Kriminalität immer auch als Komplex sehen.

Wenn man sich mit Fachfrauen und Fachmännern zu diesem Thema unterhält, dann lernt man zwei Dinge: Ermittlungen, Ermittlungsverfahren im Bereich der organisierten Kriminalität brauchen ein hohes Vertrauen der Politik in ihre Ermittler. Das ist Punkt 1. Und sie müssen auch die Zeit haben, diese langfristigen und zeitlich aufwendigen Verfahren mit unglaublich vielen einzelnen Ermittlungsschritten durchführen zu können. Und sie brauchen die Möglichkeit zur Zusammenarbeit: Zusammenarbeit mit Finanzbehörden, Zusammenarbeit zwischen den Ländern – den einzelnen Bundesländern – und eine Zusammenarbeit auch auf internationalem Niveau. Dafür müssen wir unsere Polizei stark machen und das tut Rot-Rot-Grün, wie Kollege Dittes vorhin sehr deutlich dargestellt hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, egal welche Kriminalitätsbereiche: Die Bekämpfung dieser Kriminalität gelingt nur mit genug gut ausgebildeter Polizei und hier hat Rot-Rot-Grün den Maßstab nach oben gesetzt, an dem sich alle weiteren und neuen Landesregierungen werden messen müssen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Landesregierung hat nun Minister Maier das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wie heute schon mehrfach dargelegt, ist die organisierte Kriminalität eine komplexe Kriminalitätserscheinung und keinen abgrenzbaren Straftatbeständen zuzuordnen. Sie findet – na klar – im Verborgenen statt und tritt erst bei öffentlichkeitswirksamen Ereignissen zutage.

(Zwischenruf Abg. Walk, CDU. Aha, großes Dunkelfeld!)

In ihren verschiedenen Ausprägungen – etwa im Bereich der Rockerkriminalität, der kriminellen Gruppierungen aus dem russisch-eurasischen oder italienischen Raum bis hin zu Straftaten ethnisch abgeschotteter Subkulturen – sind unterschiedlichste Deliktfelder betroffen.

(Abg. Adams)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Die sind nicht bunt! Nein?)

Eine Vielzahl von einzelnen Strafverfahren muss hier als organisierte Kriminalität erkannt, aufgearbeitet und zu Ermittlungskomplexen zusammengeführt werden. Genau dies macht bereits die Dimension dieses Themas für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und insbesondere für das Sicherheitsgefühl unserer Bürgerinnen und Bürger deutlich.

Eines möchte ich allerdings klarstellen: Die Anzahl der bearbeiteten Verfahrenskomplexe ist bei der organisierten Kriminalität nur bedingt aussagekräftig. Ebenso wenig ist es hilfreich oder zutreffend – wenn ich das anmerken darf –, einzelne Behauptungen, einzelne öffentlichkeitswirksame Straftaten aneinanderzureihen und damit den Versuch zu unternehmen, ein Lagebild zu generieren. Auch das ist heute hier schon vorgekommen.

(Beifall DIE LINKE)

Dies kann nicht gelingen und wird der Komplexität der Materie in keinster Weise gerecht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich ist die organisierte Kriminalität ständige Schwerpunktaufgabe der Polizei. Eines möchte ich klarmachen: Sie kann nur durch einen ganzheitlichen Ansatz effektiv bekämpft werden. Neben den Maßnahmen der Polizei – zum Beispiel durch das gezielte Bestreifen von relevanten Örtlichkeiten, der konsequenten Ahndung jeglicher Normverstöße, dem Errichten von Kontrollstellen an neuralgischen Punkten bis zur Umsetzung strafprozessualer Maßnahmen – muss sich ein Netzwerk von unterschiedlichen Kooperationspartnern etablieren. Dazu gehören zum Beispiel neben unserer Polizei die Justiz, die Bundespolizei, der Zoll, die Kommunalverwaltung, die Landratsämter, das Landesverwaltungsamt, die Landesfinanzdirektion und auch das Landesamt für Verbraucherschutz. Im Rahmen eines konzertierten Ansatzes müssen diese Stellen an einem Strang ziehen und jeweils innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs konsequent gegen kriminelle Strukturen vorgehen.

In Thüringen haben wir längst begonnen, diesen Ansatz in die Tat umzusetzen. Allein im Jahr 2018 hat es zwölf gemeinsame Schwerpunkteinsätze gegen die russisch-eurasische organisierte Kriminalität im Zusammenwirken von Polizei, Zoll und Kommunalverwaltung und über 30 Kontrollmaßnahmen gegeben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch mal auf den im Antrag der CDUFraktion angesprochenen Überfall auf einen Erfurter Gastwirt im Jahr 2017 zurückkommen. Hier will

ich zunächst mal darauf hinweisen, dass die hierfür verantwortlichen Tatverdächtigen ermittelt wurden.

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Sehr gut!)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Gott sei Dank!)

In der Folge konnten weitere Personen, die der organisierten Kriminalität bzw. deren Umfeld zuzurechnen sind, in Untersuchungshaft genommen oder als Beschuldigte in Strafverfahren überführt werden. Es ist zutreffend, dass in Thüringen verschiedene Gruppierungen der organisierten Kriminalität unterschiedlicher Ethnien mit sehr unterschiedlicher Qualität und ebenso unterschiedlichem Potenzial agieren. Und ja, teilweise wird Thüringen durch bestimmte Strukturen der organisierten Kriminalität als Rückzugsraum genutzt. Dies gehört zur Wahrheit immer dazu, das habe ich auch von Anfang an immer gesagt.

(Beifall CDU)

Allerdings wurden auch infolge meiner politischen Vorgaben nach dem Überfall im Jahr 2017 im Phänomenbereich der russisch-eurasischen organisierten Kriminalität bereits im selben Jahr Maßnahmen initiiert, welche bis heute aufrechterhalten und in ihrer Wirksamkeit kontinuierlich bewertet und stetig erweitert werden. Hierzu zählen eine enge Verzahnung der unterschiedlichen polizeilichen Dienststellen zur Initiierung eines erhöhten Kontrolldrucks, die Koordinierung aller entsprechenden Maßnahmen der Landespolizei durch die Landespolizeidirektion, die Schulung des Mitarbeiterpools der betroffenen Dienststellen zur Steigerung der Handlungssicherheit, die federführende Organisation von Besprechungen mit Kommunal-, Landes- sowie Bundesbehörden durch das Landeskriminalamt zur Erreichung von gleichen Informationsständen sowie zur Abstimmung von Maßnahmen im Rahmen der jeweiligen Kompetenzen oder die Initiierung weiterer gezielter Auswertungen und Ermittlungen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vonseiten des Bundeskriminalamts wurde Thüringen ausdrücklich für diesen Ansatz gelobt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur konkreten Verbesserung der personellen Situation nach dem beschriebenen Vorfall wurde noch im IV. Quartal 2017 das Verfahren zur Besetzung weiterer Dienstposten im Dezernat „Schwere und organisierte Kriminalität“ begonnen. Damit sind derzeit fast alle vorhandenen Dienstposten in diesem Ermittlungsbereich besetzt. Die Personalmehrung wird dabei durch den bereits beschriebenen konsta

(Minister Maier)

tierten Bekämpfungsansatz unterstützt, der mittelbar wie eine zusätzliche Personalmehrung wirkt. Wie kommt das? Immer häufiger unterstützen – wie gesagt – Kräfte anderer kriminal- und schutzpolizeilicher Organisationen als Organisationseinheiten die Arbeit unserer OK-Ermittler.

Lassen Sie mich noch mal eines verdeutlichen: Pro Ermittlungskomplex kommen mehrere Auswerter und Ermittler zum Einsatz, um den komplexen Anforderungen gerecht werden zu können. Darüber hinaus – das habe ich bereits erwähnt – stehen zur Erfüllung der Aufgaben im Bereich der organisierten Kriminalität im Verständnis eines ganzheitlichen Bekämpfungsansatzes anlassbezogen unter anderem auch die personellen Ressourcen der Kräfte der Spezialeinheiten und Spezialkräfte, der Bereitschaftspolizei, des täglichen Dienstes, der Schutzpolizei sowie der kriminalpolizeilichen Dienststellen der Thüringer Polizei zur Verfügung. Wir setzen also alle verfügbaren Ressourcen effizient zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität ein.

Ermittlungen im Bereich der organisierten Kriminalität sind fast ausschließlich mit längerfristigen – in der Regel mehrjährigen – Maßnahmen verbunden. Dies liegt insbesondere darin begründet, dass die Tatverdächtigen äußerst konspirativ vorgehen, weshalb die Ermittlungen diesen Begehungsweisen entsprechen müssen und ebenso immer komplexer werden, mithin also deutlich mehr Zeit für einzelne Ermittlungsschritte vonnöten ist. Dies ist keine Thüringer Besonderheit, sondern bundesweit feststellbar. Damit wird deutlich, dass es sich um einen kontinuierlichen, länger dauernden Prozess handelt, der nicht von heute auf morgen mit Ad-hocMaßnahmen gelöst werden kann. Hier gilt es, einen langen Atem zu haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend deutlich machen: Kriminelle Parallelgesellschaften werden wir in Thüringen nicht dulden

(Beifall CDU, DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und wir werden alle rechtsstaatlichen Möglichkeiten nutzen, um diese zu bekämpfen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit schließe ich den zweiten Teil und rufe auf den dritten Teil

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Demokratie verteidigen – Thüringer Kommunalpolitikerinnen und -politiker vor Gewalt schützen – den Freistaat in Sicherheit bewahren“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 6/7776 -

Das Wort hat Abgeordnete Marx von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauerinnen und Zuschauer, schön, dass Sie unserer Debatte auch hier heute wieder folgen. Es ist traurig, dass wir dieses Thema hier überhaupt auf der Tagesordnung haben müssen, denn es spiegelt das verschärfte Klima der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen wider, unter dem wir eigentlich alle zu leiden haben.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hass und Hetze führen dazu, dass aus Worten Taten werden. Das ist der Slogan des NSU gewesen und brutalerweise verwenden den mehr und mehr auch andere Kräfte hier im gesellschaftlichen Umfeld – leider auch in Thüringen. So haben wir mit einer Zunahme von Gewaltandrohungen und auch Übergriffen auf Politikerinnen und Politiker zu tun, auch hier bei uns in Thüringen. Zum Glück – kann man sagen – sind hier schwere Verletzungen bisher ausgeblieben, aber körperliche Angriffe gab es bereits und Sachbeschädigungen jede Menge.