Protocol of the Session on July 5, 2019

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus den Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen wurde das Wort zur Begründung zum Entschließungsantrag angemeldet. Ich erteile Frau Abgeordneter Dr. Scheringer-Wright das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren, wir haben heute den Gesetzentwurf zur Neuordnung des Naturschutzrechts zur endgültigen Verabschiedung vorliegen. Diese Neuordnung ist dringend notwendig, weil die dramatischen Gefahren für Natur, Umwelt und Klima für alle immer lebensbedrohlicher werden. In dem Gesetz werden verschiedene Rahmenbedingungen und Festlegungen getroffen. Bei einigen sind natürlich auch Kompromisse geschlossen worden, andere sind Trade-offs nach dem Motto: Gibst du mir, so gebe ich dir. Manche Fragen – und das ist ja bei Gesetzen normal – sind unbestimmt geblieben, obwohl ausdrücklich zu begrüßen ist, dass der Artenschutz explizit im Gesetz verankert wurde. Gleichwohl haben sich die Regierungskoalitionen auf meine Anregung hin auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag zum Gesetz geeinigt.

Es war uns angesichts des großen Artensterbens wichtig, im Zuge dieses Gesetzes diesen Entschließungsantrag vorzulegen, der ausdrücklich auf die Erhaltung der Artenvielfalt und insbesondere den Insektenschutz zielt. Denn was wir beobachten müssen, ist ja ein dramatischer Rückgang der Insektenpopulationen, was zu vielfältigen Problemen für die Umwelt, aber auch für die Land- und Forstwirtschaft und das alltägliche Leben führt. Durch den dramatischen Rückgang der Insekten werden zum Beispiel die Beziehungen zwischen den verschiedenen Insektengattungen und ‑arten so gestört, dass Schädlingspopulationen wie zum Beispiel der Borkenkäfer überhandnehmen. Das Nahrungsangebot für Vögel, kleine Säugetiere und andere Tiere wie Amphibien wird so verringert, dass dies zum Rückgang dieser Arten führt, wie wir auch weltweit feststellen müssen. Knapp ausgedrückt: Das Insektensterben führt zu weiterem Artensterben. Bestäubungsleistungen und Abbauleistungen in den Ökosystemen nehmen ab – wiederum mit negativen Folgen für die Landwirtschaft, insbeson

(Abg. Kummer)

dere für die Ertragssicherheit, aber auch für die Stabilität der Ökosysteme generell.

Ich könnte jetzt noch viele Gründe aufführen, die belegen, wie notwendig es ist, insbesondere dem Insektensterben entgegenzuwirken. Ich denke aber, dass diese drei Ausführungen schon deutlich machen, warum das Thema so wichtig ist.

(Beifall DIE LINKE)

Deshalb muss es eine ganze Palette von Gegenmaßnahmen geben und es ist auch die gesamte Gesellschaft angesprochen. Aber es sind natürlich gerade die Produzenten – sei es in der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft, dem Gartenbau, aber auch in den Unternehmen, die Pestizide oder andere Produktions- und Konsummittel herstellen –, die besonders in der Pflicht sind. Gerade die Landwirte, Gartenbauer und Waldbesitzer wie auch die Jäger bilden eine unerschöpfliche Quelle an Wissen und an Know-how für die Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Genauso sind natürlich Planer, also Stadtund Landschaftsplaner, Verkehrsplaner, Architekten und Bauausführende in der Pflicht. Auch die müssen die Frage von Klima- und Artenschutz immer mit berücksichtigen. Und die Kommunen, welche die Hoheit über Parks und öffentliche Anlagen, Schulen etc. halten, sind natürlich auch verantwortlich für Maßnahmen für den Insektenschutz und die Erhaltung der Artenvielfalt.

In dem vorliegenden Entschließungsantrag sind eine ganze Reihe von Maßnahmen aufgeführt, von der Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden bis hin zur Erhaltung und Wiederherstellung von Lebensräumen, und auch der weitere Forschungsbedarf ist identifiziert. All diese Vorschläge sind nicht abschließend. Neue oder bessere Forschungserkenntnisse werden zu neuen Umsetzungsanforderungen führen. Es sind ja auch Erfolge zu vermelden, zum Beispiel bei den Bienen. Seit 2016 sind 16 Prozent mehr Bienenvölker hier in Thüringen. Das ist ermutigend und ich möchte den Imkern dafür auch mal ausdrücklich danken.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Letztendlich wird es darum gehen, unser Wirtschaftssystem grundsätzlich sozial-ökologisch umzubauen. Ähnlich wie beim Kampf gegen die Klimakatastrophe werden grundsätzlich neue Wege beschritten werden müssen, wenn Insektenarten, aber auch wir und unsere Kinder und Kindeskinder überleben wollen. Daher dieser Entschließungsantrag und ich bitte Sie, ihm zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die Aussprache und weise darauf hin, dass dieser Tagesordnungspunkt auf Verlangen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in einfacher, also normaler Redezeit verhandelt wird. Als erster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Tasch von der CDU-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wie inzwischen bei fast allen Gesetzesvorhaben der Landesregierung üblich wird vom Umweltministerium auch die Novellierung des Thüringer Naturschutzgesetzes nach einem langen Anlauf nun mit Hochdruck betrieben und die Sondersitzungen der beteiligten Ausschüsse jagen sich im Wochentakt. Herr Kummer, in Ihrem Bericht war das auch zu hören. Wir haben das nicht verstanden, weil …

(Zwischenruf Abg. Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Harte Arbeit!)

Ach, harte Arbeit!

Im September ist regulär Plenum und wir hätten das Gesetz auch im September behandeln können. Uns hat jetzt diese eine Sitzung nicht überzeugen können, warum das nun ausgerechnet heute und nicht im September verabschiedet werden kann, denn es gab auch noch umfangreiche Stellungnahmen, gerade von der kommunalen Seite, von den Spitzenverbänden. Die nehmen wir durchaus ernst – ich habe auch Herrn Weigand gesehen, den ich hier herzlich begrüße –, denn die Kommunen müssen dieses Naturschutzgesetz dann auch umsetzen.

Was wir schon bei mehreren Gesetzesvorhaben in unserem Bereich beklagt haben: Die kommunale Selbstverwaltung spielt nicht den Stellenwert, den wir ihr zumessen. Das müssen wir hier auch kritisch anmerken. Wir sind für eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für uns als CDU – ich will das hier noch mal betonen – ist die Bewahrung der Schöpfung ein grundsätzlicher Auftrag. Deshalb betrachten wir auch den Naturschutz nicht nur einseitig, sondern sehen die Wirkung einer Vielzahl von Ursachen, die es mit einem guten und klugen Naturschutzrecht zu regulieren gilt. Naturschutz darf nicht einseitig und ideologisch gedacht werden, sondern muss ein komplexes Denken und Handeln erfordern.

(Beifall DIE LINKE)

Nun hat sich Rot-Rot-Grün zum Ziel gesetzt, das Naturschutzrecht zu modernisieren. Aber was wir

(Abg. Dr. Scheringer-Wright)

auch andauernd hier hören müssen, ist, dass die Vorgängerregierung den Naturschutz nicht ernst genommen hat

(Beifall SPD)

und dass der Naturschutz einen Dornröschenschlaf geführt hätte. Diese Einschätzung möchte ich hier auch wirklich mal zurückweisen.

Herr Kobelt, Sie brauchen nachher auch nicht wieder zu sagen: Christina Tasch tut mir so leid, die ist hier die Einzige, die in der CDU für Naturschutz ist. Das können Sie sich dieses Mal sparen. Ich möchte mal drei Beispiele nennen, weil Sie das auch jedes Mal wieder erzählen, wie arm ich dran bin. Ich bin nicht arm dran, denn der CDU liegt der Natur- und Umweltschutz insgesamt am Herzen.

(Beifall CDU)

Ich sage jetzt mal drei Beispiele, die man auch mal hören und zur Kenntnis nehmen kann. Ich sehe hier vor mir meinen Kollegen Gerold Wucherpfennig. Und wer sich noch erinnert: Er war Chef der Staatskanzlei unter der Regierung von Dieter Althaus. In dieser Eigenschaft hat er seinerzeit auch die Staatssekretäre von Niedersachsen, Thüringen und Hessen zusammengerufen und das Naturschutzgroßprojekt „Grünes Band Eichsfeld-Werratal“ zusammen mit der Heinz Sielmann Stiftung im Benehmen mit dem Bundesumweltamt angeschoben und realisiert. Er hat praktisch mit seiner Arbeit den Grundstock dafür gelegt, dass heute das Grüne Band Wirklichkeit ist. Das wird immer vergessen.

(Unruhe DIE LINKE)

(Beifall CDU)

Auch die Rückübertragung der Flächen am Grünen Band ist auf die Initiative von Dieter Althaus, Gerold Wucherpfennig und Volker Sklenar zurückgegangen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat das Gesetz zum Grünen Band abgelehnt?!)

Das muss man einfach mal zur Kenntnis nehmen, dass die Regierung Althaus hier den Grundstock gelegt hat, Dieter Althaus und Gerold Wucherpfennig als meine Eichsfelder Kollegen. Da weiß ich auch, was gerade Gerold Wucherpfennig auch im Bereich des Umwelt- und Naturschutzes geleistet hat. Das müssen wir einfach zur Kenntnis nehmen. Sie können es gern anders sehen. Aber ich bitte, das auch mal zur Kenntnis zu nehmen.

Das Zweite, was ich hier positiv hervorheben möchte, ist meine Kollegin Gudrun Holbe, die dort hinten

sitzt, die auch noch gleichzeitig Bürgermeisterin in Donndorf ist

(Beifall SPD)

und mit Dagmar Dittmer das Großprojekt „Hohe Schrecke“ initiiert hat und sich die Naturstiftung da mit ins Boot geholt hat.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn Gudrun Holbe und Dagmar Dittmer nicht so intensiv daran gearbeitet hätten, wäre es nichts geworden. Also sind es schon zwei, Herr Kobelt.

Dann habe ich noch jemanden, der auf lokaler Ebene sehr gut mitarbeitet, das ist nämlich unser Kollege Herr Thamm. Er ist seit 1991 im NABU und hat damals die Ortsgruppe NABU-Blau gegründet. Ihr könnt also die Vorwürfe stecken lassen, die CDU hätte nichts für den Naturschutz übrig. Sie müssen sich heute ein anderes Beispiel aussuchen.

(Beifall CDU)

Das muss auch mal gesagt werden, weil das einfach negiert wird,

(Beifall CDU, AfD)

weil man das einfach, wenn nur was schlecht ist oder was nicht so gut gelaufen ist oder was noch liegen geblieben ist - - Wir sind auch noch nicht am Ende, wir wollen ja Thüringen die nächsten Jahre auch noch voranbringen. Alles kann man nicht auf einmal machen. Das nur mal grundsätzlich hier zu unserer Hinterlassenschaft. Auch gute Dinge haben wir auf den Weg gebracht.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Nur!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hatten gehofft, dass bei den Anhörungen, die erfolgten, auch Einwände mit in den Gesetzentwurf eingeflossen wären, gerade was uns der Gemeinde- und Städtebund und der Landkreistag hier auf den Weg mitgegeben haben. Es gibt nämlich ein paar Dinge, die wir kritisch gesehen haben. Das sind gerade in § 6 der Flächenpool oder auch in § 14 der Alleenschutz. Das sind Aufgaben, die wir den unteren Naturschutzbehörden jetzt neu mit aufgeben, bei denen es auch um die Frage ging, wie ich den Alleenfonds verwalten will. Das ist eine Mehraufgabe. Die Alleen müssen erst erfasst werden. Es gibt noch gar keine Erfassung von allen Alleen in Thüringen. Dazu brauchen die unteren Naturschutzbehörden auch auskömmliches Personal, was hier auch nicht zur Verfügung gestellt werden wird.

Ich möchte noch ein Thema ansprechen. In § 16 ist jetzt geregelt, dass die zwölf Natura-2000-Stationen und das Koordinierungszentrum im Gesetz veran

kert sind. Damit verbunden sind 40 Stellen mehr. Auch die CDU sagt: Wir sind für ein Netz an biologischen Stationen, wir sehen aber auch den Mehraufwand für die unteren Naturschutzbehörden. Ich möchte gern mal zwei Beispiele nennen, weil vonseiten des Ministeriums argumentiert wird, das sind alles Projekte, die schon alle hätten gemacht werden müssen, und sie sehen keinen Mehraufwand für die unteren Naturschutzbehörden. Zum Beispiel hat die Natura-2000-Station Mittelthüringen das Projekt „Steppenrasen Auerstedt“ übernommen. Die Beweidung reicht nicht aus. Sie begleitet die Betreuung für das gesamte Projekt, also das gesamte Projekt wird auch weiter durch die untere Naturschutzbehörde betreut und abgenommen und sie hat dadurch viel mehr Aufwand.

Auch das Thema „Invasive Arten“, was in Zukunft noch eine Rolle spielt, bedeutet Mehraufwand. Da ist die Kraft der Landkreise und kreisfreien Städte am Ende. Wenn ich auf der einen Seite mehr biologische Stationen installiere, weil wir einen Artenrückgang haben, Biodiversität, Insektensterben, und auf der anderen Seite 40 Stellen in diesem Bereich mehr schaffe und die 11,5 Stellen für die Landkreise nicht mitgeben und finanzieren will, ist das für mich ein Widerspruch.