Protocol of the Session on July 5, 2019

Unklar ist, selbst wenn dieses Prestigeobjekt nicht weiterverfolgt werden würde, was mit dem geflossenen Steuergeld passiert und in welcher Form die bisher erhobenen Daten und Materialien genutzt werden. Darauf haben wir bisher keine wirklich befriedigende Antwort bekommen. Wir fordern hier weiterhin Aufklärung und Klarheit. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Als nächste Rednerin erhält Frau Abgeordnete Henfling, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, die Zitate, die Sabine Berninger gerade aus dem Zwischenbericht zur Enquete „Rassismus“ hier vorgelesen hat, standen auch hier auf meinem Zettel, deswegen erspare ich mir die Wiederholung.

Ich möchte aber noch ein Zitat anfügen, das die CDU in ihrem Sondervotum auf der gleichen Seite wie die Zitate gebracht hat. Sie fragt sich nämlich: „Wie kann eine gezielte Erhöhung des Anteils von Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Rassismuserfahrung [...] gelingen?“

(Beifall DIE LINKE)

Sie stellen die richtigen Fragen und dann kommen Sie hier mit so einem Antrag um die Ecke.

(Beifall DIE LINKE)

Ich glaube, entweder funktioniert die Kommunikation innerhalb Ihrer Fraktion nicht oder Sie wissen nicht, wovon Sie reden – eines von beiden; beides wäre schlecht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Offensichtlich können und wollen Sie sich heute in dieser Debatte nicht an diese Sätze im eigenen Sondervotum erinnern, denn wie ist sonst die Zif

fer III.2 des Antrags in der Drucksache 6/7192 zu verstehen, in der die Landesregierung aufgefordert wird – Zitat –: „zukünftig darauf zu verzichten, sozialwissenschaftliche Erhebungen zur sexuellen Orientierung, ethnischen Herkunft oder sonstigen Identitätsmerkmalen seiner Bediensteten zu erheben“. Das hat Herr Worms hier auch noch mal wiederholt.

Es drängt sich zumindest der Verdacht auf, dass sich die CDU mit der in Rede stehenden Diversitätsstudie gar nicht sachlich auseinandersetzen will. Denn selbstverständlich kann man kritisch über das Forschungsdesign einer solchen Studie und den damit zusammenhängenden und völlig berechtigten Fragestellungen, wie zur Gewährleistung des Datenschutzes, diskutieren. Aber bei der Kritik der CDU scheint es sich vielmehr um eine grundsätzliche Ablehnung bei der Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten zu handeln.

(Beifall DIE LINKE)

Dies zeigt schon allein der Titel Ihres Antrags. In einer aus meiner Sicht unzulässigen Weise wird hier die durch die Studie geplante Datenerhebung mit einer vermeintlichen Abweichung der Einstellungskriterien für den öffentlichen Dienst verknüpft. In dem Antrag wird die durch nichts belegte Behauptung aufgestellt, Befähigung und Eignung seien zukünftig keine ausschlaggebenden Einstellungskriterien für den öffentlichen Dienst mehr. Mit einer derartigen Verknüpfung beider Themen wird der offensichtliche Versuch unternommen, die Erhebung von Antidiskriminierungs- und Gleichstellungsdaten als eine der grundlegenden Maßnahmen des Diskriminierungsschutzes grundsätzlich zu diskreditieren. In der Begründung des Dringlichkeitsantrags im Plenum am 8. Mai stellte der Abgeordnete Geibert die Behauptung auf, mit der Befragung sei eine – Zitat – „Ausforschung von Ethnie, von sexueller Orientierung [und] von Einstellungen der Landesbediensteten beabsichtigt“.

Ein weiteres Indiz für eine bewusste polemische Zuspitzung findet sich in derselben Rede. In der Arbeitsfassung der 145. Sitzung ist zu lesen – Zitat –: „Wir stellen uns schützend vor unsere Landesbediensteten und unterstellen diese nicht ethnischen Ausforschungsaktionen, die von Ihnen beabsichtigt sind.“ Bemerkenswert ist dabei, dass Herr Geibert, wie im Mitschnitt nachgehört werden kann, aber nicht von „Ausforschungsaktionen“, sondern von „Säuberungsaktionen“ gesprochen hat. Lieber Herr Geibert, Sie sollten sich wirklich überlegen, ob Sie sich für die Verwendung dieses Begriffs,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Abg. Herold)

der mit Mord und Deportation verbunden ist, nicht ausdrücklich entschuldigen wollen, anstatt – wie es hier offensichtlich geschehen ist –

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

einfach klamm und heimlich das Wortprotokoll ändern zu lassen. Ich kann die CDU nur dringend darum bitten, sich zukünftig in ihrer Wortwahl zu mäßigen und sich stattdessen ohne Schaum vor dem Mund ganz nüchtern mit dem vorliegenden Sachverhalt zu beschäftigen.

Denn worum geht es eigentlich? Zunächst einmal um etwas völlig Banales. Kurt Schumacher wird der Satz zugeschrieben: „Politik beginnt mit der Betrachtung der Wirklichkeit.“ Demgemäß sollte es doch eigentlich selbstverständlich sein, sich zunächst eine Übersicht über die Sachlage zu verschaffen. In der Enquetekommission haben wir die Erfahrung gemacht, dass uns in allen möglichen Themenfeldern keine ausreichenden Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsdaten zur Verfügung stehen – das hat Ihre Fraktion ja auch so festgestellt.

Mit der heute zur Debatte stehenden Diversitätsstudie wird nun erst mal gar kein anderes Ziel verfolgt, als für einen Teilbereich, nämlich die öffentliche Verwaltung, erstmals überhaupt Daten zu erheben. Denn will man wirksame und zielgerichtete Maßnahmen zum Abbau von Diskriminierung entwickeln, ist man eben zunächst einmal darauf angewiesen, dass auch entsprechend differenzierte Gleichstellungsdaten vorliegen. Deshalb ist die Vehemenz, mit der die CDU gegen die Studie agitiert, für mich auch überhaupt nicht nachvollziehbar. Oder hat sich bei der CDU entgegen der Feststellung aus ihrem Sondervotum zum Zwischenbericht der Enquetekommission mittlerweile die Ansicht durchgesetzt, dass es in Thüringen überhaupt keine Diskriminierungsrealität gibt? Das könnte man nach dem Beitrag Ihres Abgeordneten hier tatsächlich vermuten.

(Beifall DIE LINKE)

Ich hoffe, ich konnte verdeutlichen, wie notwendig eine differenzierte Datenerhebung als Grundlage für eine wirksame Antidiskriminierungsarbeit tatsächlich ist. Selbstverständlich ist es genauso notwendig, entsprechende Datenerhebungen mit einem kritischen Blick zu begleiten. Das ergibt sich schon allein aus unserer Geschichte, denn im kolonialistischen Kaiserreich und im Nationalsozialismus wurden Daten zum Zweck einer rassistischen Vernichtungspolitik missbraucht. Umso wichtiger ist es, dass bei der Datenerhebung forschungsethi

sche und datenschutzrechtliche Standards eingehalten werden.

Im vorliegenden Fall wurde das in Berlin ansässige Sozialunternehmen Citizens For Europe mit der Durchführung einer Beschäftigtenbefragung der Thüringer Landesbediensteten betraut. Citizens For Europe haben 2017 – das ist auch schon erwähnt worden – eine Piloterhebung unter den Führungskräften in der Berliner Landesverwaltung durchgeführt. Dafür haben sie in der Zusammenarbeit mit Selbstorganisationen entsprechende Standards entwickelt. Die Citizens For Europe haben damit unter Beweis gestellt, wie eine solche Studie unter der Beachtung hoher Standards erstellt werden kann, und sich somit auch als geeigneter sozialwissenschaftlicher Akteur für die Durchführung einer Befragung unter Thüringer Landesbediensteten erwiesen.

(Beifall DIE LINKE)

Als Grüne unterstützen wir ausdrücklich das Vorhaben der Landesregierung, im Rahmen des Personalentwicklungskonzepts 2025 ein Diversity-Management-Konzept für die Beschäftigten der Thüringer Landesverwaltung zu entwickeln. Wie wichtig eine umfassende Datenerhebung als erster Schritt ist, habe ich eben bereits ausgeführt.

Die Befragung dazu muss sich zumindest auf alle Diskriminierungsdimensionen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erstrecken. Das blenden Sie als CDU-Fraktion hier zum Beispiel auch komplett aus, dass wir gesetzliche Vorgaben haben, die uns dazu anhalten, dass wir Daten erheben, damit wir überhaupt die Dimension erfassen, in der Diskriminierung stattfindet.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

An dieser Stelle zeigt sich dann auch, dass Sie nicht gewillt sind, die derzeitige Rechtslage überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. 2006 wurde mit dem AGG der Diskriminierungsschutz auch auf Merkmale wie sexuelle Identität und ethnische Herkunft erweitert. In dem Antrag der CDU finden nun diese beiden Merkmale mehrfach eine explizite Erwähnung. Damit möchte die CDU offensichtlich insinuieren, der Landesregierung ginge es in allererster Linie um eine Bevorzugung dieser beiden Personengruppen. Dass es dann in der Berichterstattung zu Überschriften wie in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben gekommen ist, die am 4. Mai 2019 lautete: „Merkwürdige Sexumfrage für Beamte“, ist dann auch nicht mehr weiter verwunderlich. Das liegt an Ihrer Kommunikation.

Diese Vorgänge erinnern sehr stark an die Aufregung um eine Studie mit dem Titel „Wie viel Vielfalt verträgt Schule?“ in Berlin im Jahr 2017. Eine der Fragen an Lehrkräfte bezog sich damals auf deren sexuelle Orientierung und führte dann ebenfalls zu der Schlagzeile „Sexschnüffelei an Berlins Schulen“. Selbstverständlich war auch damals, dass die Daten freiwillig und anonymisiert erhoben werden sollten. Das Studiendesign war mit den Datenschutzbehörden abgestimmt – wie auch in diesem Fall. Die Daten sollten bei den Universitäten, die die Studien erstellen, verbleiben und nach den Auswertungen gelöscht werden. In einer Debatte im Abgeordnetenhaus wurden all diese Fakten im September 2017 noch einmal dargelegt, womit die Aufregung dann auch verpuffte.

Um es noch einmal zu betonen: Mit der hier in Rede stehenden Diversitätsstudie in Thüringen geht es darum, nicht nur Daten zur sexuellen Identität oder zur Herkunft zu erheben, sondern Daten zu allen Diskriminierungsdimensionen des AGG. Zu Ihrer Kenntnis wiederhole ich die hier gern noch einmal: ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität. Will man Maßnahmen zum Schutz von diesen Diskriminierungsdimensionen Betroffener entwickeln, muss man natürlich auch Daten zu all diesen Dimensionen erheben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Schluss möchte ich noch einer Intention des CDU-Antrags hier vehement widersprechen. Der Antrag unterstellt, mit der Studie sei in der Zukunft eine automatische Bevorzugung bestimmter Personengruppen in der Einstellungspraxis zum öffentlichen Dienst verbunden. Dem Landtag liegt seit 2017 das Personalentwicklungskonzept 2025 vor – das hat der Minister hier auch gerade gesagt. Dort findet sich unter dem Gliederungspunkt IV.8.4 „Vielfalt stärken – Diversity-Management und AGG“ jedenfalls kein Anhaltspunkt für die Behauptung der CDU, dass Eignung und Befähigung in der Zukunft keine ausschlaggebenden Kriterien für den öffentlichen Dienst mehr sein sollen.

(Beifall DIE LINKE)

Es wird dort allerdings darauf hingewiesen, wie gewinnbringend die Entwicklung eines Diversity Managements für eine leistungsfähige Verwaltung, einen effektiven Personaleinsatz und ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld sein kann. Als Grüne unterstützen wir diesen Ansatz ausdrücklich und würden es begrüßen, wenn es im Ergebnis des Prozesses zu einer vielfältigen Personalstruktur in der Landesverwaltung kommen sollte. Wir lehnen den

vorliegenden populistischen Antrag auch weiterhin ab,

(Beifall DIE LINKE)

auf dessen Grundlage keine sachliche Diskussion zu Fragen des Diskriminierungsschutzes möglich ist. Vielen Dank und schönen Feierabend.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Herr Geibert.

Frau Abgeordnete Henfling, gern greife ich Ihre Bitte nach einer Versachlichung der Diskussion und dem Check der Fakten auf.

(Beifall CDU)

Sie haben eben die Behauptung aufgestellt, dass die Presseberichterstattung in einem großen Boulevardblatt mit vier Buchstaben am 04.05.2019 durch unsere Kommunikation beeinflusst worden sei. Sie haben dabei verschwiegen, dass unsere Kommunikation am 08.05.2019 stattgefunden hat, sodass dieses große Boulevardblatt das vier Tage vorher schon geahnt haben müsste.

(Beifall CDU)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ja sehr spannend, wie sachlich und chronologisch präzise Sie hier arbeiten.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Durchsichtig!)

Ähnliches gilt bei Frau Berninger. Frau Berninger hat vorhin dargestellt, es sei die Falschbehauptung aufgestellt worden, dass der Datenschutzbeauftragte nicht beteiligt worden sei. Auch da kam der Hinweis von Frau Berninger, im März 2019 sei die Information bereits an den Landesdatenschutzbeauftragten gegangen. Ich gestatte mir, aus einer MDRBerichterstattung vom 03.05.2019 unter der Überschrift „Nach Kritik stoppt Landesregierung Diversitäts-Studie“ ganz kurz zu zitieren – wie gesagt, 03.05.2019 –, dort heißt es: „Seine Aufmerksamkeit“ – gemeint ist die des Datenschutzbeauftragten – „weckten die Strategen der Thüringer Staatskanzlei im Entwurf des Fragebogens. In diesem vermerkten sie auf Seite 1, dass die Zustimmung des Thüringer Datenschutzbeauftragten zu den Fragen vorliege. Dieser Entwurf ging Anfang April an die Hauptpersonalräte, da diese vor Umfragestart gefragt werden müssen. Davon bekam Hasse offenbar Wind. Er bestätigte auf Nachfrage“ –