Protocol of the Session on July 5, 2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, der letzten vor der Sommerpause, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Vertreter der Landesregierung, die Vertreter der Medien, die Zuschauer auf der Tribüne und die Zuschauer am Livestream.

Für die Plenarsitzung hat als Schriftführerin neben mir Frau Abgeordnete Herold Platz genommen, die Redeliste führt Herr Abgeordneter Schaft.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Fiedler, Frau Abgeordnete Holzapfel, Herr Abgeordneter Kräuter, Frau Abgeordnete Lieberknecht, Herr Abgeordneter Reinholz und Herr Abgeordneter Höcke.

Gestatten Sie mir noch folgende Hinweise zur Tagesordnung. Wir beginnen die heutige Plenarsitzung mit den Tagesordnungspunkten 1 a und b und danach rufen wir in dieser Reihenfolge die Tagesordnungspunkte 13, 2, 3, 9 und 14 b auf.

Die Beschlussempfehlung zu Tagesordnungspunkt 2 hat die Drucksachennummer 6/7457 und zu Tagesordnungspunkt 3 die Drucksachennummer 6/7456.

Auf Antrag der Fraktion der CDU wurde der Tagesordnungspunkt 25 zurückgezogen.

Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Dann rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 1 in seinen Teilen

a) Thüringer Gesetz zur Reform des Vergaberechts Gesetzentwurf der Fraktion der CDU - Drucksache 6/3076 - dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft - Drucksache 6/7425 -

ZWEITE BERATUNG

b) Gesetz zur Änderung des Thüringer Vergabegesetzes und anderer haushaltsrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/6682 -

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft - Drucksache 6/7428 -

dazu: Änderungsantrag der Fraktionen DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/7448 -

ZWEITE BERATUNG

Das Wort hat Abgeordneter Wucherpfennig aus dem Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft zur Berichterstattung zu Tagesordnungspunkt 1 a und anschließend Abgeordneter Wirkner zu Tagesordnungspunkt 1 b. Bitte schön, Herr Abgeordneter Wucherpfennig.

Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren, in Abstimmung mit meinem Kollegen Herbert Wirkner übernehme ich hiermit auch zusätzlich die Berichterstattung zu Tagesordnungspunkt 1 b, dem Gesetzentwurf der Landesregierung.

Am 24. November 2016 wurde der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, das Thüringer Vergaberechtsreformgesetz, in der Drucksache 6/3076 dem Landtag vorgelegt. Am 8. Dezember 2016 wurde dieser Entwurf in der 69. Sitzung des Thüringer Landtags in erster Lesung beraten und an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft überwiesen. Erstmalig wurde der CDU-Gesetzentwurf am 19. Januar 2017 in der 29. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft aufgerufen und beraten. Ebenfalls fanden in der 32., 33., 37. und 43. Ausschusssitzung Beratungen zu diesem Entwurf statt.

Am 1. Februar 2019 fand die erste Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung in der Drucksache 6/6682, Gesetz zur Änderung des Thüringer Vergabegesetzes und anderer haushaltsrechtlicher Vorschriften, statt. Auch dieser Entwurf wurde an den Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft überwiesen.

In der 55. Ausschusssitzung am 21. Februar 2019 verständigten sich die Ausschussmitglieder auf eine schriftliche und mündliche Anhörung beider Gesetzentwürfe. Die mündliche Anhörung zu den beiden Gesetzentwürfen fand dann in der 57. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft am 2. Mai 2019 statt. Ebenfalls waren beide Gesetzentwürfe Gegenstand einer Onlinediskussion gemäß § 96 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung.

In der 59. Ausschusssitzung am 6. Juni 2019 wurden die Anhörungen zu den Gesetzentwürfen aus

gewertet. In der 60. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft und Wissenschaft am 27. Juni 2019 wurden beide Gesetzentwürfe erneut auf der Grundlage zwischenzeitlich eingereichter Änderungsanträge beraten. In diesem Zusammenhang wurde der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion einschließlich des Änderungsantrags in der Vorlage 6/5724 mehrheitlich abgelehnt. Demgegenüber empfahl der Ausschuss mehrheitlich die Annahme des Gesetzentwurfs der Landesregierung unter Berücksichtigung des Änderungsantrags der Koalitionsfraktionen in der Vorlage 6/5756. Vielen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Als Erste spricht Frau Abgeordnete Mühlbauer aus der SPD-Fraktion. Bitte schön.

Guten Morgen, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren auf der Zuschauertribüne und am Livestream! Heute ist ein wunderbarer Tag, ich freue mich, wir hatten Sondersitzung im Ausschuss, wir haben heute alle gute Laune gehabt. Das kann ich hier nur bestätigen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, heute können wir hier in diesem Haus das modernste Vergabegesetz Deutschlands verabschieden. Ein Schritt in eine Zukunft,

(Zwischenruf Abg. Bühl, CDU: Jetzt ist die Laune aber wieder im Keller!)

die unseren Thüringern Tariftreue und Tarifbindung verspricht und ermöglicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Ein Schritt in eine Richtung zu einer fairen Auftragsvergabe, die nicht das billigste, sondern das beste Angebot berücksichtigt. Und wir schaffen auch, die Voraussetzungen der Demonstrationen Fridays for Future Realität in der Umsetzung werden zu lassen. Ökologische Kriterien werden verpflichtend eingeführt. Ich finde, das ist Grund, diesen Tag zu begrüßen und zu sagen: Das ist gut und das hat diese Koalition gemeinsam erarbeitet und erstritten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich ein paar Worte zu unserem Inhalt sagen. Von Anfang an war es unser Ziel, dass wir

mit diesem Gesetz einen Beitrag für gute Arbeit, Tarifbindung und faire Löhne leisten. Daher waren uns von Beginn an zwei Punkte besonders wichtig. Erstens: Wir werden die Tarifbindung fördern und befördern. Tarifbindung soll sich für alle Beschäftigten lohnen. Zweitens: In allen anderen Fällen soll es einen vergabespezifischen Mindestlohn geben. Ich wünsche mir eine Situation, in der wir Mindestlöhne nicht mehr brauchen, weil nämlich alle Beschäftigten ein auskömmliches, ausreichendes Entgelt bekommen. Doch die Realität, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen, ist eine andere. Die Tarifbindung der Thüringer Unternehmen liegt bei gerade mal rund 18 Prozent, davon profitiert weniger als die Hälfte der Belegschaft. Daher ist es notwendig, dass die Vergabe staatlicher Aufträge gezielt auf die Stärkung der Tarifbindung abzielt und für alle Beschäftigten, die nicht nach Tarif bezahlt werden, ein Auffangnetz bereithält.

Mehrere Anzuhörende haben uns in unserem Vorhaben, das Mindestentgelt einzuführen, gestärkt und eine Orientierung an dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vorgeschlagen. Als Ergebnis haben wir uns auf einen vergabespezifischen Mindestlohn in Höhe von 11,42 Euro geeinigt. Ein weiteres Signal zur Stärkung der Tariftreue senden wir mit der Berücksichtigung repräsentativer Tarifverträge. Damit haben wir die Möglichkeit, über das Arbeitsministerium branchenspezifische Tarifverträge erstellen und veröffentlichen zu lassen, nach denen sich die Unternehmer bei der Durchführung öffentlicher Aufträge richten müssen. Sollte das zu zahlende Mindestentgelt in dem repräsentativen Tarifvertrag dabei unter den landesspezifischen Vergabelohn fallen, dann müssen den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern dem Günstigkeitsprinzip folgend die 11,42 Euro pro Stunde gezahlt werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit diesem dreistufigen Modell – allgemeiner Tarifvertrag, repräsentativer Tarifvertrag und dem vergabespezifischen Mindestlohn – leisten wir einen großen Beitrag dazu, das Lohnniveau in Thüringen anzuheben und Tariftreue und Tarifbindung zu fördern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, erwähnen möchte ich an dieser Stelle noch mal die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Angestellten im öffentlichen Personennahverkehr. Ich möchte es noch einmal an einem Beispiel sagen: Wenn der Wechsel des Aufgabenträgers erfolgt, muss der neue Aufgabenträger das Personal zu den gleichen Konditionen übernehmen, wie es beim alten Aufga

(Abg. Wucherpfennig)

benträger beschäftigt war. Ich erinnere hier noch mal an den schweren Einschnitt, den die Bahnbeschäftigen beim Wechsel zu Abellio erleiden mussten. Bis heute sind hier Lohndefizite zu verzeichnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das wird in Thüringen nicht mehr passieren. Das ist ein gutes Signal an die Beschäftigten. Unser Vergabegesetz punktet nicht nur bei der Tarifbindung und dem vergabespezifischen Mindestlohn. Neben den sozialen Aspekten – ich habe es vorhin schon erwähnt – stärken wir auch ökologische Aspekte bei der staatlichen Vergabe. Mit unserem Gesetz werden öffentliche Aufträge nur unter Beachtung des ökologischen Aspekts vergeben. Unternehmer, die zum Beispiel möglichst geringen CO2-ausstoßenden Transport anbieten, werden besser bewertet, auch recycelte Materialien werden dauerhaft Vorrang in der Vergabe erreichen.

Besonders wichtig ist hier noch zu erwähnen, dass sowohl Produkte wie auch Verarbeitung dauerhaft unter dem Lebenszyklusprinzip betrachtet und diskutiert werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall SPD)

Auch das ist neu und wichtig und in einer nachhaltigen Vergabe ein wichtiger Punkt, den wir zu berücksichtigen haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich noch mit zwei oder drei Vorurteilen aufräumen. Dass sich Unternehmer wenig oder gar nicht an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen, hat keinerlei Evaluierungsstudie ergeben, das ist nicht so. Seit Einführung des Vergabegesetzes in der letzten Legislatur zu heute ist keinerlei Veränderung an der Beteiligung in der öffentlichen Vergabe zu erkennen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben eine exorbitant gute konjunkturelle Lage, der auch unser erfolgreiches sozialdemokratisches Agieren des Wirtschaftsministers zugrunde liegt. Aus diesem Grunde ist es natürlich auch schwieriger, im öffentlichen Raum Unternehmen und Firmen zu finden. Das darf uns aber nicht daran hindern, steuerfinanzierte Systeme unter Auflagen und Vorgaben weiterhin zu stärken und zu strukturieren.

(Beifall SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Verfasser des genannten Gutachtens schätzt den Mehraufwand, der dadurch entsteht, als durchaus moderat und maßvoll ein. Wir haben unser Gesetz an dem Punkt des Verwaltungsaufwandes auch weiterentwickelt. Dauerhaft müssen Unterlagen und

Nachweise nur erbracht werden, wenn die Auftragsvergabe ansteht, und nicht im Vorfeld. Das ist auch gut so.

Sehr geehrte Damen und Herren, das Land geht mit gutem Beispiel voran. Für die kommunale Familie ist die Berücksichtigung oben genannter Aspekte fakultativ. Es entstehen für Kommunen keine zusätzlichen Kosten und kein zusätzlicher Mehraufwand.

(Beifall SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vor Ihnen liegt ein Vergabegesetz, dass die großen Fragen der Zeit berücksichtigt. Es geht um Umweltschutz, die soziale Marktwirtschaft und es geht um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Zuletzt dürfen wir nicht vergessen, dass öffentliche Vergaben mit Steuergeldern finanziert werden. Unsere Bürger haben ein Recht darauf, dass wir mit ihrem Geld verantwortungsbewusst umgehen. Diese Verantwortung für die Bürger und unsere Umwelt nehmen wir wahr.