Protocol of the Session on July 3, 2019

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das haben wir doch gesagt!)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da haben Sie auch nicht richtig zugehört!)

Wenn man jetzt mal zum tatsächlichen Thema kommt, was sie aufgeschrieben haben, nämlich die Auswirkungen auf Thüringen, dann ist es zum Diskutieren von Details noch viel zu früh. Herr Kowalleck hat auf die Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses in der vergangenen Woche hingewiesen. Dort hat die Finanzministerin berichtet und auch auf die Fragen, insbesondere von Herrn Kießling, entsprechend geantwortet. Auch Herr Kießling hat gesehen, dass ganz vieles noch ungelöst und noch nicht klar ist und dass wir uns in den Bereich der Spekulationen begeben würden. Auch was ich in den Medien schon gelesen habe, vom Bund der Steuerzahler, die da Panik verbreitet haben oder so etwas, das nützt uns alles gar nicht.

Das ganze Verfahren ist transparent und offen. Es kann jeder nachlesen, wie weit wir sind. Wir haben jetzt diesen Gesetzentwurf, der erst mal beschlossen sein muss. Danach werden wir dann sehen,

(Abg. Kalich)

wie die Ausgestaltung ist und welche Auswirkungen es wirklich hat.

Meine Damen und Herren, das Bundesverfassungsgericht hat das derzeitige System der grundsteuerlichen Bewertung letztes Jahr für verfassungswidrig erklärt, da es gleichartige Grundstücke unterschiedlich behandelt und so gegen das im Grundgesetz verankerte Gebot der Gleichbehandlung verstößt. Die Neuregelung ist damit ein verfassungsgerichtlich angestoßener Auftrag. Die veralteten Grundstückswerte, die im Westen zuletzt 1964 erhoben wurden und im Osten sogar auf den Feststellungen von 1935 basieren, taugen nach Ansicht des Gerichts nicht mehr als objektive Berechnungsgrundlage.

Meine Damen und Herren, der vorgelegte Gesetzentwurf ist ein Kompromiss, mit dem man leben kann. Eine fehlende Neuregelung hätte bewirkt, dass die Grundsteuer praktisch im nächsten Jahr nicht mehr erhoben werden könnte. Wir haben das bei der Vermögensteuer schon erlebt, als das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung gefordert hat und die Regierung Kohl das damals aber ausgesessen hat. Dann gab es keine Vermögensteuer mehr. Wir müssen heute sehen, dass sich Einkommens- und Vermögensentwicklung in Deutschland stark auseinanderdividiert haben, die eine Seite in die positive Richtung, die andere in die negative Richtung, aber weit auseinander. Deshalb wäre es sinnvoller gewesen, man hätte damals eine vernünftige Regelung für eine Vermögensteuer geschaffen.

Jetzt geht es um die Grundsteuer, und zwar um die Kommunen. Dort ist es die ureigenste und wichtigste Einnahmequelle der Kommunen, einfach weil es stabile Einnahmen sind, die auch berechenbar sind, anders als bei der Gewerbesteuer. Wir haben ja schon genug Kommunen, die eine gute Entwicklung bei der Gewerbesteuer hatten, und dann kommt aus irgendeinem Grund eine Rückzahlung durch Investitionen oder Ähnliches. Nachher stehen diejenigen, die zum Teil bei uns als abundante Gemeinden geführt worden sind, die gar keine Zuschüsse vom Land bekommen haben, plötzlich ganz unten als Bittsteller und kommen in irgendwelche Hilfsprogramme. Das ist bei der Grundsteuer nicht der Fall. Sie ist die Basis dafür, dass die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen können. Deshalb ist es elementar wichtig, dass hier ein Kompromiss gefunden worden ist. Es ist ein guter Kompromiss, weil es ein wertabhängiges Modell ist. Es gab ein paar Unterschiede zwischen begehrten Innenstadtlagen und zwischen Grundstücken auf dem Dorf. Das ist wichtig für Flächenländer und auch für Thüringen.

Weniger gut finde ich diese Sonderregeln, die die Länder schaffen können. Es kann zum Schluss dazu führen, dass reiche Länder ihre Grundstücksbesitzer besserstellen und die wirtschaftliche Entwicklung und der Zuzug von Menschen gefördert werden. Das heißt, dass die reicheren Länder reicher bleiben und die ärmeren ärmer – und dazu zählt Thüringen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Abgeordneter Müller das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Besucherinnen und Besucher, nach einer langen Hängepartie hat es die große Koalition auf Bundesebene vergangene Woche geschafft, einen Gesetzentwurf zur Grundsteuerreform vorzulegen. Lange hat es gedauert und die Zeit drängt weiterhin, denn noch ist nichts beschlossen. So, wie es bis jetzt aussieht, gibt es auch noch ein paar formale Fehler zu beseitigen. Doch dafür sind im Endeffekt unsere Kolleginnen und Kollegen im Bundestag zuständig. Trotzdem muss zum Jahresende ein Gesetz stehen, damit die Grundsteuer weiter erhoben werden kann und für die Städte und Gemeinden keine Ausfälle in Höhe von rund 14 Milliarden Euro zu Buche schlagen, in der Summe über den gesamten Bund gesehen.

Interessant für uns ist allerdings in erster Linie die Ausgestaltung des Entwurfs in Bezug auf die Länder. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Für uns Grüne hätte es auch ein Gesetz ohne Öffnungsklausel für andere Länder oder für einzelne Bundesländer sein können. Durch die Länderöffnungsklausel ist zu befürchten, dass es wiederum die kleinen und finanziell schwächeren Länder trifft, die es sich eben nicht erlauben können, vom Bundesgesetz abzuweichen. Große und wohlhabende Bundesländer – nehmen wir als Beispiel Bayern oder Baden-Württemberg – werden die Länderöffnungsklausel dagegen voll ausschöpfen und ein Modell präsentieren, das statt eines Mixes aus Fläche und Wert lediglich die Fläche in den Vordergrund der Berechnungen stellt. Dadurch werden diese Länder erneut Steuervorteile für sich verbuchen können, während andere Länder den WertFlächen-Mix anwenden. Der Bund schafft damit eine weitere Ungerechtigkeit, die aus meiner Sicht vollkommen unnötig ist, denn niemand bringt es et

(Abg. Dr. Pidde)

was, im Extremfall 16 verschiedene Modelle zur Berechnung der Grundsteuer in Deutschland vorzufinden. Sollten wir als Land Thüringen nun ebenfalls einen Sonderweg beschreiten, so mahne ich zur Vorsicht, denn ein Sonderweg bedeutet gleichzeitig einen höheren Verwaltungsaufwand, da neben dem Berechnungsmodell und den Wertermittlungen zur Grundsteuer auch immer eine Parallelberechnung für den Länderfinanzausgleich durchgeführt und eine Gegenüberstellung mit dem Bundesgesetz erstellt werden müsste. Außerdem benötigen wir dann ein eigenes Gesetz, wenn wir das Bundesgesetz nicht übernehmen wollten. Auch das ist mit Mehraufwand verbunden und kommt zu einer Zeit, wo wir uns am Ende einer Legislaturperiode befinden.

Wir sollten daher als Land prüfen, inwieweit andere Länder einen Sonderweg beschreiten, und dann eventuell gemeinsam im Verbund ausloten, ob wir mit den anderen eine gemeinsame Berechnung anstellen wollen, Software dafür anschaffen usw.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung scheint aber aus der Sicht von uns Grünen im Kern nicht schlecht zu sein, bietet er doch eine deutliche Vereinfachung der Berechnung durch eine verringerte Anzahl an Berechnungsfaktoren. Trotzdem ist er noch nicht der Weisheit letzter Schluss und bietet Optimierungspotenzial. Außerdem ist es noch völlig offen, ob die mit der Länderöffnungsklausel verbundene Grundgesetzänderung, für die eine Zweidrittelmehrheit nötig sein wird, überhaupt zustande kommt.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich fasse noch einmal zusammen: Die Grundsteuer ist die drittwichtigste Steuer für die Städte und Gemeinden. Sie ist wichtig, damit sich die Regionen nicht noch weiter auseinanderentwickeln. Die Grundsteuer ist nicht konjunkturabhängig und auch nicht auf wirtschaftsstarke Städte und Gemeinden konzentriert, sondern kann von jeder Stadt und jeder Gemeinde erhoben werden. Sie finanziert Kitaplätze und die Sanierung von Schuldächern. Mit diesen Einnahmen bauen die Städte und Gemeinden Radwege oder kümmern sich um Klimawendeziele. Sie ist unerlässlich und deshalb setzen wir uns für eine in Thüringen praktikable Lösung ein, ohne die Mieterinnen und Mieter stärker zu belasten. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächste Rednerin hat Ministerin Taubert für die Landesregierung das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten, es ist bereits erwähnt worden, dass die Grundsteuer zu den wichtigsten Einnahmen der Kommunen zählt und dass wir in Thüringen auf circa 240 bis 250 Millionen Euro schauen können. Deshalb ist es tatsächlich so wichtig, dass wir im Bundestag und im Bundesrat bis zum Jahresende gesetzgeberisch tätig geworden sind. Ich will auch sagen, dass es der Bundesregierung nicht leicht gefallen ist, diesen Kompromiss zu finden. Ich bewerte ihn auch nicht als besonders prickelnd, weil er weit weg von dem 14:2-Beschluss ist, den die Finanzminister mal im Bundesrat geschlossen haben, nämlich dass wir eine ganz andere Bewertung auch in dem Bereich haben sollten. Ich sage es mal ganz einfach: Wer ein höherwertiges Grundstück in einer besseren Wohnlage hat, der ist auch potent genug, mehr zu zahlen als in einer Wohnlage – ich bleibe mal hier bei uns auf dem Dorf – mit 100 oder 60 Einwohnern, dessen Grundstück nicht so sehr verwertbar ist. Das war mal der Grundsatz gewesen. Wir haben ein Bundesland, das uns in Geiselhaft nimmt, das ist Bayern, an ganz vielen Stellen. Ja, ich kann es gar nicht anders ausdrücken. Sowohl im Bundesrat als auch im Bundestag haben sie quasi ein Vetorecht. Sie nutzen das sehr ausgiebig zu ihren Gunsten, und das, obwohl – das will ich noch mal deutlich sagen – genau dieses Bundesland Bayern, als es noch sehr strukturschwach war, darauf angewiesen war, dass aus dem Ruhrgebiet nicht nur die Kohle, sondern die „Kohle“ in Form von Geld nach Bayern geflossen ist, um Strukturentwicklung zu machen. Jetzt diesen Kompromiss aufzulösen, weil man jetzt sagt, jetzt sind wir ja reich, da brauchen wir nicht mehr mitzumachen, das, finde ich, ist sowas von unsolidarisch. Das widerspricht auch dem, was wir uns mit unserem föderalen System am Ende mal vorgenommen hatten.

(Beifall DIE LINKE)

Dass die Materie sehr komplex ist, das sehen wir auch bei den Vereinfachungen, so nach dem Motto: „Am besten wir schaffen es auch gleich ab, es hilft ja nichts.“ Wenn ich jetzt mal in der Ideologie der AfD weiter wäre, dann müssten wir ja eine Mauer um Europa bauen. Spätestens dann wird klar: Man kann sie gar nicht abschaffen, die Grundsteuer. Denn Sie wüssten gar nicht, woher Sie das Geld nehmen sollten für Ihre Mauer.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das war Ihre Mauer!)

Das ist nicht meine Mauer, Herr Möller. Sie wollen das doch. Sie wollen doch, dass keiner mehr rein

(Abg. Müller)

kommt. Das können Sie doch nur mit einer Mauer à la Trump machen.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Sie haben es uns doch vorgeschlagen!)

Nein, nein, das habe ich Ihnen nicht vorgeschlagen. Das ist genau das, was Sie immer beschreiben.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wir haben von Grundsteuer gesprochen, Sie von Mau- er!)

Sie machen überholen, ohne einzuholen. Das war zu DDR-Zeiten schon falsch. Sie können das ja gern jetzt weiter versuchen. Es ist ein Fehlweg gewesen.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Jetzt reden Sie ja doch über die Grundsteuer!)

Ja, ich habe über die Grundsteuer gesprochen, Frau Muhsal, genau, und zwar über die Bemerkung, die Ihre Fraktion hier im Landtag gemacht hat. Sie wissen immer, wie es finanziert werden soll: Von den Ärmsten der Armen wollen Sie das Geld wegnehmen. Das ist Ihre Ideologie.

(Unruhe AfD)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Wir wollen es zurückgeben!)

Sie wollen nichts zurückgeben, Herr Kießling, nein. Ich bestreite das ganz vehement. Denn wenn Sie den Staat schwächen, und das wollen Sie, Sie wollen nachweislich den Staat schwächen, indem Sie die Steuer abschaffen wollen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Nein!)

Sie wollen den Staat schwächen. Ich wiederhole das immer wieder.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Wir wollen die Bürger entlasten!)

Sie wollen ja nicht die Bürger entlasten. Sie entlasten mit all den Dingen immer die etwas wohlhabenderen Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall DIE LINKE)

Aber sicherlich, natürlich. Die AfD ist gegen die kleinen Leute, man muss es ganz deutlich sagen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Deswegen verraten sie auch ihr Rentenkonzept nicht!)

Ja, klar, können sie ja auch nicht.

Meine Damen und Herren, die Grundsteuer berechnet sich ab 2025 wie bisher in drei Stufen: Grundstückswert, Grundsteuermessbetrag und Hebesatz,

wobei Grundstückswert und Grundsteuermessbetrag von den Finanzämtern ermittelt werden.

(Unruhe AfD)

Seien Sie doch nicht so aufgeregt. Ich habe Sie wohl getroffen, Herr Möller? Wahrscheinlich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)