Protocol of the Session on June 12, 2019

Es ist natürlich auch interessant, wie unterschiedlich, Herr Wucherpfennig, die Fraktionen an die Themenstellung herangehen. Das ist natürlich das Besondere bei einer Aktuellen Stunde, weil man das eigentliche politische Anliegen des Antragstellers auch mit der neuen Begründungserfordernis nur unzureichend erfassen kann. Ich bin schon – sage ich mal – überrascht gewesen, wie unterschiedlich doch die Fraktionen herantreten, und vielleicht werden Sie auch in meinem Redebeitrag einen fünften Aspekt, wie man sich dem Thema nähern kann, entnehmen können.

Ich will mich nicht weiter zu dem Youtuber Rezo äußern, aber ich will so viel dazu sagen: Ich finde es immerhin bemerkenswert, dass die Reaktionen in der Gesellschaft doch verdeutlicht haben, welche hohe Anerkenntnis die Presse- und auch die Meinungsfreiheit in diesem Land noch haben. Wenn eine Bundesvorsitzende einer so bedeutenden Partei als Reaktion auf die Kritik einer Politik der CDU und auch der SPD schwadroniert, vielleicht Regeln der Meinungsfreiheit vor Wahlen im Netz einzuschränken, dass es dann so eine gesellschaftspolitische Debatte gibt, die auch den Politikern, diesen Gedankenspielen die Grenzen aufzeigt, zeigt das für mich, dass die Presse- und insbesondere die Meinungsfreiheit ein wirklich hohes Gut, aber auch ein breit gesellschaftlich anerkanntes hohes Gut sind. Man sollte dieses hohe Gut der Meinungsfreiheit und diese gesellschaftliche Anerkenntnis auch nicht aufs Spiel setzen.

(Beifall SPD)

Deswegen will ich auf weitere Punkte eingehen, die in diesem Themenbereich in diesen letzten Wochen eine besondere Rolle gespielt haben. Frau Marx ist darauf eingegangen: Seit März 2019 ist der Entwurf eines Gesetzes zur Harmonisierung des Verfas

sungsschutzrechts aus dem Hause des Bundesinnenministers Horst Seehofer öffentlich bekannt. Und, liebe Kollegin Marx, mein Problem an diesem Gesetz ist nicht – das ist ein riesiger politischer Fauxpas, aber das ist nicht mein Problem –, dass das Bundesinnenministerium Journalisten hier nicht zu den besonders geschützten Berufsgruppen gezählt hat. Mein Problem ist, dass mit diesem Gesetz der Staatstrojaner für den Verfassungsschutz, also weit vor der eigentlichen Gefahrenabwehr, eingeführt werden soll. Das ist eben, anders, als viele Sicherheitspolitiker immer versuchen glauben zu machen, nicht die Übertragung der Telekommunikationsüberwachung auf die Onlinekommunikation, sondern das ist eine deutliche Erweiterung der Ausforschung von menschlichen Gedanken,

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

auch Entwürfen, von Skizzen, weil die Kompromittierung von elektronischen Geräten nämlich dazu führt, dass nicht nur die Kommunikation, wie sie tatsächlich stattgefunden hat, gespeichert, abgegriffen und durch Sicherheitsbehörden ausgewertet wird, sondern bereits Skizzen, Textentwürfe und damit praktisch Teilhabe an der Gedankenwelt genommen wird. Das haben wir nicht vergleichbar bei der Telekommunikationsüberwachung, es zeigt aber die neue Dimension auf. Deswegen war es ja auch Rot-Rot-Grün, Frau Marx, die 2014 vereinbart haben, nicht nur dass wir den Staatstrojaner ablehnen, sondern dass wir auch alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nutzen, die Anwendung in Thüringen zu verhindern. Ich schließe mich Frau Henfling an, da erwarte ich auch vom Innenminister einen deutlichen Widerspruch heute bei der Innenministerkonferenz in Kiel, weil das auch Geschäftsgrundlage unserer Koalition ist.

Ich will aber auch noch auf weitere Punkte eingehen, denn die orwellschen Fantasien enden ja nicht bei diesem Gesetzentwurf. Die Innenminister beraten heute in Kiel auch noch weit Weiteres. Und zwar verständigen sich die Innenminister heute auch, beim neuen Mobilfunkstandard 5G über abgesenkte Verschlüsselungsstandards zu reden. Das muss man sich mal vorstellen. Wir diskutieren in der Bundesrepublik Deutschland über eine neue Form der mobilen Kommunikation, der Datenübertragung und wollen einen neuen aktuellen technischen Standard den Menschen, aber auch den Wirtschaftsunternehmen anbieten. Und was machen wir? Wir opfern die Daten- und Kommunikationssicherheit von Menschen, von Unternehmen zugunsten der Zugriffsmöglichkeiten des Staats.

Da will ich Ihnen sagen: Wir gefährden damit natürlich auch den Wirtschaftsstandort. Welches Wirtschaftsunternehmen wollen Sie denn wirklich hier in

(Abg. Wucherpfennig)

die Bundesrepublik locken, wenn man sagt, Sie können sich bei uns ansiedeln, Sie kriegen auch ein Grundstück, Sie kriegen vielleicht auch mal in ein, zwei, drei Jahren einen 5G-Standard – während andere Länder das schon längst realisiert haben –, aber die Sicherheit können wir Ihnen nicht garantieren? Was macht man denn, wenn man Sicherheitsstandards absenkt oder wie beispielsweise auch bei Smart Homes oder bei dem beabsichtigten sogenannten WhatsApp-Gesetz, wenn man die Provider verpflichtet, Backdoors einzubauen? Man öffnet diese Backdoors, diese Lücken in den elektronischen Systemen, in der Software nicht nur für staatliche Institutionen. Sie schaffen diese Lücken auch für kriminelle Hacker, für Leute, die es auf die Daten von Wirtschaftsunternehmen abgesehen haben,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

auf die Daten und persönlich sensiblen Informationen von Personen, von Menschen, die sich mit ihren Freunden, Geliebten usw. austauschen. Das heißt, alles das, was hier in Kiel vermeintlich als sicherheitspolitische Maßnahme verabredet werden soll, schafft eigentlich Sicherheitslücken. Ich glaube, Sicherheitspolitik ist dazu da, Sicherheit zu stärken und nicht Sicherheitslücken zu manifestieren.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit um.

Ein letzter Satz

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Nein, die Zeit ist rum!)

in Richtung Landesregierung, Herr Staatssekretär Götze: Meine eindringliche Bitte ist

Herr Abgeordneter!

nicht nur, dass der Innenminister in Kiel deutlich Position bezieht, sondern Sie auch heute hier im Plenum. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Für die Landesregierung redet Justizminister Lauinger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, das Thema der Aktuellen Stunde ist tatsächlich ein politisch aufgeregtes, aber auch inhaltlich komplexes. Als der für Verfassungsrecht zuständige Minister möchte ich bei dieser Debatte den Blick ausdrücklich auf Artikel 5 des Grundgesetzes richten. Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes verankert die Meinungsund Informationsfreiheit sowie die Freiheit der Presse, des Rundfunks und des Films. Auch das Zensurverbot findet sich dort. Diese Garantien sind – und darauf haben schon zahlreiche Vorredner hingewiesen – von existenzieller Bedeutung für die freiheitliche Demokratie. Insbesondere die freie Meinungsäußerung ist ein Grundelement der freiheitlich-demokratischen Staatsordnung einerseits und der Freiheit des Persönlichkeitsrechts andererseits.

Ich möchte natürlich neben dem Grundgesetz auch auf Artikel 11 der Verfassung des Freistaats Thüringen verweisen. Gleichermaßen finden diese Grundsätze ihre Verankerung auch in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der Europäischen Grundrechtscharta. Dies alles zeigt deutlich, wie unerlässlich die Meinungs- und Pressefreiheit für eine funktionierende Demokratie ist. Und dies gerade dann, wenn die Meinungsfreiheit natürlich auch Regierende kritisiert. Dies – und das ist vielleicht auch der Hintergrund dieser Aktuellen Stunde – gibt natürlich genau dann diesen faden Beigeschmack.

Das Thema der Aktuellen Stunde zielt auf die Frage: Welchen Schranken unterliegt dieses Kommunikationsgrundrecht oder welche Schranken können überhaupt auferlegt werden? Um es am Beispiel der freien Meinungsäußerung zu erläutern: Inwieweit darf die Freiheit der Meinungsäußerung und der Meinungsverbreitung des Einzelnen und deren grundrechtliche Gewährleistung überhaupt begrenzt und behindert, letztendlich reglementiert werden? Welchen Grenzen unterliegen Meinungsäußerungen und geschützte Tatsachenbehauptungen? Was mich in der Debatte etwas verwundert hat, ist, dass in dieser öffentlichen Diskussion teilweise so getan worden ist, als gäbe es solche Grenzen nicht. Dies ist mitnichten der Fall. Artikel 5 Abs. 2 des Grundgesetzes und die dort geregelte sogenannte Schrankentrias regelt dies eindeutig. Dort steht nämlich, ich zitiere: „Diese Rechte“ – die ich eben erwähnt habe – „finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ Es gibt

(Abg. Dittes)

also bereits eine verfassungsrechtliche Begrenzung der Grundrechte und es gibt begrenzende allgemeine Gesetze. Von daher war es in meinen Augen auch ziemlich überflüssig, an dieser Stelle darüber zu reden, ob es neue Gesetze braucht.

Um es für die speziellen Bereiche von Rundfunk und Presse zu verdeutlichen, verweise ich noch einmal – auch hier – auf einschlägige Bestimmungen auch in Thüringen: Das Landespressegesetz, das Thüringer Pressegesetz und den Rundfunkstaatsvertrag. Für die Presse gilt beispielsweise ein relativ weicher Kanon von Pflichten, im Kern eine geltende Sorgfaltspflicht im Hinblick auf die Prüfung von Inhalt, Herkunft und sachlicher Richtigkeit von Nachrichten. Die Presse unterliegt den Offenlegungspflichten und der bekannten Pflicht, Gegendarstellungen zum Abdruck zu bringen. Darüber hinaus hat sich die Presse im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung einen Pressekodex und damit weitere Sorgfaltspflichten und Pflichten zur Wahrhaftigkeit und Achtung von Menschenwürde auferlegt.

Auch für Betreiber von sozialen Netzwerken, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, gelten Berichts- und Reaktionspflichten für den Fall des Einstellens rechtswidriger Inhalte. Rechtswidrige Inhalte im Sinne des einschlägigen Gesetzes sind Inhalte, die ausgewählte Tatbestände des Strafgesetzbuches erfüllen. Die Reaktionspflichten der Anbieter bestehen zusammengefasst darin, die Rechtswidrigkeit zu prüfen, rechtswidrige Inhalte zu entfernen und Zugänge zu sperren.

Ich denke, es wird deutlich: Der Bereich der Kommunikationsgrundrechte ist keineswegs ein ungeregelter Bereich, wo es neue Gesetze brauchen würde. Aus den allgemeinen Gesetzen sowie aus dem Grundrecht selbst ergeben sich durchaus wirksame Grenzen für die freie Meinungsäußerung. So sind insbesondere auch die strafrechtlichen Grenzen wirksam und auch vollkommen unbestritten. Beispielsweise sind Meinungsäußerungen – und da sind wir uns hoffentlich auch alle einig –, die den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen, nicht durch das Grundrecht gedeckt. Das Gleiche gilt für Gewaltdarstellungen, die Beschimpfung von Bekenntnissen der Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen, § 131 StGB und § 166 StGB, und natürlich auch den Schutz Dritter durch eine ganze Reihe von gesetzlichen Bestimmungen. Beispielsweise haben das bürgerliche Recht, der Schutz der Jugend sowie der persönlichen Ehre unmittelbaren Verfassungsrang als Schranken der Meinungs- und Pressefreiheit.

Die Grenzen des Artikels 5 Abs. 2 des Grundgesetzes sind insofern wirkungsvoll und abschlie

ßend. Ich habe es bereits betont: Neue Schranken müssten auch hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen. Als Grundrechte mit ausdrücklichem Schrankenvorbehalt stehen daher die Kommunikationsgrundrechte und hier im Kern die Meinungsfreiheit nicht zur Disposition des einfachen Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hätte stets das große Gewicht dieser Grundrechte des Artikels 5 abzuwägen.

Um zum Schluss auch noch mal auf den Beginn meiner Ausführungen zurückzukommen: Demokratie lebt von Meinungsfreiheit, und das gerade natürlich auch in Wahlkampfzeiten. Parteien und Politiker sollten das schätzen und sollten dafür dankbar sein. Nicht Meinungsschelte, sondern Meinungsstreit ist das Mittel der Wahl. Im Konkreten: Dieser der Aktuellen Stunde zugrunde liegende Fall erscheint mir daher unverhältnismäßig, die wehrhafte Demokratie bemühen zu wollen, und vor allem unverhältnismäßig, nach neuen Gesetzen zu rufen. Vielmehr stellt sich die Frage, ob es nicht zuletzt der Ärger über die selbst nicht genutzten Möglichkeiten im eigenen Wahlkampf war, der zu der – lassen Sie es mich so ausdrücken – zumindest sehr unglücklichen Meinungsäußerung der CDU-Bundesvorsitzenden geführt hat. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe den ersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe den zweiten Teil auf

b) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: „Lebensmittelverschwendung in Thüringen vermeiden – Ressourcen schonen, CO2-Ausstoß reduzieren und Lebensmittel retten“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 6/7298 -

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Abgeordneten Pfefferlein, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen – schön, dass noch ein paar da

(Minister Lauinger)

sind –, liebe Gäste! Wenn Dinge produziert werden und nach einigen Zwischenschritten ungenutzt im Müll landen, dann ist das schwer erklärbar, dann nennen wir das Verschwendung. Pro Jahr wird in Deutschland auf diese Weise millionenfach Essen entsorgt, das nennen wir eine riesige Lebensmittelverschwendung. In Deutschland gehen pro Jahr über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel verloren. Weggeworfen werden sie, weil sie bestimmten Anforderungen an die Form, Größe, Farbe oder Frische nicht mehr erfüllen, weil zu viel bestellt, produziert oder eingekauft wurde, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war oder weil Produkte falsch gelagert wurden. Das, was weggeworfen wird, entspricht einem Drittel des aktuellen Nahrungsmittelverbrauchs der Deutschen. Oder so gerechnet: Die in den ersten vier Monaten eines Jahres in Deutschland produzierten Nahrungsmittel landen auf dem Müll. Erst das, was ab Anfang Mai produziert wird, wird endlich verwertet und tatsächlich genutzt. Umgerechnet auf die landwirtschaftliche Nutzfläche werden demnach mehr als 2,6 Millionen Hektar für die Tonne bewirtschaftet und außerdem fast 48 Millionen Tonnen Treibhausgase umsonst ausgestoßen. Das ist so, als würden die auf einem Acker von der Größe Mecklenburg-Vorpommerns angebauten Nahrungsmittel geerntet und dann weggeworfen werden. Im Schnitt landen in Deutschland jede Sekunde 313 Kilogramm genießbare Nahrungsmittel in der Tonne. Genau darum geht es in dieser Aktuellen Stunde. Das kann nicht so weitergehen. Es gibt weltweit bei Weitem nicht genug Ressourcen und wir können nicht weiter so mit Nahrungsmitteln und unserer Umwelt umgehen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb ist es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und wir tragen eine große Verantwortung dafür, das Bewusstsein für den Wert unserer Nahrung zu stärken und für die Problematik der Lebensmittelverschwendung zu sensibilisieren. Um dieses Problem gut zu lösen, brauchen wir einen starken Schulterschluss von Politik, Handel, Wirtschaft und Landwirtschaft und – nicht zu vergessen – auch den Rückhalt und die Unterstützung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Eine Debatte darüber, ob zum Beispiel das sogenannte Containern straffrei gestellt werden soll, geht doch inzwischen an dem eigentlichen Thema vorbei. Wir müssen dafür sorgen, dass Lebensmittel gar nicht erst in der Tonne landen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das schaffen wir nur, wenn wir in einem breiten Bündnis mit vernünftigen und machbaren Möglichkeiten überzeugen. Wir brauchen die kleinen Schrit

te vor Ort, wir brauchen ein breites Bündnis und wir brauchen die Regelungen auf Bundesebene.

Andere Länder sind da schon viel weiter als wir. In Frankreich zum Beispiel trat 2016 ein Gesetz zur Bekämpfung der Lebensmittelverschwendung in Kraft. Es verpflichtet Supermärkte mit einer Ladenfläche von mehr als 400 Quadratmetern, unverkaufte Lebensmittel an örtliche Tafeln oder andere gemeinnützige Organisationen zu spenden, auch wenn es schwarze Schafe gibt, die trotz angedrohter Geldstrafen genießbares Essen vernichten. Die Tafeln erhalten seit der neuen Regelung deutlich mehr Essen. Frankreich ist damit das erste Land weltweit, das die Lebensmittelverschwendung offiziell unter Strafe gestellt hat.

In Deutschland ist da noch sehr viel Luft nach oben. Schon vor sechs Jahren waren sich alle Fraktionen im Bundestag darüber einig: Weil viel zu viele Lebensmittel im Müll landen, muss es konkrete Zielvorgaben für die einzelnen Akteure in der Lebensmittelkette geben. Doch erst im Februar dieses Jahres wurde eine Nationale Strategie zur Reduzierung von Lebensmittelverschwendung im Kabinett verabschiedet, die jedoch immer noch keinerlei konkrete Ziele und Maßnahmen vorgibt. Stattdessen beschreibt sie nur den Prozess, wie diese Maßnahmen in den nächsten Jahren entwickelt werden, mit runden Tischen, mit Bundesländern usw. Zwar finden sich gute Ideen und Ansatzpunkte in der geschlossenen Strategie, aber ob und bis wann diese umgesetzt werden, steht weiterhin in den Sternen. Erst in fünf Jahren soll überprüft werden, ob diese Strategie greift. Wie bitte sollen wir es dann schaffen, diese Lebensmittelverschwendung einzudämmen?

Das Bewusstsein dafür, dass wir nicht so weitermachen können, wächst. Das ist sehr gut. Manche Supermärkte verkaufen die Ware, die bald abläuft, zu einem reduzierten Preis. Es gibt sogar Einkaufszentren, in denen die Kunden die am Tag abgelaufenen Lebensmittel umsonst mitnehmen können. Natürlich geben viele Supermärkte Lebensmittel an die Tafeln. Deshalb fordern wir von Bündnis 90/Die Grünen: Wir brauchen verbindliche Reduktionsziele für Lebensmittelproduktion im Handel. Wir wollen Qualität fördern statt zum Verschwenden zu produzieren. Regionale Lebensmittelproduktion und Vermarktungsstrukturen müssen gestärkt werden.

Überflüssige Handels- und Qualitätsnormen – zum Beispiel für krumme Gurken – gehören abgeschafft. Wir wollen die Ernährungsbildung an Schulen und Kitas fördern, um Wertschätzung für Lebensmittel von Anfang an zu vermitteln. Das sind wichtige Schritte auf einem richtigen Weg. Es sind Schritte,

die wir schnell gehen müssen, denn unsere Verschwendung hat enorme ökologische Folgekosten.

Die Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten ist eine Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)