Und die soziale Infrastruktur haben wir, weil Deutschland einen traditionsreichen Sozialstaat hat, der auf der Grundlage nationaler Solidarität beruht.
Was die Koalitionäre hier wohl im Blick haben, sind die Gelder aus den EU-Förderprogrammen, die auch hier in Thüringen ankommen, also EFRE-Mittel oder ESF-Fördergelder. Ja, hiermit wurde auch in Thüringen – und das bestreitet niemand – ökonomische Entwicklung gestützt. Insoweit ist unter den gegebenen Bedingungen – das betone ich – natürlich zu fordern, dass diese Gelder weiterhin Thüringen zugutekommen. Das ist der Auftrag, den die Landesregierung permanent hat. Allerdings, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, darf man hinsichtlich der EU-Förderprogramme nicht außer Acht lassen, dass Deutschland Nettozahler der EU ist. Mit anderen Worten: Es fließt mehr Geld aus Deutschland in die EU ab, als zum Beispiel über die Förderprogramme zurückkommt – und zwar deutlich mehr Geld, nämlich etwa 12 Milliarden Euro. Diese Diskrepanz zwischen dem, was wir zahlen, was wir nach Brüssel transferieren und was wir über Förderprogramme zurückerhalten, dürfte sich in den nächsten Jahren noch deutlich erhöhen, einerseits durch den Austritt von Großbritannien aus der EU und zum anderen dadurch, dass die rot-schwarze Bundesregierung ja schon großzügig angekündigt hat, dass die deutschen Beitragszahlungen ab 2021 perspektivisch erhöht werden, und zwar redet man hier von einem Betrag von 45 Milliarden Euro, der dann Brutto nach Brüssel überwiesen wird. Es ist ja nur das Geld des deutschen Steuerzahlers. Dieses Geld steht dann natürlich nicht mehr für nationale Förderprojekte zur Verfügung. Die Tatsache, dass Fördergelder der EU nach Thüringen geflossen sind, besagt folglich nicht, dass ohne EU-Förderung kein Geld für Thüringen zur Verfügung gestanden hätte, nein, es wäre wahrscheinlich viel mehr gewesen, wenn es direkt aus Berlin nach Brüssel transferiert worden wäre.
Denn, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, die 44.000 Beamten – und davon „verdienen“ 4.000 mehr als der deutsche Bundeskanzler bzw. die deutsche Bundeskanzlerin, die im Augenblick
290.000 Euro brutto im Jahr erhält, 4.000 verdienen mehr als dieses Gehalt im Jahr. 10.000 Angestellte, die Tausenden Sachverständigen, die Gutachter, die Dolmetscher, die wollen alle bezahlt werden und allein der Personaletat der EU beträgt pro Jahr 10 Milliarden Euro.
(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Sie haben nicht mal im Kreisverband Ordnung und wollen uns hier was erzählen!)
Meine Damen und Herren, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, die AfD spricht sich nicht prinzipiell gegen die EU aus. Was für uns entscheidend ist, ist eine grundsätzliche Reform auf der Grundlage eines Paradigmenwechsels, eine Reform, die auf deutlich weniger EU und auf eine strikte Orientierung am Subsidiaritätsprinzip abzielt.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben das Subsidiari- tätsprinzip nicht verstanden!)
Darüber wollen wir diskutieren, aber darüber wollen weder die EU-Kommission noch die Altparteien reden. Sie alle wollen ausdrücklich – oft im Landtag hier und im Ausschuss bekundet – noch viel mehr EU und daher wollen Sie nicht offen und kontrovers über die Weiterentwicklung einer aus dem Ruder gelaufenen Institutionenkrake debattieren, wie es leider – für mich zumindest – doch sehr heuchlerisch im rot-rot-grünen Antrag heißt. Ich muss leider vermuten, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, dass Sie, wie es im Framing-Manual der ARD als theoretische Grundlage ausgedrückt wird, eher eine gelenkte Demokratie bevorzugen.
Tatsächlich nämlich werden diejenigen, die der EU skeptisch gegenüberstehen, als „Europafeinde“ diffamiert. Genau diese Worte benutzte kürzlich die Konferenz der Europaminister der Länder – ich betone: die Konferenz der Europaminister der Länder. Die haben nämlich unter Mitwirkung unseres Thüringer Europaministers oder EU-Ministers einen Wahlaufruf formuliert, also schriftlich fixiert, in dem die „Europafeinde“ wörtlich drin stehen. Hier Freund – da Feind. Das ist die Sprache derjenigen, die unsere Gesellschaft spalten.
Spaltung ab. Wir sind die Freunde eines anderen, eines wahren Europas und gerade daher sehen wir die EU kritisch und wir haben ein Recht, ein gutes Recht dazu, diese EU in ihrer Fehlentwicklung kritisch zu analysieren und kritisch zu kommentieren.
Die EU, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, ist Gleichmacherei und Uniformierung, ist Gängelung, Bevormundung und Fremdbestimmung. Das ist die Tyrannei der Werte, die ich erwähnte und die Herrschaft der Beamten ohne demokratische Kontrolle. Sie ist eine riesige Umverteilungsmaschinerie. Ich erinnere hier nochmals an den Zinsverlust der deutschen Sparer, der sich im Laufe der letzten knapp zehn Jahre im Rahmen der sogenannten Euro-Rettungspolitik auf die unglaubliche Summe von 700 Milliarden Euro aufsummiert hat, und ich erinnere an die 900 Milliarden Euro positive TARGET2Salden, die für uns nicht mehr eintreibbar sind. Ich erinnere an die Milliarden, die in die Griechenlandrettung geflossen sind.
Für uns ist diese EU nicht nur eine Umverteilungsmaschinerie, für uns Deutsche ist sie tatsächlich ein gigantisches Mittelstands- und Wohlstandsvernichtungsprogramm.
Das wahre Europa, von dem wir sprechen, das ist die Vielfalt der Völker, das ist die Herrschaft des Rechts, das ist die Freiheit der persönlichen Entfaltung, das ist die politische Selbstbestimmung des Volkes, das sind die Solidargemeinschaften der Nationen. Das ist für uns die Definition des wahren Europas.
Die AfD-Fraktion hält daher – und das möchte ich am Ende betonen – eine grundlegende Reform der EU für geboten, eine Reform, die den Verzicht auf eine politische Union, die Konzentration der EU auf wirtschaftliche Kooperation und ein Europa der Vaterländer zum Ziel haben muss.
In diesem Sinne rufe auch ich und ruft auch meine Fraktion selbstverständlich die Thüringer Bürger zur Teilnahme an der EU-Wahl auf. Gehen Sie, liebe Mitbürger, am 26. Mai wählen, stimmen Sie dafür, dass das wahre Europa wieder zur Geltung kommt und sich die EU zu einem Europa der Vaterländer entwickeln kann!
Und die Begeisterungsstürme bei den Regierungskoalitionen geben mir ein deutliches Indiz dafür, dass meine Rede ins Schwarze getroffen hat. Und selbstverständlich können wir davon ausgehen, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, dass dieser Tagesordnungspunkt, der sich umfänglich mit dem Thema „EU“ bzw. „Europa“ befasst, ohne die anstehenden EU-Wahlen wahrscheinlich nicht den Weg auf die Tagesordnung des Thüringer Landtags gefunden hätte. Von daher gehe ich davon aus, dass mein zum Abschluss meines Redebeitrags formulierter Aufruf an die Wähler – auch wenn Sie vielleicht die inhaltliche Pointierung so nicht unterschreiben würden – auch Ihre Zustimmung findet.
Ansonsten kann ich für meine Fraktion noch verkünden, dass wir – wie gesagt – dem ersten Teil, was die Verfahrensregelungen, die hier auch in der Beschlussfassung niedergeschrieben worden sind, gerne unsere Enthaltung zukommen lassen, also grundsätzlich unter den gegebenen Rahmenbedingungen das für sinnvoll halten, aber wie gesagt, die gegebenen Rahmenbedingungen deutlich kritisieren, und was den Antrag der Regierungsfraktionen angeht, natürlich unsere Zustimmung verweigern müssen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Zuschauerinnen und Zuschauer am Livestream! Nach Herrn Höcke zu reden, ist ja immer in einer besonderen Weise schmerzerfüllt, weil man eigentlich sozusagen einen harten Faktencheck machen müsste. Ich glaube, Ihre Rede würde in keinem der Punkte, die Sie hier angesprochen haben, auch nur ansatzweise der Realität und dem Test auf Wahrheitsgehalt tatsächlich genügen.
Ich habe selten so viel faktenfreies Vor-sich-hinBlubbern gehört, wie ich das gerade hier gehört habe.
gehört hätte wie: „die Tyrannei der Werte“. Das muss man sich mal geben, da stellt sich hier vorne jemand hin und sagt, Werte sind an sich erst mal eine Tyrannei. Da plädiert jemand dafür, dass wir sozusagen am besten in – ja, das ist ja nicht mal Mittelalter, das ist ja eigentlich in die Steinzeit – die Steinzeit zurückverfallen, wo wir mit der Keule aufeinander eingedroschen haben, wenn uns etwas nicht gepasst hat. Werte sind ja der Ausdruck eines Konsens in einer Gesellschaft, wonach wir uns einig sind, wie wir miteinander umgehen. Und zu diesen Werten gehören unter anderem Menschenrechte, die Wahrung der Würde des Menschen.
Und Sie haben hier gerade gesagt, dass Sie sich davon tyrannisiert fühlen. Das heißt im Prinzip, dass Sie die ablehnen. Nicht, dass mich das überrascht, ich bin nur immer wieder überrascht, wie Sie das versuchen zu verpacken und auch ein Stück weit zu verhöhnen an dieser Stelle.
Ihre Rede war faktenfrei. Sie sollten sich vielleicht überlegen, ob Sie sich umbenennen in „Alternative zu Fakten“ oder so was, statt Alternative für Deutschland. Alle meine Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien, die im Europaausschuss sitzen, wissen ja, dass es immer sehr, sehr schwer ist, der AfD zu erklären, was das mit diesem Subsidiaritätsprinzip eigentlich bedeutet. Ich kann mich an fast keine Sitzung des Europaausschusses erinnern, in der wir nicht noch mal erklären mussten, was das Subsidiaritätsprinzip ist, und er hat es immer noch nicht verstanden, sein Vorgänger Herr Brandner auch schon nicht. Wir haben das häufig versucht, aber was soll man machen? Ich weiß es auch nicht. Von daher nehme ich das jetzt hier einfach mal zur Kenntnis, auch wenn es mir zwischenzeitlich schwerfiel, mein Mittagessen drinnen zu behalten.
Wie viele von Ihnen habe ich heute übrigens Spargel gegessen und wenn man Spargel isst, ist man übrigens sehr, sehr schnell bei der Europäischen Union. Die meisten der Erntehelferinnen und Erntehelfer – auch in Thüringen – kommen aus dem europäischen Ausland. Diese Menschen machen eine Arbeit, die die meisten Deutschen nicht mehr machen wollen, und das meistens zu einem Lohn, der sich geradeso knapp über dem Mindestlohn bewegt.
Diese Erntehelferinnen und Erntehelfer haben übrigens deswegen bessere Arbeitsbedingungen, weil es die Europäische Union gibt,
weil die dafür sorgt, dass kontrolliert wird, und sie können hier arbeiten, weil es die Freizügigkeit in der Europäischen Union gibt. Ohne diese Freizügigkeit würde übrigens die Unternehmerin, in dem Fall die Landwirtschaft, hier zugrunde gehen, denn sie hätte niemanden mehr, der ihnen das Obst und Gemüse vom Feld holt, Herr Höcke. Vielleicht nehmen Sie das in diesem kleinen Detail mal zur Kenntnis, wenn Sie immer wieder versuchen zu behaupten, es gäbe hier keine Vorteile.
Die Vorteile der Europäischen Union liegen auf der Hand. Die AfD behauptet immer, sie wären nicht da, sie hat aber noch nicht einmal einen Vorschlag gemacht, wie sie eigentlich zur Stärkung der Nationalstaaten, wie sie behauptet, wieder zurückkommen möchte. Das ist nämlich gar nicht möglich. Man kann auf diesen Level gar nicht mehr zurückgehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kollege Kubitzki, der Vorsitzende des Europaausschusses, hat dankenswerterweise hier schon viele richtige Sachen zum Thema „Subsidiarität“ gesagt und auch die Vereinbarung hier noch mal gut dargelegt, sodass ich dazu gar nicht mehr so wahnsinnig viel sagen muss.
Lassen Sie mich aber noch zwei Sätze generell zum Europaausschuss sagen. Ich glaube, dass wir hier natürlich die Möglichkeit haben, uns an der Politik der Europäischen Union zu beteiligen. Es ist auch falsch zu behaupten, dass die Europäische Union ein Bürokratiemonster ist. Die Europäische Union hat circa 40.000 Beamte, das ist weniger, als die Stadt Hamburg hat. Zu behaupten, das wäre sozusagen ein riesengroßer aufgeblasener Wasserkopf, der da in Brüssel sitzt und nach unten durchregiert, das ist einfach weit hergeholt und stimmt einfach nicht.
Im Gegenteil, wir haben sogar das Problem, dass wir mit dem Personal, was der Europäischen Union zur Verfügung steht, durchaus Vollzugsprobleme haben, gerade in der Prüfung von Korruption etc. pp. gibt es Probleme. Deswegen ist es einfach nicht richtig, hier zu behaupten, dass uns die Europäische Union irgendwie überall reinregieren könnte oder dass wir nicht die Möglichkeit hätten, daran zu partizipieren. Das stimmt nicht.
Und natürlich ist es ganz logisch, dass die vielen Stimmen in der Europäischen Union die Möglichkeit haben, sich an die EU zu wenden. Es ist ihnen übrigens auch unbenommen, sich zusammenzutun und gemeinsam bei der Europäischen Union Position zu beziehen, um ihre Position durchzusetzen, und das