Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, werte Gäste auf der Tribüne und werte Zuhörer am Livestream – ich denke, bei diesem Thema werden es nicht wenige sein –! Herr Kuschel hat bereits ausführlich in die Thematik eingeführt, und ich habe auch sehr interessiert den Worten von Herrn Geibert gelauscht.
Die letzte Änderung des KAG vom 14. Juni 2017 sollte die Handlungsspielräume der Gemeinden erweitern, aber es stellte sich heraus, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung, aber auch vor allem in den Gemeinden ausblieb. Herr Geibert hat eben ausführlich hierzu gesprochen. Natürlich, es war gut gemeint, den Gemeinden ein weiteres Gestaltungsmerkmal in die Hand zu geben. Es war ein Kompromiss – das möchte ich hier explizit noch mal erwähnen. Es hat sich herausgestellt, dass es doch nicht – ich sage mal – der letzte Schluss war, das Ermessen nicht ein reines freies Ermessen, sondern eines mit verschiedenen Auflagen war. Aber es gibt durchaus auch Gemeinden in Thüringen, die dieses Ermessen anwenden, die ihre Satzungen geändert haben und danach handeln.
Herr Geibert hat auch das Gutachten vom Gemeinde- und Städtebund bezüglich dieser neuen Regelung im KAG angesprochen. Auch hier muss man sagen: Es war ein vorgelegtes Gutachten vom Gemeinde- und Städtebund. Ob dieses vor Gericht standgehalten hätte, das wissen wir nicht.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Kein Gutachter stellt die Verfassungswidrigkeit fest, sondern nur das Verfassungsgericht!)
Und deswegen kann man auch nicht so pauschal sagen, dass diese Regelungen nun nicht rechtssicher und verfassungsmäßig waren.
Ich muss an dieser Stelle ganz einfach auch mal sagen: Die Thematik „Straßenausbaubeiträge“ ist in Thüringen ein sehr umstrittenes Thema – sehr umstritten, nicht nur in der Bevölkerung. Ich denke, wir sind uns darüber einig: Die Mehrheit der Bevölkerung fordert seit Jahren die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Ein Journalist sagte mir aber zum Beispiel, dass er völlig dagegen ist, denn er ist Mieter und er sieht es überhaupt nicht ein, dass die Grundstückseigentümer hier entlastet werden. Also da ist die Meinungsbildung nicht so ganz einheitlich, aber auch beim Gemeinde- und Städtebund ist diese Meinung nicht so ganz einheitlich. Es gibt Kommunen, die – wie gesagt – das neue Recht anwenden. Es gibt Kommunen, die sagen: Lasst alles so, wie es ist. Der Gemeinde- und Städtebund vertritt überwiegend für die Kommunen die Meinung und sagt das auch: Wir hätten mit der Gesetzeslage bis zum 01.01.2019 gut leben können. Aber da habe ich doch den Artikel bei der Hand – Sie erlauben, dass ich hier mal zitiere –, und zwar vom
10. Juli letzten Jahres, als der Vorsitzende des Kreisverbands Saalfeld-Rudolstadt des Gemeindeund Städtebunds Thüringen sich vehement für die Abschaffung der Beiträge äußert. Und da lese ich doch: „Unterstützt wurde Steffen Kania auf der Veranstaltung unter anderem vom Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebunds Ralf Rusch.“ Also auch hier in der kommunalen Familie gibt es durchaus keinen generellen Konsens – soll man abschaffen, soll man nicht abschaffen –, so wie auch in der Bevölkerung. Es ist so. Wir kriegen Briefe von Bürgermeistern, die sagen: Lasst es, wie es ist. Es gibt aber auch sehr viele Protestresolutionen von Bürgermeistern, die uns auf den Tisch geflattert sind, wo man vehement die Abschaffung fordert.
Dieses Thema ist nicht so einfach. Herr Geibert, Sie haben hier so salopp gesagt, Ihre Fraktion möchte Gerechtigkeit. Ich glaube, auch hier sind wir uns einig: Egal, wie das Gesetz den Landtag dann verlässt, Gerechtigkeit schaffen wir mit diesem Gesetz mit Sicherheit nicht.
Es gibt Bürger, die bezahlt haben, es gibt Bürger, die nicht mehr bezahlen müssen. Es gibt Bürger in einem Ort, die bezahlt haben, jetzt müssen sie nicht mehr zahlen. Ich gebe Ihnen recht: Es besteht der Anspruch auf den größtmöglichen Konsens und die bestmögliche Regelung, die wir treffen können. Aber eine gerechte Regelung für alle Bürger – da sind wir uns, glaube ich, einig – schaffen wir mit diesem Gesetz auch nicht.
Herr Kuschel hat die Genese schon ausführlich erläutert. Deswegen möchte ich das an dieser Stelle nicht noch mal tun.
Es kam, als ich zum Landesausschuss über dieses Thema informieren durfte, natürlich sofort die Reaktion der Bürgermeister, was man da jetzt wieder für ein Gesetz macht und dass die Kommunen hier benachteiligt werden. Für die Bürger – da sind wir uns natürlich einig, und das sage ich auch hier, die Mehrzahl der Bürger fordert seit Jahren die Abschaffung – ist es eine große Verbesserung. Auch das hat Herr Geibert bereits gesagt. Aber auch für die Gemeinden, finde ich, ist es nicht das schlechteste Gesetz. Ich möchte an dieser Stelle dem Innenministerium danken. Sicherlich hat der Gesetz
entwurf hier und da noch eine kleine Ecke und eine kleine Kante, aber es ist ein handwerklich sehr guter Entwurf, der uns hier vorliegt.
Warum entlastet er die Gemeinden? Bis jetzt wickeln die Gemeinden ihre Baumaßnahmen ab. Sie stellen im Vorfeld die beteiligten Grundstücke fest. Nach Abschluss der Maßnahme werden die Bescheide herausgeschickt. Die Gemeinde hat dort natürlich auch hinterher mit Widersprüchen zu tun, sie hat unter anderem Stundungen, die sie bearbeiten muss. Jetzt spart die Gemeinde diesen ganzen Verwaltungsaufwand. Nach Abschluss der Baumaßnahme stellt die Kommune einen Antrag auf Erstattung beim Land; einige Bürgermeister sind hier unter uns, auch ich saß mal auf der anderen Seite des Tischs. Wenn eine Gemeinde eine Zahl X verbescheidet und die Bescheide herausschickt, bekommt die Gemeinde dieses Geld für die Bescheide nie zu 100 Prozent. Es sind Stundungen, teilweise bis auf 20 Jahre. Es gibt Grundstücke mit ungeklärten Grundstücksfragen, wo man überhaupt keine Beiträge einnehmen wird. Mit diesem Gesetzentwurf, wie er hier vorliegt, wird die Gemeinde Planungssicherheit haben. Sie bekommt ihre ausgefallenen Beiträge, die sie beim Bürger eingefordert hätte, vom Land erstattet.
Ich gebe Herrn Geibert recht, es gibt noch ein paar Punkte, worüber wir in der Anhörung sprechen müssen, seien es die Vorausleistungen – hier müssen wir sicherlich eine Lösung finden, für die Kommunen, die ohne Vorausleistungen ganz einfach die Baumaßnahmen nicht durchführen können –, über Sanierungsgebiete – auch das haben wir schon angesprochen. Aber für die Kommunen wird ein Riesenvorteil entstehen. Ich sage es noch mal: Der Verwaltungsaufwand, der hier gespart wird, ist immens und es besteht die Planungssicherheit. Die Kommune kann damit rechnen, dass sie diese Einnahmen, die sie sonst über Beitragsbescheide niemals zu 100 Prozent bekommen hätte, bekommt. Ich denke, das ist auch für die Kommunen nicht ganz so schlecht.
Der Aussage, die Bürger werden jetzt kommen und werden von uns fordern, dass wir Straße um Straße bauen, weil das Regularium nicht mehr vorhanden ist, kann ich nicht ganz beipflichten. Es werden nur die Beiträge erstattet, die auf die Bürger entfallen. Die Kommunen haben nach wie vor noch ihren Eigenanteil zu erbringen. Ich glaube nicht daran, dass über Nacht die Kommunen doppelt oder dreimal so viele Straßen bauen. Auch die Kapazitäten der
Die Vier-Jahres-Frist: In der Tat bin ich mir bewusst und auch meine Fraktion ist sich bewusst, dass wir hier ein Stück Verantwortung in den Kommunen auf die Bürgermeister übertragen und dass die Bürger sehr wohl kommen und sagen, hier ist ein Gesetz verabschiedet und jetzt bekomme ich noch einen Beitragsbescheid. Aber dieses Problem werden wir haben, ob wir als Stichtag den 01.01.2019 festlegen, den 01.01.2020, 2021. Diese Vier-Jahres-Frist haben wir. Es war bewusst, dass wir diesen Stichtag gewählt haben, weil wir – Herr Geibert sagte es – eine rechtssichere Lösung angestrebt haben und nicht wieder ein vor dem Verfassungsgericht anfechtbares Regularium.
Deswegen denke ich, es liegt ein sehr guter Entwurf hier vor. Man hat uns ja hier immer so ein bisschen in die Rolle der Verhinderer hineingepresst. Nein, es war der Anspruch der SPD-Fraktion, ein wirklich gutes Gesetz vorzulegen, ein rechtssicheres Gesetz und – ich wiederhole das noch mal – mit dem möglichst höchsten Anspruch an Gerechtigkeit für unsere Bürger hier im Freistaat.
Ich bin mir sicher – ich habe es schon oft gesagt –, das Gesetz wird nicht so den Landtag verlassen, wie wir es heute hier einbringen, aber ich bin der festen Überzeugung, wenn wir konstruktiv an diesem Gesetzentwurf weiterarbeiten, die Anhörung durchführen und auch im Gespräch mit dem Gemeinde- und Städtebund bleiben, wird es am Ende ein gutes Gesetz werden. Ich habe auch mit Freude zur Kenntnis genommen, Herr Geibert, dass Sie uns heute auch hier die Zusage gegeben haben, dass Sie weiterhin wie bisher mit uns gemeinsam an diesem Gesetzentwurf arbeiten werden und das nehme ich jetzt so auch mit und bitte um Überweisung an den Innenausschuss zur weiteren Behandlung. Ich freue mich und bin der festen Überzeugung, wir werden mit diesem Gesetz im September ein gutes Gesetz für unsere Bürger und für unsere Kommunen verabschieden. Danke schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste! Ja, das ist doch eine ganz erfolgreiche gemeinsame Arbeit, die wir da
hingelegt haben, möchte ich fast sagen. Wir legen einen Entwurf vor – ich meine, es war nicht der erste, wir hatten vorher schon ein paar Anträge zur Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen gestellt –
Ich behaupte mal, ohne diesen Gesetzentwurf würden wir heute nicht darüber diskutieren, ob die Straßenausbeiträge abgeschafft werden.
Also, Herr Kuschel, im Grunde ist das doch – obwohl wir ja nie direkt darüber kommuniziert haben – ein erfolgreiches Joint-Venture, das wir da hingelegt haben. Wir führen, Sie folgen. Klar, Sie haben jetzt den eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der ist ein bisschen anders als das, was wir gemacht haben, wir hatten ein paar andere Punkte. Aber im Kern hat er doch dasselbe Ziel, nämlich die Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen, zumindest für die Zukunft.
Ich sage es mal ganz offen: Das ist ein Punkt, den werden wir natürlich unterstützen, selbst wenn der Antrag von der Linken kommt oder der Gesetzentwurf von der Koalition kommt.
Primär getrieben natürlich durch die Angst, dass man hier sonst ein Wahlkampfthema für die AfD eröffnet, denn das ist der Grund, warum wir heute hierüber diskutieren.
Herr Geibert, Sie haben diese Frage von dem einen Gutachter noch mal explizit aufgeworfen. Wozu nützt denn das Ganze jetzt? Es ist ein politisches Ziel, das damit verfolgt wird. Man will ein Thema abräumen, weil man gemerkt hat, die ganzen letzten Jahre, die letzten – sage ich mal – vier Jahre wurde hier im Land Politik oft oder meistens gegen die Bevölkerung gemacht. Die Finanzmittel, die zur Verfügung standen, wurden für Dinge ausgegeben, wo die Bevölkerung mehrheitlich sagt: „Das macht überhaupt keinen Sinn, das sind ideologische Dinge, die da befördert werden.“ Ich spreche da zum Beispiel nur von den gigantischen Steueraufkommen, die für Zuwanderung ausgegeben worden sind, die diesem Land überhaupt nichts nützt. Dann
will man natürlich kurz vor der Wahl auch mal was an die eigene Bevölkerung zurückgeben. Man hat da ein Thema gefunden, wo eine große Gerechtigkeitslücke vorliegt und deswegen – wie gesagt – …
Wenn Sie dieses Ziel ernsthaft verfolgen, werden wir das auch unterstützen. Wir sehen natürlich bei diesem Gesetzentwurf auch Kritik, keine Frage. Allerdings, wenn ich Herrn Geibert so höre, dann habe ich so ein bisschen den Eindruck – Herr Geibert, die Kritikpunkte, die Sie anführen, manche sind berechtigt, manche sind doch eher an den Haaren herbeigezogen. Ich habe so ein bisschen den Eindruck, Sie wollen damit für die Presse und für die Öffentlichkeit zum Ausdruck bringen: Wir sind für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Und nach hinten: Eigentlich sind wir es nicht.