Protocol of the Session on May 9, 2019

Sie merken, es ist eine Debatte im Gang, die es auch in Ihrem Land gibt, wie ich mir habe sagen lassen.

(Abg. Kuschel)

Wir setzen die Debatte fort. Es haben sich zwei CDU-Mitglieder gemeldet, als Erster Herr Geibert und dann Herr Fiedler.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Mancher Geschenke kann man sich nicht erwehren. Herr Adams wird sich über die Marx-Exponate zweifellos gefreut haben, ob die uns heute weiterhelfen und in der Diskussion um die Straßenausbaubeiträge wirklich die sinnhafte Diskussionsgrundlage sind und uns dabei bereichern, das darf man aber ehrlicherweise doch bezweifeln.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Man kann auch ein Bibelzitat nehmen!)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Es gibt auch Bibelzitate, die die Situation be- schreiben!)

Ja, der kam auch aus dem sehr konservativ geprägten Trier, also da sei das durchaus nachvollziehbar.

Herr Kuschel, das haben weder der Gemeinde- und Städtebund noch ich behauptet, dass ein Gutachter die Verfassungswidrigkeit von einem Gesetzentwurf feststellen würde. Nichtsdestotrotz kann man sich mit gutachterlicher Expertise natürlich sehr wohl mit den Fragen, ob die Verfassungsnormen eingehalten wurden oder nicht, auseinandersetzen. Und an der Stelle gibt es natürlich bei dem Entwurf, der im Jahr 2017 Gesetz geworden und im Jahr 2019 in Kraft getreten ist, ganz erhebliche Zweifel, ob er diesen Ansprüchen genügt. Das muss man schlichtweg zur Kenntnis nehmen. Es gibt aber auch praktische Umsetzungsprobleme, die man zur Kenntnis nehmen muss, die Sie ja letztlich selbst auch zur Kenntnis genommen haben. Ansonsten würden wir ja nicht in der Situation leben, dass das Landesverwaltungsamt auf eine ganz schwierige Art und Weise für die Kommunen diese aufgefordert hat, eine gesetzliche Regelung, die Sie mit Mehrheit hier durchgedrückt haben, letztlich nicht anzuwenden. Das ist schon ein etwas merkwürdiger Vorgang und das muss man auch markieren. Dieser Vorgang setzt uns letztlich unter Zeitdruck, bei so einer schwierigen Diskussion und mit so vielen schwierig zu beantwortenden Rechtsfragen, wie wir es nun mal im Kommunalabgabenrecht bei dem Anspruch, etwas, was an sich ja läuft und auch akzeptiert wird, gegebenenfalls zu verbessern, haben. Wir wollen es ja nicht verändern – das ist ja nicht der Anspruch –, sondern es soll etwas verbessert werden. Dann muss man sich im Letzten auch die

Zeit dafür nehmen, diese Fragen vernünftig abzuklären und zu beantworten. Das ist auch der Grund, weshalb an der Stelle eben von mir im Wesentlichen auch Fragen formuliert wurden, wobei ja auch die Zielrichtung klar war: eine in die Zukunft gerichtete, rechtssichere und auch gerechte Lösung. Da sind wir mit dabei, die haben wir vor Augen, die wollen wir auch umsetzen, aber halt unter Abklärung der Fragen, die ich dabei aufgeworfen habe. Wir hätten uns leisten können, diese Fragen im Vorfeld zu beantworten und aufzuklären. Ich will überhaupt nicht unterstellen, dass der Zeitdruck entstanden ist, weil wir in diesem Monat in Thüringen Kommunalwahlen haben und deshalb noch ein Gesetzentwurf eingebracht werden soll. Das will ich gar nicht als Motiv unterstellen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Dann machen Sie es doch auch nicht!)

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Dann machen Sie es doch auch nicht, Herr Gei- bert!)

Ja, Sie haben es ja dann zur Kenntnis genommen, dass ich es nicht mache.

Sondern das Motiv ist, glaube ich, dass Sie jetzt versuchen, eine grottenschlechte Regelung, die seit 01.01. in Kraft ist, irgendwo zeitlich einzuholen – was immer schwierig ist, das zeitliche Einholen –, anstatt, was wir im letzten Herbst in der Sitzung der Arbeitsgruppe in der Staatskanzlei vorgeschlagen hatten, schlichtweg ein kleines Korrekturgesetz zu machen und das Inkrafttreten zu verschieben, was uns die Zeit gegeben hätte, sinnvoll darüber zu diskutieren.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dann hätten die Gemeinden trotzdem erhe- ben müssen – ohne Ermessen!)

Nein, wenn das Inkrafttreten verschoben worden wäre, dann wäre der Rechtszustand von vorher gewesen und da wäre diese Regelung nicht in Kraft getreten. Das hätte uns durchaus die Möglichkeit gegeben, sinnhaft darüber zu reden.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: Der Verwaltungsaufwand!)

Herr Adams hat fehlenden Mut beklagt – das ist immer richtig, wenn man auf diese Situation hinweist –, aber man muss dabei sauber unterscheiden: Ist es fehlender Mut oder unterliegt man gegebenenfalls dem Risiko des Übermuts?

(Beifall CDU)

(Präsidentin Diezel)

Das ist hier so eine ganz schwierige Gratwanderung, die wir dabei in dem Bereich hier vornehmen. Es sind empfindliche Angelegenheiten, es geht um eine hohe Anzahl von Betroffenen, und es geht dabei um Geld der Betroffenen. Deshalb, denke ich, ist es gut und richtig, sauber und vernünftig abzuwägen.

Vielleicht ein paar Worte noch zu Herrn Möller und dem, was für die AfD vorgetragen wurde. Also so ganz salopp kann man eigentlich sagen: Kollege Möllers Märchenstunde. Es ist letztlich ein typisches AfD-Vorgehen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ein sehr er- folgreiches!)

Nein, das vermag ich ehrlicherweise nicht festzustellen, sondern es ist ein populistisches Vorgehen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das ist ein typisches AfD-Vorgehen: Es wird ein Problem, das besteht, beschrieben, noch nicht mal vernünftig beschrieben – Herr Kuschel hat dabei zu Recht auf einige Punkte hingewiesen –, es wird aber keine saubere Lösung angeboten. Und der Gesetzentwurf, den Sie uns präsentiert haben: Wenn ich schon den vorherigen zum Kommunalabgabengesetz als Murks bezeichnet habe, dann muss man das hier als Obermurks bezeichnen. Das trifft ja wirklich überhaupt nichts. Das geht völlig am Ziel vorbei!

Kollege Kuschel hat schon darauf hingewiesen, Sie haben von Bayern abgeschrieben, und das mäßig, eigentlich daneben abgeschrieben. Man muss nur mal einen Blick in Ihre eigene Begründung hineinwerfen. Ich erlaube mir, Frau Präsidentin, aus dieser Begründung zu zitieren. Da geht es um die Frage der Kosten für die Gemeinden. Sie führen darin aus: „Für die Gemeinden wird es aufgrund der im Zuge der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge notwendig gewordenen Änderungen des Kommunalabgabengesetzes zu Beitragsausfällen sowie in bestimmten Fallgestaltungen zu zusätzlichen Aufwendungen infolge von Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber den Beitrags- und Vorauszahlungsverpflichteten […] kommen, die jedoch für die relevanten Zeitabschnitte“ – also nur für die relevanten Zeitabschnitte, die Sie dort benennen, das sind die für nach dem 31. Dezember 2017 erhobenen Beiträge und Vorauszahlungen – „und die meisten Sachverhaltskonstellationen weitgehend vom Freistaat Thüringen erstattet werden.“ Wenn man das genau liest, heißt das, die Kommunen bleiben auf einem Großteil ihrer Kosten sitzen,

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Genau so!)

schon nach dem eigenen Anspruch Ihres Gesetzes, im Kostenvorblatt.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Peinlich ist das! Der Bürger soll es zahlen! Pfui!)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das war jetzt die SPD-Position!)

Das ist ehrlicherweise reine Augenwischerei. Reine Augenwischerei ist das, was uns da präsentiert wurde, über die wir zu Recht überhaupt nicht ernsthaft beraten und diskutieren konnten. Deshalb haben wir das im letzten Frühjahr abgelehnt.

(Beifall DIE LINKE)

Frau Kollegin Scheerschmidt, wir sind ja in ganz vielen Positionen eng beieinander und einer Auffassung. Bei drei kleinen Punkten bin ich etwas abweichend und will auch sagen, warum. Zunächst die Kritik am Gemeinde- und Städtebund, die ich so nicht teile, und auch der Hinweis, den Gemeindeund Städtebund als Zeugen für die eine oder andere Auffassung heranzuziehen, die ich als nicht korrekt empfinde. Der Gemeinde- und Städtebund ist ein plural zusammengesetztes Gremium. Er vertritt Hunderte von Thüringer Kommunen – über 800.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Nicht mehr, es sind jetzt infolge der Gebietsrefor- men weniger Gemeinden!)

Selbstverständlich werden dort alle möglichen Positionen vertreten, die man sich in diesem Spektrum vorstellen kann, weil es dort auch alle möglichen Fallkonstellationen gibt. Sich jetzt einen Kreisverband, eine Kreisorganisation herauszupicken und das zum Generellen zu machen, denke ich, das ist nicht ganz in Ordnung, das kann man so nicht machen. Der Gemeinde- und Städtebund vertritt seine Position durch seine Dachorganisation bei uns hier im Anhörungsverfahren. Wir haben oft zur Kenntnis genommen, dass geäußert wurde, dass kein Regelungs- und Veränderungsbedarf gesehen wird, dass man sich mit der Situation, die besteht, arrangiert hat. Ich denke, das muss man dann einfach so akzeptieren und kann nicht eine Einzelauffassung von einer Kreisorganisation oder örtlichen Organisation herausnehmen.

Es ist auch ehrlicherweise nach meiner Wahrnehmung eher eine Legende, dass die Leistungen, dass die Beiträge von den Kommunen nicht eingefordert und eingezogen würden. Ansonsten hätten wir ja gar nicht diese vielen Rechtsstreitigkeiten zu diesen Punkten. Selbstverständlich gehen die Bescheide raus. Selbstverständlich, wenn die Be

scheide erstellt sind, wird versucht, beizutreiben. Deshalb haben wir ja die vielen Prozesse.

Es ist eine Änderung des Zustands in den letzten sechs, sieben, acht Jahren eingetreten, wo viele Rückstände bestanden haben, wo dann aber mit intensiver Unterstützung, durchaus auch durch die kommunalen Aufsichtsbehörden, die Lage so weit verbessert wurde, dass mittlerweile alle Bescheide weitestgehend rausgeschickt wurden, damit das an Kosten, was möglich ist, beigetrieben wird. Dass eine erhebliche Ersparnis im Verwaltungsaufwand durch die jetzt vorgeschlagene gesetzliche Regelung eintritt, das vermag ich im Moment ehrlicherweise noch gar nicht abzuschätzen. Denn die jetzige Regelung, die dann Öffnungsklauseln zu Verordnungsermächtigungen vorsieht, wird für den Verwaltungsbereich noch mit Leben erfüllt werden müssen. Erst dann wird man sehen, welcher Aufwand wirklich auf die Kommunen zukommt, welcher Aufwand im Vorfeld zukommt, um zu bestimmen, welche Leistungen denn als abrechnungsfähig aufgenommen werden können, welcher Aufwand zukommt, um die letztlich vergaberechtlichen Kriterien einzuhalten, die vorgegeben werden, und letztlich auch, welcher Aufwand zukommt, um dann in vernünftiger Art und Weise wieder an die vorverauslagten Mittel vom Land zu kommen, also welcher Verwaltungsaufwand damit verbunden ist. Das wird sich einfach noch zeigen. Ich denke, dass wir im Rahmen der Diskussion im Ausschuss erheblich Gelegenheit dazu haben werden, diese Fragen noch abzuklären und festzustellen, wie hoch der Verwaltungsaufwand im kommunalen Bereich sein wird. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Danke schön. Herr Abgeordneter, die Redezeit für die CDU-Fraktion ist leider zu Ende.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Vielen Dank, Herr Geibert!)

Gibt es weitere Wortmeldungen aus den anderen Fraktionen? Bitte schön, Herr Möller von der AfDFraktion.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wolfgang, ärgere dich nicht! Erzähle es mir, was du sagen wolltest!)

Ach, Herr Fiedler, jetzt hören Sie einfach mal mir zu, ist auch schön.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Also, wenn ich sonst alles mache, aber der AfD zuhören …!)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Fiedler! Herr Abgeordneter, bitte.

Lieber Herr Geibert, da haben wir also Murks, Obermurks hingelegt. Das war aber sehr erfolgreicher Obermurks, denn immerhin hat es dazu geführt, dass Sie – nachdem Sie sich 20 Jahre über dieses Thema gestritten und viele Absichtserklärungen abgegeben haben – heute mal wirklich über die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge sprechen.