dass dann in so einem Fall das Versammlungsrecht nicht gelten soll. Was Sie machen, wenn Sie so eine Regelung durchsetzen, ist im Grunde genommen Folgendes: Der, der finanzkräftig ist, kann sich auf das Versammlungsrecht berufen.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sagt der, der sich aus … finanzieren lässt! Gerade die AfD sollte da sehr ruhig sein!)
Der, der diese Finanzkraft nicht hat, kann sich nicht mehr auf die Versammlungsfreiheit berufen. Das ist in einem Verfassungsstaat unzulässig.
Die Finanzkraft eines Menschen oder einer Institution kann nicht darüber entscheiden, ob eine verfassungsrechtlich geschützte Versammlung vorliegt oder nicht.
Das hat überhaupt nichts damit zu tun, wer da welche politische Richtung vertritt, es geht einfach nur um den ordnenden Rahmen des Versammlungsrechts. Da würde eine Neuregelung erfolgen, die im Grunde in die Versammlungsfreiheit verfassungswidrig eingreift. Deswegen können wir den Gesetzentwurf nicht stützen und werden ihn auch heute ablehnen müssen. Vielen Dank.
Als nächster Rednerin erteile ich Frau Abgeordneter Henfling von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Präsidentin, liebe Gäste auf der Zuschauertribüne und am Livestream! Ganz kurz zu den Ausführungen von Herrn Möller, die man, glaube ich, sonst auch nur als ideologisch motiviert betrachten kann: Uns ist schon klar, dass Sie am liebsten ein
ganz straffes Versammlungsgesetz hätten. Wahrscheinlich wäre es Ihnen sogar noch lieber, wenn man das Versammlungsgesetz zumindest für einen Teil dieser Bevölkerung aktiv abschaffen könnte. Das ist, glaube ich, das, was Sie sich hier vorstellen.
Sie reden immer von Meinungsfreiheit. Wogegen sich die Leute am 1. Mai aber gewehrt haben, ist gegen faschistische Ideologie, die Sie auf die Straße tragen, und das hat mit Meinungsfreiheit nichts zu tun.
Unser Grundgesetz ruft uns aus unserer Sicht natürlich dazu auf, gegen Faschismus auf die Straße zu gehen und damit natürlich auch klar
Dann möchte ich Sie noch daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht sehr wohl entschieden hat, dass Sitzblockaden legitim und Versammlungen nach Artikel 8 Grundgesetz sein können. Erst wenn sie das nicht sind, wenn man zu der Erkenntnis kommt, liegt eine Nötigung vor. Das heißt also, da haben Sie auch wieder die Rechtsprechung verdreht. Eine Sitzblockade kann sehr wohl eine Versammlung sein, weil sie eine Form des Protestes darstellt, und dementsprechend kann sie sehr wohl legitim sein.
Nun zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion: Wir befinden uns ja in der zweiten Lesung, wir haben schon in der ersten Lesung darüber diskutiert. An dem Gesetzentwurf hat sich nicht viel geändert. Noch mal zur Erinnerung: Mit der Föderalismusreform 2006 haben die Länder eine größere Gesetzgebungskompetenz erhalten, unter anderem auch für das Versammlungsrecht. Und diese Möglichkeit haben einige Bundesländer genutzt, bei Weitem allerdings nicht alle, um ein landeseigenes Versammlungsrecht einzuführen.
Das Versammlungsrecht ist ein wertvolles Gut und ein wichtiges Rechtsgut, was auch ein Qualitätsmerkmal für eine wahre Demokratie ist. Grundsätzlich kann man über ein landeseigenes Versammlungsrecht diskutieren. Auch da möchte ich daran erinnern, dass die Koalitionsfraktionen das vor über einem Jahr bereits getan haben. Dass die CDU nun diese Gesetzesinitiative einbringt, zeigt nur, dass
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Beweggrund Ihrer Gesetzesinitiative scheinen die Rechtsrockveranstaltungen in Thüringen zu sein, wenngleich Sie mit Ihrem Gesetzentwurf natürlich wieder versuchen, Sachen miteinander zu vergleichen, die nicht miteinander zu vergleichen sind, und hier wieder hart die Extremismustheorie bedienen, frei nach dem Motto: „Wer ‚rechts‘ sagt, muss auch ‚links‘ sagen“, und gleich versuchen, auch Orte des Gedenkens an bestimmten Tagen bzw. bestimmte Orte zu verbieten, die aus Ihrer Sicht wahrscheinlich dafür geeignet wären, dass dort irgendwelche aus Ihrer Sicht Linksextreme demonstrieren könnten.
In Thüringen werden Rechtsrockveranstaltungen vor allen Dingen als politische Versammlungen angemeldet, so auch wieder in der letzten Woche, und so werden unter dem Deckmantel des Versammlungsrechts aus unserer Sicht große Eventveranstaltungen organisiert. Sie erinnern sich an die Großveranstaltung in Themar mit circa 6.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, und auch 2018 hat eine Vielzahl von Rechtsrockveranstaltungen unter freiem Himmel in Thüringen mit insgesamt circa 6.500 Personen stattgefunden. Neben Eintrittskarten werden dort Lebensmittel, Textilien, Tonträger und Devotionalien verkauft und so bis zu sechsstellige Geldbeträge erwirtschaftet. Weil das Verbot solcher Veranstaltungen nicht so einfach ist, erachten wir es als wichtig, den Versammlungscharakter solcher Veranstaltungen infrage zu stellen.
Da verweise ich auch gerne auf die hier vor einigen Wochen zur Anhörung gebrachte Petition, die sich sozusagen auch genau mit dieser Frage auseinandersetzt. Eigentlich ist es so, dass eine Versammlung von einer Ordnungsbehörde nach ihrem Gesamtgepräge geprüft wird und dass es bei sogenannten Mischveranstaltungen eine Abwägung geben muss, was überwiegt, ob sozusagen der Vergnügungscharakter oder der Versammlungscharakter überwiegt. Aus unserer Sicht passiert das insbesondere in einigen Landkreisen nicht ausreichend. Deswegen können wir nicht nachvollziehen, warum einige Landkreise zu der Erkenntnis kommen, dass es sich bei einigen dieser Veranstaltungen um Versammlungen handelt. Das sieht auch die Zivilgesellschaft so und wir sind der Meinung, wir haben hier tatsächlich ein Vollzugsdefizit und glauben, dass man im bestehenden Recht durchaus handlungsfähig sein könnte.
Dass in diesen Veranstaltungen wirklich viel Versammlung drinsteckt, würden wir bezweifeln, insbesondere wenn man das mal umdreht. Also man stelle sich eben vor, dass eine Feier in meinem Garten stattfindet, und dazu lade ich Bodo Ramelow ein, der da auch eine Rede hält, und es spielt vielleicht noch eine Band. Theoretisch könnte ich das unter den jetzigen Voraussetzungen wohl als Versammlung anmelden, obgleich das wahrscheinlich gar keinen Versammlungscharakter hat. Aber genau so behandeln die Ordnungsbehörden momentan aus unserer Sicht Rechtsrockkonzerte, insbesondere in Südthüringen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat aus unserer Sicht nicht viel damit zu tun, Versammlungsfreiheit in diesem Land hochzuhalten. Die Versammlungsfreiheit möchten wir nicht beschneiden. Wir möchten aber auch nicht, dass sie missbraucht wird, denn das schwächt aus unserer Sicht eben genau diese Freiheit. Deswegen unterstützen wir da auch die Petenten, die sich hier mit der Frage beschäftigt haben. Häufig wird auch noch das Argument angebracht, dass der kommunikative Charakter durch die Musik eine politische Meinungsbildung darstellt. Nun gibt es unterschiedliche politische Musik. Nehmen wir beispielsweise die „Toten Hosen“. Ich würde behaupten, die „Toten Hosen“ spielen politische Musik. Sie würden aber auch nicht auf die Idee kommen, alle ihre Konzerte als Versammlung anzumelden, wenngleich es ihnen sehr wahrscheinlich einen wirtschaftlichen Vorteil bringen würde, denn beispielsweise würde ein Genehmigungsverfahren entfallen, sie müssten beispielsweise nicht unbedingt dafür sorgen, dass sie die komplette Security stellen. Die Polizei würde ihre Versammlung absichern und dafür sorgen, dass genug Parkflächen zur Verfügung stehen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, immer dann, wenn Sie es umdrehen, merken Sie: Da stimmt doch etwas nicht.
Was allerdings nicht geeignet ist, um dieses Problem zu lösen, ist, dass der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion, der hier auf eine sehr billige Art und Weise versucht – wie schon erwähnt –, wieder eine Gleichsetzung unterschiedlicher Gruppierungen vorzunehmen und die Extremismustheorie zu bedienen. Er hilft überhaupt nicht, um genau in dieser Frage, die wir heute gerade diskutiert haben, ein bisschen weiterzukommen und tatsächlich diese missbräuchliche Anwendung der Versammlungsfreiheit hier tatsächlich auch einzuschränken, sondern er sorgt dafür, dass Versammlungen in Thüringen schwieriger werden, dass die Versammlungsfreiheit eingeschränkt wird. Das hat mit einem liberalen Staat, der seinen Bürgerinnen und Bürgern die größtmögliche Freiheit gewährt, nicht viel zu tun.
Von daher wiederhole ich mich, wenn ich sage, dass wir diesen Gesetzentwurf tatsächlich ablehnen. Natürlich laden wir trotzdem gern die CDUFraktion dazu ein, auch weiterhin mit uns darüber zu diskutieren, wie wir denn tatsächlich das Thema „Rechtsextremismus“ in Thüringen angehen können, wie wir dafür sorgen können, dass rechtsextreme Strukturen hier effektiv eingedämmt werden, und dafür sorgen können, dass Neonazis nicht Thüringen als Aufmarschgebiet nutzen und vor allen Dingen auch hier ihre Infrastruktur weiterhin ausbauen. Von daher sind Sie auch wieder aufgerufen, liebe CDU-Fraktion, gemeinsam mit uns Gesicht zu zeigen gegen Hass und Hetze nicht nur am 1. Mai, sondern vor allen Dingen auch im Rest des Jahres und auch nicht nur im Wahlkampf, sondern auch dann, wenn die Leute allein unterwegs sind.
Herr Mohring, es ist keine Unterstellung, sondern es ist eine Tatsache. Wenn ich mich recht erinnere, hat Ihr eigener Bürgermeister sehr darüber geklagt, dass er von der eigenen Partei nicht besonders viel Unterstützung bekommen hat.
Es ist einfach, wenn es den eigenen Wahlkreis betrifft, sich da hineinzuwerfen, aber Unterstützung heißt eben nicht, einfach nur hinzugehen und sich...
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Deswegen haben wir ein Gesetz vorgelegt, das Sie wie- der ablehnen werden!)
Ein Gesetz, was überhaupt nichts bringt, Herr Mohring, nichts. Vielleicht schauen Sie sich das einmal in Sachsen an, da gibt es auch ein Versammlungsgesetz. Wenn Sie sich in Sachsen umschauen, werden Sie feststellen: So rosig ist es da auch nicht. Das Versammlungsgesetz wird das Problem mit dem Rechtsextremismus in Thüringen nicht lösen. Aber was helfen würde, wäre, wenn Sie eine klare Kante zeigen würden gegen rechts und nicht permanent rechts außen kuscheln würden.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Henfling, Ihr Beitrag – insbesondere der Hinweis darauf, dass man nicht hinreichend zwischen Gruppierungen differenziert – zeigt doch nur, dass Sie im Letzten gar nicht verstanden haben, worum es im Versammlungsrecht geht.
Doch, genau das war Ihre Kritik. Die zeigt, dass Sie gar nicht wissen, worum es geht. Es geht darum, dass mit dem Versammlungsrecht letztlich diejenigen nicht in eine Rechtsposition gesetzt werden, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und die vor allen Dingen das Gewaltmonopol des Staates infrage stellen.
Nur daran kann man differenzieren und nicht an anderen Punkten. Ob man aus einem bestimmten Lager kommt oder nicht, ist völlig uninteressant, wenn man diese beiden Grundvoraussetzungen unseres Verfassungsrechts in irgendeiner Weise auch anerkennt. Das Recht, sich friedlich zu versammeln, ist ein Kernstück unserer Demokratie. Als Grundrecht ist es in den Herzkammern des Grundgesetzes wie auch unserer Thüringer Verfassung fest verankert und für eine lebendige Demokratie unverzichtbar. Zu Recht wurde schon in der ersten Beratung auf die vornehme Tradition von Hambacher Fest, Vormärz und Paulskirche verwiesen.
Die Versammlungsfreiheit soll allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich unbefangen und frei öffentlich zu äußern. Sie soll – wie das Bundesverfassungsgericht formuliert – ein Stück ungebändigte und unmittelbare Demokratie sein. Sie dient denen und muss denen dienen, die nicht über eine besondere Macht verfügen, insbesondere diejenigen, die nicht in Lobbygruppen organisiert sind. Wie jedes Recht ist aber auch und gerade das Versammlungsrecht bedroht, einseitig missbraucht und letztlich auch ausgehöhlt zu werden. Die Mütter und Väter unserer Verfassung haben diese Gefahr auch aus der leidvollen Erfahrung unserer ersten Demokratie, der Weimarer Republik, klar erkannt und den Gesetzgeber – also uns – ausdrücklich ermächtigt, dieses Grundrecht durch besondere Regelungen im Interesse der Demokratie zu schützen.