Protocol of the Session on March 28, 2019

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Pflicht zum Handeln wird hier sehr deutlich, auch wenn wir in die Wissenschaft schauen: Es gibt eine Vielzahl von Wissenschaftlerinnen und dennoch werden nur 25 der 121 deutschen Universitäten von einer Frau geführt. Auch hier wird dringend Handlungsbedarf notwendig. Wir in Thüringen können an

(Abg. Müller)

dieser Stelle mit einem sehr positiven Beispiel aufwarten, denn es ist unserem Justizministerium gelungen, alle in dieser Legislatur zu besetzenden Stellen von Bundesrichterinnen – wo Thüringen jemanden entsenden darf – mit Frauen zu besetzen. Es ist nicht nur erfreulich, dass wir besonders viele höchste deutsche Richterinnen entsenden konnten, sondern auch dass es in jedem Fall Frauen gewesen sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Diese Frauen werden natürlich dafür sorgen, dass in einer der letzten ganz großen Männerdomänen – nämlich den Bundesgerichten – mehr Frauen dabei sind, und auch dafür sorgen, dass dieser Beruf für Frauen attraktiv wird, weil es dort auch Netzwerke von Frauen geben kann. Aber es zeigt auch, wie wichtig es ist, dass man engagierte Leute hat, die sagen: Wir wollen da Frauen. Nicht: Die Frau mögen doch kommen und wenn sie sich nicht melden – wir haben es ihnen auch nicht gesagt –, dann sind wir damit froh, sondern ganz klar zu sagen: Wir wollen, dass Frauen in dieser Gesellschaft sichtbar werden und auch mehr an der Macht partizipieren können. Zumindest ist unser Ziel damit am besten beschrieben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, am 18. März fand der Aktionstag Equal Pay Day statt. Das ist der Tag, der verdeutlichen soll, dass Frauen rein rechnerisch fast drei Monate länger arbeiten müssen, um das gleiche Bruttoeinkommen zu erzielen, das Männer schon am Ende des Vorjahres erzielt haben. Frauen müssen länger arbeiten, weil sie weniger verdienen. 21 Prozent weniger Bruttolohn im statistischen Mittel …

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Herr Adams, das stimmt nicht!)

(Unruhe CDU, AfD)

Ah, das klappt wunderbar! Herr Worm und die AfD, die CDU-und-AfD-Koalition sind hier angesprungen. Sie ertragen die Wahrheit nicht: Frauen verdienen weniger.

(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: Schwach- sinn!)

Und das ist genau diese konservative Ecke, aus der das kommt.

(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: Das ist trotz- dem Schwachsinn, was Sie da erzählen! Warum ist das denn so?)

Wir konnten es alle lesen, am 18. März haben ja manche Zeitungen getitelt: Warum ist denn das so? Und eine ganz berühmte schnell durchzulesende

Zeitung – weil vor allen Dingen Bilder drin sind – in Deutschland hat ja auch die Erklärung gehabt: Die Dummchen wählen die falschen Jobs. Das ist die Erklärung der berühmten deutschen Zeitung. In den Kommentaren vieler Konservativer: Die haben die falschen Jobs. Die Frauen haben halt die schlechter bezahlten Jobs, bekommen genau das Gleiche, was der Mann bekommen würde, nur dass sie massenhaft in den falschen Jobs sind.

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Na klar, im Kindergarten verdient man weniger als bei der Müllabfuhr!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich das genau anschaut, stellt fest, dass Frauen und Männer eher in geschlechtertypischen Berufen arbeiten. So entscheiden sie sich. Und dennoch sind die geschlechtertypischen Berufe für Männer immer besser bezahlt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zufall?)

Wenn man zum Beispiel Handwerksberufe nimmt: drei Jahre Ausbildungszeit; Pflegeberufe: drei Jahre Ausbildungszeit. Da sind gleiche Voraussetzung für den Einstieg. Bei den Männern wird das dann immer begründet: Die haben ja auch einen harten Job. Wer hart arbeitet, soll auch gut verdienen. Richtig, dabei wird aber vollkommen übersehen, was eine Pflegekraft, eine Frau in der Pflege an körperlicher Arbeit leistet.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wüssten Sie, hätten Sie einmal jemanden, der nicht so mobil ist, umbetten müssen. Dann wüssten Sie das. Genau diese unterschiedliche Bezahlung in diesen geschlechtertypischen Berufen ist die Ungleichbehandlung zwischen Frauen und Männern.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und sie entspringt eben der männerdominierten Macht in den Parlamenten. Die statistischen Werte, die Sie vorgelegt bekommen, ertragen Sie nicht. Sie sagen, das darf ja gar nicht sein, weil wir das nicht hören wollen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe es in der Debatte um die Parität oft formuliert: Vor 100 Jahren war eine Frau am Rednerpult – so hieß das nämlich damals noch – genauso ungewöhnlich und hat genauso viel Widerspruch aus der konservativen und nationalen Ecke geerntet wie heute ein paritätisch besetztes Parlament.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen, dass es dabei weiter vorwärtsgeht und das eben gemachte Beispiel zeigt ja nur sehr deutlich, dass in der Politik ein männlicher Blick dominiert. Das sind keine neuen Erkenntnisse, meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU, denn Heiner Geißler, und den zitiere ich an der Stelle mal ganz besonders gern, hat es ja bereits im Jahr 1980 erkannt und gesagt: „[…] die Benachteiligungen der Frauen […] sind das Resultat einer Politik, die sich im Wesentlichen am Mann orientiert.“

An dieser Stelle, meine sehr verehrten Damen und Herren, brauchen wir ein Umdenken, brauchen wir einen Wechsel in der Zielstellung. Nicht einfach weiter so, sondern wie können wir Frauen getreu dem Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 unserer Verfassung dann auch wirklich fördern und nach vorne bringen? Das ist das Ziel dieses Gesetzes.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was für die Bundespolitik gilt, ist gleichermaßen auch für die Landespolitik gültig. Erst gleichberechtigte Parlamente mit einem ausgewogenen Anteil von Parlamentarierinnen und Parlamentariern werden die Politik und Gesetzgebung ändern und den männlichen Blick durch einen gleichberechtigten Blick ersetzen. Thüringen geht mit dem nun vorgelegten Paritätsgesetz einen Schritt in die richtige Richtung. Selbstverständlich wäre es konsequenter gewesen, eine Regelung für Wahlkreise mit einzubeziehen. Aber vergessen wir nicht, wir betreten an dieser Stelle verfassungsrechtliches Neuland. Und wir sind uns auch sicher und würden das auch gar nicht schlimm finden, wenn jemand sagt: Da will ich mal schauen, was der Verfassungsgerichtshof dazu sagt. Nun, wohlan, diesen Streit wollen wir. Wir sind der Meinung, dass wir mit unserem Gesetz zeigen, dass das verfassungsrechtlich konform geregelt werden kann. Thüringen ist neben Brandenburg das erste Bundesland, welches sich auf diesen Weg begibt und deshalb ist das ganz wichtig für uns, sagen zu können, Rot-Rot-Grün wirkt auch an dieser Stelle. Wir sind Top-Runner in der Entwicklung der Demokratie, wir sind Top-Runner bei der Frage der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wir sind Top-Runner, wenn es darum geht, moderne Politik zu gestalten. Dieses Paritätsgesetz ist ein vernünftiger Beitrag dazu. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank. Als nächstem Redner erteile ich Abgeordnetem Höcke von der Fraktion der AfD das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Herr Adams, Frauen verdienen in Deutschland für denselben Beruf genauso viel wie Männer.

(Beifall AfD)

Die Kindergärtnerin verdient genauso viel wie der Kindergärtner, die Friseurin verdient genauso viel wie der Friseur und die Grundschullehrerin verdient genauso viel wie der Grundschullehrer. Es gibt keinen Unterschied in der Bezahlung für dieselbe Leistung in diesem Lande. Das ist meine feste Überzeugung.

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Das ist alles öffentlicher Dienst! Da gelten Tarifver- träge!)

(Zwischenruf Abg. Müller, DIE LINKE: In der freien Wirtschaft sieht das alles anders aus!)

Und ich kann Ihnen auch noch Weiteres mit auf den Weg geben, lieber Herr Kollege Adams. Frauen brauchen keine Quote. Ich habe mich in den letzten Monaten und Jahren mit vielen Führungskräften weiblichen Geschlechts unterhalten und gerade die Leistungsträger, die weiblichen Geschlechts sind, die sagen mir immer wieder: Herr Höcke, wir brauchen keine Quote, wir wollen nämlich nicht als Quotenfrauen abgestempelt werden. Wir wollen, dass unsere Leistungen adäquat gewürdigt werden, egal was wir für ein Geschlecht haben.

(Beifall AfD)

Dass ein Ideologieprojekt wie das Paritätsgesetz kurz vor Ende der Legislatur dann noch in das Hohe Haus hier eingebracht wird, das verwundert uns als AfD-Fraktion nicht. Sie rühren tatsächlich mit diesem Paritätsgesetz an den Grundfesten unseres Staats. Warum das so ist, lieber Kollege Adams, sehr geehrte Kollegen von Rot-Rot-Grün,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das will ich Ihnen gern jetzt ausführen und erklären.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Die Idee der Repräsentation im demokratischen Verfassungsstaat beruht auf dem Gedanken der Volkssouveränität. Das Volk ist dabei die Gemeinschaft der freien und rechtlich gleichen Bürger. Die Freiheit und rechtliche Gleichheit kommt den Bürgern als solchen zu, und zwar ungeachtet anderer Kriterien wie etwa Vermögen, Beruf, Bildungsstand oder auch Geschlecht. Dieses Verständnis der fundamentalen Freiheit und rechtli

(Abg. Adams)

chen Gleichheit der Angehörigen eines Volkes fundiert auch die Wahlrechtsgrundsätze des Grundgesetzes und der Thüringer Verfassung. Es sind fünf Prinzipien, die sich hieraus ableiten, von denen in diesem heute aktuellen Zusammenhang zwei von Interesse sind, nämlich erstens das Prinzip der Freiheit von Wahlen und zweitens das Prinzip der Gleichheit von Wahlen – Freiheit von Wahlen und Gleichheit von Wahlen. Wahlen zu den Parlamenten, auch zum Thüringer Landtag, müssen nach unserer Verfassungsordnung freie und gleiche Wahlen sein. Das heißt, niemand darf aufgrund irgendeines Kriteriums bevorzugt oder benachteiligt werden – und ich wiederhole es an dieser Stelle gern –, sei es wegen seines Vermögens, seines Berufs, seines Bildungsstands oder seines Geschlechts.

(Beifall AfD)

Die Wahlrechtsgrundsätze der Freiheit und Gleichheit sind auch für die Zusammensetzung von Wahllisten, etwa von Landeswahllisten, konstitutiv. Auf jeden Platz einer solcher Liste darf grundsätzlich jeder Bürger aufgestellt werden, unabhängig von irgendwelchen anderen Merkmalen. Oder noch einmal anders gewendelt: Jeder Bürger – jeder Bürger! – hat das gleiche Recht, auf irgendeinen Listenplatz gewählt zu werden wie jeder andere. Eben dies, sehr geehrter Herr Kollege Adams, nennt man Gleichberechtigung und zu dieser Art von Gleichberechtigung sagen wir als AfD-Fraktion aus vollem Herzen Ja.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das sieht man ja an Ihrer Fraktion!)

Die Kehrseite der freien und gleichen Wahl besteht im freien Mandat, also darin, dass jeder Abgeordnete Abgeordneter des ganzen Volkes ist – ich betone: des ganzen Volkes. In Artikel 38 Abs. 1 des Grundgesetzes heißt es: „Die Abgeordneten [...] sind Vertreter des ganzen Volkes.“

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie sind bestimmt nicht mein Vertreter!)

Und im korrespondierenden Artikel 53 Abs. 1 der Thüringer Verfassung lautet die entsprechende Passage: „Die Abgeordneten sind die Vertreter aller Bürger des Landes.“

(Beifall AfD)

So einfach, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, ist das also: freie Wahl und gleiche Wahl einerseits,