Guten Morgen, meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich begrüße Sie herzlich zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch die Gäste auf der Zuschauertribüne und die Zuschauer am Livestream sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Für diese Plenarsitzung hat Frau Abgeordnete Müller als Schriftführerin neben mir Platz genommen, die Redeliste führt Herr Abgeordneter Zippel.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Abgeordneter Krumpe, Abgeordneter Rietschel und Frau Ministerin Werner.
Gestatten Sie mir noch folgende Hinweise zur Tagesordnung: Wir sind bei der Feststellung der Tagesordnung übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 2 am Freitag, den Tagesordnungspunkt 10 am Freitag als zweiten Punkt und den Tagesordnungspunkt 12 heute als ersten Punkt aufzurufen.
Zu Tagesordnungspunkt 18 wird ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/7008 verteilt.
Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2019 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/6960 - ERSTE BERATUNG
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Besucherinnen und Besucher! Freiwilligkeit wirkt! Heute bringe ich das dritte Gemeindeneugliederungsgesetz in dieser Legislaturperiode ein, dies sogar innerhalb von zwei Jahren. Das ist ein großer Erfolg und ich möchte mich gleich zu Beginn bei allen Beteiligten, sei es auf kommunaler Ebene, bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales und den anderen Ressorts und natürlich auch bei Ihnen, den Abgeordneten
Mit dem hier vorgelegten Gesetz wird vom Landtag die umfangreichste Neugliederungsmaßnahme der vergangenen 20 Jahre auf der gemeindlichen Ebene beschlossen. Fast 400 Gemeinden in Thüringen sind an dieser Neugliederung beteiligt. Was mir ganz besonders wichtig ist – und deswegen habe ich es auch ganz an den Anfang meiner Rede gestellt –: Dies erfolgte ausschließlich auf freiwilliger Grundlage mit vielfältiger Unterstützung des Landes, vor allem aber aufgrund eines außergewöhnlichen Engagements der kommunalen Vertreterinnen und Vertreter.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, so ein Fusionsprozess ist ein Kraftakt. Es bedarf Mut, das anzugehen und umzusetzen, denn oft spielen emotionale Vorbehalte eine Rolle, die man mit Fingerspitzengefühl und Überzeugungskraft überwinden muss. Hierfür gebührt allen Beteiligten mein höchster Respekt.
Das Ergebnis kann sich – wie gesagt – sehen lassen. In Thüringen gab es zu Beginn dieser Legislaturperiode insgesamt 843 kreisangehörige Gemeinden. Etwa ein Viertel dieser zumeist sehr kleinen Gemeinden war mit dem Blick in die Zukunft bereit, sich zugunsten ihrer Neugliederung weiterzuentwickeln und hat die Eingliederung in eine andere Gemeinde oder die Bildung einer neuen Gemeinde beschlossen und beantragt.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Orte der aufgelösten Gemeinden bestehen natürlich weiter und das wird auch in Zukunft so sein, denn ihre Identität hängt eben nicht vom Sitz der Verwaltung ab, sondern von den Menschen selbst, der Nachbarschaft und den Vereinen, also dem Miteinander der Einwohnerinnen und Einwohner im jeweiligen Ort. Inzwischen haben die in dieser Legislaturperiode neu gegliederten Gemeinden damit begonnen, ihre neuen Strukturen mit Leben zu füllen. Wir alle wissen, kommunale Strukturänderungen schaffen zunächst nur die Voraussetzungen dafür, die vorhandenen Ressourcen und Potenziale bestmöglich zu nutzen. Inwieweit tatsächlich die Vorteile der kommunalen Strukturänderungen zum Tragen kommen, hängt in erster Linie von den Verantwortlichen vor Ort ab. Sie können nun die weiteren Prozesse
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn mir jemand zum Zeitpunkt meiner Amtsübergabe gesagt hätte, dass die vermeintlich gescheiterte Gebietsreform gesetzliche Neugliederungen auf freiwilliger Basis in diesem Umfang und sogar noch zu diesem Zeitpunkt, nämlich kurz vor der Landtagswahl, erforderlich macht, hätte ich das, ehrlich gesagt, nicht für möglich gehalten. Nachdem das zweite Gemeindeneugliederungsgesetz auf den Weg gebracht war, riss der Strom der Gesprächsanfragen im Innenministerium noch immer nicht ab, eine Vielzahl von Gemeinden machte deutlich: Auch wir wollen noch Teil dieses Erneuerungsprozesses werden, um für die Zukunft gut aufgestellt zu sein, und wir wollen, dass die Strukturänderungen baldmöglichst in Kraft treten. Vor diesem Hintergrund hat sich die Landesregierung entgegen ihrer ursprünglichen Planung entschieden, noch in dieser laufenden Legislaturperiode einen dritten Gesetzentwurf zu erarbeiten und Ihnen heute zur Beratung vorzulegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Gesetzentwurf enthält 17 Regelungsvorschläge, an denen insgesamt 70 Gemeinden direkt beteiligt, von denen 11 Landkreise betroffen sind. Der vorliegende Gesetzentwurf folgt unverändert der Zielsetzung, leistungs- und verwaltungsstarke Gebietskörperschaften zu schaffen, die dauerhaft in der Lage sind, ihre Aufgaben sachgerecht, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich wahrzunehmen. Zur Umsetzung dieser Ziele dienen weiterhin die bekannten Leitlinien, insbesondere der Vorrang der Bildung von Einheits- und Landgemeinden, deren Mindesteinwohnergröße 6.000 Einwohner bezogen auf das Jahr 2035 betragen soll. Bei der Anwendung dieser Leitlinien soll dem Prinzip der Freiwilligkeit eine hohe Bedeutung eingeräumt werden. Daher beruhen auch die in diesem Schritt der Gemeindegebietsreform vorgeschlagenen rechtlichen Regelungen ausschließlich auf freiwilligen Neugliederungsanträgen von Städten und Gemeinden. Sie entsprechen aus Sicht der Landesregierung dem öffentlichen Wohl und können durch den Gesetzgeber umgesetzt werden. Der vorliegende Gesetzentwurf zielt darauf ab, dem Leitbild und den Leitlinien der Gemeindegebietsreform so weit wie möglich auf Basis von Konsens und Kooperation zu entsprechen. Diesem Ziel folgend, beinhaltet der Gesetzentwurf daher auch Neugliederungsfälle, in denen die anzustrebende Mindesteinwohnerzahl von 6.000 auf freiwilliger Basis bislang noch nicht erreicht werden kann. Solche Strukturveränderungen werden dennoch vorgeschlagen, soweit sie aus Gemeinwohlgründen gerechtfertigt sind, eine Steige
rung der Leistungsfähigkeit der Gemeinde erwarten lassen, eine weitere Neugliederung zu einem späteren Zeitpunkt möglich bleibt und die umliegenden Gemeinden dadurch nicht geschwächt oder in ihrer Entwicklung behindert werden. In diesen Fällen werden die beantragten Neugliederungen als ein erster Schritt einer stufenweisen Umsetzung der Leitlinien angesehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, einen Neugliederungsantrag hat die Landesregierung jedoch nicht in den Gesetzentwurf aufgenommen: die kreisübergreifende Neugliederung der Gemeinde Katzhütte. Die ursprünglich von der Landesregierung vorgesehene Umsetzung der beantragten Gebiets- und Bestandsänderung war im Wesentlichen durch das Ergebnis des Bürgerentscheids in der Gemeinde Katzhütte am 6. Januar 2019 begründet. In diesem Rahmen hatten sich die Bürger mehrheitlich für eine kreisübergreifende Fusion mit der Stadt Großbreitenbach ausgesprochen. Allerdings wurden zwischenzeitlich nachvollziehbare rechtliche Bedenken gegen die Durchführung des Bürgerentscheids am 6. Januar 2019 vorgetragen, die bisher auch nicht ausgeräumt werden konnten. Damit bildet das Ergebnis des Bürgerentscheids in der Gemeinde Katzhütte nach Auffassung der Landesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine verlässliche Grundlage dafür, dem Landtag diese Neugliederung zur Entscheidung vorzulegen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Entwurf des dritten Neugliederungsgesetzes sieht insgesamt die Auflösung von 41 Gemeinden vor. Aus den Gebieten der aufgelösten Gemeinden sollen fünf Einheits- oder Landgemeinden werden und elf Gemeinden vergrößert werden. Unter Berücksichtigung der in diesem Gesetz beteiligten 70 Gemeinden werden insgesamt bis zum Ende dieses Jahres voraussichtlich 390 Gemeinden aufgrund gesetzlicher Regelung in dieser Legislaturperiode neu geordnet sein. Hiervon sind mehr als 900.000 Einwohnerinnen und Einwohner des Freistaats, das heißt, über 40 Prozent, betroffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, mir ist bewusst, dass gerade auch die in Aussicht gestellten beträchtlichen Finanzhilfen ihre Wirkung für die breite Beteiligung an der Gemeindegebietsreform auf freiwilliger Grundlage nicht verfehlt haben. Zu diesem Zweck wurden sie ja schließlich auch bereitgestellt. Die vorausschauende Inanspruchnahme dieser Mittel zeugt aber meiner Auffassung nach vor allem von dem verantwortungsvollen Handeln der kommunalen Vertreter. Denn es ging hier
bei nicht nur um Neugliederungsprämien, die den Gemeinden als Anreiz angeboten und nach vollzogener Neugliederung zur freien Verfügung gestellt wurden, sondern vielerorts auch um Mittel zur Schuldentilgung. Besonders erfreulich ist, dass damit zahlreichen finanzschwachen Kommunen ein erfolgreicher Start in eine zukunftsfähige kommunale Struktur ermöglicht werden konnte.
Für alle drei Neugliederungsgesetze werden wir voraussichtlich fast 175 Millionen Euro an Finanzhilfen bereitstellen. Die Finanzhilfen für die in dem vorliegenden Gesetzentwurf enthaltenen Gebietsund Bestandsänderungen werden nach den gleichen Bedingungen wie in den ersten beiden Runden ausgereicht. Insgesamt ist für das vorliegende Gesetz eine Ausreichung von etwa 24,7 Millionen Euro vorgesehen. Darüber hinaus verzichtet das Land auf rückzahlbare Bedarfszuweisungen in Höhe von etwa 1,5 Millionen Euro und leistet für die von der Neugliederung betroffenen Verwaltungsgemeinschaften und Gemeinden temporäre Kompensationszahlungen in Höhe von insgesamt 1,9 Millionen Euro.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Gemeindegebietsreform in Thüringen ist in dieser Legislaturperiode weit vorangekommen – viel weiter, als wir alle gedacht haben. Vieles ist noch zu tun, aber weit mehr ist geschafft, als zunächst möglich schien. Ich bitte Sie nun, das Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2019 auf den Weg zu bringen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Minister. Ich eröffne die Aussprache und als Erster hat Abgeordneter Fiedler von der CDU-Fraktion das Wort.
Guten Morgen, sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden heute über das dritte Neugliederungsgesetz in dieser Legislatur und ich freue mich, dass wir über das Gesetz reden. Herr Minister Maier, ich saß auf meinem Platz, wenn man früh so langsam ankommt und dann hörte ich Ihre Worte: „Freiwilligkeit wirkt!“, sagt Minister Maier. Ich frage mich, warum diese Landesregierung das so spät erkannt hat,
hen. Meine Fraktion hat immer gesagt: Freiwilligkeit tragen wir mit, Freiwilligkeit wird unterstützt, Freiwilligkeit werden wir auch mit begleiten. Deswegen: Der grundsätzliche Weg ist richtig, der gegangen wird, aber man muss auch sehen, dass man auch noch die Nase im Gesicht behält und nicht übertreibt, was man denn da Gutes jetzt gemacht hat.
Meine Damen und Herren, ich möchte noch voranstellen, weil das noch in der Erinnerung ist: Also dass die Gemeinden Teil des Erneuerungskonzepts sind, dass sie das gern gemacht haben und dass sie es gern mitmachen, das konnte ich aber nun im Lande wirklich nicht überall so erleben, sondern was wir alle wissen und was Sie auch wissen, was Sie ja vorhin gesagt haben: Natürlich hing da oben immer die ganz große Wurst mit dem vielen, vielen Geld. Die hing natürlich immer da oben: Also wenn ihr was davon haben wollt, dann jetzt oder nie. – Das ist so! Und es war ein großer Glücksfall für diese Landesregierung, dass seit Jahren die Steuerquellen sprudeln und dass genügend Geld da ist. Das muss man einfach nur festhalten, ohne jetzt in irgendeiner Form neidisch zu sein – es ist so, wie es ist.
Gut ist, wenn Geld reinkommt, und nicht, wenn wir kein Geld haben. Aber man muss das auch zum Gesamtkonzept mit sagen, dass es viele Umstände waren, die dazu geführt haben. Der Gebietsreformstaatssekretär hat sich große Mühe gegeben – teilweise. Wenn er vor Ort war, war es auch mal ein bisschen straff.
Ich entsinne mich nur, weil mir meine Kollegen erzählt haben, bei mir in Trockenborn-Wolfersdorf wollten sie einen Kreiswechsel machen. Am Ende, obwohl alle vor Ort waren, waren zwei Drittel dagegen.
Meine Damen und Herren, nachdem Rot-Rot-Grün die ersten Jahre der Legislatur mit der am Ende gescheiterten Gebietsreform – ich muss es einfach noch mal sagen, damit es in Erinnerung bleibt –, herumexperimentiert hat, liegt uns nunmehr das dritte Gesetz vor. Ich habe gesagt: Das ist gut so. Wie schon bei den beiden vorangegangenen Gesetzen hält sich die Landesregierung auch diesmal nur am Rande an das eigene Leitbild. Sie haben das so schön umschrieben, Herr Minister. Zur Erin
nerung darf ich kurz aus diesem zitieren: „Vorrang hat die Bildung von Einheitsgemeinden als Urtyp der umfassend leistungsfähigen, sich selbst ohne Einschaltung Dritter verwaltenden Gemeinde oder von Landgemeinden, deren jeweilige Mindesteinwohnergröße 6.000 Einwohner bezogen auf das Jahr 2035 betragen soll.“ Ich will Sie nur an Ihr eigenes Leitbild erinnern.
Wenn man sich die im Gesetzentwurf enthaltenen Neugliederungen genauer betrachtet, wird man schnell feststellen, dass sich Rot-Rot-Grün in 6 der insgesamt 17 Fusionen nicht an die eben genannten Vorgaben des Leitbildes und die Mindesteinwohnergrößen hält.
(Zwischenruf Ramelow, Ministerpräsident: Aber es sind die notwendigen Schritte in ge- nau die richtige Richtung!)
Ja, Herr Ministerpräsident, es geht in die richtige Richtung, aber man macht in der Regel Leitbilder, damit sie in etwa eingehalten werden.
Ich streite mich ja gern mit dem Ministerpräsidenten. Der hat ja neben dem Staatssekretär und dem Minister den meisten Einblick in die Gebietsreform. Da bin ich mir ganz sicher, dass wir wissen, wovon wir gemeinsam reden.
Meine Damen und Herren, damit führen Sie den Sinn und Zweck Ihres eigenen Leitbildes – darum geht es mir – selbst ad absurdum. Aber wenn man sich Ihre Politik insgesamt anschaut, überrascht mich das wirklich nicht, meine Damen und Herren. Es kommt mir vor allem so vor, als wolle man auf den letzten Metern der Legislatur noch so viele Fusionen wie möglich auf den Weg bringen, und dies wie immer bei Rot-Rot-Grün im Eiltempo, man kann auch sagen: Schweinsgalopp.