Protocol of the Session on February 1, 2019

worin sich die Landesregierung zu einer entwicklungspolitischen Verantwortung bekennt und beabsichtigt, Politik im Sinne global nachhaltiger Entwicklung zu gestalten. Mit dem vorliegenden Antrag von Rot-Rot-Grün sollen nun Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, die zur Umsetzung der Entwicklungspolitischen Leitlinien in vielen unserer Lebensbereiche führen könnten. Der Kollege Krückels hat ja hier auch einige, die schon laufen und im Haushalt 2020 ausgebaut werden sollen, angesprochen. Das begrüßen wir ganz ausdrücklich.

Zum einen bitten wir hier die Landregierung, über die bisherigen geplanten Umsetzungen noch mal zu reden. Zum anderen wollen wir natürlich auch Anreize setzen oder Sachen in die Diskussion bringen. Dazu schlagen wir zum Beispiel konkrete Maßnahmen vor, wie beispielsweise eine gezielte Öffentlichkeits- und Bildungsarbeit, um Verbraucherinnen für einen nachhaltigeren und sozial gerechteren Konsum zu sensibilisieren, eine Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien bei allen öffentlichen Auftragsvergaben durch die Landesregierung und nachgeordneter Landesbehörden, eine weitere Unterstützung des kommunalen entwicklungspolitischen Engagements, eine Unterstützung und Weiterentwicklung von Programmen von Akteurinnen der Eine-Welt-Arbeit in Thüringen und eine Würdigung des Engagements von Personen und Initiativen der globalen nachhaltigen Entwicklung.

Mit unserem Antrag sollen also die Aufklärungsprozesse angestoßen werden, der möglichst viele Bürgerinnen darüber informiert, was nachhaltige Entwicklung ist und welche Auswirkungen unser Kaufverhalten auf die Länder des globalen Südens hat. Wir wollen, dass sich möglichst viele interessierte Thüringerinnen mit nachhaltiger Entwicklung auseinandersetzen und aktiv an der Gestaltung in Thüringen teilnehmen. Damit fördern und stärken wir nachhaltige Entwicklungen im Freistaat. Ich habe sogar gehört, dass CDU-regierte Städte zu Fairtrade-Städten geworden sind. Da stellt sich auch die Frage, Herr Emde, ob die das, was Sie hier gesagt haben, so mittragen würden. Dafür bekommen die nämlich Geld, im Übrigen vom Bund. Veranstaltungen entwicklungspolitischer Akteurinnen sollen zur Beteiligung aufrufen und Interessierte sensibilisieren und befähigen, die Ziele nachhaltiger Entwicklungen im alltäglichen Leben umzusetzen.

Wie ich bereits erwähnte, basiert unser Antrag auf der neuen Entwicklungspolitischen Leitlinie und der UN-Agenda 2030, die im September 2015 von 193 Mitgliedstaaten der UN verabschiedet wurde. Ziel der Agenda ist es, bis 2030 die Transformation unserer bestehenden hin zu einer Welt, in der jeder ökologisch, sozial gerecht und leistungsfähig han

delt. Dafür wurden 17 Ziele, die sogenannten „Sustainable Development Goals“, die alle drei Dimensionen von Nachhaltigkeit, nämlich Soziales, Wirtschaft und Umwelt, abbilden, verabschiedet. Die SDGs sind unteilbar, bedingen einander und sollen bis 2030 in allen Industrie- und Entwicklungsländern erreicht werden: für eine Welt ohne Hunger und Armut, die Wohlstand für alle bietet und in der die Grenzen unseres Planeten respektiert werden, für eine Welt, in der Frieden und Menschenrechte gesichert sind und alle in einer globalen Partnerschaft Verantwortung für nachhaltige Entwicklung übernehmen. Die Ziele scheinen fern und sehr ambitioniert. Dabei kann jeder Einzelne viel mehr bewirken, als man oft denkt, beispielsweise durch bewusste Kaufentscheidungen. Wir können darauf achten, Produkte zu kaufen, für die in anderen Ländern niemand ausgebeutet wird, und uns für ökologisch angebaute und fair gehandelte Produkte entscheiden.

Entschuldigung, Frau Abgeordnete Henfling. Also meine Damen und Herren, hier steht eine Rednerin am Rednerpult und ich bitte Sie wirklich, Ihren Lautstärkepegel einzuschränken und die Aufmerksamkeit auf die Rednerin zu richten.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Ich dachte auf die Rede!)

Das war ein Sofortbericht. Ich kann hier auch 10 Minuten stehen und nichts sagen, das ist überhaupt gar kein Problem.

(Heiterkeit im Hause)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das kommt auf dasselbe raus!)

Unsere persönlichen Entscheidungen wirken sich in vielen Bereichen weltweit aus. Wenn wir unsere Verantwortung ernst nehmen und unser Handeln danach ausrichten, können wir jeden Tag zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen, denn es ist die Summe kleiner Schritte, die zu großen Umbrüchen führt. Klar, die Globalisierung bietet für viele Vorteile wie beispielsweise das umfangreiche Warenangebot, günstige Elektronikartikel aus China oder die Möglichkeit, ganzjährig frisches Obst aus fernen Teilen der Welt kaufen zu können. Zudem führt ein größeres Warenangebot zu sinkenden Preisen und infolgedessen zu einer geringeren Inflationsgefahr. Die ständige Verfügbarkeit aller denkbaren Güter zu jeder Zeit …

(Unruhe im Hause)

Es ist wirklich unheimlich laut in dem Haus. – Jetzt können Sie fortfahren, Frau Abgeordnete.

Danke. Die ständige Verfügbarkeit aller denkbaren Güter zu jeder Zeit und zu günstigen Preisen stellt letztlich eine erhebliche Vereinfachung des alltäglichen Lebens dar. Aber die Globalisierung hat eben auch anarchische, ungerechte und brutale Seiten. In viel ärmeren wie reicheren Ländern werden Menschen in einer globalen Wertschöpfungskette ausgebeutet oder gegeneinander ausgespielt. Wohlstandsgewinne sind sehr ungleich und ungerecht zwischen Staaten und innerhalb von Staaten verteilt. Die Zerstörung unserer natürlichen Lebensgrundlagen hat sich durch die Globalisierung beschleunigt. Den Handel fair zu machen und die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen ist für uns Grüne Herzenssache. Wir wollen, dass Arbeit vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt menschenwürdig ist und der weltweite Wettbewerb um die niedrigsten Löhne aufhört.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf europäischer Ebene haben wir das Ziel, in Zukunft sowohl mit entwickelten als auch sich entwickelnden Staaten eine neue Generation von fairen Handelsabkommen auszuhandeln. Durch „Race to the Top“, von immer höheren globalen Standards, wollen wir gute Arbeit garantieren und lokale Wertschöpfung erhalten. Damit können in den fairen Handelsabkommen neben klassischen Handelsfragen auch soziale und ökologische Standards gesetzt werden, also unter anderem Regeln zur Vermeidung von Steuerhinterziehung, für die Korruptionsbekämpfung, die Implementierung von internationalen Sozial-, Klima- und Umweltnormen sowie die freie Gewerkschaftsbildung. Freie Handelsabkommen sollen Umwelt-, Verbraucher- und Datenschutz sowie Arbeitsnormen nicht schwächen, sondern international sichern und ausbauen.

Fairer Handel kann eine nachhaltige Entwicklung in Gang setzen. Wenn wir Entwicklungsländern Raum lassen, durch Zölle und Quoten ihre Märkte zu schützen, können sie ihre heimische Wirtschaft aufbauen. Im Moment aber stoßen wir dem globalen Süden die Leiter weg, auf der wir selbst unser heutiges Entwicklungsniveau erklommen haben. Subventionierte Importe aus Europa können ganze Branchen in Entwicklungsländern zerstören, so zum Beispiel der europäische Export von Milchpul

ver, Tomaten- oder Hähnchenteilen, der die einheimische Produktion in Westafrika verdrängt. Die bestehenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifiks sind eben nicht fair.

Nicht nur wir als Konsumenten können einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten, sondern auch Unternehmen. Um fair produzierten Produkten aus der Nische zu helfen, fordern wir Grüne beispielsweise bessere Kennzeichnungen, denn für Kundinnen sollte sofort erkennbar sein, welches Produkt echte Entwicklungschancen schafft.

Der Freistaat unterstützt durch finanzielle Mittel die wichtige Arbeit von Akteurinnen der Eine-Welt-Arbeit in Thüringen, die durch Bildungs- und Informationsprojekte Menschen für globale Fragestellungen sensibilisieren und deren Kompetenzen stärken sollen, die globalisierte Welt verantwortungsvoll mitzugestalten. Weiterhin ist das Thüringer Qualitätssiegel „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ins Leben gerufen worden. Es unterstützt die Qualitätsentwicklung, Sichtbarkeit und Wertschätzung von Angeboten der Bildung für nachhaltige Entwicklung. In Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium und auch dem Bildungsministerium begleitet das Nachhaltigkeitszentrum Thüringen die Entwicklung und Gestaltung des BNE-Zertifikats. Der vorliegende Antrag bildet einen weiteren Beitrag Thüringens, globaler Verantwortung gerecht zu werden. Mit dem Antrag setzt Rot-Rot-Grün eine weitere Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag um, in welcher wir uns zur Stärkung der Entwicklungspolitik in Thüringen bekennen.

Sehr geehrte Abgeordnetenkolleginnen der rot-rotgrünen Regierung, ich bitte um breite Zustimmung für diesen Antrag. Die CDU und die AfD muss ich darum nicht bitten, die haben sich hier klar dagegen positioniert.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Warum eigentlich?)

Beenden möchte ich meine Rede mit einem Zitat von Ban Ki-moon, der 2007 bis 2016 UN-Generalsekretär war: „Wir können die erste Generation sein, der es gelingt, die Armut zu beseitigen, ebenso, wie wir die letzte sein könnten, die die Chance hat, unseren Planeten zu retten.“ Ich möchte anfügen: Das beginnt vor Ort, das beginnt in Thüringen und das beginnt damit, Verantwortung zu übernehmen.

Und, Herr Möller, wenn Sie sich fragen, warum es den Menschen in weiten Teilen Afrikas immer noch so schlecht geht, dann sollten Sie sich vielleicht mal mit der Kolonialgeschichte des europäischen Konti

nents beschäftigen. Das würde Ihnen vielleicht helfen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordnete Dr. Scheringer-Wright das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe mich noch mal zu Wort gemeldet, weil meine Genossin und Kollegin, die sich vorbereitet hatte, Halsentzündung hat, aber weil ich gerade durch diesen Vortrag von Herrn Emde schon gereizt bin, noch mal ein paar Worte zu diesem Antrag zu sagen.

Das Thema ist ein sehr wichtiges Thema. Nicht umsonst hat Ihre Partei, als sie früher in Regierung war, angefangen, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu erarbeiten. Frau Marx hat es richtig gesagt: Wir haben auch hier in Thüringen Verantwortung für diese Erde, es gibt keinen Planeten B, auf den wir ausweichen können. Wenn wir uns genau anschauen, wie die Situation ist, dann ist es so, dass Deutschland eine besondere Verantwortung hat. Wir haben einen enormen Handelsbilanzüberschuss. Ein Handelsbilanzüberschuss bedeutet auch immer, dass andere Länder Defizite haben, also von Fairem Handel kann überhaupt keine Rede sein. Und das Problem muss man doch wenigstens adressieren.

Deutschland ist einer der größten Waffenexporteure der Welt. Ich glaube, wir stehen im Moment an Stelle drei, das wechselt immer ein bisschen. Jede Waffe, die exportiert wird, wird eingesetzt. Die meisten werden eingesetzt und führen zu Krieg, führen zu Tod und unendlichem Leid an Menschen. Jeder Krieg verursacht eine unheimliche Umweltzerstörung. Da können wir uns doch nicht hinstellen und sagen, na ja, diese ganze Militärgeschichte, die jetzt hier in dem Antrag erwähnt ist – nämlich dass es keine Rüstungsforschung an Thüringer Universitäten geben soll –, das lehnen wir ab und deswegen lehnen wir den ganzen Antrag ab. Das finde ich unverantwortlich.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Keine Bundeswehr in den Schulen: Warum müssen denn Soldaten in Schulen gehen, um zu werben, was sie auf der Welt machen? Das ist doch ein Armutszeugnis für eine zivilisierte Gesellschaft.

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. Schulze, CDU: Wer soll Sie denn schützen? Erzählen Sie mal!)

Deswegen, weil es nur eine Erde gibt, ist es auch richtig, dass es die Vereinten Nationen sind, die sich mit diesen Problemen auseinandersetzen. Da ist es natürlich klar, dass die AfD, für die Deutschland wahrscheinlich immer zuerst kommt – mit Waffenexporten zuerst, mit Totschießen zuerst –, dass sie dann sagt, man kann sich ja schließlich nicht auf die Vereinten Nationen beziehen. Aber es ist genau der richtige Ansatz.

Und noch mal: Wenn Sie den Antrag genau gelesen hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass dieser Antrag so breit angelegt ist, dass dem eigentlich jeder vernünftige Mensch zustimmen kann, dem das Überleben der Erde und der Menschen am Herzen liegt. Ich meine, wir machen Anträge im Agrarausschuss gemeinsam mit der CDU – jetzt ist Herr Primas nicht da. Und klar, wir fassen sie so, dass die ganz scharfe Kritik oder Ursachenforschung dann rauskommt. Aber das ist ja gar nicht drin in dem Antrag. Deswegen verstehe ich nicht, dass die CDU gesagt hat, sie könne diesem Antrag nicht zustimmen. Danke.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordneter Emde.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will noch mal den Versuch unternehmen, aufzuklären. Aber es heißt eben dann auch, zuzuhören und Texte wirklich zu lesen. Das sage ich jetzt mit Blick auf Frau Marx und auf Sie, Frau Dr. Scheringer-Wright, denn im Unterschied vielleicht zu Ihnen habe ich den Text des Antrags sehr genau gelesen, ich habe auch die Entwicklungspolitische Leitlinie der Landesregierung sehr genau gelesen, auch die Strategie der Nachhaltigkeitsstrategie der Landesregierung und aller Ministerien – im Übrigen ein riesiges Sammelsurium, das man zum Glück nachhaltig nicht generell in Druck gegeben hat, sondern man muss es sich aus dem Netz ziehen und dann selbst ausdrucken. Ja, das ist schon mal okay. Also da muss man nicht lächeln, das ist schon mal okay, weil da muss man nicht Druckwerke erzeugen, die dann trotzdem irgendwo im Rundordner verschwinden. Aber wenn man sich das alles mal durchliest, werden die Dinge ständig miteinander durchmischt. Das eine ist die Globalentwicklung, das andere ist die Frage, wie kann man der Dritten Welt helfen,

(Abg. Henfling)

Bildungsfragen werden da hineingeworfen und, und, und.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie haben überhaupt kei- nen blassen Schimmer, Herr Emde! Das ist unerträglich!)

Alles wird immer schön miteinander vermischt, bis man die Orientierung verliert. Vielleicht ist das ja auch Ziel des Ganzen und die Ministerien schreiben dann in ihren Nachhaltigkeitsbeiträgen, die sie für ihr jeweiliges Haus entwickelt haben, aber wirklich auch alles auf, was man nur darunter subsumieren kann. Ich nehme nur mal den Nachhaltigkeitsbeitrag des Finanzministeriums. Aus unserer Sicht ist das nicht nachhaltig, wie man jetzt einen Haushalt aufstellt. Das kann man ja unterschiedlich sehen.

(Beifall CDU, AfD)

Aber aus unserer Sicht hätte man jetzt viel mehr Rücklage bilden müssen, viel mehr sparen müssen, viel mehr tilgen müssen in dieser konjunkturellen Zeit.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Und viel mehr Geld ausgeben für neue Lehrer und neue Polizeibeamte!)

Und das ist für uns eben auch Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit macht sich ja nicht nur daran fest, dass man Ökopapier benutzt.

Um das noch einmal ganz klar zu sagen: Natürlich stehen wir als Partei mit dem C für nachhaltige Entwicklung, für Schonung der Ressourcen, für Solidarität und Gerechtigkeit in dieser Welt. Die Frage ist bloß, wie tut man es.

Und, Frau Henfling, im Übrigen: Sie sollten sich mäßigen, ich habe keinen AfD-Sprech, ja.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber hallo!)

Ich habe keinen AfD-Sprech! Das sollten Sie gegebenenfalls zurücknehmen. Ich habe einfach nur eine Meinung dazu, was Sie hier fordern und was Sie hier für lobbyistische Forderungen in diesen Antrag eingebaut haben, und das hat aus meiner Sicht