Um mit den Worten von MOBIT zu sprechen: Die Anzahl der rechten Konzerte und ihrer Teilnehmer bewegt sich im Freistaat auf hohem Niveau. Und was wird und wurde seitens der Linkskoalition gegen diese Entwicklung getan? Ein an das bayeri
sche Versammlungsgesetz angelehnter Gesetzentwurf wurde zwar im Innenministerium noch unter Führung des inzwischen abgesetzten Ministers erarbeitet, aber offenbar wieder verworfen, ich vermute, wegen des Widerstands der Linken. Auch wurden weder der Landtag noch der zuständige Innenausschuss über etwaige parlamentarische Bemühungen der Landesregierung im Kampf gegen Rechtsrockkonzerte informiert. Stattdessen wurden und werden immer wieder sogenannte parlamentarische Beobachtungsgruppen initiiert, die unter der kampferprobten linken Führung das rechte Treiben hautnah vor Ort observieren, um im Anschluss die zuständige Versammlungsbehörde, die Polizei und die Gerichte besser kritisieren zu können. Konstruktive Maßnahmen im Kampf gegen die von mir eingangs beschriebene Entwicklung sind mir und meiner Fraktion jedenfalls von Ihrer Seite nicht präsent.
Konstruktive Maßnahmen unterbreitet man in einer Demokratie im Parlament. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat sich meine Fraktion dazu entschlossen, hier selbst parlamentarisch aktiv zu werden, um einen Ausgangspunkt und damit eine Beratungsgrundlage für ein modernes Thüringer Versammlungsgesetz zu schaffen.
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist reaktionär, was Sie vorgelegt haben, nicht modern!)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das für den Freistaat geltende Versammlungsrecht ist gegenwärtig und überwiegend im Versammlungsgesetz des Bundes aus dem Jahr 1953 geregelt. Wie bereits in der Einbringungsrede von meinem Kollegen Manfred Scherer völlig zu Recht ausgeführt, ist das Bundesversammlungsgesetz nicht mehr auf der Höhe der Zeit und berücksichtigt die höchstrichterliche Rechtsprechung nur teilweise. Die Möglichkeit zur Schaffung eines landeseigenen Versammlungsgesetzes wurde durch die am 1. September 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform I eröffnet. Mit diesem Datum ging die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht vom Bund auf die Länder über. Bisher haben von der Möglichkeit zum Erlass eines eigenen Landesversammlungsgesetzes fünf Länder Gebrauch gemacht: Bayern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Schleswig-Holstein.
(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE: Gerade Sachsen ist das Beispiel, dass nichts mehr mit Nazis passiert, seitdem sie das Ver- sammlungsgesetz haben!)
es wird auch künftig, egal, welche gesetzliche Grundlage gilt, immer wieder zu Überschreitungen gesetzlicher Normen kommen, gegen die eingeschritten werden muss. Das Recht alleine hütet davor nicht, ansonsten hätten wir mit dem Erlass des Strafgesetzbuchs 1871 eigentlich alle Probleme in dem strafrechtlich relevanten Bereich erledigt gehabt, bräuchten keine Strafgerichte und auch keine Gefängnisse.
Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf auch die Möglichkeit ergreifen, um für den Freistaat ein eigenes und letztlich modernes Versammlungsrecht auf den Weg zu bringen.
Dabei stehen für uns der Schutz und die Stärkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit stets im Fokus. Kein einziger Abgeordneter meiner Fraktion will das Grundrecht der Versammlungsfreiheit einschränken. Die überwiegende Mehrheit von Demonstranten bzw. Versammlungsteilnehmern in Thüringen ist ganz selbstverständlich legitimer Ausdruck einer selbstbewussten Gesellschaft, die sich in der Öffentlichkeit zu Wort meldet und ihren Belangen Gehör verschaffen will. Dieses Grundrecht ist für eine lebendige Demokratie wichtig und unverzichtbar. Ein Thüringer Versammlungsgesetz muss dieses Grundrecht entsprechend schützen.
Der Gesetzentwurf meiner Fraktion schafft dafür einen angemessenen Rahmen, indem er die bewährten Regelungen des Bundesversammlungsgesetzes aufgreift und gemessen an den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickelt. Unser Gesetzentwurf stellt aber auch eine Reaktion auf die bereits dargelegten bedenklichen Entwicklungen dar. Dies gilt etwa für Versammlungen von Rechtsextremisten, die durch den Tag oder den Ort einer Versammlung oder die dort geäußerten Meinungen an die nationalsozialistische Gewalt- und Willkürherrschaft anknüpfen und damit in nicht hinnehmbarer Art und Weise provozieren.
Herr Adams, insoweit irren Sie, wenn Sie behaupten, dass es unmöglich wäre, Orte von den Versammlungsmöglichkeiten auszunehmen. Auch der Bund macht das. Das Bundesversammlungsgesetz hat etwa den Ort des Holocaust-Denkmals ausdrücklich ausgenommen. Dieser wird dort in § 15 ausdrücklich als zu schützender Ort bezeichnet. Also insoweit war das absoluter Unsinn, was Sie
eben hier erzählt haben. Das gilt im Übrigen auch für die Ausführungen zur Demonstration an der Andreasstraße.
Herr Kollege Geibert, Sie haben ja eben darauf angespielt, dass Ihr Gesetz auf bestimmte Entwicklungen, die Sie wahrgenommen haben, reagiert und deshalb bestimmte Orte aus dem einfach verfügbaren Demonstrationsrecht herausnimmt und sie als besonders schützenswerten Ort definiert. Welche, wenn wir mal die letzten zehn Jahre betrachten, besonderen Ereignisse sind denn bei den durch Sie benannten Orten – das sind die Punkte 10 bis 13, nämlich die Gedenkstätte Andreasstraße in Erfurt, die Gedenkstätte Amthordurchgang in Gera, das BStU-Archiv in Suhl sowie das Grenzlandmuseum Teistungen – zu beobachten gewesen, um zu rechtfertigen, dass das besonders hohe Grundrecht der Demonstrationsfreiheit hier prophylaktisch eingeschränkt oder unter besondere Eingrenzung gestellt werden soll?
Vielen Dank, Herr Adams, für diese Frage. Es geht bei dem Schaffen eines Gesetzes nicht nur darum, dass man Probleme der Vergangenheit retrospektiv lösen will, sondern es geht im Wesentlichen auch darum, für die Zukunft Regelungsmöglichkeiten zu treffen, wenn man Gefahrenpunkte erkennt und diese abstellen will. Ansonsten
(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Sie brauchen einen Regelungsanlass und einen Regelungsgrund für einen Grundrechtsein- griff!)
Das ist die besondere Schutzfunktion und die besondere moralisch-ethische Verantwortung, die für diesen Ort besteht. Für Sie sind vielleicht die Gedenkstätten keine besonderen Gedenkorte, für andere Menschen in Thüringen sind sie das. Das müssen Sie schlicht zur Kenntnis nehmen.
Herr Kollege Geibert, vielen Dank für die Möglichkeit einer Zwischenfrage. Aber wie argumentieren Sie denn, warum die Grenzlandmuseen Mödlareuth und Schifflersgrund oder zum Beispiel das Archiv der BStU auf dem Petersberg in Erfurt eben nicht Bestandteil darin sind? Warum sind die anderen Orte, meiner Meinung nach, willkürlich ausgewählt worden?
Also, ich nehme Ihre Anregung dankbar auf und ich denke, es ist gute Gelegenheit dann, sowohl im Innen- als auch im Justizausschuss darüber zu reden, dass die zu schützenden Orte in Ihrem Sinne erweitert werden und der Katalog, der im Moment enumerativ so feststeht, ergänzt wird. Vielen Dank für die Anregung. Wir kommen gern darauf zurück.
Ja, aber Sie haben doch diese Anregung gemacht. Dann müssen Sie auch damit leben, dass wir sie aufgreifen.
Wir sind der Auffassung, dass mit unserem Gesetzentwurf die Probleme, die insbesondere von rechtsextremistischen Versammlungen ausgehen, besser bewältigt werden können. Dazu stellen wir den Schutz der Würde der Opfer des Nationalsozialismus in den Mittelpunkt. Droht diese Würde verletzt zu werden, lässt der Gesetzentwurf Einschränkungen bis hin zu Verboten zu. Dies gilt sowohl für legal definierte herausgehobene Tage und Orte als auch für Meinungen, die das nationalsozialistische Gewalt- und Willkürregime billigen, verherrlichen, rechtfertigen und verharmlosen. Insoweit, Frau Kollegin Marx, denke ich, muss man etwas intensiver in die Verfassungsgerichtsrechtsprechung hineinschauen. Sie haben ja zu Recht das LoveparadeUrteil zitiert. Aber es gibt auch, wenn es sich auch mit einem strafrechtlichen Fakt auseinandersetzt, durchaus die Wunsiedel-Entscheidung, die in dem Zusammenhang mit ihrem Interpretationsgehalt
Wir reagieren damit auf das unerträglich provozierende Auftreten Rechtsextremer, die die Würde der Opfer des Nationalsozialismus mit den sprichwörtlichen Stiefeln treten. Bedenklich sind aber auch die Entwicklungen im Bereich linksextremistischer militanter Gruppierungen, die Versammlungen missbrauchen, um aus der Menge heraus Straftaten zu begehen. Daher haben wir mit unserem Gesetzentwurf auch militante Linksextremisten, die sogenannten Schwarzen Blöcke, im Blick.
Dieser Teilfokus auf den Linksextremismus wird vermutlich der eigentliche Grund sein, warum RotRot-Grün unserem Gesetzentwurf so ablehnend gegenübersteht.
Meine Damen und Herren, wir wissen sehr gut, dass jedes Versammlungsrecht in einem Spannungsfeld steht. Einerseits gibt es das Recht auf Meinungsäußerung und Versammlung, andererseits müssen aber auch die Rechte Dritter geschützt werden. In einem Rechtsstaat hat nicht derjenige, der sich öffentlich äußern will, automatisch alle Freiheiten oder genießt uneingeschränkten Grundrechtsschutz. Es gilt auch, die Interessen und die Rechte Dritter zu wahren, also der anderen Bürger. Dieses Spannungsfeld wurde in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sehr ausführlich und detailliert behandelt und unser Gesetzentwurf entspricht dieser Rechtsprechung. Auch brauchen die Versammlungsfreiheit insbesondere diejenigen, die nicht in Lobbygruppen organisiert sind. Die Versammlungsfreiheit dient denen und muss denen dienen, die nicht über eine besondere Macht verfügen. Die Versammlungsfreiheit soll nach dem Willen der Mütter und Väter unseres Grundgesetzes allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, sich unbefangen und frei öffentlich zu äußern. Sie soll, wie es vom Bundesverfassungsgericht formuliert wurde, ein Stück ungebändigte und unmittelbare Demokratie sein. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir unter anderem unsere Handlungsmöglichkeiten gegenüber den Rechtsextremen über das Versammlungsrecht verbessern wollen.
Meine Damen und Herren, es ist uns vollkommen bewusst, dass dieser Gesetzentwurf aufgrund der nur sehr engen verfassungsrechtlichen Möglichkeiten kein Allheilmittel gegen Versammlungen von Gruppierungen der politischen Ränder ist, und zwar von rechts und von links. Das wird, kann und soll er auch gar nicht sein. Derartige Versammlungen wird unsere wehrhafte Demokratie auch weiterhin aushalten bzw. aushalten müssen. Aber wir wollen es
Extremisten künftig erschweren und wir wollen im Idealfall sogar verhindern, dass insbesondere Rechtsextremisten unter dem gern zitierten Deckmantel der Versammlungs- und Meinungsfreiheit mit kommerziellen Pseudomusikveranstaltungen Profit machen. Auch wollen wir erschweren, dass Extremisten Versammlungen an geschichtlich besonders sensiblen Orten oder Tagen durchführen und dabei auf eine unerträgliche Art und Weise die Würde der Opfer des nationalsozialistischen Terrorregimes oder der SED-Diktatur verletzen. Genau diese Möglichkeiten werden mit dem Gesetzentwurf für die Versammlungsbehörden, aber letztlich auch für die Gerichte praktikabler. Aus diesen Gründen ist für meine Fraktion eine örtlich verlegte oder zeitlich verschobene Versammlung von Rechtsextremen auch ein Sieg im Kampf gegen die braune Gesinnung.
Im Namen meiner Fraktion beantrage ich die Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss sowie den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz und bin überrascht, dass Vorredner von mir einer Ausschussüberweisung nicht zustimmen wollten. Es scheint mir doch große Sorge zu bestehen, dass man dort in der Diskussion mit dem, was man hier öffentlich äußert, nicht bestehen kann. Vielen Dank.