Auch das haben Sie zur Kenntnis genommen, das habe ich Ihnen mehrfach gesagt. Sie sagen es bloß nicht, weil Sie es nicht wahrhaben wollen.
Wir haben uns entschieden, auch darüber hinaus mehr Lehrerinnen und Lehrer einzustellen. Aber ich kann Ihnen sagen, wie das aussieht mit den Bewerberinnen und Bewerbern für das Studium mit denjenigen, die sich für das Studium einschreiben. Gott sei dank, hier in Erfurt an der Universität für Grundschule Topeinschreibung. Da sind die Studierenden im vergangenen Studienjahr und in diesem Studienjahr auf gleichem Niveau geblieben
und haben sich damit verdoppelt. Auch für Förderschul-Lehramt haben wir gute Zahlen. Aber für Regelschulen und für die berufsbildenden Schulen haben wir so gut wie niemanden, der sich dort einschreibt. Wir haben einen Menschen, einen jungen Mann, der sich für Physik als Regelschullehrer eingeschrieben hat an der Universität. Sportlehrer, das studieren 22 zurzeit für das Regelschul-Lehramt, für Gymnasium 422. Ich könnte das im Einzelnen jetzt durchgehen.
Das ist ein Problem. Das hat etwas mit dem Image des Lehrerberufs zu tun auf der einen Seite. Darüber haben wir gemeinsam gesprochen. Gott sei Dank sind wir uns da einig, dass es um Wertschätzung geht. Auf der anderen Seite hat das was mit dem Image der Schulen zu tun. Wer darauf setzt, dass die Kinder an das Gymnasium gehen sollen, das machen sie nämlich, der redet die Regelschule klein. Da können Sie sich nicht hierhinstellen: Wir müssen besser über die Regelschule reden. Nein, wir stärken die Regelschule, indem wir die Lehrerinnen und Lehrer besser bezahlen werden und deutlich machen: Regelschule hat für uns einen großen Wert.
Und wenn Herr Prof. Voigt und auch Herr Tischner darüber reden, dass die Vielfalt erhalten bleiben soll: Na selbstverständlich bleibt die Vielfalt erhalten. Wir bekennen uns als Koalition zu allen Schularten in Thüringen und auch in allen Bildungsregionen, ob das der Landkreis ist oder in dem Landkreis auch kleinere Regionen. Darüber, Herr Voigt, will ich nun wirklich gar nicht streiten. Es geht um Bildung, es geht auch um den Ansatz, den Sie eingefordert haben. Wie machen wir das denn eigentlich mit den Kooperationen? Sie haben zur Kenntnis genommen, dass ich bei allen Schulträgern war, ich war auch bei Landrat Heller und habe das alles mit ihm durchdiskutiert und er hat die Zahlen auf den Tisch gepackt. Und wir haben Folgendes gemacht, ich will das bloß ganz sachlich sagen. Natürlich kann man die heutigen Ist-Zahlen nehmen, wie viele Schülerinnen und Schüler an den
Schulen jetzt im Schuljahr 2018/2019 unterrichtet werden. Richtig ist, dass das eigentlich nicht der Maßstab ist. Richtig, das haben Sie erkannt, sind die Zahlen, die 2024/2025 heranzuziehen sind. Da haben wir – das hat Kollege Wolf hier zum Ausdruck gebracht – auseinanderdriftende Entwicklungen in Thüringen.
Wir haben im ländlichen Raum die Situation, dass die Schülerzahlen massiv abnehmen werden. Und wir haben in den großen und größeren Städten eine aufwachsende Schülerzahl, sodass also – und das beginnt bei den Kindertageseinrichtungen, bei den Kindergärten – große Städte jetzt aufgefordert sind, mehr Plätze in den Kitas und auch erst mal mehr Plätze in den Grundschulen und auch in den Horten zu schaffen. Wir haben mit der Finanzministerin gerade auch für den nächsten Haushalt darüber gesprochen, dass wir hier einen Aufwuchs brauchen. Und diesen Aufwuchs in Grundschulen und Horten wird es auch geben. Das kann ich Ihnen hier zusagen, das wird im Haushalt 2020 auch abgesichert werden. Das setzt sich natürlich dann in den nächsten Schularten fort.
Die Frage ist, wie es nun mit den Kooperationen aussehen soll. Wir sagen, die Zahlen sind jetzt hier mehrfach genannt worden, dass für die Schulen Mindestschülerzahlen in den Eingangsklassen und auch bestimmte Mindestzahlen für die Schulgrößen erreicht werden sollen. Für den Fall, dass diese Größen nicht erreicht werden, genau das haben wir mit den Landräten und den Kolleginnen und Kollegen, die dabeisaßen, im Einzelnen diskutiert. Wir haben die Diskussion gar nicht zu Ende führen können, denn da kommt man nämlich genau auf die Fragen, die Sie beide, Herr Wolf und Herr Voigt, eben hier diskutiert haben. Das ist überall in jedem Landkreis so. Das haben Sie exemplarisch hier vorgeführt, wofür ich Ihnen auch dankbar bin. Es stellt sich doch eine Frage. Was Sie gemacht haben, Herr Voigt, ist doch Folgendes – das haben viele Landräte mir auch gesagt –: Wir als Landkreis, als Schulträger machen unsere Schulnetzplanung und wir entscheiden: die Schule, die Schule, die Schule – so sieht das aus –; und du, liebes Land, musst mir jetzt die Lehrer dafür zur Verfügung stellen. Wir sagen: So funktioniert das nicht, denn wir können gar nicht alle Lehrerinnen und Lehrer zur Verfügung stellen, die notwendig sind, wenn das Prinzip, was Sie hier noch mal betont haben, beibehalten wird. Deswegen rede ich, reden wir als Koalition von strukturellen Veränderungen, die notwendig sind. Es geht darum,
nicht gegen die Landkreise und die Gemeinden und die kreisfreien Städte, sondern gemeinsam mit ihnen ein System zu entwickeln, wie wir denn den qualitativ guten Unterricht in jedem Fach, in jeder Stunde auch absichern können.
Da stellt sich die Frage, ob nicht zwei kleine Gymnasien miteinander kooperieren können, genau wie das am Beispiel in Stadtroda und Hermsdorf von Ihnen beiden hier dargestellt wurde. Dabei geht es nicht darum, dass die Lehrer an einem Tag von Schule A zu Schule B hetzen und wieder zurück, sondern die Frage ist, wie ist es denn schulorganisatorisch organisiert, dass der Fachunterricht in Chemie oder in einer Fremdsprache heute an dieser Schule stattfindet, morgen auch an dieser Schule und in den nächsten zwei Tagen an der anderen Schule. Dann muss der Lehrer eben heute mal an der Schule und übermorgen an der anderen Schule unterrichten. Aber das ist, glaube ich, zumutbar. Solche Modelle wollen wir entwickeln.
Ich habe – das hat, glaube ich, Herr Torsten Wolf schon erwähnt – ein Referat gebildet, welches sich um diese Schulentwicklung und -kooperation kümmern soll. Wir haben mit den Landkreisen verabredet – und das läuft jetzt, ich will bloß sagen, der Prozess läuft längst, das Schulgesetz ist noch gar nicht verabschiedet –, wir arbeiten jetzt mit den Landkreisen, mit den Schulträgern zusammen, um darüber zu reden, wie wir es ganz praktisch gestalten können. Es läuft auf Arbeitsebene. Es machen nicht mehr der Landrat und der Minister, das macht jetzt die Arbeitsebene. Das Schulverwaltungsamt und die Kolleginnen und Kollegen dieses Referats setzen sich dort hin, treffen sich und bereden diese Fragen. Im Übrigen geht es auch nicht nur darum, innerhalb eines Landkreises oder innerhalb einer Stadt – auch das ist ja hier am Beispiel Jena angesprochen worden – Kooperationen zu suchen, sondern wir ermöglichen auch schulträgergrenzübergreifende Kooperation. Das ist genau die Frage: Gibt es dort, wo es heute mit Gastschulanträgen usw. schon teilweise funktioniert, Möglichkeiten, wo entsprechende Schulen existieren, auch gemeinsam diese Kooperation auf den Weg zu bringen? Das ist ein pragmatischer Ansatz. Und deswegen bin ich der Überzeugung, es geht nicht um das, was Sie gemacht haben. Ich werfe Ihnen das nicht vor, ich will bloß beschreiben, was Sie gemacht haben. Man kann natürlich sagen, diese Schule hat jetzt die und die Schülerzahlen. Wir nehmen die Zahlen aus dem Gesetz, legen die obendrauf, passt nicht, also gefährdet. Stimmt so nicht! Das ist nicht mein Ansatz. Mein Ansatz ist, wie ist die Schülerzahlentwicklung und wie können wir den qualitativ guten Unterricht an dieser Stelle absichern.
Das ist genau der Punkt. Und den suchen wir gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Sie sind ja in Ihrem Wahlkreis zu Hause wie alle anderen auch. Und wie genau in dem Wahlkreis was funktioniert und was nicht, da muss ich natürlich berücksichtigen, wie die Wegezeiten sind, über die wir gesprochen haben. Da muss ich berücksich
tigen, ob es topografische und andere Bedingungen gibt, die es gar nicht ermöglichen, dass es zu Kooperationen kommt. Gibt es Bindefristen aufgrund von Bauinvestitionen? Gibt es andere Dinge, die allein schon die Höchstzahl festlegen? Dann sind das die erwähnten Ausnahmen, die verschiedene Rednerinnen und Redner hier im Einzelnen noch mal angesprochen haben.
Ich will als Zweites noch mal etwas zu dem Prinzip des längeren gemeinsamen Lernens sagen, weil das hier immer wieder am Beispiel der Gemeinschaftsschule angesprochen wurde. Ich habe festgestellt, dass es in Thüringen teilweise absurde Geschichten gibt. Da gibt es eine Grundschule im Parterre eines großen Schulgebäudes. Darüber befindet sich eine Regelschule. Die Grundschülerinnen und Grundschüler wechseln nach der 4. Klasse entweder ins Gymnasium oder in diese Regelschule. Aber es ist nicht möglich, dass beide miteinander eine gemeinsame Schule bilden. Warum nicht? Weil es dort verhärtete Positionen gibt und jeder auf seiner Position beharrt.
Ich war gestern Abend – das hatte ich in der Einbringungsrede schon gesagt – hier gegenüber bei der Industrie- und Handelskammer in der Vollversammlung. Da haben mir Vertreterinnen und Vertreter der Wirtschaft – und die sind garantiert nicht in meiner Partei, die sind auch nicht in der SPD – gesagt: Wir sind für das längere gemeinsame Lernen, weil wir kluge Köpfe in den Unternehmen haben wollen. So ist das, meine Damen und Herren von der CDU.
Den Hinweis von Herrn Tischner habe ich sehr wohl aufgenommen. Das ist die Frage: Nehmen wir das längere gemeinsame Lernen tatsächlich so an, dass von der 1. Klasse bis zur 10. Klasse die Möglichkeit geschaffen wird? Wir schaffen die mit diesem Schulgesetz. In den Landkreisen, wo es diese Beispiele entweder in einer Schule oder in zwei Schulen in unmittelbarer Nachbarschaft gibt, wird noch gesagt: Am liebsten hätten die Menschen, dass dazwischen eine Mauer oder eine Hecke gezogen wird, damit die Kinder nicht zusammenkommen können. Ja, wo leben wir denn eigentlich? Ich bin der Überzeugung, wir müssen deutlich machen, dass das längere gemeinsame Lernen für die Entwicklung der Kinder gut ist. Ich bin gefragt worden:
Was müssen wir denn tun? Da müssen Sie mal überlegen, ob das, was in der Landesverfassung zum dreigliedrigen Schulsystem steht, überhaupt noch zeitgemäß ist. Die Diskussion würde ich gern mit Ihnen mal führen wollen,
Und das unterscheidet uns, Herr Voigt, da haben Sie vollkommen recht. Das unterscheidet die rotrot-grüne Koalition von der CDU in dieser Frage, wie denn Schulen, wie die Schularten zukünftig funktionieren können. Wenn wir bis 2036 im ländlichen Raum deutlich weniger Kinder haben werden, dann steht doch heute schon die Frage für die, die dann hier Verantwortung tragen, hier auf den Plätzen im Landtag und auf den Plätzen der Regierung, wie wir dann Schule organisieren. Ich habe das im Blick, auch wenn ich dann hier nicht mehr Verantwortung trage – da bin ich mir sicher. Ich bin in einem sicher: Die Herausforderungen, vor denen die Schulen stehen, werden tatsächlich auch noch viel schärfer werden in den 2030er-Jahren und die müssen mit dem Schulgesetz beantwortet werden. Ich bin der Überzeugung, dieses Schulgesetz gibt eine klare Orientierung auch auf das, was in den 2030er-Jahren in Thüringen passiert. Denken Sie nicht nur in Wahlperioden! Versuchen Sie nicht nur, Wahlkampf zu machen auf Kosten der Schülerinnen und Schüler! Das machen Sie nämlich.
Der Wahlkampf findet statt, das ist natürlich klar, aber Sie machen einen Wahlkampf auf Kosten und auf dem Rücken der Lehrerinnen und Lehrer und auf Kosten der Schülerinnen und Schüler und das werden wir nicht zulassen.
Ich will abschließend noch etwas zur Inklusion sagen. Ich habe den Eindruck, dass hier scheinbar noch mal Nachhilfeunterricht notwendig ist, was Inklusion und was Integration bedeuten. Das sind qualitativ vollständig unterschiedliche Geschichten.
Integration bedeutet, dass jemand in ein System hineinkommt. Inklusion bedeutet, dass beide aufeinander zugehen und alle gleichberechtigt in diesem System aufgehen. Dann gibt es keinen Unterschied mehr. Frau Muhsal, in dem Moment, in dem Sie betonen, dass das Förderschulangebot ein Beitrag zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ist, irren Sie. Die UN-Behindertenrechtskonvention – fernab von diesen Übersetzungsfragen – sagt, dass alle Menschen – Frau Rothe-Beinlich hat das gesagt – das Recht auf gleichberechtigte Teil
habe haben. Das ist nicht nur eine Losung, die die UNO da rausgegeben hat, sondern das ist ein Auftrag. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich dem angeschlossen. Sie haben mit dem Förderschulgesetz von 2003 den Gemeinsamen Unterricht auf den Weg gebracht. Jetzt haben wir bereits 2017 erkannt – deswegen habe ich gesagt, Inklusion beginnt im Kopf –, dass das Tempo, welches vormals angelegt wurde, die Lehrerinnen und Lehrer, die Eltern, auch die Schulträger überfordert. Sie wissen aus Ihren Landkreisen, dass die Integrationskosten – es heißt ja an der Stelle „Integrationskosten“, der Begriff ist aber falsch –, dass die Kosten für inklusive Beschulung natürlich in die Höhe schnellen. Das geht nach SGB VIII und nach SGB XII, ganz klar, das ist so. Je mehr Kinder ich in den Gemeinsamen Unterricht bringe, umso mehr Leistungen sind dort erforderlich, selbstverständlich. Und wir sind noch nicht auf dem Stand, dass wir die baulichen, die technischen Voraussetzungen – das ist gar kein Vorwurf jetzt, das ist einfach eine Feststellung – und auch vom Personal her die ausreichenden Bedingungen haben.
Was ist jetzt notwendig? Es geht nicht darum, Schulen zu entleeren, sondern es geht darum, diejenigen, die an Förderschulen heute arbeiten und die Sachkompetenz haben, nämlich als Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, auch als Beratungslehrerinnen und Beratungslehrer an den allgemeinbildenden Schulen zum Einsatz zu bringen. Die Schwierigkeit besteht nur darin, dass sie sowohl Unterricht an den Förderschulen machen als auch Beratungslehrer an den allgemeinbildenden Schulen sind. Das ist eine besondere Herausforderung. Hier redet niemand die Arbeit der Förderschullehrerinnen und Förderschullehrer schlecht, im Gegenteil, da haben wir Hochachtung davor und sie werden auch mit Kusshand in den allgemeinbildenden Schulen genommen, weil die Lehrerinnen und Lehrer, die bisher ausgebildet wurden, natürlich kaum oder gar nicht inklusive Pädagogik studiert haben. Dieser Studiengang wird jetzt in Erfurt eingeführt. Meine Auffassung ist: Jede junge Frau, jeder junge Mann, der Lehramt studiert, muss den Bildungsgang „Inklusive Pädagogik“ belegen, damit er Grundkenntnisse von Förderschulpädagogik mitbekommt.
Ansonsten wird das mit dem Gemeinsamen Unterricht nicht funktionieren. Das sind die Voraussetzungen, die wir schaffen, selbstverständlich. Deswegen: Wenn wir über ein Schulgesetz reden, wie es heute auf den Weg gebracht wird zur parlamentarischen Beratung, hoffentlich im Frühjahr 2019 dann verabschiedet wird, dann reden wir darüber, dass das Schulgesetz einen Auftrag auslöst, genau die Bedingungen zu schaffen, dass der Gemeinsame Unterricht tatsächlich auch erfolgreich gestaltet wird.
Ich werde gefragt im Land: Wie lange bleibt denn die Förderschule bestehen? Da sage ich: Das kann ich Ihnen nicht sagen, wie lange die Förderschule bestehen bleibt, vielleicht bleibt sie immer bestehen. Denn ich habe das in meiner Einbringungsrede zum Ausdruck gebracht: Die überregionalen Förderzentren für Sehen und Hören bleiben bestehen, die anderen regionalen Förderzentren und die anderen Förderschwerpunkte bleiben auch bestehen. Ja, es gibt einen neuen qualitativen Ansatz, Herr Tischner – wo ist er denn jetzt eigentlich? Ach da. Ja, Sie wechseln immer die Plätze.
Es gibt einen neuen qualitativen Ansatz für den Förderschwerpunkt Lernen. Ja, der Bildungsgang Lernen fällt weg als sonderpädagogischer Bildungsgang.