Protocol of the Session on December 13, 2018

Beschäftigte des Freistaats Thüringen sollen sich politisch informieren und bilden. Nicht nur für politische Bildung wurde das Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz vom 15. Juli 2015 geschaffen. Gerade bei Anträgen zur Teilnahme an Besuchergruppen zum Besuch nationaler Parlamente oder des EUParlaments ist es nach vorliegenden Informationen Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Freistaats Thüringen nicht möglich, durch Bildungsfreistellungen oder andere Maßnahmen die demokratische Arbeit von Parlamenten bei Besuchen von nationalen Parlamenten und des EU-Parlaments kennenzulernen und in Diskussionen mit Abgeordneten ihr Demokratieverständnis und ihre politische Bildung zu stärken.

Ich frage die Landesregierung:

1. Unter welchen Voraussetzungen können Beschäftigte im öffentlichen Dienst des Freistaats Thüringen im Rahmen einer Dienstbefreiung an Besuchsfahrten der nationalen Parlamente und des EU-Parlaments teilnehmen?

2. Welchen Wert der politischen Bildung und des Demokratieverständnisses misst die Landesregierung den Besuchen von nationalen Parlamenten und des EU-Parlaments auch von im öffentlichen Dienst des Freistaats Thüringen Beschäftigten und deren Diskussionen mit den jeweiligen Abgeordneten bei?

Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Inneres und Kommunales, Herr Staatssekretär Höhn, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kräuter beantworte ich für die Landesregierung wie folgt: Für Beamtinnen und Beamte des Freistaats Thüringen ist mit der Regelung des § 23 Abs. 1 Ziffer 3 Thüringer Urlaubsverordnung die Möglichkeit gegeben, dass für die Teilnahme an staatspolitischen Bildungsveranstaltungen für die Dauer der notwendigen Abwesenheit vom Dienst Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden kann, wenn dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Voraussetzung ist, dass die Veranstaltung das Ziel verfolgt, Beamtinnen und Beamten in ihrer staatsbürgerlichen Eigenschaft die staatspolitischen Gegebenheiten ihrer Umwelt und die Werte der freiheitlich-demokratischen Staatsordnung verständlich zu machen, damit ihr Verantwortungsbewusstsein und ihre Fähigkeit, diesem Verständnis gemäß zu handeln, gestärkt werden. Für die Teilnahme an entsprechenden Veranstaltungen kann nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Thüringer Urlaubsverordnung insgesamt für bis zu sechs Arbeitstage, in besonders be

gründeten Fällen für bis zu zwölf Arbeitstage im Urlaubsjahr Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden.

Nach § 23 Abs. 3 Ziffer 2 Thüringer Urlaubsverordnung kann für die Teilnahme an Studienreisen ins Ausland insgesamt alle fünf Jahre für bis zu fünf Tage Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung gewährt werden. Für die Teilnahme an Fahrten zum Besuch von Einrichtungen der Europäischen Union soll grundsätzlich nur einmal innerhalb des Dienstverhältnisses Sonderurlaub unter Fortzahlung der Besoldung und für nicht mehr als fünf Tage gewährt werden.

Ich verstehe Ihre Anfrage so, dass sie sich vordergründig auf Dienstbefreiungen nach dem Beamtengesetz und dem Tarifvertrag bezieht, die im Ermessen des Dienstherrn bzw. Arbeitgebers liegen. Das Bildungsfreistellungsgesetz ist hier nachrangig, da die Bildungsveranstaltung nach § 9 Thüringer Bildungsfreistellungsgesetz anerkannt sein muss. Für Tarifbeschäftigte kann nach den Durchführungshinweisen des Thüringer Finanzministeriums vom 1. August 2017 außertariflich Arbeitsbefreiung gewährt werden nach § 23 Thüringer Urlaubsverordnung.

Zu Frage 2: In der vom Kabinett im Februar 2017 beschlossenen Rahmenleitlinie PERMANENT – Personalmanagement für Thüringen ist der Fortbildung besondere Bedeutung beigemessen worden. So ist betont, dass lebenslanges Lernen auch in der öffentlichen Verwaltung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Um den gestiegenen Erwartungen gerecht zu werden, müssen die Bediensteten ständig qualifiziert werden. Die Fortbildung muss in ein Konzept aufeinander abgestimmter Instrumente der Personalentwicklung eingebunden werden. Fortbildung dient unter anderem der Aktualisierung und Erweiterung des fachbezogenen und fachübergreifenden Wissensstands, der Erhöhung der persönlichen Kompetenz, der sozialen Kompetenz und der Methodenkompetenz sowie der Optimierung der beruflichen Qualifikation und der berufsbiografischen Perspektive.

Darüber hinaus können in Eigeninitiative der Bediensteten Fortbildungen zur Qualifikationssteigerung wahrgenommen werden, die gegebenenfalls durch Freistellungstatbestände unterstützt werden können. Darunter fallen auch Veranstaltungen zur politischen Bildung und Stärkung des Demokratieverständnisses durch Besuche von nationalen Parlamenten und des EU-Parlaments.

Vielen Dank.

Gibt es Nachfragen? Das sehe ich nicht, dann kann auch diese Frage abgeschlossen werden. Nächster Fragesteller ist Herr Abgeordneter Geibert von der

CDU-Fraktion mit der Drucksache 6/6493. Herr Geibert, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Nach Presseberichten soll Ende April 2018 ein 23-jähriger Libyer in einer Gemeinschaftsunterkunft in Apolda, nachdem unter anderem er von einem arbeitenden Bewohner um Rücksicht und Ruhe während einer nächtlichen Feier gebeten worden war, diesen Bewohner körperlich angegriffen haben. Gegen die anrückenden Polizeibeamten soll er Widerstand geleistet haben, sie als Nazis und Faschisten beschimpft haben und sie mit Blut bespuckt haben. Nachdem der Angreifer später aus dem Polizeigewahrsam entlassen worden war, soll er sofort einen Mitbewohner mit einer Gabel angegriffen und schwer am Hals verletzt haben. Anschließend soll er dem dann wehrlosen Opfer mit einer Flasche den Kopf blutig geschlagen haben, während er gerufen haben soll: „Ich bringe dich um.“ In der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Erfurt soll sich der Angeklagte umfassend eingelassen haben. Unter anderem soll er seinen Namen, sein Alter und seine Staatsangehörigkeit korrigiert haben. Er habe wahrheitswidrig eine dreijährige Dienstzeit in der libyschen Armee angegeben, um seine Chancen auf einen positiven Ausgang des Asylverfahrens zu erhöhen. Laut einer Verfahrensabsprache soll dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten bis vier Jahren in Aussicht gestellt sein.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist es korrekt, dass der Angeklagte nicht libyscher, sondern tatsächlich tunesischer Staatsangehöriger ist?

2. Wie und von welcher Behörde sind die Angaben, die der Angeklagte vor dem Landgericht Erfurt zu seinen persönlichen Verhältnissen gemacht hat, überprüft worden?

3. Warum konnte der Angeklagte unter falschem Namen, falscher Staatsangehörigkeit und unter falschem Alter in Thüringen leben?

4. Welche konkreten Maßnahmen hat die Landesregierung bisher ergriffen, um – selbstverständlich nach Eintritt der entsprechenden Voraussetzungen – eine schnellstmögliche Abschiebung des Angeklagten zu gewährleisten?

Für die Landesregierung antwortet das Ministerium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz, Herr Minister Lauinger.

(Staatssekretär Höhn)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Geibert beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Ich würde die Fragen 1 und 2 im Zusammenhang beantworten: Nach Angaben der zuständigen Ausländerbehörde Weimar erfolgte eine Überprüfung der Staatsangehörigkeit des Betroffenen. Nach dieser erfolgten Prüfung handelt es sich bei dem Betroffenen um einen tunesischen Staatsangehörigen.

Zu Frage 3: In der Regel erfasst das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Personalien Geflüchteter. Sind jedoch keine Ausweisdokumente vorhanden, bilden die eigenen Angaben des Schutzsuchenden die Grundlage für die Bestimmungen. Die behördliche Identitätsprüfung gestaltet sich daher in der Praxis nicht selten schwierig.

Zu Frage 4: Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens werden ausländerrechtliche Maßnahmen geprüft und dann auch ergriffen. Eine gegebenenfalls – in dem Fall inzwischen auch tatsächlich – verhängte Haftstrafe sollte zumindest zu einem Teil aufgrund des Strafanspruchs unseres Staats auch vor einer Abschiebung vollzogen werden. Darüber hinaus ist in dem konkreten Fall jedoch auch zu beachten, dass sich gerade Rückführungen in nordafrikanische Länder aufgrund der mangelnden Aufnahmebereitschaft einiger Staaten in der Praxis als sehr schwierig erweisen.

Gibt es Nachfragen? Herr Geibert, bitte.

Ja, vielen Dank. Wann hat das Gericht denn wen von den korrigierten Angaben informiert und welche Maßnahme wurden eingeleitet? Also, mit wen meine ich etwa BAMF, zuständige Ausländerbehörde etc.

Meines Wissens war es so, dass der Betroffene in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Erfurt bei den Fragen zu seiner Person andere Angaben gemacht hat, als er sie bis dato gemacht hat. Diese wurden zum Anlass genommen, dass die zuständige Ausländerbehörde in Weimar informiert und um Überprüfung gebeten wurde und diese Überprüfung hat, wie ich Ihnen gesagt habe, ergeben, dass er tatsächlich tunesischer Staatsangehöriger ist.

Weitere Nachfragen? Herr Geibert, bitte.

Ja, also wenn man falsche Angaben macht und das womöglich mit dem Ziel, dort einen Aufenthalt zu erreichen, der sonst nicht möglich wäre, ist das ja gegebenenfalls deliktisch zu bewerten, § 95 des Aufenthaltsgesetzes wäre da zu nennen. Wurden entsprechende Ermittlungen eingeleitet oder was erfolgt dort?

Kann ich Ihnen jetzt nicht beantworten. Ich weiß, dass es inzwischen die rechtskräftige Verurteilung des Landgerichts Erfurt wegen der von Ihnen angesprochenen Taten – ich will jetzt nichts ganz Falsches sagen, ich meine, es war eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und dann noch einer bestimmten Zahl Monate, die weiß ich nicht mehr genau – gegeben hat. Ob die Staatsanwaltschaft bei so einer Verurteilung, die ja jetzt vollstreckt wird, dann noch mal eine Nachtragsanklage erhebt wegen dem von ihm gemachten Delikt, kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten.

(Zwischenruf Abg. Geibert, CDU: Weil der Strafrahmen auch bis zwei Jahre geht!)

Ja, aber das kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten.

Gibt es weitere Nachfragen? Das sehe ich nicht. Dann schließe ich diese Frage ab und wir kommen zur neunten Frage. Herr Abgeordneter Mohring von der CDU-Fraktion ist der Fragesteller mit der Drucksache 6/6494. Bitte, Herr Mohring.

Abschiebung eines afghanischen Staatsbürgers aus der Haft

Nach Kenntnis des Fragestellers bemüht sich die kommunale Ausländerbehörde des Weimarer Landes in Zusammenarbeit mit dem Landesverwaltungsamt um die Abschiebung eines afghanischen Staatsbürgers, der angibt, im Jahr 1996 geboren zu sein. Der Mann hat im Februar 2015 erstmals einen Asylantrag gestellt, der im Juli 2017 rechtskräftig abgelehnt wurde. Er ist vollziehbar ausreisepflichtig. Ein zweiter Asylantrag blieb ebenfalls erfolglos. Gegen ihn sind folgende Ermittlungsverfahren bekannt: unerlaubte Einreise – eingestellt, leichte Körperverletzung – eingestellt, gefährliche Körperverletzung – eingestellt, Hausfriedensbruch – eingestellt, Bedrohung – Geldstrafe. Wegen des Vor

wurfs der Nötigung und eines Betäubungsmittelverstoßes dauern die Ermittlungen an. Wegen des Vorwurfs einer weiteren gefährlichen Körperverletzung und einer Sachbeschädigung läuft momentan das Hauptverfahren. Seine Identität wurde vom afghanischen Generalkonsulat im Rahmen seines Bemühens um freiwillige Ausreise bestätigt. Er ist, nachdem er sich in Belgien und Italien aufgehalten hat bzw. haben soll, in Untersuchungshaft genommen worden. Nach Auskunft des Landeskriminalamts und des eingebundenen Staatsschutzes besteht der Verdacht, dass der Mann sich radikalisiert habe.

Ich frage deshalb die Landesregierung:

1. Welche Gründe haben dem Vollzug der Abschiebung des Mannes bisher entgegengestanden?

2. Welche Gründe stehen dem Vollzug der Abschiebung nach Abschluss der laufenden Hauptverhandlung entgegen?

3. Hält die Landesregierung auch in vergleichbaren Fällen an ihrer Auffassung fest, dass Thüringen sich generell nicht an Abschiebungen nach Afghanistan beteiligt?

4. Wann beabsichtigt die Staatsanwaltschaft, über die offenen Vorwürfe aus den Jahren 2016 und 2018 zu verfügen?

Für die Antwort erteile ich Herrn Minister Lauinger das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Mohring beantworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Auch hier würde ich gern die Fragen 1 und 2 im Zusammenhang beantworten: Aufgrund der fragilen Sicherheitslage in Afghanistan finden Abschiebungen aus Thüringen dorthin grundsätzlich nicht statt. Ausnahmen können nur diejenigen Fälle bilden, in denen es sich um Gefährder oder um Straftäter handelt, die wegen besonders schweren Straftaten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind. Wenn ich jetzt die Angaben des Fragestellers als zutreffend unterstelle, was ich noch nicht überprüfen konnte, wäre das auch in diesem Fall nicht gegeben. Voraussetzung für die Abschiebung von Straftätern ist aber in jedem Fall eine rechtskräftige Verurteilung und unabhängig vom Strafmaß nach unserer Auffassung auch der Vollzug eines Teils einer Haftstrafe, um dem Strafanspruch des Staats zu genügen. Zu den Errungenschaften unseres Rechtsstaats gehört die Gewaltenteilung. Das Gericht bestimmt nicht nur die Dauer der Gerichtsverhandlung, son

dern auch deren Ausgang. Der Ausgang dieses Verfahrens bleibt daher abzuwarten. Unter Beachtung der gerichtlichen Entscheidung, die dann möglicherweise fällt, ist es dann Sache der Ausländerbehörde, auf der Grundlage aufenthalts- und asylrechtlicher Bestimmungen über weiter gehende Anordnungen und Maßnahmen – im konkreten Fall namentlich auch die Entscheidung darüber, ob die Anordnung des Vollzugs der Abschiebung erfolgen soll – zu entscheiden. Im Rahmen dessen sind natürlich auch die entgegenstehenden Gründe zu prüfen.

Die Antwort auf Frage 3 ist eigentlich der ähnlich, wie ich sie eben schon gegeben habe: Aufgrund der fragilen Sicherheitslage in Afghanistan finden Abschiebungen aus Thüringen, wie gesagt, dorthin grundsätzlich nicht statt. Ausnahmen bilden nur diejenigen Fälle, in denen es sich um Gefährder oder um Straftäter handelt, die wegen besonders schweren Straftaten zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind.

Die Antwort auf Frage 4: Im vorliegenden Fall wird die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen dann abschließen, wenn eine Entscheidungsreife vorliegt. Zu staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren ist generell anzumerken, dass erst nach Abschluss der Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft entschieden werden kann, ob die gewonnenen Ermittlungsergebnisse genügend Anlass bieten, eine Anklageschrift bei Gericht einzureichen. Andernfalls wird das Ermittlungsverfahren eingestellt. Je nach Lage des Einzelfalls können aufwendige Ermittlungen erforderlich sein, die sich dann auch auf die Dauer des Verfahrens auswirken. Da die Unschuldsvermutung im deutschen Strafrecht gilt, kann auch nicht lediglich der Verdacht zum Anlass für eine Anklageerhebung genommen werden.

Gibt es Nachfragen? Herr Kollege Mohring.