Protocol of the Session on November 8, 2018

Rot-Rot-Grün trägt Verantwortung für dieses Land, deshalb kümmern wir uns um ein friedliches Miteinander. Wir sorgen für eine gut ausgestattete Polizei, die Gewalt unterbindet. Wir sorgen für eine funktionierende Justiz, die Verbrechen verfolgt und wir fördern die Gewaltprävention durch Integration in Ausbildung und Arbeit, durch die Unterstützung

ehrenamtlicher Initiativen, durch Fördergelder für die Kommunen, durch psychosoziale Beratung und Hilfe und vieles mehr.

An dieser Stelle möchte ich die Initiativen und das Engagement der Unternehmerinnen und Unternehmer, Gewerbetreibenden und der Wirtschaft als Ganzes bei der Ausbildung und damit der Integration von Migrantinnen und Migranten hervorheben und mich bei ihnen ausdrücklich dafür bedanken.

Meine Damen und Herren, bei all den Herausforderungen, die die Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturen mit sich bringt, müssen wir uns eines immer wieder vergegenwärtigen: Auch wenn sich einige der bei uns Schutzsuchenden nicht an die hier geltenden Regeln halten, so müssen wir selbst menschlich bleiben und ein Klima der Offenheit bewahren. Wer meint, die Abschottung Deutschlands ist dazu eine Alternative, der irrt. Der Hass ist keine Alternative, die Spaltung der Menschen ist keine Alternative, Mauern um Deutschland hochzuziehen ist auch keine Alternative.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir, meine Damen und Herren, haben ein gesellschaftliches Angebot. Das heißt: Solidarität und Sicherheit. Gesellschaftlicher Zusammenhalt – und nichts anderes bedeutet Solidarität – und Sicherheit sind kein Widerspruch, im Gegenteil. Sie bedingen einander. Wenn die Lebenschancen in unserer Gesellschaft gleichmäßig verteilt sind, wenn die Löhne fair sind, wenn es gute Schulen, Gesundheitseinrichtungen und Verkehrsangebote gibt, dann steigen die Chancen, dass die Menschen friedlich miteinander leben, selbst wenn sie aus unterschiedlichen Kulturen kommen. Daher ist es unsere Aufgabe, diese Grundlage kontinuierlich zu schaffen, zu fördern und zu schützen.

Ja, ausreichende Polizei und eine konsequente Strafverfolgung sind auch notwendig. Aber sie können die sozialen Grundlagen eines guten Miteinanders nicht ersetzen. Die öffentliche Sicherheit wird durch Polizei und Justiz gewährleistet, aber der Humus, auf dem sie wächst, das ist eine offene, tolerante, demokratische und solidarische Gemeinschaft, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer hingegen gegen flüchtende Menschen, gegen Muslime, auch gegen Menschen jüdischen Glaubens hetzt, der lenkt von den eigentlichen Gründen ab, warum sich viele Menschen in Thüringen von Zuwanderung bedroht fühlen. Der Thüringen-Monitor, meine Damen und Herren, konstatiert auch in diesem Jahr, dass viele Menschen der Zuwanderung ablehnend gegenüberstehen. Diese Menschen befürchten eine Überfremdung, fürchten Konflikte zur eigenen Kultur, der Kultur der Geflüch

teten, wollen Menschen aus anderen Kulturen nicht als Nachbarn. Was aber ist der Grund dafür? Wie können Menschen glauben, dass 30.000 Geflüchtete, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind, ihre Kultur, die Kultur von mehr als 2 Millionen Thüringerinnen und Thüringern, überfremden könnten? Ein Teil der Antwort lautet: Propaganda. Die neuen Nazis reden den Menschen diesen Unsinn ein. Ein weiterer Teil der Antwort ist die Politik in Berlin. Sie spricht zu viel und zu ausdauernd von Migration, als gebe es sonst nichts, das die Politik dringend zu regeln hätte – bezahlbare Mieten, Beseitigung von Kinderarmut, gute Pflege usw., usw. Indem die Politik das tut, macht sie den Platz für die rechte Propaganda frei und gibt den einfachen Antworten den Weg frei.

Der wesentliche Faktor für die Ablehnung von Zuwanderung in Thüringen aber ist ein anderer. Es ist das bedrohte Selbstwertgefühl der Ostdeutschen. Das geht auf die Erfahrungen zurück, dass Ostdeutsche sich immer noch benachteiligt fühlen oder sind, und das nach fast 30 Jahren. Bei den Löhnen, bei der Rente, bei Führungspositionen in Wirtschaft und Gesellschaft, immer heißt es Platz 2, nach den Westdeutschen. Obendrauf gibt es mal gut gemeinte, mal weniger gut gemeinte Belehrungen von Ost nach West, wie man zu arbeiten, zu denken, sogar wie man manchmal zu wählen habe. Meine Damen und Herren, ja, diese Kränkung sitzt tief im kollektiven Bewusstsein der Ostdeutschen, auch hier in Thüringen. Sie ist der Boden, auf dem die Ausgrenzung und Abwertung anderer Gruppen gedeiht. Das hat die Forschungsgruppe des Thüringen-Monitors klar und eindeutig herausgearbeitet.

Die ostdeutsche Identität in ihrer heutigen Form ist kein Produkt der Nachwendezeit, sie ist auch kein Produkt der DDR-Zeit. Sie hat eine positive Quelle und das ist der Stolz, die politische Wende aus eigener Kraft eingeleitet und die friedliche Revolution durchgeführt zu haben und dies mit allem Selbstbewusstsein. Aber sie hat auch eine zweite, eine Negativquelle. Das ist die kollektive Erfahrung, als Ostdeutsche nur Deutsche zweiter Klasse zu sein. Diese beiden Quellen machen die Ambivalenz der ostdeutschen Identität aus. Die kollektive Benachteiligung als Ostdeutsche ist in der Identität eingeschrieben. Sie ist konstitutiv für die Identität und zugleich stellt sie die Identität permanent infrage. Warum dann aber so viel Feindseligkeit in Ostdeutschland gegenüber Fremden? Die Antwort ist banal: Indem die Fremden abgewertet werden, wird das eigene angekratzte Selbstwertgefühl aufgewertet. Verstärkt wird das Ganze noch durch den Eindruck: Die Politik in Berlin kümmert sich vor allem nur um Ausländer, tut aber wenig oder gar nichts für uns – und das schon seit Jahrzehnten.

Fast 70 Prozent der Menschen in Thüringen fordern, dass die Politik wieder mehr für die Mehrheit statt für die Minderheit macht. Diese Auffassung

wird auch von vielen vertreten, die nicht fremdenfeindlich sind. Die Botschaft an uns ist deutlich: Die Politik soll wieder das Allgemeinwohl in das Zentrum stellen. Dazu gehören aber selbstverständlich auch die Interessen der Minderheiten. Dazu gehört aber natürlich ganz wesentlich, die Lebensverhältnisse in unserem Land zu verbessern.

Eine weitere Gefahr im Zusammenhang stellt die grundlegende Benachteiligung der Minderheiten im Rahmen von gesellschaftlichen Abwägungsprozessen dar. Umso wichtiger ist – ich wiederhole die Feststellung der Autorin des Thüringen-Monitors –, dass bei Politik für das Allgemeinwohl auch die Interessen der Minderheit permanent berücksichtigt werden müssen. Man kann das als Auftrag an die Politik lesen. Ja, man muss es sogar als Auftrag begreifen. Ich tue das jedenfalls und die Linke auch.

(Beifall DIE LINKE)

Die Menschen, meine Damen und Herren, wünschen sich, dass die kollektive Benachteiligung des Ostens ein Ende hat, und sie wollen auf Augenhöhe behandelt werden. Das sind sehr nachvollziehbare Forderungen, und indem wir ihnen nachkämen, würden wir den wesentlichen Faktor für Fremdenfeindlichkeit und deren Einstellung unter Ostdeutschen beeinflussen und gegebenenfalls beseitigen und ganz nebenbei würden wir natürlich den neuen Nazis das Wasser abgraben. Ich finde, das sind zwei lohnende Ziele für Demokratinnen und Demokraten.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber noch eine Anmerkung machen zur Heimatverbundenheit der Thüringerinnen und Thüringer und was diese Verbundenheit mit der Ablehnung fremder Menschen zu tun hat. Jeder von uns braucht einen Ort, wo sie oder er sich geborgen fühlt, an dem Menschen mit einem ähnlichen Lebensgefühl, mit gemeinsamer Kultur leben. Für den einen ist das das Dorf, aus dem er stammt, für die Nächste ist es der Ort, in der sie arbeitet – das ist die Stadt – und für einen weiteren/anderen ist es Europa, durch das sie reisen. Ob man dazu „Heimat“ oder „Zuhause“ oder noch etwas anderes sagt, das ist von geringerer Bedeutung. Wichtiger ist, dass Menschen einen Ort haben, wo sie Wurzeln schlagen können. Daher ist die große Heimatverbundenheit der Thüringerinnen und Thüringer nichts Schlechtes – ganz im Gegenteil. Der Thüringen-Monitor konstatiert – und auch das darf man nicht verschweigen –, dass bei jeder Heimatverbundenheit, wo sich Menschen vor Ort zu Hause fühlen, sie aber auch dabei die Zuwanderung ablehnen und Vorbehalte gegenüber Menschen haben, die zu uns kommen.

Meine Damen und Herren, aus diesem Zusammenhang dürfen wir keinen Fehlschluss ziehen. Heimatverbundenheit als solche ist nicht die Ursache für Fremdenfeindlichkeit. Das betonen die Autorinnen

und Autoren des Monitors ausdrücklich und das will ich hier auch noch mal ausdrücklich unterstreichen. Was aber ist dann die Ursache dafür, dass sich gerade Menschen von der Zuwanderung bedroht sehen, die sich besonders mit ihrer Heimat verbunden fühlen? Der wesentliche Faktor ist auch hier die Identität, genauer gesagt: die prekäre Identität der Ostdeutschen. Sich der Heimat verbunden fühlen, das heißt nichts anderes, als sich mit der Kultur, ihrer Sprache, ihrer Tradition zu identifizieren. Menschen, die sich stark als Thüringer oder Ostdeutsche verstehen, registrieren besonders genau, wenn ihre Lebensart in Zweifel gezogen wird, wenn ihre Lebensleistungen als Ostdeutsche weniger anerkannt werden. Daraus entsteht für mich sehr nachvollziehbar der Wunsch, die Art und Weise, das eigene Leben und die eigene Lebensleistung zu verteidigen.

Nun ist es aber so – und davor dürfen wir die Augen nicht verschließen –, dass sich diese Verteidigung nicht nur gegen die Zurücksetzung durch den Westen richtet, sie richtet sich vermehrt auch gegen die Zuwanderer. Auch diese werden von vielen Thüringerinnen und Thüringern als Bedrohung für die eigene Kultur empfunden. Wenn an dieser Stelle Regierende nicht reagieren, wird nicht nur die Politikverdrossenheit zunehmen, sondern die Menschen werden in ihrer Unzufriedenheit wieder und zunehmend auf Minderheiten und/oder Migrantinnen und Migranten fokussieren. Objektiv ist dem nicht so. Das lässt sich schon im Verhältnis von Zuwanderern und Einheimischen ablesen. 30.000 Migrantinnen und Migranten bedrohen die Kultur von 2 Millionen Thüringerinnen und Thüringern nicht. Aber die Ängste sind real, deshalb müssen wir reagieren.

Meine Damen und Herren, ernst nehmen bedeutet, die wahren Ursachen dieser bedrohten Identität der Ostdeutschen abzustellen. Da sind wir wieder bei der Benachteiligung gegenüber anderen Regionen in der Bundesrepublik. Ich möchte nicht den Eindruck einer neuen Ausgrenzung fürreden, aber eine selbstbewusste ostdeutsche Identität und Heimatverbundenheit ohne Fremdenhass erwächst nur daraus, indem wir Fremde nicht ablehnen und abwerten, sondern indem wir unsere gesellschaftliche Grundlage besser und umfangreicher gestalten. Wir haben an dieser Stelle bereits in den vergangenen Jahren immer wieder über geeignete Schritte gesprochen, die Angleichung von Renten und Löhnen, die Hochschulförderung, mehr hochwertige Arbeitsplätze in Forschung und Entwicklung, mehr Ostdeutsche in Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft usw. usf. Der Ministerpräsident ist darauf heute umfassend eingegangen.

Fast 30 Jahre nach der Wende müssen wir uns aber die Frage stellen, ob es ausreicht, diese und andere Forderungen wieder und wieder zu wiederholen. Mein Eindruck ist, dass das nicht mehr

reicht. Es bewegt sich zu wenig. Die Augenhöhe des Ostens mit dem Westen aber ist mehr als überfällig. Es muss etwas substanziell besser werden und das schneller und spürbarer, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

Und da sind meine Erwartungen relativ hoch, was diese Kommission im Deutschen Bundestag anbetrifft.

Darüber hinaus lassen Sie mich zwei Gedanken, Ideen, die in unserer Fraktion, in unserer Partei diskutiert werden, hier vortragen: Ein erster Gedanke, eine erste Initiative dient dazu, die Ostlöhne an die Westlöhne endlich zeitnah anzugleichen. Die Lohnfindung liegt in Deutschland in den Händen der Tarifparteien, das ist gut so. Aber bei der Angleichung der Ostlöhne funktioniert die Tarifpolitik offensichtlich nicht. Seit 20 Jahren ist die Lohnlücke OstWest nahezu unverändert. Angesichts dieser Situation muss die Politik handeln. Nicht zu handeln würde bedeuten, den ungerechtfertigten und damit ungerechten Lohnabstand zwischen Ost und West auf absehbare Zeit hinzunehmen. Das wollen wir nicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein zweiter Gedanke, eine zweite Idee: mehr Ostdeutschen den Weg in Führungspositionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft ebnen. Die Auswahl von Führungskräften sollte dem Leistungsprinzip folgen. Aber das funktioniert nur bedingt. Das ist bei Frauen in Führungspositionen besonders augenfällig, das gilt aber auch für Ostdeutsche in Führungspositionen, zumal für Ostdeutschland in verschiedensten Regionen. Hier wie dort gilt es, das gläserne Dach, den Frauen bzw. Ostdeutschen den beruflichen Aufstieg zu erschweren, zu durchleuchten. Deshalb bedarf es verbindlicher Instrumente, die Ostdeutsche bei gleichen Qualifikationen den Weg in Führungspositionen ebnen und eine Benachteiligung gegenüber Westdeutschen verhindern.

Beide Initiativen, meine Damen und Herren, sind selbstverständlich nur Bausteine eines großen Projekts der Angleichung der Lebensverhältnisse. Aber sie sind für die materielle und symbolische Wertschätzung und Selbstwertschätzung der Ostdeutschen von besonderer Bedeutung.

Meine Damen und Herren, ich freue mich immer wieder, wenn Thüringerinnen und Thüringer bei Gesprächen und Begegnungen mit Stolz und großer Hochachtung mit und anderen über ihre eigene Arbeit, die Entwicklung in ihrem Ort und der Gemeinschaft und eine friedliche und weltoffene Toleranz berichten und dabei ihre Liebe zu ihrer Heimat, ihrer Region, zu Thüringen oder Europa offen bekunden. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass in allen

Teilen unseres Landes solche Gespräche und Begegnungen zur Normalität werden. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner erhält Abgeordneter Hey von der SPD-Fraktion das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. Herzlichen Dank auch an Sie, meine Damen und Herren, für das Verständnis für meinen längeren Anmarschweg. Das ist meine erste offizielle Wortmeldung heute nach mehrwöchiger Krankheit. Ich freue mich, sie alle wiederzusehen,

(Beifall im Hause)

bei dem einen mehr, bei dem anderen minder, aber das ist ja umgedreht genauso.

Meine Damen und Herren, auch von unserer Seite, der SPD-Fraktion, ein herzliches Dankeschön an das Team um Dr. Best. Wir haben heute Morgen ja die Information erhalten, dass dies der letzte Thüringen-Monitor de facto unter seiner Regie ist. Er war in den letzten Jahren – wenn man so will – das Gesicht dieses großen Werks, dieses statistischen Werks der Erhebungen, der Umfragen. Auch von unsere Seite: Alles Gute für die Zukunft!

Wir gehen aber davon aus, dass das keine Qualitätslücke hinterlässt, denn dieser Thüringen-Monitor ist in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil auch hier im parlamentarischen Verfahren geworden. Ich finde es sehr gut, dass wir das in dieser Art und Weise im Modus einer Regierungserklärung machen und die Möglichkeit haben, darauf zu antworten, und Gelegenheit haben, andere Punkte vielleicht noch herauszustreichen und mitzunehmen. Ich unterstütze ausdrücklich die Idee des Ministerpräsidenten, die er heute Morgen geäußert hat, dass man vielleicht auch mal andere Monitoring-Umfragen, andere Erhebungen aus den Bundesländern, die nicht nur im östlichen Teil Deutschlands liegen, nebeneinander legt, weil das mit Sicherheit sehr, sehr interessante Ergebnisse dann geben wird.

Wir haben in diesem Thüringen-Monitor den Heimatbegriff, das hat den einen oder anderen, als er denn endlich erschien, vielleicht auch ein bisschen verwundert. Aber es ist zu Recht ein Titel dieses Thüringen-Monitors, weil in der Politik im Moment der Begriff „Heimat“ auch eine sehr große Rolle spielt. Nicht nur dort, aber vielleicht gerade deshalb ist ja eine gesamtgesellschaftliche Debatte außerhalb der Politik auch über den Begriff der Heimat in Gang gesetzt worden. Wie weit das geht, hat der eine oder andere vielleicht festgestellt, wenn er mal

(Abg. Blechschmidt)

seinen Posteingang hier als Abgeordneter durchgesehen hat.

Der Adventsempfang der Evangelischen Kirche in diesem Jahr steht beispielsweise unter dem Titel „Heimat – Renaissance eines Begriffs im 21. Jahrhundert“. Sie merken, dass sich alle breiten gesellschaftlichen Bündnisse im Grunde auch mit diesem Thema beschäftigen. Wir haben im Bund mittlerweile ein Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Man merkt es nicht immer so, aber der zuständige Minister hat das unbedingt so gewollt.

Der Begriff der Heimat ist also relativ komplex. Und wenn wir uns mit diesem Begriff beschäftigen, glaube ich, ist es wichtig, ihn vielleicht auch mal in einem geschichtlichen Kontext zu sehen, in einem geschichtlichen Zusammenhang.

Wir sind, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Kinder und Enkel und auch Urenkel einer Generation, für die war der Heimatbegriff vor allem verbunden mit einem Wort, nämlich Sehnsucht, weil diese Menschen durch die dramatischen Ereignisse zweier Weltkriege meist ihre angestammte Heimat verloren hatten. Wir können auch heute noch nicht ganz genau sagen, wie viele Millionen Kriegsgefangene und Geflüchtete bzw. Vertriebene es in dieser Epoche innerhalb Europas gegeben hat. Nahezu keine Familie blieb davon unberührt. Man spricht von Vertriebenen, oft auch – und das ist ja berechtigt – von Heimatvertriebenen.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kehrte sich diese Prägung des Heimatbegriffs zumindest für die Bevölkerung der DDR in dramatischer Weise um. Denn gewissermaßen wurden sie von ihrer Heimat – wenn man so will – in Haft genommen. Das betrifft dann, neben den Generationen unserer Großeltern und Eltern auch unsere eigene. „Meine Heimat DDR“, diesen Spruch kennen viele sicherlich auch noch aus der Schule.

Und neuerdings wird schon wieder viel von Heimat geredet. Aber da wird der Begriff einfach gekapert und man reduziert ihn auf die Proklamation einer künstlichen Verteidigungslinie. Jetzt wird von Heimat geredet, weil es um den Kampf gegen Fremde oder Fremdes geht. Jetzt wird von Heimat geredet, weil man etwas von der letzten friedlichen Chance für unser Vaterland fantasiert.

Der Thüringen-Monitor belegt uns, dass die Thüringerinnen und Thüringer viel mit dem Heimatbegriff verbinden, dass er ihnen wichtig ist. 96 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer sagen, ihre Heimat sei ihnen wichtig oder sehr wichtig. Ich glaube, so einen hohen Zustimmungswert gibt es ganz, ganz selten in diesem Thüringen-Monitor. Deshalb ist es auch wichtig, dass man sich mit solchen Themen beschäftigt wie „Unsere Heimat ist überfremdet“. Da beißt die Maus keinen Faden ab, auch über so

einen Satz muss man hier in diesem Plenarsaal debattieren.

(Beifall CDU)

Darauf geht der Thüringen-Monitor ja an verschiedenen Stellen ein. Das ist auch ganz logisch, wenn man bedenkt, dass gerade das Thema „Flüchtlinge und Integration“ nach wie vor ein Dauerbrenner ist und in der Hoch-Zeit der gesellschaftlichen Debatte ja auch die Erhebungen dieses Thüringen-Monitors stattgefunden haben.