Protocol of the Session on November 8, 2018

Lassen Sie mich noch ein Wort zum Thema „Energiewende“ sagen, weil sich an diesem Thema exemplarisch zeigen lässt, dass Heimatliebe, Modernisierung und Bürgerbeteiligung als politische Einheit zu verstehen sind. Der Klimawandel zwingt uns, über alternative Energieerzeugung nachzudenken. Der Streit – das haben die Auseinandersetzungen um den Braunkohleabbau im Hambacher Forst gezeigt – wird mit großer Leidenschaft geführt. Argumente mischen sich mit Emotionen, auch hier in Thüringen, und das zeigt uns, wie wichtig dieses Thema den Menschen ist. Ja, wir brauchen im Interesse der Zukunft unseres Planeten alternative und umweltfreundliche Formen der Stromerzeugung. Und nein, wir sagen deshalb nicht zu allem „Ja und Amen“.

Die Thüringer lehnen den SuedLink mit überwältigender Mehrheit ab – aus gutem Grund. Thüringer leisten schon jetzt maßgeblich zur Energiewende in ganz Deutschland ihren Beitrag. Weitere einseitige Belastungen der Bürger und Natur durch den SuedLink sind ebenso wenig akzeptiert wie das durchsichtige Kalkül des Netzbetreibers, der glaubt, seine Trasse durch Thüringen bauen zu können, weil

dort weniger Widerstand der Bevölkerung zu erwarten sei. Da unterliegt er einem großen Irrtum. Landesregierung, große Teile der Opposition, Landräte, Bürgermeister und Bürgerinitiativen haben Widerstand angekündigt. Ich freue mich über dieses Signal der Entschlossenheit und Geschlossenheit.

Anders und differenzierter sieht es bei der in Thüringen selbst erzeugten Windenergie aus. An den Windrädern scheiden sich die Geister – die eine Hälfte ist dafür, die andere dagegen. Beide haben Argumente.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ja!)

Eines aber ist klar: Wer die Bürger nicht beteiligt, wer ihnen die Anlagen einfach vor die Nase setzt, ihnen dann auch noch den wirtschaftlichen Ertrag vorenthält, erweist der Energiewende in diesem Bereich einen Bärendienst.

(Beifall DIE LINKE)

Es lohnt sich, zu BOREAS zu gehen und nach Kirchheilingen, anzuschauen, wie die Firma und die Windkraftanlagen für die Region einen Nutzen für alle Menschen in den Orten dort haben. Diese Windkraftanlagen sind ihre, emotional ihre Windkraftanlagen und nicht Windkraftanlagen eines ferngesteuerten Fonds, der irgendwo herkommt und einfach sagt: „Wir bauen das jetzt hier auf.“ Auch diese Bürgerbeteiligung, lieber Egon, hat uns die Bundesregierung kaputt gemacht.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Ach, immer die Bundesregierung!)

An den Verhandlungen zum EEG – in der Nacht – habe ich teilgenommen. Ich wurde Zeuge dessen, wie das falsche Bürgerbeteiligungsmodell dort hineinverhandelt worden ist – da mag man in der CDU den Kopf schütteln, ich habe die Verhandlungen erlebt. Am Ende ist unser Konzept der Bürgergenossenschaften nicht akzeptiert worden. Deswegen wehre ich mich nicht gegen Windkraftanlagen, sondern ich wehre mich dagegen, dass die Wirtschaftskraft, die dadurch erzeugt wird, nicht hier bleibt. Ich möchte, dass die Energie aus der Region in der Region zu einer wirtschaftlichen Verbesserung für unsere Menschen in ihrer Heimat führt.

Hier kann die Politik das nicht einfach verordnen. Sie muss erklären, sie muss zuhören, sie muss die Bürgerinnen und Bürger in die Entscheidung einbeziehen, im Zweifel auch ein gutes begründetes Nein akzeptieren.

Ich denke, unser Land ist da mit dem Siegel „Faire Windenergie“ auf einem guten Weg. Aber auch der Bund müsste zurückfinden zu echter Bürgerbeteiligung – und er muss dafür Sorge tragen, die erzielte Wertschöpfung tatsächlich in der Region zu halten. Wer dieses Energiesiegel missbraucht, der muss gezwungen werden, es wieder abzugeben, damit er

(Ministerpräsident Ramelow)

nicht unter dem falschen Segel Bürgerbeteiligung vormogelt.

Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, sage ich: Thüringen verfügt über eine großartige Naturlandschaft. Sie zu pflegen, zu erhalten und den Menschen für Erholung zur Verfügung zu stellen ist ein zentrales Anliegen dieser Landesregierung und ihrer streitbaren und engagierten Umweltministerin Anja Siegesmund.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Thüringer Schüler gehören zu den besten in Deutschland. Damit das so bleibt und wir trotz der negativen demografischen Entwicklung eine wohnortsnahe Bildungsversorgung gewährleisten können, erarbeitet Bildungsminister Helmut Holter ein neues Schulgesetz, das keine Schulen schließt, sie aber durch Kooperation endlich leistungsfähiger und den Lehrerberuf attraktiver macht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Innenminister Georg Maier sorgt dafür, dass die Straßen und Plätze in Thüringen sicher sind und arbeitet an einer neuen kommunalen Gliederung unseres Freistaates auf freiweilliger Basis. Dieses Land muss zukunftsfester gestaltet werden.

Dieter Lauinger als Justizminister sorgt dafür, dass Recht gesprochen und umgesetzt wird und die Unabhängigkeit der dritten Gewalt in unserem Land gewährleistet ist. Als Migrationsminister kümmert er sich engagiert um die Eingliederung derer, die in unserem Land Zuflucht suchen. Ein gut funktionierendes Gemeinwesen muss die Mobilität seiner Bürger gewährleisten, ob auf der Straße oder der Schiene, ob zu Fuß oder mit dem Auto oder – Herr Hoff – mit dem Fahrrad.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Gute Bildung braucht intakte Schulgebäude und Universitäten. Infrastrukturmaßnahmen benötigen eine lang vorausschauende Planung und viel Durchsetzungskraft. Die Landwirte brauchen eine Ministerin, die ihre Interessen im Bund und in Brüssel vertritt. Dafür arbeitet Birgit Keller.

(Beifall DIE LINKE)

Wirtschaft ist ein Wachstumsmotor. Die Aufgaben, Unternehmen gute Rahmenbedingungen zu verschaffen, die digitalen Voraussetzungen für Innovation und erfolgreiche Wirtschaft bereitzustellen, den Standort Thüringen in der internationalen Konkurrenz zu behaupten und das akademische Potenzial auszuschöpfen, sind bei Wirtschaftsminister und Wissenschaftsminister Wolfgang Tiefensee in ausgezeichneten Händen.

Wirtschaft basiert auf Arbeit, guter Arbeit und auf guten Arbeitsbedingungen. Dafür, dass Arbeitsschutzbedingungen eingehalten werden, Beschäf

tigte sich weiterbilden können, Arbeitslose einen Weg zurück in die Erwerbstätigkeit finden, jene, die krank sind, eine qualifizierte ärztliche Betreuung erfahren und die Alten ihren Lebensabend in Würde verleben können, auch wenn sie pflegebedürftig sind, dafür steht Sozialministerin Heike Werner.

(Beifall DIE LINKE)

Kultur wird mehr und mehr zu einem wichtigen Standortfaktor. Die großartige Thüringer Theaterund Orchesterlandschaft im steten Dialog mit allen Beteiligten zukunftsfest zu machen,

(Beifall DIE LINKE)

ebenso unsere einzigartige Museumslandschaft fortzuentwickeln, ist das Verdienst von Kulturminister Prof. Hoff. Das gilt auch für die kulturelle Positionierung des Freistaats im nationalen und europäischen Kontext. Ich bin sicher, dass Thüringen im Rahmen des hundertjährigen Bauhaus-Jubiläums auch eine sehr gute Rolle spielen wird.

Und: Gute Politik braucht gutes Geld. Gute Ministerinnen und Minister verlangen eine hohe finanzielle Ausstattung, um ihre Vorhaben umzusetzen, Ausgaben und Einnahmen in einer vernünftigen Balance zu halten, die Verschuldung des Landes innerhalb einer Legislaturperiode um 1 Milliarde Euro netto abzubauen und gleichzeitig Möglichkeiten zu schaffen, in die Zukunft zu investieren, das ist die hohe politische Kunst unserer Finanzministerin Heike Taubert, die mit Charme, aber auch mit Härte ihr Kabinett zu meistern weiß.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie hat mich dabei immer auf ihrer Seite.

Sie alle, die Ministerinnen und Minister, Staatssekretäre, Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung arbeiten daran, dieses Land Stück für Stück besser zu machen. Ich nenne das Heimatpolitik im besten Sinne. Wir müssen den Menschen klarmachen: Es lohnt sich, an der Zukunft unseres Landes gemeinsam zu arbeiten. Es lohnt sich, die Sorgen unserer Menschen ernst zu nehmen. Es lohnt sich, auch über Angst vor dem Fremden gemeinsam zu reden, damit das Fremde nicht zur Belastung für uns wird, sondern zur großen Chance. In einem Bundesland, in dem es nicht einmal 5 Prozent Nichtdeutsche gibt, in einem Bundesland also mit nicht einmal 5 Prozent Nichtdeutschen, dann mit 32 Prozent eine Antwort zu bekommen, die sagt, unser Land sei gefährlich überfremdet, in einem solchen Bundesland haben wir Grund, miteinander ins Gespräch zu kommen, nicht übereinander, sondern miteinander, um zu erklären: Nur wenn wir uns unterhaken und den Weg, der seit 28 Jahren gegangen wird, so weitergehen – mit allen Irrungen und Wirrungen, Stärkungen, Schwächen, aber allen vor allem am Ende immer mit großem Erfolg –, diesen Erfolg wei

(Ministerpräsident Ramelow)

ter zu erreichen, muss unsere Aufgabe sein. In diesem Sinne hoffe ich, dass wir uns nicht reduzieren auf Ausländerfeindlichkeit als Begriff durch den Thüringen-Monitor, denn so übersetze ich ihn nicht, sondern ich übersetze ihn als Sorge vor dem Fremdsein. Und wenn man ständig auch ausgegrenzt wird – und auch das erleben Thüringerinnen und Thüringer –, dann wird es für uns schwierig. Deswegen müssen wir aus der Ausgegrenztheit eine Eingegrenztheit machen.

Ich freue mich auf eine spannende Diskussion und danke Herrn Best und dem ganzen Team, die an der Erarbeitung des Thüringen-Monitors gearbeitet haben. Es lohnt sich, sich 18 Thüringen-Monitore hintereinander anzuschauen, weil dann deutlich wird, in welcher langen zyklischen Periode wir gut aufgestellt sind. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Ministerpräsidenten für die Regierungserklärung und frage: Wer wünscht die Aussprache zur Regierungserklärung? Es sind alle Fraktionen. Damit eröffne ich die Beratung und frage bei der CDU. Herr Abgeordneter Geibert, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Unter dem Titel „Politische Kultur im Freistaat Thüringen – Heimat Thüringen – Ergebnisse des Thüringen-Monitors 2018“ beschäftigen wir uns mit dem diesjährigen Thüringen-Monitor. Dabei gilt natürlich mein Dank zuerst an die Forscher und Autoren dieses Werkes, an die Friedrich-Schiller-Universität in Jena, und an die wissenschaftliche Leitung des Autorenteams, an Prof. Dr. Marion Reiser und Herrn Prof. Dr. Heinrich Best für das, was uns vorgelegt wurde.

Der besondere Wert des Thüringen-Monitors liegt ja auch darin begründet, dass über eine Zeitreihe von nahezu zwei Jahrzehnten politische Entwicklungen, politische Tendenzen und politische Strömungen in Thüringen, politische Wahrnehmungen in Thüringen und Befindlichkeiten abgebildet werden. Insoweit geht mein Dank natürlich auch an den Initiator des Thüringen-Monitors, an unseren Ministerpräsidenten a. D. Bernhard Vogel, der den Thüringen-Monitor auf den Weg gebracht hat.

(Beifall CDU)

Wir haben damit einen Gradmesser wie in keinem anderen Bundesland für Stimmungen und Themen, die Menschen im Land bewegen. Wir haben damit auch einen Ausgangspunkt für unsere politische Ar

beit, die uns wertvolle Hilfe und Richtschnur sein kann.

Es ist wichtig, sich mit der politischen Kultur auseinanderzusetzen, gerade in Zeiten wie diesen, in denen wir leben, mit stark polarisierter Gesellschaft, der Selbstverständigung über das Woher und Wohin gerade im Osten Deutschlands, aber nicht nur dort, mit einer Parteienlandschaft im Umbruch, aber auch der zunehmenden Digitalisierung, die alle Bereiche erfasst, die Arbeitswelt, die Konsumwelt, auch die privaten Bereiche, den Herausforderungen durch Migration und Integration, den Debatten über nationales Interesse und europäische Integration.

Lassen Sie mich, bevor ich zum Inhalt komme, ein Wort zur Methodik verlieren. Ich glaube, wir sollten für künftige Erhebungen über die Befragungsgrundlagen nachdenken. Selbstverständlich kann man wissenschaftlich fundiert mit Telefonbefragungen arbeiten, eine Auswahlgrundlage jedoch allein über Festnetzanschlüsse erscheint mir heute nicht mehr zeitgemäß. Ich glaube, dies findet auch seinen Niederschlag darin, dass von gut 1.000 Befragten 437 60 Jahre und älter waren. Eventuell führt die Tageszeit der Telefonbefragung dazu, dass knapp die Hälfte aller Befragten nicht erwerbstätig ist. Auch die regionale Ausgewogenheit zeigt, dass ebenfalls knapp die Hälfte der Befragten in der Planungsregion Ostthüringen wohnt, was etwa dazu führt, dass bei der Regionalisierung auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte oft nur eine sehr kleine und damit auch nicht mehr repräsentative Datenbasis vorliegt, sodass bei den regionalisierten Werten, die wir im Thüringen-Monitor finden, denke ich, mit gewisser Vorsicht an die Aussagen herangegangen werden muss.

Doch nun zum Inhalt: Das Schwerpunktthema „Heimat“ ist gut gewählt. Der Thüringen-Monitor bestätigt, viele Themen, die die Menschen umtreiben, haben eher eine kulturelle als eine soziale Seite. Sie haben mit der Identität des Landes zu tun. Über die Ergebnisse wird seit Tagen ausführlich berichtet und so, denke ich, ist es heute unangemessen, ein Koreferat zu allen Themen des Thüringen-Monitors zu halten. Lassen Sie mich konzentrieren auf einige aus unserer Sicht politisch wichtige Ableitungen.

Was schreiben uns die Bürgerinnen und Bürger Thüringens ins politische Pflichtenheft? Welche Antworten haben wir darauf?

Zunächst zum Block der Bevölkerungsentwicklung. Einige Ergebnisse in Kürze: Der Thüringen-Monitor weist aus, wir haben mehr Sterbefälle als Geburten. Wir haben mehr Fortzüge als Zuzüge. Wir haben eine Geburtenziffer von 1,56, bei der wir pro Generation ein Viertel der Bevölkerung verlieren. Wenn sich die Entwicklung unverändert fortsetzt, werden wir in nicht einmal zehn Jahren weniger als 2 Millionen Einwohner in Thüringen haben. Diese Aussichten sind eher trübe, aber es gibt auch Anknüp

(Ministerpräsident Ramelow)

fungspunkte, um damit umzugehen. Einer sind die Familien, denen man es so leicht wie möglich machen sollte, Kinder aufzuziehen. Vor diesem Hintergrund sehen wir mit Sorge, wenn in den Kindergärten nicht die Qualität ganz oben auf der Tagesordnung steht, sondern über eine Beitragsfreiheit diskutiert wird, die letztlich den sozial Schwachen, denen man helfen will, in Wirklichkeit nicht hilft.