Und, ganz ehrlich, das möchte ich den Menschen auch nicht verdenken. Doch um Inhalte in einem Wahlkampf nach sechswöchiger faktischer Unterbrechung bei den Menschen zu aktivieren, sind zwei Wochen definitiv zu kurz. Der von Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU, verlangte September-Termin hat in Thüringen Vorläufer. Wenn man sich die Wahltermine für den Landtag seit 1990 anschaut, gibt es aber – und das Aber mache ich mal ganz, ganz groß – in dieser Liste auch Wahltermine im Oktober, so wie es das zuständige Innenministerium nun auch für 2019 festgelegt hat.
Die erste Wahl zum Thüringer Landtag fand am 14. Oktober 1990 statt, dann folgte der 16. Oktober 1994, die Wahl zum 3. Thüringer Landtag fand am 12. September 1999 statt, die 4. Landtagswahl fiel auf den 13. Juni 2004, der 5. wurde am 30. August 2009 gewählt und die Wahl zum aktuellen Landtag fand am 14. September 2014 statt.
Jetzt könnte man ganz platt die Rechnung aufmachen: An beiden Oktoberterminen lag die Wahlbeteiligung noch bei über 70 Prozent. Aber am ersten September-Termin 1999 sackte die Wahlbeteiligung mit 59,9 Prozent unter die 60-Prozent-Marke
und fiel dann über die Jahre bis zum 14. September 2014 mit 52,7 Prozent signifikant ab, der bisher traurigste Tiefstand bei den Landtagswahlen in Thüringen. Aber die Höhe der Wahlbeteiligung ist ein wichtiger Parameter für die demokratische Verortung und Legitimation einer Wahl. Würde man einen vereinfachten Schluss aus den Wahlterminen in Bezug auf die Wahlbeteiligung ziehen, spräche angesichts dieser Fakten alles für einen OktoberTermin.
Doch so einfach machen wir es uns dann doch nicht. Denn eines ist doch nun wirklich klar, werte Abgeordnete der CDU-Fraktion: Die deutlich sinkende Wahlbeteiligung seit 1990 hat ihre Ursachen nicht in der zeitlichen Festlegung eines Wahltermins und auch das Wetter kann Wahlen und die Wahlbeteiligung nicht wirklich entscheidend beeinflussen. Die tatsächlichen Gründe für die einbrechende Wahlbeteiligung haben wir hier immer wieder intensiv debattiert und auch in den Beratungen zum Thüringen-Monitor kritisch aufgearbeitet. Doch anstatt wie Sie die Schlussfolgerungen zu ziehen, ein Wahltermin sei schuld, handeln wir ganz praktisch und versuchen, mit der Ausweitung der demokratischen Beteiligung dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Und ja, die direkte Demokratie auf kommunaler Ebene ist zur besten in Deutschland ausgebaut, das Wahlalter für die kommunale Ebene ist auf 16 Jahre gesenkt, und wir hätten das zeit
gleich auch gern für die Landesebene gemacht. Aber die CDU hat die dafür notwendige Zweidrittelmehrheit bisher verweigert.
Die Koalition zieht noch eine andere Schlussfolgerung aus der sinkenden Wahlbeteiligung, um dieser alarmierenden Entwicklung auch durch inhaltliche Politik entgegenzuwirken, vor allem in den Bereichen „Soziales“ und „Bildung“. Für uns als Linke steht fest, dass sich in der zunehmenden Wahlabstinenz auch die eigentlich laut vernehmbare Frage und Forderung nach einer sozial gerechteren Gesellschaft verbirgt. Denn ohne Erfüllung der sozialen Rechte sind die politischen Rechte nicht wirklich das wert, was sie wert sein könnten.
Wir Linke sind uns sicher, dass die Erfüllung der sozialen Rechte unverzichtbar für wirksame politische Rechte ist. Gleiche soziale Teilhabe aller in der Gesellschaft ist notwendige Voraussetzung für die gleiche politische Teilhabe aller in der Gesellschaft. Für die Verwirklichung dieser gleichen Teilhabe aller, sozial wie politisch, machen wir als Linke ganz praktische Politik, arbeiten wir am, im und außerhalb des Landtags, in allen Bereichen der Gesellschaft, auch in der Regierung, um den konkreten Lebensalltag der Menschen in Thüringen zu verbessern. Klar ist das oft ein schwieriger Weg, aber eigentlich der einzig wirksame, um auch die Wahlbeteiligung wieder zu verbessern. Demokratiebildung und Demokratieerziehung in Schulen – aber eben nicht nur dort – ist sehr wichtig und muss unbedingt noch verstärkt werden.
Aber nur das allein wird nicht wirklich helfen. Die Demokratie und ihre parlamentarischen Akteure müssen mit praktischer Arbeit überzeugen, die im Lebensalltag aller Menschen positiv spürbar ankommt. Die Menschen müssen die Chance haben, sich engagiert und fachlich kompetent in die Entscheidung von Sachfragen einmischen zu können. Stichwort „Ausbau der direkten Demokratie auch auf Landesebene“, zu der es aber eine Verfassungsänderung mit Zweidrittelmehrheit braucht.
Wenn alle diese oben genannten Punkte besser umgesetzt werden, stehen die Chancen sehr, sehr gut, dass die Wahlbeteiligung auf Landesebene wieder nach oben geht.
Wenn wichtige Bausteine für wirklich demokratiefreundlichere Wahlen viel grundsätzlicher verortet sind und damit praktisch kaum etwas mit dem konkreten Wahltermin zu tun haben, gilt dann der einfache Schluss, dann ist es egal, ob September oder Oktober 2019? Nein, so einfach ist das nicht. Die Frage lautet dennoch, was bedeutet denn Demokratiefreundlichkeit bezogen auf einen Wahltermin ganz praktisch. In einer Demokratie soll im Optimalfall dem Wahltag ein inhaltlich umfangreicher, fun
dierter, aber in seiner Art und Weise sachlicher und fairer Wahlkampf vorausgehen. Die Wählerinnen und Wähler sollen sich intensiv und umfassend mit den unterschiedlichen inhaltlichen Positionen und Vorhaben der Parteien beschäftigen können. Sie sollen möglichst viele Gelegenheiten bekommen, mit den Kandidatinnen und Kandidaten direkt ins Gespräch zu kommen. Der Wahlkampf ist sozusagen inhaltlich wie zeitlich eine komprimierte Fassung der kontinuierlichen Themen bzw. Sacharbeit der Parteien und Kandidaten, die sonst außerhalb der Zeit des Wahlkampfs stattfindet. Viele Wählerinnen und Wähler verstärken daher ihr politisches Interesse in bzw. auf diese besonders intensive Wahlkampfzeit hin. Bei Festlegung des Wahltermins sollte daher beachtet werden, dass ein solcher intensiver Wahlkampf – dazu gehört die möglichst optimale Erreichbarkeit der Wählerinnen und Wähler – kontinuierlich über ausreichend lange Zeit möglich sein muss. Das heißt praktisch, ein Wahltermin zeitlich nah an den Sommerferien als Hauptreise- und -abwesenheitszeit und in der feriennahen Nachsaison ist für die Erfüllung der oben beschriebenen Wahlkampfaufgaben nicht wirklich sinnvoll. Zwar gibt es im Oktober 2019 vor dem festgesetzten Wahltermin, dem 27. Oktober – Jetzt hören Sie gut zu! –, zeitlich ziemlich nah Herbstferien,
aber erfahrungsgemäß haben diese bei Weitem nicht solche Auswirkungen wie die Sommerferienpause. Ganz entscheidend: Bis zum Wahltermin am 27. Oktober verbleibt im Abstand zu den Sommerferien,
also anders als bei einem September-Termin, noch mehr Zeit für die Erledigung unserer parlamentarischen Arbeit und für einen inhaltlichen Wahlkampf und die demokratische Überzeugungsarbeit bei den Wählerinnen und Wählern. Fazit für uns: Der 27. Oktober ist der demokratiefreundlichere Wahltermin,
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, was heißt „demokratiefreundlicher Wahltermin“? Also wenn ich jetzt sozusagen an umgekehrter Stelle säße, hätte ich mich nicht gewundert, wenn Herr Geibert als Regierungsvertreter gesagt hätte, ein solcher Antrag darf eigentlich hier gar nicht auf die Tagesordnung. Das ist vielleicht sogar ein Verfassungsverstoß, weil wir hier in die Rechte der Exekutive eingreifen, das geht uns ja überhaupt nichts an.
oder den Justizausschuss als Geschäftsordnungsausschuss. Aber es hilft auch immer ein Blick ins Gesetz, wie wir unter Juristen sagen. Wenn man in den § 18 des Landeswahlgesetzes hineinschaut, dann steht dort einfach nur nackt und kalt drin, dass der Termin der Wahl von der Landesregierung festgelegt wird, dass er in einem gewissen Zeitraum liegen muss und dass er – das ist das letzte Kriterium – an einem Sonntag zu liegen hat und dass die Wahlöffnungszeiten der Wahllokale anzupassen sind, wenn andere Wahlen sind, dann an diese anderen Wahlen parallel. Das war es dann auch. Deswegen haben wir da eigentlich überhaupt keinen Spielraum als Landesparlament, dass wir da irgendwie zuständig sein sollten, uns in diese Entscheidung einzumischen. Deswegen habe ich mir jetzt diesen kleinen Scherz erlaubt, dass Sie, wenn Sie jetzt an anderer Stelle gesessen hätten, uns dann wahrscheinlich beredt begründet hätten, warum man wahrscheinlich schon der Aufnahme auf die Tagesordnung hätte widersprechen müssen und das alles überhaupt nicht geht.
Aber weil ich ja nicht so bin wie Sie, unterhalten wir uns jetzt auch in der Sache. Jetzt haben Sie also Gründe vorgebracht, warum es für die Demokratie besser wäre, wenn der Wahltermin ein anderer wäre, und haben gesagt, da könnte man besser Wahlkampf machen. Aber hier kommt jetzt schon wieder der juristische Schalk, der guckt mir schon wieder über die Schulter und sagt: Darf denn eigentlich eine Landesregierung nach Wahlkampfgesichtspunkten den Wahltermin festlegen oder sind das nicht in der Regel andere Kriterien? Hat die Exekutive überhaupt etwas mit Wahlterminen zu tun bzw. mit Wahlkampfterminen oder hat die nicht eigentlich ihre Arbeit zu machen? Kann sie sich nicht dann in freier Entscheidungsgewalt als Exekutive – und das hat sie wohl auch gemacht – mit guten Gründen
dann Gedanken darüber machen, wann die Regierungsarbeit so weit getan ist, dass ein Wahltermin sinnvoll scheint?
In Ihrem Antrag – ich habe ihn gelesen und ich setze mich jetzt gern auch mit Ihren Inhalten auseinander, weil ich ja auch gern diskutiere – steht drin, dass der Wahltermin demokratiefeindlich, ungünstig sei, weil er im Oktober nach den Herbstferien liegt, und man dann die Wählerinnen und Wähler nicht ansprechen könne. Das kann man so oder so sehen. Also ich weiß nicht, wie Sie das machen. In meinem Wahlkreisbüro stellen wir einmal im Monat den Tisch raus und dann diskutieren wir mit den Leuten, die vorbeikommen,
und das sind dann aber an den Markttagen eigentlich immer die Gleichen, nämlich die, die zum Markt gehen. Das heißt, die kennen wir schon, die freuen sich immer sehr, dass es bei mir kostenlos Kaffee gibt, dass sie ihre Sorgen und Nöte loswerden, und manchmal gibt es auch noch einen Keks und die Themen sind auch immer mal interessant. Warum kann man nicht vielleicht in den Herbstferien viel besser Wahlkampf machen als außerhalb von Ferien? Denn der normale Thüringer Bürger, die normale Thüringer Bürgerin kann es sich,
glaube ich, nicht leisten, zwei Wochen Herbstferien zu verreisen, sondern ist vielleicht eher zu Hause, um seine letzten Gartenarbeiten zu verrichten. Die Quitten müssen noch eingekocht werden, sage ich jetzt mal als Gartenbesitzerin. Die sind also zu Hause und ich habe vielleicht sogar die Chance, mehr Bürgerinnen und Bürger anzusprechen, als ich das in Nicht-Ferienzeiten machen könnte.
Hören Sie mir doch mal zu. Ich überlege doch genauso frei, wie Sie das jetzt gemacht haben, auch mal für mich, warum der Wahltermin Ende Oktober für Wahlkämpfe vielleicht sogar besser sein könnte, wenn das denn überhaupt ein Kriterium wäre, das sich die Regierung zur Grundlage ihrer Entscheidung machen darf – da habe ich nämlich Zweifel.
Wie gesagt, Wahlkampf Ende Oktober kann also sehr reizvoll sein, weil man vielleicht in den Ferien mehr Thüringerinnen und Thüringer zu Hause antrifft als an einem Wahltermin kurz nach den Som
merferien, weil kurz nach den Sommerferien wiederum die vielen Thüringerinnen und Thüringer – und das lehrt uns ja die demografische Entwicklung –, die schon keine Schulkinder mehr haben, im Spätsommer gern noch mal ihren Jahresurlaub antreten, denn das Wetter ist meistens noch schön – das haben wir dieses Jahr auch erlebt – und die Urlaubsunterkünfte sind wesentlich preiswerter.
Wenn Sie also dieses Wahlkampfkriterium anlegen wollen – falls man es dürfte – dann kann der Oktober vielleicht sogar günstiger sein, dann werden sie jetzt natürlich – Sie hören mir da auch ungern zu, weil ich da so rumstochere, so hochspekulativ. Aber im Grunde haben Sie doch nichts anderes gemacht. Und wenn wir dann diese Debatte hier geführt haben und andere Kolleginnen und Kollegen haben auch noch erzählt, wann sie am liebsten Wahlkampf machen oder nicht oder wann sie am besten vielleicht ihre Wählerinnen und Wähler zu erreichen hoffen, dann steht am Ende dieser Debatte immer noch in
§ 18 des Landeswahlgesetzes – Wolfgang Fiedler, es steht immer noch ganz nackt drin –: Den Termin legt die Landesregierung fest. Er darf frühestens im 59., spätestens im 61. Monat nach der Konstituierung des Landtags liegen und es muss ein Sonntag sein. Ja, und das war es dann. Das hat die Landesregierung gemacht und wir mischen uns da nicht ein und Sie könnten es sich auch ersparen. Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Parlamentspräsident, sehr geehrte Abgeordnete, liebe Zuhörer, die CDU möchte einen demokratiefreundlichen Wahltermin im September 2019, die AfD möchte es eigentlich auch. Aber die Regierung Ramelow, die hat da andere Präferenzen, möchte so lange wie möglich an den Schalthebeln der Macht sitzen. Man versteht es ja, das ist ja aus ihrer Sicht verständlich.