Protocol of the Session on June 22, 2018

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Reformzug in Thüringen rollt.

(Beifall DIE LINKE)

Gestern haben wir hier in diesem Rund das Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden für das Jahr 2018 beschlossen. Das Gemeindeneugliederungsgesetz 2019 ist in Arbeit. Der erste Kabinettsdurchgang in der Regierung ist erfolgt. Im Moment läuft die Anhörungsphase. Den Gesetzentwurf werden wir auch in Kürze hier im Landtag zu beraten haben.

Heute haben wir die erste Lesung für das Verwaltungsreformgesetz. Die Basis für dieses Gesetz bilden Untersuchungen der zurückliegenden Jahre – das ist schon genannt worden – unter der schwarzroten Vorgängerregierung. Diese Dinge sind ausgewertet und aufgearbeitet worden. Wir haben daraus hier im Parlament, im Hohen Haus, im vergangenen Jahr Leitlinien beschlossen – formuliert im Gesetz über die Grundsätze von Funktional- und Verwaltungsreformen. Die Landesregierung hat das Ganze nun umgesetzt. Der Minister hat darauf hingewiesen, dass gründliche Untersuchungen der Vorgänge durchgeführt worden sind und dass das, was wir in den Leitlinien haben, die Vorstellungen, die die Koalitionsfraktionen hatten, jetzt in Gesetzesform gegossen worden sind.

Meine Damen und Herren, Ziel all dieser Reformbestrebungen ist es, Thüringen auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten.

(Beifall DIE LINKE)

An erster Stelle möchte ich den demografischen Wandel nennen. Wir haben immer weniger Einwohner, werden bald keine 2 Millionen mehr in Thürin

(Minister Prof. Dr. Hoff)

gen haben. Auch wenn ein paar Kinder mehr geboren werden, so reicht das bei Weitem nicht aus, um den Trend auch nur annähernd anzuhalten, sondern er ist schon bedenklich und diese Tatsache kann man auch nicht wegdiskutieren. Die Demografie erfordert es einfach, dass wir die Verwaltungsprozesse straffen.

Als Zweites möchte ich die Digitalisierung nennen. Sie wird die Verwaltung in unserem Land und bei den Kommunen grundlegend verändern, einmal, was die elektronische Akte angeht, was den gesamten Behördenverkehr innerhalb der Verwaltung angeht, und als Zweites die Kommunikation von Bürger zu Verwaltung. Bürgerservice wird in Zukunft mehr und mehr und zum Schluss komplett online erfolgen. Vom Antragsmanagement bis hin zu E-Payment werden alle Dinge online erledigt werden. Darauf müssen wir die Verwaltungsabläufe ausrichten und anpassen.

Und drittens die knapper werdenden finanziellen Ressourcen – auch wenn jetzt der eine oder andere sagt, wir haben doch Steuergelder genug und uns geht es doch verhältnismäßig gut. Weniger Einwohner bedeuten auch in Zukunft weniger Geld. Das bereitet mir schon Bauchschmerzen. Deshalb ist es richtig, dass wir die Verwaltungsstrukturen optimieren. Diese Herausforderungen zwingen zum Handeln. Und die Regierungskoalition handelt, indem sie geeignete Reformschritte vollzieht.

Meine Damen und Herren, was im Gesetzentwurf konkret steht, hat Minister Prof. Hoff hier vorgetragen, darauf brauche ich gar nicht mehr einzugehen. Es ist auch erste Lesung, wir haben noch genug Zeit, das alles zu beraten. Aber wenn ich es mal nur so exemplarisch aufführe, Denkmalschutz wird zusammengefasst, Steuerverwaltung/LFD optimiert, Umstrukturierungen im Bereich Umwelt, Bergbau, Naturschutz. Im nachgeordneten Bereich des Bau- und Infrastrukturministeriums gibt es wesentliche Optimierungen. Diese Behördenzusammenlegungen und auch, dass eine ganze Reihe von Aufgaben neu zugeordnet werden, das alles zusammengebunden zu diesem Thüringer Verwaltungsmodernisierungsgesetz 2018 ergibt ein Reformpaket, das sich wirklich sehen lassen kann.

Meine Damen und Herren, wir werden die einzelnen Punkte nicht um jeden Preis durchdrücken.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Werner, Werner!)

Und allen Zweiflern und Kritikern – auch Dir, lieber Mike – sage ich, bringt euch ein.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Machen wir doch!)

Wir wollen eine umfassende Diskussion um die fachlich besten Lösungen. Nach bestem Wissen und Gewissen wollen wir die richtigen Entscheidun

gen für Thüringen treffen. Deshalb wollen wir den Gesetzentwurf auch breit streuen, an fünf Ausschüsse überweisen – darauf haben wir uns in der Koalition verständigt: an den Innen-, Europa-, Infrastruktur-, Umweltausschuss. Federführend soll das Ganze der Haushalts- und Finanzausschuss beraten. Hiermit beantrage ich diese Ausschussüberweisungen. Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner erhält Abgeordneter Fiedler von der CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben nun einiges gehört, das Letzte hat mich bald umgehauen. Dr. Pidde sagte: federführend in den Haushaltsausschuss. Ich bin vollkommen überrascht, dass der Haushalts- und Finanzausschuss jetzt der Strukturausschuss ist. Ich habe mich schon gewundert, warum nicht der Innenminister das Ganze macht und die Staatskanzlei das übernimmt. Aber man ist ja hier vor Überraschungen nie gefeit.

(Zwischenruf Abg. Dr. Pidde, SPD: Sie kön- nen ja andere Vorschläge machen!)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Die Staatskanzlei macht das seit 2014!)

Sie werden am Ende, wenn ich hier die Dinge gesagt habe, unsere Meinung ganz klar verstehen.

Herr Prof. Dr. Hoff, der von hier vorn gern auch mal Abgeordnete geraderücken will: Lieber Professor, es ist nun mal so hier im Parlament, hier oben sitzt jemand, der macht das, und da sitzen die. Wenn ich immer die Zwischenrufe, die ich manchmal von der Bank hier kriege, alle monieren würde, wäre es ja böse. Aber das ist alles freundschaftlich, das halten wir aus.

Mir geht es noch mal darum, dass er gesagt hat: Jetzt machen wir Frühjahrsputz.

(Beifall CDU, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, jetzt haben wir Sommer. Wenn ich mir überlege, dass Sie noch reichlich ein Jahr lang regieren, ist das ein ganz zeitiger Frühjahrsputz, den Sie jetzt anlegen. Und dann höre ich immer wieder: Wir werden uns das noch mal näher betrachten, Schwarz-Rot hätte ja so gut vorgearbeitet. Da frage ich mich, wenn Schwarz-Rot so gut vorgearbeitet hat: Warum kommt es denn jetzt erst? Dann hätte es doch schon längst passé sein können.

(Beifall AfD)

(Abg. Dr. Pidde)

Ich meine, man erträgt das, als Parlamentarier ist man ja einiges gewöhnt, aber wenn man immer wieder sagt, nachdem man nun fast eine Legislatur lang regiert hat: Die anderen haben und die haben nicht usw. Langsam wird es ermüdend, man sollte sich auf seine Stärken besinnen und nicht immer sagen: Die anderen haben doch oder haben nicht. Deswegen will ich das vielleicht mal als Vorbemerkung nennen.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Er hat die Vorgängerregierung gelobt!)

Dr. Pidde, so euphorisch nach vorn – das ist man von einem Finanzer gar nicht so richtig gewohnt: Der Zug rollt usw. usf. Die Frage ist nur: Wo rollt er hin

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Ihr steht an der Bahnsteigkante und winkt!)

und vor welche Wand fährt er denn? Das wird die große Frage sein.

Meine Damen und Herren, nachdem das Ganze so spät kommt, will die Linkskoalition mit dem Gesetzentwurf in den wenigen verbleibenden Monaten die Behördenstruktur im Freistaat unbedingt …

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ein Jahr und neun Monate!)

Wieviel? Ein Jahr und neun Monate – dagegen habe ich auch nichts. Wenn es nach euch geht, werden wir im Winter Wahlkampf machen. Ich hoffe, es geht nicht nach euch und dass man zu vernünftigen Zeiten Wahlkampf macht, aber das werden wir sehen.

(Beifall CDU, AfD)

Die rot-rot-grüne Koalition will also im Freistaat unbedingt noch umfassend die Behördenstruktur umkrempeln und damit der Nachwelt offenbar ein Chaos hinterlassen.

Meine Damen und Herren, der Minister hat so locker gesagt, er bedankt sich bei den Personalräten usw. Meine Kollegen haben gestern ein Gespräch mit der Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte geführt. Die haben sich fürchterlich beklagt, dass sie überhaupt nicht beteiligt werden. Also irgendwas stimmt nicht: Entweder stimmt Ihres nicht oder das Gespräch, das gestern oder vorgestern geführt wurde, bei dem sie sich fürchterlich beklagt haben, dass sie nicht einbezogen werden.

(Unruhe DIE LINKE)

Das gibt doch wieder Unruhe, jetzt ist es schwer, wenn man nicht zwischenrufen kann, wenn man vorher den Sprecher – das ist schwer, ich weiß das.

(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Reden Sie doch einfach!)

Ja, ich rede doch einfach. Na freilich, aber ich freu mich doch, wenn ich Ihr Gesicht sehe.

(Zwischenruf Prof. Dr. Hoff, Minister für Kul- tur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei: Reden Sie doch zur Sache!)

Wozu ich rede, Herr Minister, müssen Sie mir hier vorn überlassen. Das ist das Privileg, dass wir immer noch das Parlament sind.

(Unruhe DIE LINKE)

Ja, ihr könnt euch ja heute kurz vor den Ferien noch erregen.

Ungeachtet hiervon, scheinbar geleitet von einem ganzen Strauß abenteuerlicher Motive sollen mit dem Gesetz in vier Ressorts Behördenstrukturen zerlegt und neu zusammengewürfelt werden. Dass es sich bei den abenteuerlichen Motiven wohl auch um ideologische handelt, wird deutlich, wenn man sich die Federführung dieses Gesetzes anschaut. Diese ist bei der Staatskanzlei angesiedelt und nicht etwa im Innenministerium, welches nach meiner Kenntnis für Funktional- und Verwaltungsreformen originär zuständig wäre.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Falsch!)