Protocol of the Session on May 23, 2018

Deshalb: Ja, die Thüringer Landesregierung verfolgt da ein anderes Ziel. Ich habe an dieser Stelle auch immer deutlich gesagt: Suhl ist für uns ein Ankunftszentrum und zu diesem Begriff stehe ich auch. Ich finde das in Ordnung, ich finde das gut, dass wir das Ankunftsgeschehen in Thüringen zentralisiert haben. Ich finde es gut, dass wir an einem Ort Erstregistrierungen, medizinische Untersuchungen, Aufnahme der ersten Arbeitsamtsdaten und die Durchführung des Asylverfahrens beim BAMF machen, dass wir dort wirklich diese kurzen Wege haben, dass man sozusagen wirklich nur über den Hof gehen muss, um beim Bundesamt zu sein. Ich finde es richtig und gut, dass wir das an diesem Punkt zentralisiert haben. Aber danach bleibt eben – und das ist das System von Suhl und das halte ich weiter für richtig – die Verteilung in die Landkreise, denn Suhl kann nur so funktionieren, wenn dieses System dort oben so läuft und es ein permanenter Durchlauf ist.

Wie mit Straftätern umgehen? Auch da, sage ich Ihnen, gibt es eigentlich nur eine Lösung – und das ist der Rechtsstaat. Mit Straftätern geht man so um, dass die Polizei ermittelt, die Staatsanwaltschaft anklagt, die Gerichte sich damit beschäftigen und anschließend gibt es ein Urteil. Und dann steht fest, ob jemand Straftäter war – ob uns das gefällt oder nicht. Und das gilt für ausländische Menschen, die zu uns gekommen sind, wie für Deutsche: Es gilt die Unschuldsvermutung.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das sage ich auch ganz bewusst als Justizminister. Und die gilt so lange, bis ein deutscher Strafrichter festgestellt hat, dass jemand eine Straftat began

(Minister Lauinger)

gen hat. Deswegen bin ich auch immer sehr vorsichtig, wenn von Straftätern geredet wird. Von Straftätern wird nämlich oftmals und sehr schnell schon dann geredet, wenn irgendeine Straftat im Raum steht, die irgendjemand begangen haben soll. Aber wenn man denn die Rechtsstaatlichkeit so ernst nimmt, wie Sie sagen, dann bitteschön auch nur dann von Straftätern reden, wenn Gerichte festgestellt haben, dass tatsächlich eine Straftat vorliegt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich stimme auch zu – ich weiß nicht mehr genau, welcher meiner Vorredner das gerade eben gesagt hat, ich glaube, Herr Hartung war es –: Ja, wir müssen uns ehrlich machen. Ein Großteil der Menschen wird hierbleiben – da haben Sie widersprochen. Der wird aber teilweise auch hierbleiben, wenn er einen abgelehnten Asylbescheid hat. Das Paradebeispiel sind immer, auch weil es die größte Gruppe ist, die Afghanen. Bei den Afghanen haben wir eine ungefähr hälftige Anerkennungsquote, eine hälftige Ablehnungsquote und eine Abschiebequote, die gegen null tendiert. Also muss man einfach faktisch feststellen: Ein Großteil der Menschen wird hierbleiben. Und dann macht es eben gerade keinen Sinn, diese von Integrationsmaßnahmen auszuschließen. Deshalb ist es eben auch so wichtig, dass diese Landesregierung an dieser Stelle sehr viel Geld in die Hand genommen und das Integrationskonzept geschrieben hat, wo wir uns klar dazu bekennen: Nur wer die Chance hat, hier die Sprache zu lernen, nur wer die Chance hat, in der Gesellschaft anzukommen, nur wer die Chance hat, in einen Job zu kommen, der kann sich auch tatsächlich integrieren.

Jetzt sehe ich, dass ich schon fast 10 Minuten geredet habe. Ich erspare mir jetzt eine ganz lange statistische Aufzählung dessen, was da in den letzten Monaten schon erfolgreich passiert ist. Diese positiven Beispiele von Herrn Hartung gibt es zuhauf. Wir haben wirklich inzwischen eine ganz, ganz große Zahl tatsächlich durch Sprachkurse gebracht. Die Zahl derjenigen, die mit Migrationshintergrund sozialversicherungspflichtige Jobs aufgenommen haben, hat in Thüringen deutlich zugenommen. Die Maßnahmen des Arbeitsamts haben deutlich zugenommen. Wie gesagt, wir können es gern mal auf die Tagesordnung des Ausschusses für Justiz und Migration setzen, das fände ich spannend, dann trage ich Ihnen mal die ganzen Zahlen, was sich auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich schon bewegt hat und was sich mit Sicherheit noch in den nächsten Monaten bewegen wird, im Detail vor. Und das alles auch vor dem Hintergrund, wie Herr Hartung gesagt hat: Wir brauchen die Menschen dringend. Wenn Sie sich die Situation in Thüringen anschauen, wo überall Arbeitskräfte fehlen, dann

wäre es geradezu eine Verschwendung, da nichts zu tun. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Durch die Redezeit des Ministers haben jetzt alle Fraktionen noch mal 2 Minuten Redezeit. Wünscht das jemand? Das kann ich nicht erkennen. Dann schließe den dritten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den vierten Teil

d) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Familien entlasten – KITA-Beiträge und Gebühren vor Ort transparent und gerecht gestalten“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5737

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Abgeordneten Wolf, Fraktion Die Linke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Elternvertretung, Frau Grosse-Röthig sehe ich, Frau Kirchner, die frühere Landeselternsprecherin! Beitragsfrei, es bleibt dabei. Dies ist das Versprechen durch die Koalition an die Familien in Thüringen zum letzten Kita-Jahr. Wir als Koalition haben Wort gehalten. Die rot-rot-grüne Landesregierung finanziert mit 29 Millionen Euro im Jahr die Elterngebühren des letzten Kita-Jahres eins zu eins aus.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nun aber ist es so, wie die „Thüringer Landeszeitung“ am Sonnabend titelte: „Kommunen gewähren Eltern bei Kita-Kosten keine Mitsprache“. Dies ist nach den neuen gesetzlichen Regelungen in § 29 Abs. 3 ein klarer Gesetzesverstoß. Hintergrund der Neuregelung – es sei hier noch mal daran erinnert – waren immer wieder Meldungen der Landeselternvertretung, dass es Kommunen und Träger gibt, die bei den Essenskosten eine zweite Elterngebühr verlangten, indem sie dort Kosten einforderten, die nicht ganz unerheblich waren und die wir jetzt mit dieser Regelung im Gesetz erfasst haben. Vorbereitung, Zubereitung und Nachbereitung sollen zukünftig nicht mehr den allgemeinen Betriebskosten zugerechnet werden, sondern gesondert ausgewiesen und den Elternbeiräten dargestellt und ihnen nach § 29 Abs. 2 Satz 3 Einblick in die Unterlagen gewährt werden sowie diese gesondert in Rechnung gestellt werden.

(Minister Lauinger)

Nun kann man sich natürlich lange fragen und darüber diskutieren, ob es überhaupt Essensgebühren braucht. Ich will hier noch mal an Hildburghausen im Jahr 2010 erinnern. Der heute bei uns in der Fraktion sitzende Kollege Harzer hat damals als Bürgermeister durchgesetzt und das gilt heute noch, dass Essensgebühren gar nicht erst erhoben werden. Das ist familienfreundliche Politik, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Grob, CDU: Was ist das denn für ein Quatsch?)

Was passiert aber im Moment? Rositz im Altenburger Land will zum Beispiel 20 Euro Essensgebühren zusätzlich erheben. Das ist ja so weit erst mal gesetzeskonform. Aber Rositz senkt nicht die Elterngebühren. Wenn das aber ein Teil der allgemeinen Betriebskosten war, dann sollten – so ist das unsere Meinung und so steht es auch im Gesetz – auch die Betriebskosten entsprechend so gestaltet sein und die Elterngebühren auch um diesen Betrag sinken. Das soll in Rositz nicht passieren. Das ist unserer Meinung nach familienfeindlich. Und eine Politik, die im ländlichen Raum familienfeindlich ist, kann so nicht geduldet werden, weil sie natürlich Familien vertreibt und nicht anzieht.

Zweites Beispiel – Elterngebühren im Allgemeinen: Dort haben wir im Südlichen Saaletal schon vor Monaten eine Diskussion gehabt, dass die VG die Elterngebühren deutlich anheben wollte. Durchschnittlich liegen die Elterngebühren von uns errechnet bei 120 Euro im Monat. In der VG Südliches Saaletal sollten sie von 150 auf 200 Euro für Kinder ab zwei Jahren und 180 auf 220 Euro für Kinder ab einem Jahr steigen. Begründung war damals: Das sind die Regelungen des neuen Kita-Gesetzes, die uns dazu zwingen. Nun ist Minister Holter damals zu einer Veranstaltung gefahren und hat klargestellt, dass in dem Kita-Gesetz keine Kostenerhöhungen drin sind, dass wir das alles eins zu eins finanzieren, auch den besseren Personalschlüssel mit 26 Millionen Euro. Daraufhin haben offensichtlich dort die Kommunalvertreter kalte Füße bekommen und haben das ohne Beteiligung der Eltern durchgedrückt. Und jetzt sollen auch noch mal zusätzlich Essensgebühren erhoben werden, was ja dem Gesetz entspricht, ohne dass die entsprechenden Elterngebühren sinken. Das nenne ich Trickserei, das nenne ich eine Politik zulasten der Eltern. Das geht so nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Drittes Beispiel – Harztor: Wie im MDR-Beitrag gesehen, sagt der Bürgermeister dort, 732.000 Euro bekommt er vom Land für die Aufgabe Kita. Das ist

schlichtweg falsch. Die Antwort auf die Kleine Anfrage in Drucksache 6/4244 macht deutlich, dass der Anteil aus § 19 für die Pauschalen und der 13,6-prozentige Anteil aus der Schlüsselmasse für Harztor 831.564 Euro ausmacht, also knapp 100.000 Euro mehr. Da wird also sozusagen wieder zulasten der Eltern getrickst. Das geht so nicht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage hier ganz klar und in Richtung der CDU: Wer selbst ernannt Familienpartei und Partei des ländlichen Raumes sein will, sollte seine Kommunalvertreter dazu anhalten, rechtskonform zu wirken. Das erwarten wir auch von der CDU. Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat Abgeordnete Rosin das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, werte Elternvertreter der Landeselternvertretung Thüringen, herzlich willkommen im Thüringer Landtag! Kollege Wolf, ich möchte nur anmerken, da ja viele die Petition unterschrieben haben, leider heißt das Gesetz ja „Thüringer Kindertagesbetreuungsgesetz“, aber es ist ja der Kindergarten, von dem wir sprechen, und es geht um unsere Jüngsten, die wir da betreuen. Sie haben sich auf den Weg gemacht und haben im neuen Kindertagesbetreuungsgesetz, das Sie im vergangenen Dezember mit Ihren Stimmen auf den Weg gebracht haben, gesagt, Sie wollen natürlich die Beitragsfreiheit einführen. Und auch ich habe damals hier am Pult gesagt: Dieses Gesetz, das im Dezember letzten Jahres in Kraft getreten ist, hat Licht und Schatten. Denn dieses Gesetz, was Sie für die Eltern auf den Weg gebracht haben, hat nämlich einen wichtigen, entscheidenden Faktor vergessen. Für diesen Faktor gilt es, für die Elternbeiträge, dass das zur Verfügung gestellte Geld, was das Land für das beitragsfreie Kita-Jahr und für den Betreuungsschlüssel zur Verfügung stellt, nicht allein der Faktor ist, denn die finanzielle Leistungsfähigkeit der Kommune ist der entscheidende Faktor für die Gestaltung der Elternbeiträge in der Kindertagesbetreuung. Viele Kommunen befinden sich dank der rot-rot-grünen Gängelei in der Haushaltssicherung und sind damit quasi per Gesetz gezwungen,

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

ihre Elternbeiträge zu erhöhen.

(Beifall CDU)

(Abg. Wolf)

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE: Das ist ja lächerlich!)

Denn wenn sie Bedarfszuweisungen beantragen, müssen Sie nämlich nachweisen, ob sie diese Bedarfszuweisungen überhaupt erhalten können.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist falsch! Kita-Gebühren sind da rausgenom- men. Das ist falsch!)

Aktuell gibt es einige Klagen. Sie können nach Bad Langensalza schauen, da hat man sich vor Gericht wiedergesehen. Das sind Fakten, die wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen, und die haben wir angemahnt. Die CDU-Fraktion hat seit Einbringen des Gesetzentwurfs zur Novellierung im Mai 2017 darauf hingewiesen, dass das neue Kita-Gesetz Preistreiber enthält, die zu Gebührenerhöhungen bei den Eltern führen werden. Auch die kommunalen Spitzenverbände und die Träger von Kindertageseinrichtungen haben darauf im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses mehr als deutlich hingewiesen. Zu den Preistreibern des Gesetzes gehören unter anderem erstens die Neuregelungen der Verpflegungskosten, denn künftig müssen nämlich laut Gesetz mit dessen Inkrafttreten alle Kosten der Vor-, Zu- und Nachbereitung des Essens

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Nicht müssen – können!)

und der Ausgabe in das Essengeld hineingerechnet werden. Schauen Sie ins Gesetz, Herr Kuschel!

Zweitens: Die neuen Regelungen zur Inklusion von behinderten Kindern sind auch Preistreiber.

Drittens – die Anforderungen an die Qualifikation der Kita-Leitung: Künftig müssen Leiterinnen einer Kita mit mehr als 69 Plätzen ein Studium vorweisen.

Und viertens: das Ausdehnen des Krippenalters auf Kinder bis zu drei Jahren.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das hat damit überhaupt nichts zu tun!)

Aber auch bei der Erstattung der kommunalen Einnahmeverluste aufgrund der Gebührenfreiheit im letzten Kindergartenjahr durch das Land können die Kommunen auf ihren Kosten sitzen bleiben, nämlich dann, wenn nach dem Stichtag zur Erhebung der Anzahl der Kinder im letzten Kindergartenjahr die tatsächliche Kinderzahl in den Einrichtungen steigt. Denn Veränderungen der Kinderzahlen nach dem Stichtag

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Gilt doch auch anders herum, bei den Abgän- gen!)

werden in der Abrechnung nicht berücksichtigt. Ebenso wird verfahren, wenn sich die Elternbeiträge nach dem Stichtag ändern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Landesregierung diese Warnung bis zuletzt ignoriert hat und die Koalitionsfraktionen den Gesetzentwurf mit ihrer Mehrheit verabschiedet haben, zeigt, dass es bei der Einführung des beitragsfreien Kindergartenjahres um reine Symbolpolitik ging und nicht um eine wirklich tragfähige und tatsächliche Entlastung der Eltern in Thüringen.

(Beifall CDU)

Dass die Fraktion Die Linke mit der heutigen Aktuellen Stunde versucht, den Schwarzen Peter den Bürgermeistern zuzuschieben, ist unredlich. Denn bei der Verabschiedung des Gesetzes war bereits klar, dass es zu höheren Elternbeiträgen in Thüringen kommen wird, und das haben wir jetzt. Ich habe die Beispiele ja entsprechend aufgeführt.