Protocol of the Session on April 27, 2018

Sie werden sicherlich diesen Weg nicht beschreiten, den Sie hier vorgezeichnet haben.

Ja, man sagt immer: Was lange währt, wird endlich gut. Das hört man oft, aber in dem Fall und mit Blick auf die Novelle des Thüringer Hochschulgesetzes muss man leider feststellen, dass dies nicht der Fall ist.

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, lassen Sie mich zunächst einmal eine grundsätzliche Überzeugung kundtun, die ich in einem anderen Zusammenhang auch schon mal im Hohen Haus geäußert habe. Die geht mir vor allen Dingen deswegen heute leicht von den Lippen und ich möchte das noch mal tun, weil wir heute auch eine große Zahl Schüler und Lehrer im Hause haben, die das vielleicht innerlich auch so sehen. Ich habe das Gefühl als Mann, der seit 15 Jahren im Bildungsprozess involviert war und natürlich auch studiert hat, also sämtliche Bildungssysteme der Bundesrepublik Deutschland selbst durchlaufen hat, sei es als Student oder als Lehrer, dass die Bildung in der Bundesrepublik Deutschland sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene seit Jahrzehnten schon die Spielwiese von Ideologen ist.

(Beifall AfD)

Jedes Jahr, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, wird eine neue pädagogische Sau durch unsere Straßen gejagt, jedes Jahr werden neue Reformen auch im Hochschulwesen diskutiert. Ich kann Ihnen versichern, dass die Schulen sich nach pädagogischem Frieden sehnen, weil sie wissen, dass nur befriedete Schulen eine gute Erziehungs- und Bil

(Abg. Schaft)

dungsarbeit machen können. Seien Sie auch versichert, dass sich die Hochschulen nach dem sehnen, was man Ihnen jahrzehntelang in diesem Lande schon vorenthält, nämlich nach Kontinuität und Verlässlichkeit durch die Politik.

(Beifall AfD)

Ich und meine junge Partei bzw. die Fraktion meiner jungen Partei, die in den Landtagen und im Bundestag jetzt auch Politik zumindest aus der Opposition heraus gestalten darf, sind der festen Überzeugung, dass wir uns in den nächsten Jahren und hoffentlich dann irgendwann auch bald in Regierungsverantwortung für die Beendigung der Dauerrevolution im Bildungswesen in Deutschland und in Thüringen auf allen Ebenen einsetzen können und auch werden.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Hennig-Wellsow, DIE LIN- KE: Was erzählen Sie eigentlich hier für einen Quatsch?)

Eine Revolution im Bildungssystem, das war der sogenannte Bologna-Prozess. Frau Mühlbauer – ist jetzt nicht mehr im Haus, das ist schade, wenn die Rednerin zu einem Tagesordnungspunkt dann das Weite sucht, aber vielleicht hört sie mich ja irgendwo beim Essen jetzt vor dem Bildschirm sitzend.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Im Haus ist sie bestimmt!)

Sie hat hier vorn vom Rednerpult in entsprechenden Ausführungen die Selbstverantwortung der Universitäten gelobt bzw. sie gefordert und das sei angeblich in der Novellierung des Thüringer Hochschulgesetzes auch so niedergelegt. Ja, selbstverständlich wollen wir die Selbstverantwortung von Studenten in Thüringer Hochschulen unterstützen und fördern, aber in dem Zusammenhang darf doch mal daran erinnert werden, wer denn federführend verantwortlich war für den Bologna-Prozess. Wer hat denn die Universitäten zu besseren Schulen gemacht? Wer hat die Verschulung vorangetrieben? Und wer hat die Studenten entmündigt und sie ihrer Selbstverantwortung beraubt? Das war federführend die SPD, natürlich auch in Koalition mit der CDU. Und das sind Politiker, die stellen sich hier vorne hin und haben tatsächlich die Stirn zu behaupten, sie wollen die Selbstverantwortung der Studenten stärken. Das ist doch pure politische Heuchelei. Und das ist mit der AfD mit Sicherheit nicht zu machen.

(Beifall AfD)

Man kann – und ich glaube, das ist übrigens auch schon in dieser Plenardebatte deutlich geworden, und Kollege Voigt hat das auch durchaus im Detail richtig ausgeführt – rückblickend auf den Prozess, auf die Genese dieser Novelle des Thüringer Hochschulprozesses und im Besonderen aber mit Blick

auf das Produkt, also die Novelle, die die Landesregierung heute hier vorlegt und durch das Hohe Haus bringen will, davon sprechen, dass wir es nicht mit etwas zu tun haben, was man Sternstunde des Parlamentarismus nennen könnte.

Wir haben heute hier vorn vom Rednerpult immer wieder die Betonung gehört, man hätte sich in diesem Gesetzentwicklungsprozess Transparenz und Beteiligung zugeschrieben bzw. diese gefördert. Ja, das ist durchaus richtig. Man hat Auftaktveranstaltungen durchgeführt im Januar 2016. Es gab auch Regionalforen an den sieben Hochschulstandorten im Land zwischen April und September des gleichen Jahres. Es gab die sogenannten Werkstattgespräche zwischen Oktober und November 2016. Ja, die gab es tatsächlich. Und es gab die Anhörung von – nach Angaben des Ministeriums – etwa 80 Institutionen und Verbänden zum ersten Referentenentwurf.

Ja, das ist richtig, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete. Rot-Rot-Grün versuchte mit aller Kraft, den Eindruck einer besonderen Beteiligung und Öffnung des Gesetzgebungsprozesses für Anregungen aus Wissenschaft und Hochschulen zu erwecken. Heute müssen wir leider feststellen mit Blick auf das Ergebnis, dass alles nur gespielt war, dass alles nur politische Show war.

(Beifall AfD)

Ich möchte daran erinnern, dass in diesem pseudotransparenten und pseudopartizipativen Prozess Tausende Stunden Lebens- und Arbeitszeit hochqualifizierter Menschen abgerufen worden sind, ohne dass Sie, sehr geehrte Landesregierung – das ist jedenfalls mein Gefühl, und nicht nur mein Gefühl, auch mit den Worten des Kollegen Voigt wurde es zum Ausdruck gebracht –, wirklich bereit gewesen wären, Ihre eingangs schon feststehende Position in anderen als marginalen Punkten zu überdenken. Der Deutsche Hochschulverband stellte fest, dass der Gesetzentwurf – wie er in der ersten Lesung vorgelegt wurde – nur unwesentliche Verbesserungen im Vergleich zum Referentenentwurf vom Mai 2017 enthielt. Die Appelle der Thüringer Landesrektorenkonferenz, immerhin der Zusammenschluss aller Rektoren und Präsidenten unserer zehn Thüringer Hochschulen, die bereits zu Beginn des „Dialog“-Prozesses – diesen Dialog muss man wirklich in Anführungszeichen setzen – nachdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass kleine Korrekturen und Anpassungen an die geltende Rechtsprechung eine mehr als ausreichende Novelle des Hochschulgesetzes wären, ignorierten Sie ebenfalls.

Kleine Korrekturen wären ausreichend gewesen – und da bin ich wieder bei meiner Eingangsfeststellung: die Dauerrevolution im Bildungssystem beenden. Warum begnügen wir uns nicht mit entsprechend kleinen, der Realität natürlich nachkommen

den und Veränderungen aufgreifenden Anpassungen des Gesetzes? Nein, es muss, wie gesagt, wieder ein ganz neues Konzept auf die Beine gestellt werden. Auch der Hinweis der Professoren, dass die Novelle die nationale und internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährde, konnte Sie leider von Ihrem ideologischen Pfad nicht abbringen.

(Beifall AfD)

Aus zahlreichen anderen Stellungnahmen wird weiter deutlich, dass eingebrachte Anregungen und Verbesserungsvorschläge nicht berücksichtigt wurden. Es ist keine Überraschung, dass die Anhörung dann letztlich so gelaufen ist, wie sie gelaufen ist. Für Rot-Rot-Grün war sie eine Katastrophe – und das bekenne ich und das anerkenne ich. Erfahrenen Kollegen im Hause ist wohl deshalb auch uneingeschränkt zuzustimmen, dass es selten ein Anhörungsverfahren in der Geschichte des Thüringer Landtags gegeben hat, aus dem sich ein derart deutlich negatives Fazit zu einem Gesetzentwurf ziehen lässt, wie sich das im vorliegenden Fall entsprechend rekonstruieren lässt.

Um noch mal ein abschließendes Resümee für diesen Prozess zu ziehen: Ja, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, ich spreche hier in diesem Zusammenhang von Pseudotransparenz und ich spreche von Pseudobeteiligung, denen – wie ich das gern auch noch mal betone – unnötigerweise Tausende Stunden Lebens- und Arbeitszeit geopfert wurden. Das bedauere ich und das bedauert meine Fraktion sehr.

(Beifall AfD)

Lassen Sie mich trotzdem zu einzelnen Punkten Ihres Gesetzes für meine Fraktion Stellung nehmen, um auch noch mal an der einen oder anderen Stelle deutlich zu machen, dass wir auch inhaltlich aus Überzeugung dieser Novelle des Hochschulgesetzes nicht zustimmen können.

Erstens lehnen wir dieses Gesetz ab, weil es diffamierende Aussagen enthält. Ich verweise hier auf Feststellungen im Vorblatt des Gesetzentwurfs unter C – Alternativen. Dort steht, es gäbe zu diesem Gesetz keine Alternative, da die „Beibehaltung des jetzigen Rechtszustands [...] aus dem Verfassungsauftrag aus Artikel 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes und Artikel 27 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen“ und den daraus „folgenden Vorgaben an eine Gestaltung eines das individuelle Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung sicherndes Hochschulorganisationsgefüges“ – was immer das auch bedeuten mag – nicht erfüllen würde. Mir sei an dieser Stelle noch einmal der Einschub gestattet, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete: In einer Demokratie gibt es immer Alternativen.

(Beifall AfD)

Alternativlosigkeit existiert nur in den Hirnen und manchmal leider allzu oft auch in den Aussagen von Ideologen. Eine solche Alternativlosigkeit lehnen wir ab.

(Beifall AfD)

Und die Behauptung, die ich gerade dargestellt und in Auszügen auch zitiert habe, ist zudem als absurd zurückzuweisen. Man kann das wirklich nicht anders bezeichnen – eine absurde Behauptung, die man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen muss. Hier unterstellt nämlich die Landesregierung dem bisherigen Thüringer Hochschulgesetz bzw. dem Thüringer Hochschulwesen kurzerhand eine Verfassungswidrigkeit – eine Behauptung, die sich wirklich durch nichts, aber auch gar nichts belegen lässt.

(Beifall AfD)

Auch die unter Punkt I – Stärkung und Ausbau demokratischer Strukturen – enthaltene Passage, wonach Mitbestimmung und die Suche nach gemeinschaftlich getragenen Entscheidungen auf allen Ebenen der Hochschule zukünftig – ich betone: zukünftig – Teil der Hochschulkultur sein sollten, grenzt an eine Diffamierung des Thüringer Hochschulwesens und der Arbeit dieser Legislative in den letzten Jahrzehnten. Das ist fast schon als infam zu bezeichnen, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete.

(Beifall AfD)

Gehen Sie tatsächlich davon aus, sehr geehrte Landesregierung, dass Mitbestimmung und die Suche nach gemeinschaftlich getragenen Entscheidungen bisher nicht Teil der Hochschulkultur im Freistaat gewesen sind? Gehen Sie davon aus? Die Passagen in Ihrem Gesetz und die Wortwahl lassen jedenfalls darauf schließen. Etwas mehr Bescheidenheit

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ein Stichwort!)

täte Ihnen, sehr geehrte Landesregierung und sehr geehrte Kollegen von den Regierungsfraktionen, jedenfalls gut. Aber Sie sind als Ideologen augenscheinlich im Besitz der Wahrheit.

Zweitens lehnen wir die Novelle ab, weil Sie unkalkulierbare Kosten nach sich ziehen könnte. Die Landesregierung nimmt Bezug auf die Freistellung der Gleichstellungsbeauftragten, des neuen Diversitätsbeauftragten und stellt fest, dass die Kosten nicht zu beziffern seien. Auch seien die Kosten für die Übernahme der Bauaufgaben nach § 15 des neuen Gesetzes nicht abzuschätzen, da unklar sei, ob und in welchem Umfang zusätzliches Personal an den Hochschulen benötigt werde. Laut Ihrer Begründung sollen alle dargestellten möglichen Mehrkosten aus dem bereits existierenden Budget der Hochschulen erbracht werden, sodass dem Lan

deshaushalt angeblich keine zusätzlichen Kosten entstünden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, das glauben Sie doch wohl selbst nicht!

(Beifall AfD)

Besonders für die kleinen Hochschulen im Freistaat sind gerade die Gleichstellungs- und Diversitätsbeauftragten eine massive finanzielle Mehrbelastung. Prof. Dr. Scharff weist für die TLRK also zu Recht darauf hin, dass das novellierte Gesetz für die Thüringer Hochschulen mitnichten kostenneutral ist und dass wir als Gesetzgeber hier eingreifen müssten, um die neu entstandenen Kosten abzufedern.

Apropos Kosten und Finanzen: Unberücksichtigt blieb zu unserem Bedauern leider auch ein wichtiger Hinweis aus der Stellungnahme des Landesrechnungshofs. Selbiger kritisiert massiv – und ich bitte die Landesregierung, das zumindest in der Nacharbeit noch mal nachzulesen –, dass der Jahresabschluss durch den Hochschulrat beschlossen und festgestellt werden soll. Durch den Hochschulrat! Wir wissen, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, dass aus dem Landeshaushalt über 450 Millionen Euro jährlich in unsere Hochschulen fließen. Das ist sicherlich gut investiertes Fließen, das ist sicherlich gut investiertes Geld, jedoch haben Sie als Landesregierung, Sie als Minister, Herr Tiefensee, die Verantwortung für die Verausgabung dieser Gelder. Sie können sich im Ministerium nicht einfach aus dieser Gesamtverantwortung zurückziehen.

(Beifall AfD)

Deswegen muss dieser Jahresabschluss zwingend – und das ist ein Wort und ein Begriff, der auch in der Stellungnahme des Landesrechnungshofs nachgelesen werden kann – vom Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft festgestellt werden. Gerade wenn ich diesen Punkt anspreche, dann kann ich Sie der politischen Heuchelei überführen, denn das ist doch wirklich eine Idee bzw. ein Hinweis, den man ohne Probleme relativ leicht in die Novelle des Hochschulgesetzes hätte einbauen können und der nun wirklich Hand und Fuß hat. Auch das haben Sie nicht vermocht.

Drittens lehnen wir dieses Gesetz wegen der Einführung der Drittel- und Viertelparitäten im Senat und in Fachschaftsräten ab. Dieses neue Aufgaben- und Kompetenzgefüge in Hochschulstrukturen muss sehr kritisch betrachtet werden. Hier stehen wir als AfD ganz an der Seite der Landesrektorenkonferenz. Diese von der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen vorangetriebene Trennung von Entscheidung und Verantwortung, wie sie heute auch schon angesprochen worden ist, ist eine elementare Gefahr für die Handlungsfähigkeit der Thüringer Hochschulen. In einer Zeit – und da

rauf wurde auch schon zu Recht heute hingewiesen –, in der vielmehr die Effizienz der Entscheidungsprozesse gefördert werden müsste, schafft diese rot-rot-grüne Landesregierung überaus aufwendige Abstimmungsprozesse sowie Einspruchsund Blockademöglichkeiten in den Verwaltungsgremien der Hochschulen.

(Beifall AfD)

Auch die Vorstellung, man könne Demokratie anhand mechanisch, paritätisch besetzter Gremien festmachen, ist als falsch zurückzuweisen. Ich möchte in diesem Zusammenhang daran erinnern: Wenn wir uns als AfD für eine Stärkung der direkten Demokratie aussprechen, dann werfen Sie uns nicht selten vor, dass es eine Gefahr für den Rechtsstaat sei, komplexe Fragen auf simple JaNein-Abstimmungen zu reduzieren und jedem schlecht informiertem Bürger gleiches Stimmrecht zu geben wie vermeintlich besser qualifizierten Polit-Profis. Nun, hier wollen Sie Studenten, die in Zeiten von Bachelor und Master vielleicht nur sechs und manche nur vier Semester an den Hochschulen verbringen, die gleiche Urteilskraft geben wie Wissenschaftlern mit einer 20- oder sogar 30-jährigen beruflichen Erfahrung. Wir fragen uns: Wie passt das zusammen?