Protocol of the Session on March 22, 2018

ist. Aber die Zielrichtung war vorgegeben: Es gibt nur noch ein zentrales Landesarchiv.

Daraufhin hatten wir im Februar noch einmal einen separaten Antrag eingebracht, weil wir unbedingt die Zielrichtung verfolgen wollten, dass an den drei Standorten Suhl, Erfurt und Gera nach wie vor Akteneinsicht möglich ist und dass diese Einrichtungen zu Gedenk- und Bildungseinrichtungen ähnlich wie in Erfurt umgebaut werden – wir haben das in Gera in der Amthorstraße, aber in Suhl auf jeden Fall –, damit man ortsnah und schnell auch dort vor Ort die Akteneinsicht organisieren und beantragen kann. Und aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und eines moderneren Archivwesens in einer moderneren Einrichtung wäre uns ein noch schnellerer Zugriff auf die Akten garantiert, auch wenn dann an diesen drei Außenstellen die Akteneinsicht beantragt wird. Deswegen hatten wir den Fokus: Wir möchten gern, dass diese drei Einrichtungen als Gedenk- und Bildungseinrichtungen auf jeden Fall erhalten bleiben und dort die Bürger ortsnah die Möglichkeit haben, in Zukunft Akteneinsicht zu beantragen.

Alles ist noch offen, eine Entscheidung ist noch nicht getroffen. Im Entwurf des Koalitionsvertrags von CDU, CSU und SPD vom 7. Februar 2018 heißt es lediglich: „Im Lichte der Ergebnisse der Expertenkommission und im Benehmen mit den Opferverbänden werden wir die Stasiunterlagenbehörde zukunftsfest machen.“ Was immer dies auch heißt: Wenn es zu einer Entscheidung zum zentralen Standort kommt, muss aufrechterhalten bleiben, dass in den Bereichen Gera, Suhl und natürlich auch in Erfurt Akteneinsicht von den Bürgern genommen werden kann, die das beantragen. Das ist unsere wichtigste Grundlage gewesen, um den Beschluss im Februar 2017 noch mal auf den Weg zu bringen. Es gab ja damals hier heftige Diskussionen, weil es hieß, erst habt ihr uns hier eventuell unterstützt, die Unterlagenstandorte zu erhalten. Es geht uns auch nach wie vor darum, diese Standorte zu erhalten, nur eben mit einer anderen Aufgabenstellung.

Unter dem Punkt 4.5.1 – Dialogreihe „Was auf der Seele brennt – SED-Unrecht im Dialog“: Hier gibt es einen Satz von der Staatssekretärin Dr. Winter, den ich hier besonders vorlesen möchte, weil er eigentlich die Überschrift über so einen Gesamtbericht geben könnte: „Wir wollen nicht nur berichten, sondern über unsere Ansätze und Gedanken mit Betroffenen, Bürgern und Parlamentariern sprechen. Der Dialog zwischen den Generationen über das aktive Erinnern und über die Ursachen des bis heute nachwirkenden Unrechts als Baustein einer offensiven Demokratiearbeit ist gesellschaftlich wichtig“. Den Satz können wir vollinhaltlich auf jeden Fall unterstreichen.

Punkt 4.5 – Diskurs und Dialog im Rahmen der Arbeit der IMAG Aufarbeitung: „Als Format für die Veranstaltungsreihe wurde eine extern moderierte öffentliche Gesprächsrunde gewählt, zu der themenbezogen Vertreterinnen und Vertreter der Betroffenenselbstorganisationen und des Thüringer Beratungsnetzwerkes sowie einzelne Opfer und Betroffene und der Landesbeauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur […] gezielt eingeladen werden. An den unter anderem durch den Journalisten Andreas Postel moderierten Veranstaltungen nahmen neben Mitgliedern der IMAG auch Landtagsabgeordnete aus Thüringen sowie Vertreterinnen und Vertreter der Fachressorts teil. Es konnten jeweils zwischen 30 und 60 Gäste begrüßt werden.“ Jetzt steht hier in diesem Bericht: „Einige Betroffene äußerten wiederholt den Wunsch, dass auch Vertreterinnen und Vertreter der Oppositionsparteien im Thüringer Landtag an den Gesprächen teilnehmen, was im Berichtszeitraum – soweit ersichtlich – nur bei zwei Veranstaltungen der Fall war.“ Hier möchte ich noch mal in Erinnerung bringen, dass alle, die eine Einladung erhalten, die Möglichkeit nutzen sollten, solche Veranstaltungen zu nutzen. Man hat auch zu hinterfragen, ob überhaupt alle Parlamentarier in diesem Hohen Haus eingeladen worden sind. Das wage ich jetzt nicht zu bewerten.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das war mir klar!)

Ich kann nur sagen, es wäre wünschenswert, wenn sich mehr bei solchen Veranstaltungen, bei solchen Themenkreisen einfinden würden und daran teilnehmen würden.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ich war dort, im Gegen- satz zu anderen.)

Thema 4.5.2 – wir sind jetzt auf Seite 42 – Christen im DDR-Unrechtsstaat: Ich hatte schon vorhin darauf hingewiesen, dass es hier eine Arbeitsgemeinschaft gibt, die sich den Namen „Christen, Kirchen und andere christliche Religionsgemeinschaften im DDR-Unrechtsstaat – Diskriminierung von Christen in der DDR und ihre Wirkungsgeschichte“ (AG Christen) gegeben hat. „Als Aufgabe wurde festgelegt, Art und Umfang der Möglichkeiten einer weiteren Aufarbeitung und wissenschaftlichen Erforschung der DDR-Diktatur unter dem Aspekt religionsbedingter Diskriminierung und Verfolgung in Thüringen festzustellen und diesbezüglich Handlungsempfehlungen zu geben.“

Zu dem Begriff „Verfolgung“ gibt es inzwischen unterschiedliche Ansichten. Auch hier hat mich eine Mail aus dieser Arbeitsgemeinschaft zum Thema „Verfolgung – Christenverfolgung in der DDR“ erreicht. Es gab sicherlich Christen, die verfolgt wurden, und dies in größeren Mengen. Aber ob wir unbedingt von „Christenverfolgung“ sprechen müssen,

sollte in der Arbeitsgruppe noch einmal neu diskutiert und festgelegt werden.

Es gibt eine Reihe von öffentlichen Diskursen, Dialogen und Veranstaltungen, die durchgeführt worden sind. „Die auch medial geführte Debatte zur Einrichtung der AG Christen hat im Berichtszeitraum zu einer deutlich stärkeren Thematisierung insbesondere dieses Themas, aber auch der Aufarbeitung allgemein geführt.“

„Am 20. August 2017 wurde erneut öffentlich gefordert, dass sich die Partei DIE LINKE ‚als Nachfolgepartei der SED‘ öffentlich zu dem Unrecht bekennen solle, was die SED ‚den Christen und ihren Familien in der DDR‘ angetan habe. Zwar sei seitens der Thüringer Landesregierung eine Arbeitsgruppe zur Aufarbeitung der Benachteiligungen von Christen in der DDR unter Beteiligung der Kirchen eingerichtet worden, jedoch zeige sich, dass dieses Anliegen bisher wenig diskutiert wurde. Die ‚im Osten‘ heute noch vorherrschende wissenschaftliche Weltanschauung und der wissenschaftliche Atheismus sei eine Ursache für die zunehmende Kälte im Umgang der Menschen untereinander.“ Es war mir besonders wichtig, diese Botschaft vorzutragen, weil wir ja wissen, dass es nicht abzustreiten ist, dass es diese Kälte gibt und dass diese Gesellschaft in sich gespalten ist. Und wenn ich das mit den alten Bundesländern vergleiche, wo circa 80 Prozent der Menschen konfessionell gebunden sind, und in der ehemaligen DDR nur 25 Prozent, dann kann ich mir schon vorstellen, dass das seine Auswirkungen auf bestimmte Handlungsweisen im gesellschaftlichen Umgang hat.

Unter Punkt 5 geht es um die „Auseinandersetzung mit persönlichen Verfolgungsschicksalen“. Es steht mir jetzt nicht an, diese Schicksale im Einzelnen darzustellen. Ich möchte stellvertretend für alle auf eine Person zurückkommen – „Tod von Matthias Domaschk“. Hier in dem Bericht steht: „Wichtige noch lebende Zeugen schweigen“. Deswegen konnte noch keine Aufklärung erfolgen. Ich möchte diese Möglichkeit von hier aus nutzen, um an die Zeugen zu appellieren, ihr Schweigen zu brechen und sich in der Aufarbeitung dieses Vorgangs einzubringen, um den Hinterbliebenen die Chance zu geben, Aufklärung zu erhalten, ihren inneren Frieden zu bekommen, um zu wissen, was mit Matthias Domaschk damals passiert ist. Deswegen die Forderung an alle Zeugen, die eventuell noch leben und dazu beitragen könnten: Hüllen Sie sich aus dem Mantel des Schweigens und tragen Sie Ihren Beitrag dazu bei, diesen Fall aufzuklären!

Unter 5.3 „Opfer von Doping im DDR-Sport“ steht ein Punkt zur Fortsetzung der Gespräche mit dem Doping-Opfer-Hilfe-Verein zu Projekten und Einzelfällen. Ich möchte da jetzt nicht weiter darauf eingehen. Ich habe gestern von der Vorsitzenden des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins eine Mail bekommen. In

dieser Mail steht, dass es zu keiner Zeit von der Landesregierung in irgendeiner Form Bemühungen gegeben hat, mit diesem Doping-Opfer-Hilfe-Verein in Verbindung zu treten. Das mag ich jetzt mal hier als Aussage stehen lassen. Ich möchte auf jeden Fall die Landesregierung oder die Interministerielle Arbeitsgruppe auffordern, diesen Widerspruch aus der Welt zu schaffen. Wir werden das als Fraktion nach wie vor nachfragen. Es kann jedenfalls nicht sein, dass in einem solchen Bericht unterschiedliche Darstellungen sind und die Opfergruppen das unterschiedlich darstellen. Ich möchte, dass dies ausgeräumt wird. Das wäre meine Bitte hier an die Interministerielle Arbeitsgruppe, das umgehend zu tun.

Zielsetzungen 2018/2019: Hier wird noch einmal aufgeschlüsselt, was man sich für das kommende Berichtsjahr vornimmt: „Bereitstellung der Plakatausstellung ‚Voll der Osten‘ […], Etablierungen von Experten-Kreisen […] an Thüringer Schulen […], die Aufgaben der regionalen Experten-Kreise sind: Begleitung und Unterstützung der Schul- und Demokratieberater […], Abstimmung von prioritären Themen nach Bedarfen der Schulen (z. B. Schüler- mitbestimmung, Klassensprecherwahl) [usw., die] Einbindung von Fachberater[innen und Fachberater] für Geschichte und Sozialkunde in den jeweiligen Schulen […] und Unterstützung der Vorhaben von Schulen (u. a. Kooperationen mit Gedenkstät- ten, Erinnerungsorten der Opfer des SED-Regimes, kostenlose Ausstellungsbereitstellung wie ‚Der Kal- te Krieg‘)“. Da erinnere ich nur an „Andreasstraße unterwegs“, die zur Verfügung gestellt wurde. Das war eine gute Sache und ich kann auch hier nur noch mal dafür werben, dass jeder Abgeordnete versucht, diese Wanderausstellungen in seinem Wahlkreis in den Schulen anzubieten. Sie sind sehr lehrreich und ich würde mich freuen, wenn das einige heute aufnehmen würden. Geplant ist weiterhin wiederum eine Evaluierung zur Vermittlung von DDR-Geschichte in den Fächern Geschichte und Sozialkunde, so wie vorhin bereits mitgeteilt.

Die Universität Erfurt und die Friedrich-Schiller-Universität in Jena werden unabhängig von der „Qualitätsoffensive Lehrerbildung“ geeignete Formate für den Austausch und die Weiterqualifizierung von Lehramtsstudierenden in Fragen der Aufarbeitung identifizieren und entsprechende Veranstaltungen durchführen, das heißt, wir müssen immer wieder daran arbeiten, unsere Lehrer auf diese Situation vorzubereiten, dieses Thema immer wieder neu zu aktivieren.

Ein wichtiger Punkt in der Aufgabenstellung ist noch, dass wir im Jahr 2018 erreichen wollen, „dass etwa 200 Schulklassen (circa 4.600 Schü- lerinnen und Schüler)“ – das sind, glaube ich, 300 Schüler mehr als bisher – „die Möglichkeit erhalten, sich außerhalb der Schule mit den Ursachen und Folgen der SED-Diktatur zu beschäftigen.

Minister Holter hat anlässlich der Übernahme des Vorsitzes der Kultusministerkonferenz […] für das Jahr 2018 die Stärkung der Demokratiebildung in Schulen zu einem Schwerpunkt seiner [Kultusministerkonferenzamtszeit] erklärt.“ Wir werden das begleiten und wir werden sehen, in welchem Ergebnis wir uns in einem Jahr wiederfinden. Ich hoffe, dass diesen Worten Taten folgen. Davon gehe ich eigentlich auch aus.

Das Thüringer Finanzministerium, als Zuarbeit noch einmal zu den PMO-Mitteln – wir haben ja die Zuarbeit zu diesem Bericht zum Thema „PMO-Vermögen“ –: „Die Landesregierung setzt sich unter Berücksichtigung der Beschlusslage des Thüringer Landtags dafür ein, die Anforderungen für den Mitteleinsatz zu flexibilisieren, um die Mittel verwenden zu können für“ – es freut mich, dass das Wort „flexibilisieren“ drinsteht, das war die Intention unseres Antrags unlängst, weil wir wollen, dass diese PMOMittel flexibel eingesetzt werden können, auch zu den Themen, die ich vorhin schon bereits angesprochen habe – „die Modernisierung der im Freistaat existierenden Erinnerungs- und Gedenkorte […] [und für] die Errichtung eines Fonds“ – sind wichtig – „für soziale Härtefälle und bisher nicht berücksichtigte Gruppen von Opfern des SED-Unrechtes“, wie ich es vorhin schon bereits angekündigt habe, vielleicht auch für den Opferverband der Zwangsausgesiedelten. Aber hier bedarf es eben einer Verwaltungsvorschriftsänderung. Ich kann nur noch mal die Landesregierung auffordern, sich vehement dafür einzusetzen, dass es gelingt, diese Verwaltungsvorschrift dahin gehend zu ändern, dass wir die Mittel mehr, breit gefächerter ausgeben können.

Hier steht noch: „Weiterbearbeiten des Projektes Nationales Naturmonument ‚Grünes Band Thüringen‘“. Da ist der Auftrag, den historisch-politischen Bildungsauftrag der Grenzmuseen im Rahmen des geplanten Nationalen Naturmonuments mit zu berücksichtigen. Und weiterhin die „Fortsetzung der Aktivitäten zum Erhalt der Außenstellen der BStU als Träger“ – und jetzt kommt dieser wichtige Zwischensatz, genau wie ich das vorhin versucht habe zu erklären – „regionaler Aufarbeitung und politischer Bildung an den Standorten Erfurt, Gera und Suhl“. Das entspricht genau unserer Meinung.

Herr Abgeordneter Wirkner, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Ihre Redezeit in 1 Minute endet.

Ich bin jetzt am Ende.

Es gibt also diese drei Forderungen, die Akteneinsicht an den drei Standorten Suhl, Erfurt und Gera zu erhalten. Wir möchten die Flexibilisierung der

Verwaltungsvorschriften zum PMO-Vermögen, vielleicht ein Drittel Entschädigung, ein Drittel Bildung, ein Drittel Investition, oder einen eigenständigen Weg des Landes Thüringen, um den Opfern der Zwangsausgesiedelten zu helfen und – wichtig und nicht ganz zum Schluss – die Schaffung eines Härtefalls. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Dieser Antrag hat es verdient, dass man dies etwas intensiver vorträgt. Danke sehr.

(Beifall CDU)

Vielen Dank. Als Nächste hat das Wort die Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktionen SPD, Linke und Bündnis 90/Die Grünen haben beantragt, heute den Bericht der Landesregierung zu den Aktivitäten auf dem Gebiet der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen für den Zeitraum März 2017 bis Februar 2018 im Plenum zu diskutieren.

Werter Herr Wirkner, jetzt sind Sie schon nicht mehr da nach Ihren 42 Minuten und 40 Sekunden Redezeit. Es brauchte diesen Antrag, ansonsten wäre der Bericht hier nicht auf die Tagesordnung gekommen. Er wäre sonst nur dem Landtag zugeleitet worden.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Genau deshalb sind uns der Antrag und die Debatte wichtig. Ich freue mich, dass Sie offenkundig so begeistert von dem Bericht sind, dass Sie uns daraus 40 Minuten vorgelesen haben. Das zeigt, dass die Landesregierung diesen Auftrag sehr ernst genommen hat.

Wir als regierungstragende Parteien haben in dem Koalitionsvertrag bereits in der Präambel festgehalten – ich möchte daran noch mal erinnern und zitieren: „Für Bündnis 90/Die Grünen und die SPD als Parteien, die in und aus der Bürgerrechtsbewegung der DDR hervorgegangen sind, ebenso wie für die Partei Die Linke ist die Aufarbeitung der SED-Diktatur in all ihren Facetten weder überflüssig noch rückwärtsgewandt. Dabei geht es um eine demokratische Kultur von morgen. […] Wir vereinbaren deshalb engagierte, auf lange Sicht angelegte Projekte der politischen Bildung, in denen die Vergangenheit der DDR vielfältig und beispielhaft für die gesamte Bundesrepublik aufgearbeitet wird.“ Genau das tun wir und genau deshalb will ich auch noch mal daran erinnern, wie wir zu dem Stadium kamen, in dem wir uns jetzt befinden.

(Abg. Wirkner)

Bevor ich zum dritten Bericht der Landesregierung komme, gestatten Sie mir – wie ich auch schon in der Einführung kurz erwähnte – einen kurzen Rückblick auf die ersten beiden Berichte. Der erste Bericht erschien bekanntlich im Februar 2016. Er enthielt die Bilanz des ersten Jahres der Tätigkeit der Interministeriellen Arbeitsgruppe unter der Federführung der Staatssekretärin für Kultur und Europa in der Thüringer Staatskanzlei. Allein die Existenz dieser Arbeitsgruppe zur Unterstützung und Weiterentwicklung der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen stellt einiges dar, aber ganz bestimmt keine Selbstverständlichkeit in der Bundesrepublik. Welche Landesregierung hat sonst drei Monate nach ihrer Konstituierung eine solche Arbeitsgruppe ins Leben gerufen? Ich sage es Ihnen: keine.

Zurück zum ersten Bericht: Dieser umriss die Zielsetzung der Landesregierung in diesem Themenfeld und stellte die Interministerielle Arbeitsgruppe als solche vor. Es wurde der Status quo für bestimmte Aspekte festgestellt und daraus umfangreiche Handlungsfelder abgeleitet, unter anderem bei der Rehabilitierung und Wiedergutmachung von SED-Unrecht, der strafrechtlichen Aufarbeitung des SED-Unrechts, der wissenschaftlichen Aufarbeitung bei Erinnerungskultur und Gedenkstätten sowie der politischen Bildung und Demokratieerziehung im schulischen und außerschulischen Kontext. Wir haben darüber auch im Landtag schon gesprochen und auch Minister Prof. Dr. Hoff hat in seinem Sofortbericht darauf verwiesen. Eine erste Bilanz dieser Arbeit konnte auch 2016 schon gezogen werden, nachzulesen auf den entsprechenden Seiten. Für uns als Fraktion Bündnis 90/Die Grünen war damit klar, dass die Interministerielle Arbeitsgruppe auf einem guten Weg ist. Der erste Tätigkeitsbericht – das muss man auch sagen, wir haben ihn hier nicht diskutiert, deswegen will ich das hier noch mal erwähnen – stellte sich aber für uns auch ganz klar als Teil eines Prozesses dar, man kann es auch als „Work in progress“ bezeichnen.

Dass wir mit dieser Ansicht nicht allein waren, zeigte sich im letzten Jahr. Am 1. März 2017 nämlich wurde dem Landtag der zweite Bericht der Landesregierung zu ihren Aktivitäten auf dem Gebiet der Aufarbeitung der SED-Diktatur in Thüringen zugeleitet. Die damals vorgelegten 46 Seiten enthielten die Zusammenfassung der Arbeit der Landesregierung, der Interministeriellen Arbeitsgruppe für den Themenkomplex „Aufarbeitung der SED-Diktatur“ für den Zeitraum März 2016 bis Februar 2017. Schon hier wäre ganz klar zu sagen gewesen: Die Landesregierung macht deutlich mehr als das, was man erwarten konnte. Sie macht deutlich mehr als nur ihre Arbeit. Ich gebe aber zu: Ich habe mit dem Bericht vom letzten Jahr in einem Punkt wirklich gehadert, auch das habe ich bei der Einführung schon erwähnt. Bei der Zuarbeit aus dem Bildungsministerium habe ich noch viele Möglichkeiten gesehen,

diesen Teil der Aufarbeitung noch zu erweitern. Die Teile aus den anderen beteiligten Ministerien trugen schon damals – im letzten Jahr – eine eindeutigere Handschrift und vermittelten auch eine klarere Botschaft. Die kann man zusammenfassen unter den Worten: Wir wissen, was zu tun ist, und wir agieren dementsprechend.

Beispielhaft möchte ich das Graduiertenkolleg mit dem etwas sperrigen Namen „Die DDR und die europäischen Diktaturen nach 1945: Soziale Integration und politische Repression in vergleichender und verflechtungsgeschichtlicher Perspektive“ herausgreifen. Seit 1. Dezember 2016 ist es an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena mehr als nur existent. Mit dem Engagement von Herrn Prof. Dr. Ganzenmüller als Leiter des Graduiertenkollegs und seit 2017 mit der Professur für Europäischen Diktaturenvergleich an der FSU Betrauten gelang es – auch Dank der fixierten Kooperation und der Personalunion –, die Stiftung Ettersberg eng mit der institutionellen Forschung und Wissenschaft zu verzahnen. Die Friedrich-Schiller-Universität wird sich mit dem Graduiertenkolleg zu einem zentralen Standort der DDR- und der vergleichenden Diktaturforschung entwickeln, der übrigens weit über Thüringen hinaus Impulse geben wird.

Vorangekommen sind wir – das zeigen sowohl die Berichte aus dem letzten Jahr als auch der aktuelle – bei dem Themenkomplex „SED-Unrechtsbereinigungsgesetze und Stasi-Unterlagengesetz“, dies im Übrigen auch Dank einer konzentrierten Aktivität der gesamten Landesregierung auf verschiedenen Ebenen wie der Ministerpräsidentenkonferenz Ost oder im Bundesrat. Dabei ging es unter anderem um die Entfristung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze – das haben wir hier auch diskutiert – und die Einbeziehung bisher nicht berücksichtigter Opfergruppen. Ein entsprechender Entschließungsantrag, den unsere Landesregierung initiiert hatte, wurde am 2. Februar dieses Jahres in der Länderkammer verabschiedet. Die Bundesregierung wird darin aufgefordert, die rechtlichen Voraussetzungen für die Entfristung der Unrechtsbereinigungsgesetze zu schaffen. Hier im Landtag haben wir beschlossen, dass sich die Landesregierung im Bundesrat für die Verbesserung des Zugangs für die Betroffenen des SED-Unrechts zu regelmäßigen Unterstützungsleistungen insbesondere beim Renteneintritt einsetzen soll. Zugleich war uns auch die Erweiterung des Kreises der Berechtigten wichtig, insbesondere hinsichtlich von bisher nicht berücksichtigten Opfergruppen wie von politischen Repressionen betroffene Schülerinnen und Schüler, von Zwangsausgesiedelten und Heimkindern.

Herr Wirkner, gestatten Sie mir aber an dieser Stelle folgenden Hinweis, weil Sie ja auf Herrn Ramelow verwiesen haben, der bei der Veranstaltung mit dem Bund der Zwangsausgesiedelten und der Vorsitzenden des Bundes, Frau Tröbs, zugesagt hatte,

sich für diese Gruppe starkzumachen. Genau das hat er getan. Die Schwierigkeit ist aber, dass es dafür auch die anderen Länder braucht, und da muss ich ganz hart sagen: Die CDU-regierten Länder, auch und gerade die Ost-Länder, haben sich leider nicht zu einer gemeinsamen Initiative durchringen können.

Wir haben die Landesregierung ebenfalls gebeten, sich für Regelungen für die Erleichterung der Beweisführung bei der Anerkennung verfolgungsbedingter Gesundheitsschäden – beispielsweise die Bestellung von Spezialgutachtern – und eine Regelung mittels bundeseinheitlicher Standards zu verwenden. Die Erfüllung all dieser Aufträge ist auf den Weg gebracht. Vielen Dank, damit kommen wir einen großen Schritt voran, die Betroffenen von SED-Unrecht besser zu unterstützen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein zweiter Schwerpunkt in der Arbeit unter anderem des Justizministeriums in diesem Zusammenhang war die zukünftige Aufstellung der Behörde des Bundesbeauftragten für die Stasiunterlagen, die zukünftige Unterbringung und Verfügbarmachung der Akten und somit auch der Erhalt der drei Außenstellen der BStU, wie wir das auch hier im Landtag beschlossen haben. Wir nehmen auch hier zur Kenntnis: Die Landesregierung ist engagiert an der Sache dran. Entscheidend ist, dass die Menschen vor Ort ihre Akten einsehen können. Das haben wir auch denjenigen sozusagen ein Stück weit versprochen, die sich dafür starkgemacht haben, dass die Akten eben nicht der Vernichtung anheimgefallen sind.

Auch ein Antrag im Bundesrat, die Überprüfung auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR nicht zu beenden, sondern dauerhaft zu ermöglichen, wurde mit Thüringens Stimmen angenommen. Das kommt einem Wunsch unserer Fraktion sehr nahe.

Die wohl spannendste Entwicklung, die sich im dritten Bericht nachvollziehen lässt, gab es wohl im Bereich des Bildungsministeriums. Ein ausdrücklicher Dank gilt hier Minister Helmut Holter. So fand über die staatlichen Schulämter – Herr Wirkner hat es vorgelesen – eine offenbar umfangreich angelegte Evaluation der Vermittlung der Geschichte der DDR im Unterricht statt. Allerdings haben sich nur sehr wenige Lehrinnen und Lehrer daran beteiligt. Die wesentlichen Ergebnisse sind im Bericht nachlesbar. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen zeigen die Fülle der noch ungelösten Problemlagen an. Einer erneuten Evaluation nach Anlaufen der ersten Maßnahme ist eine höhere Teilnahmefreudigkeit der Lehrerinnen und Lehrer allerdings durchaus zu wünschen.

Bemerkenswert war auch die Konferenz zu „Bildung in der Diktatur – Bildung nach der Diktatur“, die sich sowohl das Bildungs- als auch das Wissenschaftsministerium zu Recht, wie ich finde, auf ihre Fahnen heften können. Ich hebe das deswegen hervor, weil die Kooperation der Universitäten in Erfurt und Jena sowie des Thüringer Instituts für Lehrerbildung, Lehrplanentwicklung und Medien zwar eigentlich selbstverständlich sein sollte, es aber bisher leider nicht immer so war. Gemeinsam richtet man sich mit dieser Konferenz an alle in den drei Phasen der Lehrerbildung Tätigen. Neben Fachwissenschaftlerinnen und Didaktikerinnen waren als Zielgruppe ausdrücklich auch die außerschulischen Lernorte sowie die außerschulischen Einrichtungen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur beteiligt.

Dieser Wunsch nach Verknüpfung und Vernetzung aller beteiligten Akteure innerhalb und außerhalb der Schule ist auch einer der wesentlichen Ergebnisse des Fachgesprächs „Keine Ahnung von Diktatur und DDR? Demokratiebildung durch Aufarbeitung im Schulunterricht“, zu dem ich am 6. März 2018 eingeladen hatte. Unter den mehr als 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern war übrigens auch Minister Helmut Holter. Vernetzt euch, so habe ich die Aufforderung des Ministers verstanden. Das Ministerium hat zugesagt, eine Liste der außerschulischen Erinnerungs-, Bildungs- und Gedenkorte zusammenzustellen und diese allen Schulen zur Verfügung zu stellen. Mit dem Landeshaushalt haben wir auch die nötigen Mittel bereitgestellt, um Kontakte zwischen Schulen und authentischen Orten – sprich Lernen an außerschulischen Lernorten – zwischen Schülerinnen und Schülern sowie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zu ermöglichen.

Eine weitere Forderung von Praktikerinnen, die geäußert wurde, war der Wunsch nach mehr Zeit für Aufarbeitung, für Demokratiebildung im Rahmen der regulären Stundentafeln, nicht nur in Geschichte, sondern auch mit größeren Anteilen in Sozialkunde und mit mehr Zeit auch in der Regelschule oder anderen nicht gymnasialen Bildungszweigen. Ich gehe davon aus, dass auch diese Anregung seitens des Bildungsministeriums aufgegriffen wird und sich womöglich schon in den nächsten Lehrplänen widerspiegelt.

Doch noch einmal konkret zurück zum aktuellen Bericht der Landesregierung und ihren Aktivitäten. Ich möchte hier nämlich zwei Punkte ganz besonders herausstellen. Das wäre zum einen der ehemalige Todesstreifen, das Grüne Band, das nun als Naturmonument im wahrsten Sinne des Wortes erfahrbar wird. Am 8. Dezember 2016 haben wir im Landtag beschlossen, das Grüne Band zum Naturmonument zu entwickeln. Das Gesetz dagegen soll noch dieses Jahr in Kraft treten. Die ersten parlamentarischen Beratungen zum dazugehörigen Gesetzentwurf fanden bereits statt.