Protocol of the Session on March 21, 2018

Wenn Sie hier also erzählen – und ich habe mehrere Tausend solcher Blutentnahmen gemacht –, seit dieser massenhaften illegalen Migration wäre das alles so schlimm geworden, dann kann es sein, dass Sie irgendwelche Statistiken bringen, die solche Sachen sagen. Das reale Leben – tut mir leid – sieht ganz anders aus. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön. Ich habe jetzt keine weiteren Wortmeldungen, sodass ich …

(Zuruf Götze, Staatssekretär: Drei Worte noch!)

Herr Staatssekretär Götze, ich habe Ihre Wortmeldung nicht gesehen, tut mir leid. Selbstverständlich. Zum Alkohol dürfen Sie immer etwas sagen. Vielleicht auch zu den Bratwürsten, wer weiß.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir haben noch gar nicht über Hackfleisch gesprochen!)

Das haben wir noch nicht, ist auch nicht Gegenstand der Debatte.

Herr Möller, ich empfehle Ihnen zunächst die Lektüre der Erfurter Stadtordnung, § 8a sieht durchaus in Absatz 1 – und diese Regelung gilt – ein Alkoholverbot vor, und zwar um Kindergärten, Schulen, auf Kinderspielplätzen – Kindertageseinrichtungen eingeschlossen – eine Umkreisfläche von 25 Metern. Diese Regelung hat Bestand und korrespondiert mit der Regelung des § 27a Ordnungsbehördengesetz.

Auf die Historie hatten Sie bereits Bezug genommen. Es gab ursprünglich eine Regelung, die ging wesentlich weiter, die sah auch ein Alkoholverbot für den Anger und für den Willy-Brandt-Platz vor, aber nicht so, wie Sie das hier kommunizieren und darstellen, sondern eigentlich sehr abgestuft. Dort war geregelt, dass das Lagern von Personengruppen zum Zwecke des Alkoholgenusses – ich trage es jetzt nur sinngemäß vor – über einen Zeitraum von 25 Minuten hinaus verboten werden sollte.

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat sich, nachdem diese Norm im Normenkontrollverfahren angegriffen wurde, mit der Regelung beschäftigt. Ich selbst konnte dieses ganze Verfahren begleiten; ich habe sowohl die Norm geschrieben als auch die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht mit verfolgt und auch damals in meiner Funktion als Ordnungsamtsleiter die Diskussion um die Neufassung des Thüringer Ordnungsbehördengesetzes mit verfolgt. Das Oberverwaltungsgericht hat damals gesagt, dass sich die Regelung – auch diese Diskussion haben wir hier schon vor nicht allzu langer Zeit geführt – auf eine Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts stützt, die ausdrücklich aufgegeben wurde, und zwar die Rechtsprechung vom 26.04.2007, wo das Gericht – und da konnte man wirklich den Eindruck bekommen, dass das für die Zukunft gelten soll – ausgeführt hat, dass das subjektive Sicherheitsempfinden unserer Bürgerinnen und Bürger im Rahmen der Prüfung, ob eine tatsächliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt, zu berücksichtigen ist. Das

(Abg. Dr. Hartung)

Gericht hat sich damit in seiner Entscheidung vom 21.06.2012 auseinandergesetzt und hat ausdrücklich gesagt, dass das missverständlich formuliert war und diese Rechtsprechung nicht weiterverfolgt wird und für den Freistaat Thüringen auch nicht trägt. Das Gericht hat nicht gesagt, dass sich der Gesetzgeber vom Gefahrenbegriff abwenden kann oder soll.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Er kann sehr wohl!)

Der ist aus gutem Grund eingeführt. Sie sind Jurist, Sie haben die Befähigung zum Richteramt, Herr Möller.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Richtig!)

Dann schauen Sie sich mal bitte die niedrigste Eingriffsstufe an, die staatlichen Behörden zur Verfügung steht.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich kenne das!)

Das ist die sogenannte abstrakte Gefahr. Das steht jetzt schon in unserem Ordnungsbehördengesetz, was im Übrigen sehr gut ist, weil praxisgerecht:

(Beifall CDU)

„abstrakte Gefahr: eine nach allgemeiner Lebenserfahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stellen mögliche Sachlage, die im Falle ihres Eintritts eine Gefahr gemäß den Buchstaben a bis d darstellt“. Wissen Sie, warum das normiert ist? Sie wissen das. Weil die Ordnungsbehörden, nachdem sie die Gefahr identifiziert haben, in die Freiheitsrechte unserer Bürgerinnen und Bürger eingreifen können.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Genau!)

Das können durchaus schmerzhafte Eingriffe sein. Auch wenn Sie bei den Ordnungsbehörden

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Darum geht es nicht!)

doch, darum geht es – nur bußgeldbewehrt sind. Das kann gravierende Folgen haben. Was machen Sie denn in Ihrem Gesetz? Wenn ich zitieren darf: „Gefahrenvorsorge: die Aufgabe der Ordnungsbehörden, bereits vor dem Entstehen abstrakter oder konkreter Gefahren oder Störungen der Ordnung und Sicherheit vorzubeugen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung begründetem Besorgnispotenzial entgegenzuwirken“. – Jetzt ist er weg, der Herr Möller.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nein, nein!)

Was soll denn das sein, was machen Sie denn hier auf der Tatbestandsseite? Sie führen hier quasi für staatliche Behörden einen Willkürtatbestand ein,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

der aus gutem Grund, weil wir eine Verfassung im Freistaat Thüringen haben, in unser Ordnungsbehördengesetz gar nicht aufgenommen werden konnte. Unsere Aufgabe ist es, das Handeln unserer staatlichen Behörden im Rahmen der Verfassung und Gesetze zu reglementieren. Darauf haben wir alle unseren Amtseid abgelegt.

(Beifall DIE LINKE)

Ihnen ist es beim besten Willen nicht möglich, eine solche Norm hier zu verabschieden, ohne – und dafür lege ich meine Hand ins Feuer – dass Sie sofort vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird. Kurz und gut: Was Sie hier machen, das ist die pure Augenwischerei.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich empfehle Ihnen einen Betriebsausflug. Dafür müssen Sie gar nicht weit gehen. Früh um 7.00 Uhr gehen Sie mal – Sie allein oder mit der Fraktion – hier an die Haltestelle des Thüringer Landtags und fahren mit allen Schülerinnen und Schülern dieser Stadt auf den Anger. Das sind drei, vier Haltestellen. Dann schauen Sie sich mal an, ob diese Kinder – die sind teilweise zehn Jahre, wenn sie in die 5. Klasse gehen und ihren Weg in die Edith-SteinSchule, ins Zentrum zum Beispiel nehmen – irgendwelche Anzeichen von Angst zeigen,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Früh um 7.00 Uhr!)

ob dort Leute an Straßenbahnhaltestellen herumlungern, wie Sie sagen, die diese Kinder anpöbeln. Das Ganze schauen Sie sich bitte am Nachmittag noch mal an.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ja, genau!)

Dann werden Sie feststellen, dass dem nicht so ist,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass die Kinder völlig unbesorgt und fröhlich wieder nach Hause fahren. Was ich nicht in Abrede stellen möchte, ist, dass es solche Einzelfälle gibt und dass es durchaus Haltestellen in dieser Stadt oder in anderen Gemeinden dieses Landes geben mag, wo sich Personen aufhalten, die andere wirklich in übler Art und Weise belästigen.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: AfD- ler!)

Wenn Sie dem begegnen wollen, auch in Form einer Stadtordnung oder wie auch immer, wenn der Platzverweis nicht reicht, den übrigens unsere Polizisten aussprechen, die in guter Zahl auch in Erfurt unterwegs sind – gehen Sie einfach nachts über den Anger, sehen Sie die Polizisten –, dann können Sie sich auch sicher fühlen. Wenn Sie solche Sachverhalte haben, dann nehmen Sie das Ordnungsbehördengesetz, lesen ganz in Ruhe § 27a Abs. 2,

(Staatssekretär Götze)

dann wissen Sie, was Sie zu tun haben. Dann können Sie, nachdem Sie diesen Sachverhalt festgestellt haben, selbstverständlich Ihre Stadtordnung anpreisen, das ist überhaupt kein Problem. Aber diese Arbeit, die haben Sie erst einmal zu leisten. Damit sind Sie in der Lage, wenn Sie den Kinder- und Jugendschutz nehmen – § 27a Abs. 1 und 2 –, auf alle relevanten Lebenssachverhalte als Ordnungsbehörde zu reagieren. Mehr dürfen Sie nicht tun.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Warum ge- schieht es dann nicht?)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Herr Staatssekretär. Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht, sodass ich die Aussprache schließe. Sie haben beantragt, an den Innen- und Kommunalausschuss zu überweisen? Dann stelle ich das zur Abstimmung. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der AfD. Danke schön. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen, der CDU-Fraktion. Damit mit Mehrheit abgelehnt.

Wollten Sie noch einen Wunsch äußern, Herr Möller? Nein, das ist nicht der Fall. Dann stimmen wir jetzt über Ihren – nein, müssen wir auch nicht, das ist die erste Beratung, Entschuldigung. Dann schließe ich diesen Tagesordnungspunkt, würde die Sitzung kurz mal für zwei Minuten unterbrechen und bitte die PGFs nach vorn.

Dass die Kollegen im nächsten Punkt nicht so lange reden sollen, war übereinstimmender Wunsch der PGFs, aber das mache ich mir natürlich nicht zu eigen.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 8

Thüringer Gesetz zu dem Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über den Mitteldeutschen Rundfunk zum Zwecke der Umsetzung der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/ 46/EG Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/5414

ERSTE BERATUNG