Protocol of the Session on February 23, 2018

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist falsch! Falsch!)

Das ist der Hintergrund der „schwarzen Null“. 20 Milliarden Euro Steuern zu wenig in die Rentenkasse überwiesen, das ist der Hintergrund, und da müssen wir ran. Natürlich brauchen wir den Steuerzuschuss in die Rentenkasse, aber wir brauchen ihn leider auch deswegen – und jetzt komme ich auch wieder zu einer grundsätzlichen Fehleranalyse –, weil sie alle, sehr geehrte Kollegen von den Altfraktionen, nicht in der Lage waren, in den letzten Jahrzehnten eine familienfreundliche Politik in diesem Lande zu machen, die den Familien ermöglicht hat, ohne Wenn und Aber und ohne finanzielle Sorge Ja zum eigenen Kind zu sagen. Das ist doch auch Ihr Versagen.

(Beifall AfD)

Natürlich ist das Rentensystem ein umlagenfinanziertes System. Wir beide wissen doch, Herr Kollege Wolf, dass die Alternative ein kapitalgedecktes System wäre. Aber dieses kapitalgedeckte System ist doch in den schweren Zeiten, in denen wir leben, in den Zeiten von Fiat money keine zukunftsfeste Option. Wer weiß denn, ob in 20 oder 30 Jahren in den Zeiten der unbegrenzten Geldvermehrung per Knopfdruck der Euro oder der Dollar oder eine andere Weltleitwährung überhaupt noch existiert? Oder wer weiß denn, ob ich von meinen 1.000 Euro Rente in 20 oder 30 Jahren noch eine Tüte Brötchen bekomme? Deswegen ist das kapitalgedeckte System immer nur die zweite Wahl, auch für die AfD.

(Beifall AfD)

Wir sagen Ja zum umlagefinanzierten System. Deswegen sagen wir auch Ja zu einer aktiven Familienpolitik. Ja, wir brauchen eine pronatale Politik. In diesem noch so reichen Land darf kein junges Paar aus Sorge vor den finanziellen Engpässen, die die Geburt eines Kindes mit sich bringt, Nein zum Kind sagen. Das darf es in Deutschland nicht mehr geben.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das können Sie als Mann gar nicht bewerten! Was bilden Sie sich ei- gentlich ein!)

Wie wir da rangehen, ob wir das Modell einer Mütterprämie nehmen, wie das die Russen sehr erfolgreich betrieben haben, ob wir das Familiensplitting endlich mal einführen – nach dem Modell wird geguckt, wie viele Menschen denn von einem Gehalt leben.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Am besten ein Mutterkreuz, Herr Höcke!)

Da geht es nicht darum, ob jemand verheiratet ist oder nicht, da geht es darum, zu gucken, wie viele Menschen von einem Gehalt leben.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht darum, dass der Mann wieder das Sagen hat! Träumen Sie schön weiter!)

Damit hat Frankreich zumindest gravierende Zuwächse bei den Geburtenraten erzielen können. Alles das müssen wir diskutieren. Wir müssen, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, aus der demografischen Falle entkommen, nur dann können wir die umlagenfinanzierten Systeme zukunftssicher machen. Das müssen Sie verstehen. Da müssen wir ran. Das ist das Anfassen der Grundprobleme in diesem Land.

(Beifall AfD)

Lassen Sie mich noch etwas bemerken, weil mir natürlich auch klar ist, dass das Jahrzehnte währende Versagen der etablierten Politik im Bereich der Familienförderung ein Demografieproblem geschaffen hat, das uns jetzt Jahre und Jahrzehnte beschäftigen wird. Das wird es, ja. Das stelle ich nicht in Abrede. Wir werden dieses Problem nicht morgen lösen können, aber wir müssen jetzt anfangen, es zu lösen, damit es in 30 oder 40 Jahren in diesem Lande wieder aufwärtsgeht, was die Demografie und was die Bevölkerungsentwicklung angeht. Aber ich sage auch: Die Produktivitätsentwicklung in diesem Lande ist immer noch so gut und hoch, dass wir, wenn wir unsere Innovationsfähigkeit auch – und das war auch ein Thema beim Handwerkerabend – über die Qualität unserer Erzeugnisse halten und auch unseren wirtschaftlichen Erfolgsweg weiter beschreiten können, diesen Produktivitätszugewinn, den wir jedes Jahr immer noch realisieren können, wenn wir ihn entsprechend umleiten, auch dazu nutzen können, die Rentensysteme zu stabilisieren und unseren Rentnern ein würdiges Altern zu ermöglichen. Das ist der Weg der AfD.

(Beifall AfD)

Sehr geehrte Frau Stange, ja, Sie haben recht. Sie haben recht mit dem Einwand, dass wir als AfD zur Bundestagswahl noch kein ausgefeiltes Rentenkonzept vorgelegt haben. Das ist richtig. Wir haben als junge Partei – uns gibt es gerade mal seit viereinhalb Jahren – eine hoch spannende und auch kontroverse Diskussion über den richtigen Weg in der Rentenpolitik. Das ist auch richtig.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Die Idee aber gibt es schon länger, oder?)

Aber ich versichere Ihnen, dass wir bis zum Ende des Jahres 2018 ein umfassendes Rentenkonzept vorlegen werden. Ich werde alles dafür tun, dass meine Partei den Weg des solidarischen Patriotismus geht und dieser Ansatz dann auch im Rentenpapier der AfD bundesweit entsprechend Gehör findet. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Als Nächster hat Abgeordneter Kubitzki, Fraktion Die Linke, das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren in dieser Richtung! Ich glaube, wir haben heute alle begriffen, nach welcher Methode und welcher Rhetorik eine hier rechts sitzende Partei agiert.

(Zwischenruf Abg. Dr. Scheringer-Wright, DIE LINKE: Genau!)

Wer sich ein bisschen in der Historie auskennt: Zu den letzten Ausführungen von Herrn Höcke – Deutsche, wir brauchen wieder Kinder, wir brauchen eine starke Bevölkerung – muss ich sagen, wir hatten das schon mal in der deutschen Geschichte.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Oh Gott, nein!)

Dann, Herr Höcke, haben die Gleichen, die das damals gesagt haben, nach mehr Lebensraum geschrien. Das war dann der nächste Schritt.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Höcke, Sie machen das, das muss man Ihnen zubilligen, sehr geschickt. Aber wir reden hier über Rente. Was haben Sie da genannt? Solidarischer Patriotismus. Wissen Sie, die Rentengeschichte in Deutschland wurde vor allem getragen von – jawohl – Solidarität, aber von einem Generationenvertrag. Wir sprechen hier von einem Generationenvertrag, dass die Jüngeren die Verantwortung für die Älteren übernehmen usw.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Die Jüngeren gibt es nicht mehr!)

Selbst bei Kranken ist das so – die Gesunden für die Kranken. Aber das wissen Sie alles. Aber dieser Generationenvertrag, der ist solidarisch. Da sind viele Veränderungen vorgenommen worden, die nicht immer richtig waren. Sie machen das wieder ganz geschickt, aber ich glaube, das hat der Letzte hier in diesem Haus begriffen. Sie sagen auch, die Älteren sterben, die sollen für ihre Lebensleistung im Rentenalter angemessen entschädigt werden. Ich glaube, da gab es Sie noch gar nicht, da haben wir das schon alles fraktionsübergreifend hier klargestellt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Aber es ist nichts passiert!)

(Abg. Höcke)

Nur die Keule von Ihnen, Herr Höcke, kommt dann und das ist das Gefährliche. Ich muss sagen, da hat die ältere Bevölkerung böse Erfahrungen aus der Geschichte. Dann sagen Sie: Aber nur den Deutschen

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Staatsbür- gern, Staatsbürgern!)

und dass es euch schlecht geht, daran sind die Ausländer schuld. Das heißt, Sie machen eine Politik, eine sogenannte Sozialpolitik, wo sie Menschen untereinander ausspielen, Sozialneid erzeugen und im Prinzip Hass erzeugen. Und das, Herr Höcke, machen wir alle hier nicht mit.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle, wie wir hier sitzen, machen das nicht mit. Ich glaube, Sie werden heute – ich hoffe, wir kommen bald zur Abstimmung für ein so wichtiges gesellschaftspolitisches Problem – erleben, Herr Höcke, dass es Ihnen in der Frage nicht gelingt, uns gegenseitig auszuspielen. Das gönnen wir Ihnen nicht.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als nächster Redner hat der Ministerpräsident das Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren, im kommenden Jahr wird der Bundeshaushalt 91 Milliarden Euro in das Rentensystem einzahlen, im darauffolgenden Jahr wird es die 100-Milliarden-Marke überschreiten – so weit einfach als sachliche Information. Den Hinweis allerdings auf deutsche Staatsbürger von einem westdeutsch geprägten, hier im Landtag sitzenden Beamten finde ich im Zusammenhang der Diskussion um das deutsche Rentenversicherungssystem im höchsten Maß befremdlich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich würde von einem deutschen Staatsbeamten erwarten, dass er so redet, dass er dem Beamtenrecht würdig spricht. Die Würde all derjenigen, die in das deutsche Rentensystem eingezahlt haben – aus westdeutscher Perspektive sind das zum Beispiel die Ford-Arbeiter, die alle aus der Türkei kommen.

(Beifall DIE LINKE)

Sowie bei Ford in Köln Urlaub gemacht wird, ist die Strecke Richtung Türkei mit Autos gefüllt. Diese Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind unglaublich fleißig und sie sind diejenigen, die in West

deutschland das Wohlstandsgefüge nach oben gebracht haben. Diese Menschen haben mit ihren Knochen Schwerstarbeit in Deutschland geleistet und haben in die Rentenversicherungssysteme eingezahlt. Sie sind genauso betroffen wie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die ihre Haut zu Markte tragen mussten und in Niedriglohnbereiche abgedrängt worden sind. Insoweit trifft die Frage der Altersarmut nicht den Pass, sondern nur die Funktion im Arbeitsleben, wo sie hingedrängt werden. Wenn ein Bundesland jahrelang Werbung damit macht, ein Niedriglohnland zu sein, hat es als Bundesland die Altersarmut mit einkalkuliert, deswegen haben wir genau diesen Teil korrigiert. Aber wenn hier am Pult ein deutscher Beamter erklärt, man könne 500 Millionen Euro aus Landesgeld in die Rentenkassen einzahlen, ist das einfach eine Unverschämtheit und eine Polemik, die ihresgleichen sucht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum ist mir bei den beiden Reden immer der Begriff „Mutterkreuz“ durch den Kopf gegangen? Ich würde eigentlich dafür werben, dass wir alles tun, damit jedes Kind gut aufgehoben in diesem Land groß wird, und zwar jedes Kind – jedes,

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

keine Unterscheidung, woher das Kind kommt. Ich kenne bei solidarischen Systemen keine Blutsabstammung, sondern ich kenne bei solidarischen Systemen nur die gemeinsame Haftung für das, was man aufgebaut hat. Ich weiß nie, was der Begriff, wenn er so benutzt wird, „die, die länger hier leben“, bedeutet. Ich weiß nicht, wer das ist, „die, die länger hier leben“. Ist das der Westdeutsche, der seit 27 Jahren hier ist? Ist das „länger hier leben“? Sind das die 800.000 Flüchtlinge, die nach 1945 hierhergekommen sind, die als Deutsche überall gelebt haben und dann am Ende Neubürger in dem wurden, was später dann Thüringen wurde? Was meint „länger hier Lebende“? Ist das eine rassistische Ausgrenzung, um zu sagen, es geht um Blutsabstammung, es geht um Blut und Boden, es geht um andere Fragestellungen? Warum höre ich das immer zwischendurch raus? Selbst wenn ich bei manchen Analysen der Meinung bin, das Argument kommt mir sehr bekannt vor, wird mir spätestens, wenn das Argument gegen Hartz IV mit der deutschen Staatsbürgerschaft gekoppelt wird, speiübel, weil es dann nämlich um rassistische Ausgrenzung geht.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)