denn hier müssen diese Gemeinden auf ein Verfahren vertrauen, das gerade im Gesetzgebungsverfahren ist, und sie müssen auf das Wort des eigens für die inzwischen gescheiterte Gebietsreform eingesetzten Staatssekretärs vertrauen. Selbst der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes, Ralf Rusch, hat in der Anhörung zum Gesetz zur Weiterentwicklung der Gemeinden Konkretisierungen angemahnt.
Konkretisierungen sind im Hinblick auf die „Hochzeitsprämie“ da, aber sie fehlen in jedem Fall bei den Strukturbeihilfen und bei den Entschuldungshilfen. Hier hoffe ich, dass noch im Gesetz nachgebessert wird, sonst bleibt alles offen.
Mit Datum vom 14.02. liegt uns nun der Gesetzentwurf zur Neugliederung vor. Bei einigen Fusionen, deren Anträge bereits Anfang des Jahres 2016 gestellt worden sind, bin ich schon verwundert, dass diese nicht 2017 bearbeitet wurden, sondern uns erst heute vorliegen.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Zu- erst sagen Sie, es geht zu schnell und dann … Das ist doch wohl die Höhe!)
Andererseits wundert es mich, dass eine Reihe von Anträgen in die derzeit vorliegende Fassung des Gesetzentwurfs erst gar nicht aufgenommen worden ist.
Nach unserer Meinung gibt es 25 Anträge, 13 sind jetzt im Gesetzentwurf. Sie hatten gerade angedeutet, es kommen noch zwei. Mal sehen, ob die dabei ist, die ich mir herausgesucht habe, denn wir haben mit dem Gesetzentwurf auch Zuschriften des Gemeinde- und Städtebundes, von Mitgliedsgemeinden erhalten – darunter sehr ausführliche Beschlussfassungen der Kommunen Verwaltungsgemeinschaft Gramme-Aue und Verwaltungsgemeinschaft An der Marke. Hier liegen alle Beschlüsse zur Fusion von den Gemeinden vor. Es ist auch die Stellungnahme des Landkreises, der Rechtsaufsichtsbehörde, beigefügt. Auch diese ist positiv. Nun wundere ich mich, dass man diesen Antrag nicht aufgenommen hat. Erst habe ich gedacht, es könnte sein, weil sie genau in der Mitte liegen, ein ländlicher Bereich zwischen Sömmerda, Erfurt, Weimar. Da wachsen natürlich die Begehrlichkeiten zu den Zentralen Orten.
Auf der anderen Seite habe ich gerade von Herrn Adams gehört, dass man bei der Gemeinde Föritztal, auch einem freiwilligen Zusammenschluss, nicht unbedingt auf das Oberzentrum Sonneberg abgestellt hat.
Wie auch immer – ein Zentraler Ort, ich kenne mich nicht so gut in Südthüringen aus, das muss ich zugeben. Es ist auch in Ordnung, wenn das so entschieden wird, aber dann erwarte ich doch gleichen Maßstab auch im Bereich Sömmerda. Es bleibt abzuwarten, ob diese Fusion letztendlich auch den Landtag erreichen wird – ob in Nachbesserung oder vielleicht sogar in der zweiten Tranche.
Aber eins ist auch ganz klar: Staatssekretär Höhn hat erst in seiner Beratung mit Bürgermeistern dieser Gemeinden geäußert, dass hier alle rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Dann erschließt es sich für unsere Fraktion nicht, wieso diese Antragstellung nicht dabei ist.
Es gibt Neugliederungen im Gesetzentwurf, die wir durchaus kritisch sehen. Ich will ein Beispiel herausgreifen, und zwar den Zusammenschluss der Stadt Leinefelde-Worbis und der Gemeinde Hundeshagen. Hundeshagen ist Mitglied der VG Lindenberg im Eichsfeld. Nach der derzeitigen Rechtslage – nachzulesen in § 46 Abs. 1 Satz 2 der Thüringer Kommunalordnung – ist ein Austritt nur mit doppelter Mehrheit der Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft möglich. Das heißt, die Mehrheit der Mitgliedsgemeinden, in der die Mehr
heit der Einwohner wohnt, muss entsprechend übereinstimmende Beschlüsse gefasst haben. Dieses Formerfordernis hat der Gesetzgeber wohlweislich nach einer sehr intensiven Diskussion eingeführt, um zum einen die Verwaltungsgemeinschaften in ihrem Bestand zu schützen
und zum anderen der Gemeinde einen Austritt unter bestimmten Voraussetzungen auch zu ermöglichen. Diese Regelung wiederum soll leichtfertiges Wechseln von Gemeinden von einer zur anderen Gebietsstruktur verhindern.
Immerhin sind die Verwaltungsgemeinschaften rechtliche Institute, die sich seit einem Vierteljahrhundert in unserem Land überwiegend bewährt haben.
Die Landesregierung sieht dies aber anders und sie legt nicht einmal wert – das wurde uns im Innenund Kommunalausschuss bestätigt – auf das Votum der Mitglieder bei diesen Entscheidungen; die Beschlüsse sind nicht zwingend notwendig. Wir sind der Meinung, dass hier Tür und Tor für Wildwuchs im kommunalen Bereich geöffnet werden.
Wie kann man den Austritt von einigen Gemeinden/ einer Gemeinde gestatten und sich nicht um das Restgebilde kümmern?!
Sinngemäße Aussage des Innenministers: Dann wird eine geeignete Kommune zur Erfüllenden Gemeinde der Rest-VG. Im Fall Hundeshagen ist es hier noch nicht so dramatisch, weil der Fortbestand der VG nicht gefährdet ist
ich weiß das schon –, dennoch wird die Verwaltungsgemeinschaft erheblich geschwächt. Wenn eine Kommune mit 1.155 Einwohnern aus einer Verwaltungsgemeinschaft austritt, dann bleibt das doch nicht folgenlos.
Zwangsläufig wird diese Verwaltungsgemeinschaft geschwächt. Für die verbleibenden Gemeinden erhöhen sich die Umlagen der Verwaltung und das wiederum reduziert die Spielräume im kommunalen Bereich. Meistens sind es dann die freiwilligen Auf
gaben, die nicht mehr zu erfüllen sind. Und, ich habe extra nachgesehen, es gibt keinen Beschluss der Gemeinschaftsversammlung mit der doppelten Mehrheit zu diesem Austritt. Nun hat die Rechtsaufsichtsbehörde des Eichsfeldkreises die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse zur Eingliederung bestätigt. Wie kann das gehen? Vorauseilender Gehorsam? Es gilt ja immer noch der § 46 Abs. 1 Satz 2. Setzen die Rechtsaufsichten diesen schon außer Kraft? Ja, im Grunde können einem die Mitarbeiter der Kommunalaufsicht schon irgendwo leid tun. Ja, sie befinden sich echt in einem Dilemma. Aber auch das spielt für Rot-Rot-Grün keine Rolle.
Der Geschäftsführer des Gemeinde- und Städtebundes hatte im Rahmen der letzten Anhörung, Gesetz zur Weiterentwicklung der Gemeinden, in unserem Innen- und Kommunalausschuss einen sehr schönen Vergleich gebracht und ich möchte Ihnen den nicht vorenthalten. Er drückt das so richtig aus und man kann es sich auch vorstellen. Man fährt auf einer Straße, die eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Kilometer pro Stunde hat. Nun hat der Stadtrat entschieden, diese Begrenzung in den nächsten Monaten aufzuheben, und
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Darf der Stadtrat gar nicht! Übertragener Wir- kungskreis, keine Zuständigkeit!)
Meinen Sie, das wird die Ordnungsbehörde oder die Bußgeldstelle beeindrucken, wenn der Fahrer zu schnell fährt, er hält die 50 ein? Also die Strafen werden auf dem Fuße folgen, weil die rechtliche Grundlage eindeutig ist, und genauso verhält es sich hier mit der doppelten Mehrheit bei den Austritten.
Nun sagen Sie, es kommt ja alles irgendwie zusammen. Das eine Gesetz – Weiterentwicklung der Gemeinden – werden wir hier sicherlich im April oder Mai beschließen, das vorliegende Gesetz nach Anhörung sicherlich im Juni; alles kommt zusammen. Aber es stellt sich hier eine entscheidende Frage: Kann durch die beabsichtigte Änderung des § 46 Abs. 1 Satz 2 Thüringer Kommunalordnung ein vor diesem Zeitpunkt gefasster Beschluss, welcher nicht den bis dato geltenden Voraussetzungen der Vorschrift entspricht, geheilt werden? Wir werden das in jedem Fall im Auge behalten, haben dazu auch schon, um das zu erörtern, einen Antrag an die Landtagsverwaltung gestellt. Es gibt also jede Menge Fragen, die noch in diesem Gesetzentwurf
stecken. Für uns ist es wichtig, dass man jetzt nicht anfängt, die Rosinen aus den Verwaltungsgemeinschaften herauszupicken, und am Ende einen Flickenteppich im Rahmen dieser Freiwilligkeitsphase übrig lässt – das darf nicht sein. Dazu ist mir – genau wie meinen Kollegen von der CDU-Fraktion – die Entwicklung im kommunalen Bereich in Thüringen einfach zu wichtig.
Ich beantrage im Namen meiner Fraktion die Weiterbehandlung und Überweisung an den Innen- und Kommunalausschuss. Danke schön.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Holbe. Als Nächster hat Abgeordneter Kuschel für die Fraktion Die Linke das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrte Bürgermeister! Herrn Rusch hatte ich auch gesehen, er ist zumindest im Haus – also herzlich willkommen, Sie wurden ja schon von den Vorrednern begrüßt. Es ist heute ein guter Tag für Thüringen, für die Kommunen, für die Bürgerinnen und Bürger und die Wirtschaft, weil die Gebietsreform eine weitere Etappe in Angriff nimmt. Insofern werden all die, die immer laut schreien „Die Reform ist gescheitert“, heute wieder eines Besseren belehrt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die Reform ist gut und richtig – das hat der Innenminister hier noch mal eindrucksvoll dargelegt. Wenn wir den Zeitplan betrachten, haben wir sechs Monate Verzögerung zu den ursprünglichen Plänen. Aber es sind auch nur sechs Monate – gemessen an den Widerständen, die insbesondere von der CDU organisiert wurden, ist das immer noch ein erstaunliches Ergebnis. Ich habe Verständnis, dass die betroffenen Kommunen bedauern, dass es diese sechsmonatige Verzögerung gibt, aber es ist auch nicht so, dass damit der Zeitplan der Reform völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Von daher nehmen wir heute die nächste Hürde.
Heute wurden wieder Argumente ausgetauscht, ob die Reform erforderlich ist oder nicht. Das zeigt, dass wir bei der Debatte in den letzten Jahren keine neuen Erkenntnisse gewonnen haben, was die Notwendigkeit der Reform betrifft. Seit 2004/2005 ist der Reformbedarf mehr als überdeutlich. Wir ha