Stärkung des Wissenschaftsstandorts Thüringen scheint Ihnen ein Anliegen zu sein. Es mutet daher recht befremdlich an, dass Sie allen Umständen zum Trotz weiter an Ihrer geplanten Novelle des Thüringer Hochschulgesetzes festhalten.
Meine Damen und Herren, der Bund kann Thüringer Hochschulen finanzieren, wie er möchte, er kann außeruniversitäre Forschungseinrichtungen nach bester Kraft in Thüringen ansiedeln. Wenn Sie unseren Hochschulen die Handlungsfähigkeit nehmen, ist das alles trotzdem nichts wert. Nichts anderes steht uns bevor. Obwohl sämtliche Rektoren und Präsidenten der Thüringer Hochschulen ausdrücklich davor warnen, die von Ihnen geplante Reform des Thüringer Hochschulrechts umzusetzen, halten Sie an Ihren Plänen fest und behaupten absurderweise zudem, die Herren Professoren hätten Ihren Gesetzentwurf einfach nicht mit ausreichender Aufmerksamkeit gelesen und zur Kenntnis genommen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen, liebe Besucherinnen auf der Tribüne! Die derzeitigen Diskussionen über eine neue Bundesregierung und den zur Abstimmung gestellten Koalitionsvertrag geben leider nicht die Herausforderungen wieder, denen sich eine neue Bundesregierung zu stellen hat. Da geht es vielmehr um Nebensächlichkeiten, wie beispielsweise Personalien, die uns leider an dieser Stelle nicht wirklich weiterhelfen. Deshalb danke ich der SPD für die Möglichkeit, in der Aktuellen Stunde hier inhaltlich zur Perspektive der ostdeutschen Bundesländer in Bezug auf die Wirtschaftspolitik sprechen zu können. Dafür bedarf es zunächst einer Bestandsaufnahme und Identifikation der Probleme, die von einer zukünftigen Bundesregierung zu lösen sind. Prinzipiell hat sich ein – sagen wir mal – „Nachbau West“ als ungeeignetes Leitbild für den Aufbau in Ostdeutschland erwiesen.
Die demografische Entwicklung und die Globalisierung treffen in den östlichen Bundesländern auf regionale Besonderheiten wie zum Beispiel die industriellen Umstrukturierungen oder kleinteilige Wirtschaftsstrukturen in weiten ländlichen Räumen. Wo wir als Land mit gutem Beispiel vorangehen – nehmen wir zum Beispiel die wirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen, die wir als Koalition mit einem kräftigen Aufschlag im aktuellen Haushalt weiter fördern –, ziert sich der Bund mit entsprechenden Fördermaßnahmen.
Deshalb ist mein Appell an eine künftige Bundesregierung bereits an dieser Stelle, die Förderinstrumente neu zu ordnen. Eine Neuordnung darf dabei aber nicht regionenspezifisch ausgerichtet sein, sondern sie muss bedarfsspezifisch ausgerichtet sein. Genau dieser Bedarf besteht in Bezug auf die Breitbandversorgung. Ich bin erschrocken, dass der Schlüsselbereich Digitales einer neuen Bundesregierung wieder keinen eigenen Staatssekretär wert ist und stattdessen die bisher völlig erfolglose CSU weitere vier Jahre Verantwortung tragen soll.
Es reichen eben nicht immer nur Ankündigungen, wie wichtig eine glasfaserbasierende Breitbandinfrastruktur für die deutsche Wirtschaft ist, wenn die Bundesregierung seit Jahren darauf setzt, die Altbestände der Telekom an Kupferkabeln zu finanzieren.
Nur zur Erinnerung: Bis 2018 sollten alle Haushalte einen Breitbandanschluss besitzen – also mindestens 50 Megabit pro Sekunde aus dem Internet ziehen können. Im ländlichen Raum liegen wir mittlerweile bei erschreckenden 36 Prozent. Das neue Gigabit-Ziel scheint daher bereits jetzt gescheitert, wenn die neue Bundesregierung so weiter macht, wie die alte gearbeitet hat.
Die nächste Baustelle, die wir sehen, ist der Fachkräfte-Engpass, von dem die ostdeutschen Bundesländer in ganz besonderem Maße betroffen sind. Zum Teil sind diese Probleme hausgemacht, denn es gab durchaus Zeiten in Thüringen, wo eine massenhafte Abwanderung von Fachkräften in den Westen stattfand, weil schlichtweg keine Jobperspektive hier zu sehen war oder das hiesige Lohnniveau weit unterhalb des Lohnniveaus im Westen lag. Nun haben wir bei nahezu Vollbeschäftigung das gegenteilige Problem, dass wir nicht genügend Fachkräfte finden. Der Bund könnte hier gezielt mit einem Einwanderungsgesetz entgegenwirken, was wir als Bündnis 90/Die Grünen seit Langem schon fordern.
Mein letzter Punkt betrifft die stark divergierenden Netzentgelte zwischen den Bundesländern. Auch hier fordern wir seit 2013 einen einheitlichen Betrag ohne regionale Unterschiede. Bundesrat und Bun
destag haben sich nun auf einen Kompromiss verständigt, der einheitliche Netzentgelte bis 2023 vorsieht. Auch hier ist ein deutlich ambitionierter Fahrplan wünschenswert, um eine schnellere Angleichung zwischen den Regionen zu erreichen. In diesem Sinne wünsche ich mir weitere Impulse einer künftigen Bundesregierung – und deutlich weniger Personaldiskussion. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich ausdrücklich begrüßen, dass unsere Landesregierung gerade in der aktuellen Diskussion vielfältige Impulse dazu beiträgt, wie wir grundsätzlich weiterkommen können bei einer Angleichung der Lebensverhältnisse in unserem Land, in der Bundesrepublik insgesamt.
Eigentlich wollte ich an der Stelle sagen, dass ich froh bin, dass wir uns durchaus unter den demokratischen Fraktionen in wesentlichen Punkten einig sind, weil zum Beispiel auch Kollege Mohring – jetzt ist er gerade aus dem Saal gegangen – mehr Ostkompetenz in der neuen Bundesregierung deutlich gefordert hat. Sie haben mich etwas irritiert, Kollege Prof. Voigt, mit Ihrer kritischen Herangehensweise. Ihren Worten habe ich eher entnommen, dass wir uns überhaupt nicht einig sind in diesen Fragen, und das, denke ich, hilft dann Thüringen nicht in dieser Situation. Denn eines müssen wir doch mal klarstellen: Bei allen Anstrengungen, die wir hier machen, die auch diese Landesregierung macht, die dieser Landtag insgesamt macht, wissen wir natürlich, dass wir diese Probleme in Ostdeutschland nicht lösen können ohne eine grundsätzliche Wende an vielen Punkten in der Bundespolitik. Also das ist für mich so klar wie das berühmte Amen in der Kirche. Auch unser Ministerpräsident hat sich ja eingeschaltet in diese Debatte. Wir hatten als Linke die Fraktionsvorsitzendenkonferenz hier auch in Erfurt gehabt und haben dabei einen eigenen Aktionsplan vorgewiesen. Ich möchte sagen, dass da auch die Fragen von Wirtschaft und Wissenschaft enthalten sind. Aber ich möchte durchaus noch mal auf ein paar andere Punkte eingehen, meine Damen und Herren, die auch zu dieser Debatte gehören.
Ganz klar ist doch, dass wir hier immer noch eine deutliche Diskrepanz haben in diesen Lebensverhältnissen, in den Lebensleistungsbewertungen in vielen Bereichen zwischen Ost und West. Lassen Sie mich vielleicht mal ein Beispiel herausgreifen, was recht aktuell ist, nämlich der Tarifabschluss in
der Elektroindustrie. Ich meine, die 4,3 Prozent mehr Lohn und endlich wieder der Einstieg in eine überfällige Debatte zur Flexibilisierung der Arbeitszeit zugunsten der Beschäftigten, möchte ich hier hervorheben, sind natürlich wirklich Erfolge. Und wir haben, wie andere sicher auch, natürlich diesen Arbeitskampf und die Debatten dazu ein Stück weit auch begleitet und Informationen dazu erhalten und auch mit vielen Beschäftigten gesprochen. Aber dann müssen wir eben auch feststellen, dass diese Beschäftigten uns immer wieder sagen: Warum müssen wir für dasselbe Geld, welches westdeutsche Kolleginnen und Kollegen bei 35 Wochenstunden erhalten, eigentlich im Jahr 28 nach der deutschen Einheit immer noch 38 Stunden arbeiten?
Und, meine Damen und Herren, das ist auch ein Standortfaktor für Ostdeutschland. Das hat auch mit Fachkräftesituationen hier im Osten zu tun. Das müssen wir politisch auf die Agenda heben und auch dahin geht unser Appell nicht nur an die Tarifpartner, sondern auch an die sie begleitende Politik. Ich will das auch noch mal sagen, weil hier sozusagen ein bisschen von der CDU-Fraktion die Rechnung aufgemacht wurde: Eigentlich tut diese Landesregierung in Thüringen nicht das Richtige. Ich will mich jetzt nicht über die Wirtschaftszahlen hier in Thüringen verbreiten – das machen wir auch an anderer Stelle öfter –, die sind insgesamt positiv. Aber wenn ich gerade mal bei Löhnen bin und bei – ich habe es jetzt noch mal genau gelernt – 24 Jahren CDU-Regierung in diesem Land: Mindestens 21 Jahre von den 24 haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, dieses Land als Billiglohnland präsentiert.
Das war Ihr Beitrag längerfristig gesehen zu dieser Entwicklung. Aus der Verantwortung, an der wir heute noch gemeinsam arbeiten, kann ich Sie natürlich letztlich nicht entlassen.
Ja, es ist eben auch wichtig, dass wir gute Ausbildungsvergütungen in Ostdeutschland haben. Wir haben an anderer Stelle über solche Fragen gesprochen. Ja, wir müssen auch berücksichtigen, dass die Lebenshaltungskosten, die angeblich ja insgesamt immer noch, das mag im Durchschnitt stimmen, hier im Osten niedriger sind, als Argument herhalten sollen für eine nicht adäquate Lohnentwicklung. Da muss ich aber klipp und klar sagen: Eine Ortschaft mittlerer Natur in Niedersachsen, die hat mit Sicherheit keine höheren Lebenshaltungskosten als Jena, Weimar oder Erfurt hier in Thüringen. Deshalb sind das eben Fragen, die wir auch in diesem Zusammenhang stellen müssen, von der Rente – da will ich jetzt nicht noch mal auf die CDU zurückkommen, aber wir wissen alle, um was es geht – und von den unterschiedlichen Be
dingungen, die es heute immer noch zwischen Ost und West gibt, gar nicht erst zu sprechen. Es ist also, meine Damen und Herren, wichtig, dass dieses Thema aus verschiedensten Facetten heraus deutlich angesprochen ist. Insofern war auch der Vorstoß noch mal zusätzlich des Wirtschaftsministers in die richtige Richtung und ich kann das nur unterstützen.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, liebe Gäste! Ja, die Aktuelle Stunde, lieber Prof. Voigt, wird nicht vom Minister auf die Tagesordnung gesetzt, sondern von den Fraktionen.
Und der Minister hat dann ganz am Ende der Debatte seinen bescheidenen Beitrag dazu zu leisten. Aus diesem Grund ist es wohl auch nicht die Ursache, dass dieses Thema auf die Tagesordnung gesetzt wird, dass am 11.03. in der SPD ein wichtiger Termin ansteht.
Eigentlich wollte ich meine Rede anders aufbauen, aber, Prof. Voigt, einmal mehr geben Sie mir so eine schöne Steilvorlage, dass ich meine Redezeit nutzen möchte, um zunächst einmal das zu würdigen bzw. zu dem zu sprechen, was Sie angesprochen haben. Ich meine, Prof. Voigt, Sie haben einerseits eine Chance vertan und zum anderen denjenigen, die die Forderungen stellen, gegenüber denjenigen, die diesen Forderungen eher abgeneigt sind, einen Bärendienst erwiesen.
Zunächst einmal dazu, welche Chance Sie vertan haben. Sie haben die Chance vertan, einmal mehr hier aus dem Landtag heraus in Einmütigkeit der Fraktionen gegenüber dem Bund deutlich die Forderungen Ostdeutschlands zu unterstreichen und sich zu eigen zu machen.
Zum Zweiten: Selbstverständlich steht im Koalitionsvertrag einiges, was die Themen anspricht, die heute diskutiert worden sind und die auch in meinem Forderungskatalog zu finden sind. Im Übrigen habe ich bereits im Januar 2017 im Konjunkturrat die Forderungen ähnlich aufgemacht, auch als Vorsitzender des Forums Ostdeutschland die Forderungen im letzten Jahr aufgemacht. Sie sind also nicht neu, wenn es darum geht, wer eigentlich die
Urheberschaft daran hat. Aber, Prof. Voigt, was Sie nicht sehen, ist das Entscheidende, nämlich dass in dem Koalitionsvertrag ständig zwischen „wir werden“ und „wir wollen“ unterschieden wird, dass hinter dem Koalitionsvertrag ein Finanztableau steht, in dem einige Maßnahmen konkret etatisiert sind und andere nicht. Schauen Sie sich – ich habe jetzt die Ziffer gerade noch mal rausgesucht – die Zeile 4.326 an, da steht etwas zum Härtefallfonds. Wir fordern diesen Härtefallfonds für die Menschen, die im Einigungsvertrag und späterhin vor den Sozialgerichten schlecht behandelt worden sind, zum Beispiel die Geschiedenen vor 1992; diejenigen, die in der Braunkohlenveredelung arbeiten; diejenigen, die als ehemalige Reichsbahner auf mehr Rente hoffen.
Wir fordern seit Langem, dass es diesen Gerechtigkeits- oder Härtefallfonds gibt, und das ist in der letzten Koalition an der CDU gescheitert.
Das war im Koalitionsvertrag nicht unterzubringen. Und jetzt steht wieder nicht „wir werden“ drin, sondern „wir wollen“ einen Härtefallfonds. Der erste Punkt, den Sie erkennen müssen – da bitte ich um die Unterstützung auch der CDU-Fraktion –, ist, dass wir diese Forderungen erheben, dass aus dem „wir wollen“ im Finanztableau ein „wir werden“ wird.
Das Zweite ist: Viele Formulierungen sind nicht präzise. Ich habe in dem Papier, das ich vorgelegt habe, bereits 2017, aber auch jetzt gefordert – und das ist der Unterschied zu dem, was Sie sagen –, dass wir genau darüber diskutieren, und wir müssen einfordern – Butter bei die Fische –, dass konkret besprochen wird, konkret beschrieben und umgesetzt wird, was es beispielsweise heißt, die strukturschwachen Regionen zu fördern.
Wer das nicht ständig betont, braucht sich nicht zu wundern, dass dann zwar irgendwas geschieht, aber der Osten benachteiligt wird. Denn wir nehmen doch zur Kenntnis – meine Vorredner haben es angesprochen –, dass die Strukturschwäche nicht nur im Osten vorhanden ist, sondern auch in westdeutschen Regionen; mit dem kleinen, aber feinen und wichtigen Unterschied, dass in Westdeutschland in einer prosperierenden Region einige strukturschwache Gebiete sozusagen nach unten herausragen, während in Ostdeutschland in einer im Wesentlichen flächendeckenden Strukturschwä