Einige Voraussetzungen haben aber doch inzwischen Platz gegriffen. Ich will nur die wachsenden Fahrgastzahlen der Verkehrsverbünde hier ins Rennen führen: Sowohl beim VMT als auch beim MDV als auch in den anderen landesweiten Verkehrsbünden anderer Bundesländer steigen die Fahrgastzahlen an.
Thüringen hat eine neue Tourismuskonzeption entwickelt, das „Fahrtziel Natur“ wird durch die Deutsche Bahn bundesweit beworben, Thüringer Naturschönheiten sind mit dabei. Aber wie steht es mit der Anbindung vor Ort? Komme ich dort auch aus Erfurt hin? Das Rennsteig-Ticket wird als eine sehr große Errungenschaft bezeichnet. Zu fragen ist aber: Wie viele Gemeinden sind daran beteiligt? Wie kann man seine Wirksamkeit und seinen Ausbau noch erweitern? Wie bekomme ich Echtzeitinformationen über Anschlüsse zwischen Bahn und Bus? Kann ich ein verkehrsträgerübergreifendes Ticket überall erwerben? Das Handy-Ticket wird gerade im VMT eingeführt. Neue Nutzergruppen haben neue Bedürfnisse. Wir müssen uns also in die Diskussion hineinbewegen und hier kommen wir an Grenzen, die nicht beim Land begründet liegen. Dass der ÖPNV erfolgreich sein kann, zeigen die Verkehrsverbünde und auch die Kommunen, die verkehrsträgerübergreifend zusammenarbeiten. Das Land Thüringen unterstützt aktiv jede gemeinsame verkehrsträgerübergreifende Zusammenarbeit, die Kooperation bzw. auch den Wunsch, sich einem Verkehrsverbund anzugliedern. In den Haushalt sind dafür Mittel in großer Höhe für Zehn-Jahres-Verträge und die Erweiterung des VMT eingestellt. Das Thüringer Verkehrsmodell bietet die Möglichkeit, Verkehrsbeziehungen mit dem Umland zu optimieren, Verbindungen zwischen Stadt und Landkreis – ich nehme jetzt nur das Beispiel SaaleHolzland-Kreis und Jena – günstiger zu gestalten, und zwar zum gegenseitigen Vorteil. Echte Fahrgastinformationssysteme, bessere Abo-Strukturen, Tarifvereinheitlichung, ein gemeinsames Vertriebs
angebot, aber auch ein verbundweites Schüler- und Azubi-Ticket wären in einem Verkehrsverbund möglich. Wie in Hessen könnte Thüringen hier auch den Verlust für den Verbund übernehmen.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrte Abgeordnete, verehrte Gäste auf der Zuschauertribüne, zur Sicherstellung der Mobilität der Thüringer Bürger ist der öffentliche Personennahverkehr nach wie vor von großer Bedeutung. Wie die vorliegende Drucksache richtig feststellt, wird diese Mobilität zukünftig immer wichtiger. Das Regionalisierungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland vom 27. Dezember 1993 definiert die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsdienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr als eine Aufgabe der grundgesetzlich verankerten Daseinsvorsorge und ist damit eine Kernaufgabe einer jeden Landesregierung. Dieser Kernaufgabe ist die Landesregierung aus Sicht der AfD-Fraktion bisher jedoch eher schleppend nachgekommen. Die Lebensqualität in unseren Städten, aber auch besonders auf dem Land, ist unmittelbar mit der Qualität des öffentlichen Personennahverkehrs verbunden. Daher gibt es insbesondere in der ländlichen Bevölkerung in Thüringen ein klares Bedürfnis nach einem hochwertigen, preisgünstigen, sicheren, zuverlässigen, barrierefreien und effizienten Nahverkehr. Die Landesregierung hat bisher jedoch sträflich vernachlässigt, dies sicherzustellen. Erst die im nächsten Jahr bevorstehende Landtagswahl lässt sie diesbezüglich eine gewisse Aktivität entwickeln. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die bisherige Bilanz der rot-rot-grünen Landesregierung im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs alles andere als erfreulich ist.
Zunächst ging durch schlechtes Planen und müdes Verhandeln der ICE-Haltepunkt Jena fast vollständig verloren. Der dafür als Ersatz angedachte ICEKnoten wird nicht vor dem Jahr 2028 – ungefähr – funktionieren. Das gefährdet den Wirtschaftsstandort Thüringen. Das Schicksal der Pfefferminzbahn
ist immer noch ungewiss und nach Aussagen der Landesregierung gegenüber dem MDR könnte es bei einer Einstellung der Strecke erst etwa ab dem Jahr 2025 zu einer Neueröffnung kommen. Ein kostenloses Azubi-Ticket ist trotz vollmundiger Ankündigungen der Landesregierung immer noch in weiter Ferne. Auch bei der Förderung der dringend benötigten Straßenbahnen in Erfurt, Gera, Jena und anderen Städten zeigt sich die Landesregierung obgleich üppiger Steuereinnahmen recht geizig. Auch Übergriffe – wie kürzlich an einer Erfurter Straßenbahnhaltestelle – zeigen, dass die Landesregierung im Bereich der Sicherheit im öffentlichen Personennahverkehr deutlichen Nachholbedarf hat und über kein schlüssiges Sicherheitskonzept in diesem Bereich verfügt. Von wem kann man verlangen, auf Bus und Bahn umzusteigen, wenn man als Fahrgast Angst vor gewalttätigen Übergriffen haben muss, meine Damen und Herren?
Diese Missstände dürfen so nicht länger hingenommen werden, insbesondere dann nicht, wenn die Bewohner des ländlichen Raums in Thüringen Angst haben müssen, dass sie ohne Auto nicht mehr zur Arbeit kommen und ihre Kinder nicht mehr zur Schule gehen können. Auch der jüngste Vorschlag der Bundesregierung, in einigen deutschen Städten einen kostenlosen Nahverkehr einzurichten, stößt bei uns auf gewisse Skepsis. Die Idee hört sich gut an, jedoch fehlt ihr bisher ein seriöses und schlüssiges Finanzierungskonzept.
Dieses ist jedoch für Vorhaben dieser Größenordnung absolut notwendig und Grundvoraussetzung für das Gelingen eines solchen Projekts. Mit „Finanzierungskonzept“ meinen wir als AfD allerdings nicht eine Art Kopfpauschale, wie sie die GEZ derzeit darstellt, sondern ein bodenständiges und zukunftsfähiges Konzept, das gerecht ist und den Bürger nicht über Gebühr belastet. Eine GEZ für den öffentlichen Personennahverkehr lehnen wir als AfD daher vollständig ab.
Vor diesem Hintergrund fordern wir die Landesregierung auf, endlich ein seriöses und dauerhaftes Konzept für den öffentlichen Personennahverkehr in Thüringen auf die Beine zu stellen, das sich an den Bedürfnissen der Bürger dieses Landes orientiert. Dieses Konzept muss bezahlbar, sicher und zuverlässig sein, muss insbesondere die Lebensqualität im ländlichen Raum und der älteren Mitbürger wieder deutlich erhöhen, damit die schon länger hier Lebenden wirklich gut und gerne in Thüringen leben. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke schön, Herr Abgeordneter Rudy. Als Nächster hat Abgeordneter Malsch für die CDU-Fraktion das Wort.
Werter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, gerade der ländliche Raum steht doch vor großen Herausforderungen, vom demografischen Wandel bis zur Abwanderung junger Menschen in die Ballungsgebiete. Damit insbesondere Familien auch in Zukunft gerne auf dem Land leben, sind nachhaltige Lösungen gefragt. Wir dürfen nicht zulassen, dass der ländliche Raum ins Hintertreffen gerät. Dazu müssen wir überall in Thüringen gleichwertigen Zugang zu Bildung, Arbeit, öffentlicher Infrastruktur und zu den Leistungen der Daseinsvorsorge gewährleisten. Da sind wir schon direkt beim ÖPNV.
Die CDU-Fraktion will auch in Zukunft einen starken, leistungsfähigen und umweltfreundlichen ÖPNV in allen Regionen Thüringens sichern. Wir sprechen uns für eine stärkere Zusammenarbeit der Aufgabenträger aus und werden die Ausweitung des „Verkehrsverbundes Mittelthüringen“ unterstützen. Darauf können Sie sich verlassen, Frau Dr. Lukin. Wir haben nur möglicherweise unterschiedliche Herangehensweisen an die Sache.
Ich wiederhole deshalb: Wir werden die Ausweitung des „Verkehrsverbundes Mittelthüringen“ unterstützen und sprechen uns dabei für eine stärkere Zusammenarbeit der Aufgabenträger aus. Das heißt für uns konkret, dass sich die Aufgabenträger des ÖPNV, also die Landkreise und kreisfreien Städte, in interkommunaler Zusammenarbeit auf den Weg machen sollen, einen landesweiten Verkehrsverbund zu etablieren.
Dem Land, und hier insbesondere dem Infrastrukturministerium, kommt dabei die Rolle des Moderators und Vordenkers zu. Leider bemerke ich davon noch nicht viel.
Werte Kolleginnen und Kollegen, bevor man über Form und Struktur eines einheitlichen landesweiten Verkehrsverbundes nachdenkt, muss man sich über die Ziele und Inhalte im Klaren sein. Auch davon bemerke ich noch nicht genug, obwohl doch klar ist: Alle Fahrplanangebote müssen aufeinander abgestimmt sein. Die Einführung eines echten Azubi-Tickets setzt einen einheitlichen Verkehrsverbund voraus. Es kann nicht sein, dass mehrere Fahrkarten nötig sind, um durch Thüringen zu fahren. Digitalisierungsprojekte, elektronisches Ticketing, Fahrgastinformationen in Echtzeit bleiben auf der Strecke, um nur einige Defizite zu benennen.
Wir alle sind uns einig, dass es möglich sein muss, mit einem einzigen Fahrschein in Thüringen von A nach B zu gelangen, unabhängig von der Art und Anzahl der genutzten Verkehrsmittel.
Der Fahrschein dazu sollte online buchbar oder elektronisch bezahlbar sein. Die Tarife sollen angemessen, das Vertriebssystem einheitlich, die Fahrpläne aufeinander abgestimmt und sinnvoll getaktet sein, Anschlussverbindungen – etwa von Bus auf Zug oder kreisübergreifend von Bus auf Bus – möglich sein. All dies sind unstreitig Herausforderungen, aber nicht wirklich zu viel verlangt, wenn man einen kundenfreundlichen ÖPNV organisieren will. Das sind übrigens alles Aufgaben, die sich Rot-RotGrün im Koalitionsvertrag selbst gestellt hat. Gelöst sind sie nach dreieinhalb Jahren nicht.
Ich habe den Eindruck, werte Kolleginnen und Kollegen, dass Ihre Aktuelle Stunde vor allem der Selbstmotivation dient.
Werte Kolleginnen und Kollegen, aber bei so vielen Gemeinsamkeiten in den Zielen für einen guten ÖPNV möchte ich zurück zur Herangehensweise kommen. Wir setzen auf die Kooperation von möglichst allen Aufgabenträgern und Verkehrsunternehmen auf freiwilliger Basis. Wir wollen keinen zentralisierten VEB Kraftverkehr Thüringen, der von Erfurt aus vorschreibt, wann und wo ein Bus zu fahren hat. Wir setzen auf die kommunale Selbstverwaltung und halten an einer dezentralen Aufgabenträgerschaft der einzelnen Landkreise und kreisfreien Städte fest. Jeder Aufgabenträger soll auch in Zukunft für Finanzierung, Umfang und Vergabe der ÖPNV-Leistungen zuständig sein. Eine verordnete Zentralisierung der Aufgabenträgerschaft darf es nicht geben.
Werte Kolleginnen und Kollegen, all dies bedarf aber einer intensiven Kooperation und da sehe ich das Verkehrsministerium in der Pflicht, alle Beteiligten zusammenzubringen und den bislang auf Mittelthüringen beschränkten Verkehrsverbund zu einer thüringenweiten Kooperationsplattform weiterzuentwickeln. Weil ich vorhin das Thema „Umweltfreundlichkeit“ angesprochen habe, kann ich nur dahin appellieren, dass es in eine Hand gehört, denn ansonsten entstehen Situationen, dass die Ministerien nebeneinander Mobilität der umweltfreundlichen Art organisieren wollen, aber nicht miteinander reden. Darin liegt auch ein wichtiger Punkt, den wir beachten sollten. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste und Zuhörer auf der Tribüne und am Livestream! Die Thematik der Aktuellen Stunde, dass Mobilität ein Element der Daseinsvorsorge ist, dürfte fraktionsübergreifend unstrittig sein und daher die Notwendigkeit eines flächendeckenden öffentlichen Personennahverkehrs für Thüringen ebenso. Eine Problematik für uns ist dabei, dass der ÖPNV in die Zuständigkeit der Kreise fällt und dass daher die Landkreise selbstständig in kommunaler Selbstverwaltung über die Organisation ihres ÖPNV entscheiden. Ungeachtet dessen helfen wir bereits, und zwar mit dem Aufbau eines Landesbusliniennetzes, welches als Lückenschluss zwischen den zentralen Orten dienen soll. Daher bedarf es nicht nur hier im Plenum einer Diskussion, sondern es bedarf einer gesamtgesellschaftlichen Debatte in Thüringen. Wir sollten uns zum Thema „öffentlicher Personennahverkehr“ miteinander in einen ergebnisoffenen Diskurs begeben: Was will die Gesellschaft, wie können wir das umsetzen und wie können wir das bezahlen? Denn einen kostenlosen ÖPNV wird es nicht geben. Eine Straßenbahn kostet circa 4 Millionen Euro. Busse, Benzin oder Strom kosten ebenfalls. Die Fahrer haben einen Anspruch auf einen fairen Lohn – gute Arbeit für guten Lohn. Das heißt, ein guter ÖPNV kostet viel Geld und das muss gegenfinanziert werden.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir sollten nicht nur heute in der Aktuellen Stunde, da diese nur ein Schlaglicht auf diese Thematik wirft, darüber diskutieren, sondern dies weiter verfolgen, denn es ist höchst aktuell: Mobilität als ein zentrales Element der Daseinsvorsorge und die Debatten auf Bundesebene zu Modellregionen, zu ticketlosem Verkehr in Städten, die Diskussion um die baldige Einführung eines Azubi-Tickets in Thüringen und die neue Nahverkehrsplanung nach Eröffnung des ICE-Knotens Erfurt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir diese Themen diskutieren, fallen mir noch einige wichtige Aspekte wie beispielsweise das ganze Thema der Elektromobilität ein. An dieser Stelle muss man auch mal miteinander darüber reden dürfen, ob wir mehr Geld in Technologien umleiten, die seit Jahrzehnten auf Elektromobilität setzen, wie etwa die Straßenbahnen. Oder ein anderes Thema: Wie wir als Land Thüringen genug Planungskapazitäten vorhalten, um den Bundesverkehrswegeplan 2030 abarbeiten zu können. Oder
das Thema, wie wir die Bedürfnisse von Touristen an unsere ÖPNV-Angebote besser aufeinander abstimmen können.
Auf der einen Seite haben wir großartige Schätze – Städte mit Kunst, Kultur und Geschichte, aber auch zum Beispiel unsere Nationalen Naturlandschaften –, auf der anderen Seite gelingt es uns nicht, diese Touristen mit ÖPNV-Angeboten zu befördern. Hier gilt scheinbar das Motto: Je ländlicher der Raum, desto wichtiger der Individualverkehr. Das ist nicht nur schade, es ist auch ein Widerspruch,
Naturlandschaften zu zeigen und dabei auf wenig umweltfreundlichen Verkehr zu setzen. Apropos Nationale Naturlandschaften: Von dieser Stelle aus grüße ich Vertreter aus dem Naturpark Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale,
die heute im Rahmen des Themenjahrs der TTG, Kulinarik – Thüringer Tischkultur, hier im Landtag zu Gast sind und uns regionale Gerichte aus ihrer Nationalen Naturlandschaft präsentieren.
Sehr geehrte Damen und Herren, Sie sehen, diese Aktuelle Stunde wirft viele Fragen auf. Damit das Thema den Stellenwert bekommt, den es verdient, müssen wir gemeinsam daran weiterarbeiten.
Abschließend möchte ich für die Teilnahme an der Fahrgastbefragung der Thüringer Nahverkehrsgesellschaft zum neuen Fahrplan werben. Die Befragung ist am 14. Februar gestartet und läuft noch bis zum 3. März. Daher von dieser Stelle meine Bitte: Gestalten Sie Thüringen mit, nutzen Sie die Gestaltungsmöglichkeit, bis zum 3. März an der Befragung der Nahverkehrsgesellschaft teilzunehmen. Ein Hauptpunkt aus meiner Sicht wäre eine noch besser abgestimmte Vertaktung der Verkehre. Hier kann ich zum Anfang meiner Ausführungen zurückkommen. Eine Problematik für uns dabei ist, dass der ÖPNV in die Zuständigkeit der Kreise fällt und daher die Landkreise selbstständig über die Organisation ihres ÖPNV entscheiden. Insoweit freue ich mich bereits auf eine beginnende gesamtgesellschaftliche Debatte, um diesen vermeintlichen Widerspruch aufzulösen. Mein Lösungsansatz wäre ein Verkehrsverbund für ganz Thüringen. Vielen Dank.