Wie gesagt: Beide Gutachter haben übereinstimmend festgestellt – es gab da nicht nur Differenzen –, dass dem Datenschutzbeauftragten ein geschützter Kernbereich zusteht, in dem er seine Entscheidungen ganz frei von der Einflussnahme von außen treffen können muss. Umstritten war bei den Gutachtern – und ich glaube, auch da sind wir uns einig – lediglich, wie weit dieser Kernbereich im Einzelnen geht. Deswegen werden wir im Laufe der Sitzungen des Untersuchungsausschusses jeweils im Einzelfall prüfen müssen, ob und wie dies gewährleistet ist, damit die Unabhängigkeit unseres Beauftragten in jedem Fall geschützt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Unabhängigkeit dient übrigens auch dem Schutz der von den Entscheidungen des Beauftragten Betroffenen – wir reden hier über den Schutz von Rechten Dritter. Ich meine, auch die sollten wir sehr, sehr ernst nehmen.
In diesem Sinne, meine sehr geehrten Damen und Herren – ich glaube, das war in der Tat eine der spannendsten Justizausschusssitzungen in der letzten Zeit –, hoffe ich, dass wir heute hier nach dem Minderheitenrecht eine Einsetzung des Ausschusses erleben dürfen und dann hoffentlich eine sachliche und fachliche Zusammenarbeit in dem Ausschuss, die immer wieder deutlich macht: Unser Datenschutzbeauftragter bekommt jedes Recht gewährt, das ihm zusteht. Seine Unabhängigkeit ist uns da ganz besonders wichtig. Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Berninger, Sie haben ja einen schönen Vortrag gehalten, wie ein Untersuchungsausschuss abzulaufen hat. Ich wäre froh, wenn das in anderen Untersuchungsausschüssen auch so beherzigt werden würde, wie Sie es vorhin vorgetragen haben.
Wir haben den Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen des Auffindens, der Sicherung der Akten, den Anforderungen an deren Sichtung und schließlich der Räumung des Lagers in Immelborn durch die Vernichtung der Akten beantragt. Wir haben es deshalb beantragt, weil es Anhaltspunkte gibt, dass vorliegend ein Skandal aufgebaut worden
ist, dass hier vor einem Skandalhintergrund ein gerichtliches Verfahren in Gang gesetzt worden ist unter Berufung auf das Grundrecht, auf den Schutz persönlicher Daten und dies alles plötzlich nicht mehr notwendig gewesen sein soll, keine Sortierung von Akten, keine Sichtung des Inhalts, keine Amtshilfe, um dies leisten zu können, und offenbar auch kein Schutz persönlicher Daten durch die Rückgabe der Akten an vermeintlich Betroffene, sondern sang- und klanglos einfach die Vernichtung der Akten.
Wieso spielen die hehren Gründe des Datenschutzes plötzlich keine Rolle mehr? Wieso kann man einfach Akten vernichten,
(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wer sagt denn, dass die Ak- ten vernichtet wurden?)
ohne den von den Daten Betroffenen ermittelt zu haben und ohne dessen Recht auf informationelle Selbstbestimmung wiederhergestellt zu haben, was zum Beispiel der Abgeordnete Adams so eingefordert hat. Eigentlich hätten diese Fragen von anderen gestellt werden müssen, von denen, die all dies zuvor im Tonfall der Entrüstung eingefordert haben.
Aber erstaunlicherweise kommt von deren Seite nicht nur nichts in dieser Art, im Gegenteil, gerade die Fraktionen, die sehr laut zur Skandalisierung beigetragen haben, versuchen jetzt, eine nähere Untersuchung zu verhindern, selbst wenn der Ausschuss eingesetzt wird. Ich komme nachher auf das Thema noch mal zurück.
Sie haben behauptet, die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten stünde einer solchen Untersuchung entgegen.
Das zeugt von einer geradezu naiven Vorstellung, Herr Adams, von Unabhängigkeit – wenn man davon ausgeht, dass das Argument, so wie es vorgebracht wurde, überhaupt ernst gemeint war und nicht nur zur Show dienen sollte.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sie wollten direkt in die Arbeit ein- greifen. Das klärt man doch mal vorher!)
Es ist offensichtlich, dass Unabhängigkeit nicht heißt, dass ein Datenschutzbeauftragter tun und lassen kann, was er will.
Ich hatte schon bei der ersten Lesung darauf hingewiesen, dass der Landesdatenschutzbeauftragte nach dem Thüringer Datenschutzgesetz in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht und auf
grund dessen trotz seiner – im Übrigen nicht in der Verfassung, sondern nur im Datenschutzgesetz – verankerten Unabhängigkeit nach § 40 Abs. 6 Datenschutzgesetz dazu verpflichtet ist, dem Landtag gegenüber Rede und Antwort zu stehen.
Dies kann in einem regulären Ausschuss geschehen, aber eben genauso in einem Untersuchungsausschuss, wobei es ein fadenscheiniges Argument und zudem noch ein falsches Argument ist, zu behaupten, weil eine Angelegenheit in einem Ausschuss behandelt worden sei, dürfe sie nicht mehr Gegenstand eines Untersuchungsausschusses sein. So einfach kann man es sich nicht machen.
Das Untersuchungsrecht eines Untersuchungsausschusses geht weit über das hinaus, was ich in einem normalen Ausschuss überhaupt klären kann. Damit kann man es nicht aushebeln. Auch der im Justizausschuss bei der Anhörung aufgetauchte Vergleich, es sei eine Unabhängigkeit ähnlich der eines Richters, hinkt. Gerade zur Unabhängigkeit des Richters gibt es genügend Entscheidungen, genügend Rechtsprechung, wie dies zu verstehen ist. Letztlich hat ein Betroffener dort die Möglichkeit, die in Unabhängigkeit getroffene Entscheidung durch andere Richter, zum Teil in mehreren Instanzen, überprüfen zu lassen, das heißt, es gibt gerade dort durchaus eine Kontrollinstanz, die sogar Abänderungsbefugnis hat. Dennoch stellt niemand die Unabhängigkeit des Richters infrage.
Nun hatten wir im Ausschuss drei sachverständige Begutachtungen zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsausschussantrags. Alle drei sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die durch den Untersuchungsausschussantrag beabsichtigte Aufklärung des geschilderten Sachverhalts mit der Verfassung in Einklang steht. So hatten wir als CDU unseren Antrag an das Plenum auch formuliert. Leider hat die Regierungskoalition diesen Antrag verbessert, indem sie die jetzt vorliegende Äußerung des Justizausschusses beschlossen hat, die neben der Feststellung, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen, die Formulierung enthält, es bestünden aber europarechtliche Bedenken.
Solche Bedenken sehen wir nicht, Frau Berninger, und die sehen auch Prof. Ohler und das Gutachten der Landtagsverwaltung nicht!
Gerade Prof. Ohler hat sich mit den europarechtlichen Gesichtspunkten auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass die europarechtliche Garantie der Unabhängigkeit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht entgegensteht.
Ich zitiere aus dessen schriftlicher Stellungnahme, mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin: „Art. 28 Abs. 1 UAbs. 2 Richtlinie 95/46 ist rein funktional zu verstehen und dient, wie der EuGH hervorgehoben hat, der Einhaltung der Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten. Sie steht nach der Rechtsprechung des EuGH weder einer gerichtlichen noch einer parlamentarischen Kontrolle des Datenschutzbeauftragten entgegen.“
Richtig ist, dass die Unabhängigkeit dafür steht, dass der Datenschutzbeauftragte keinen fach- oder rechtsaufsichtlichen Weisungen unterliegt. Das hat auch der EuGH so festgestellt. Nicht festgestellt hat er, dass es keine parlamentarische Kontrolle geben dürfe, die etwas anderes ist als eine staatliche Aufsicht.
Sie wissen doch noch gar nicht, was sie fragen wollte, Herr Adams. Da können Sie doch nicht schon „schade“ sagen!
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihre Antwort hätte mich auf jeden Fall interessiert!)
haben wir keine Zweifel, dass auch Europarecht der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht entgegensteht. In unserem Einsetzungsantrag bitten wir allerdings, den letzten Satz zu streichen, der sich durch Zeitablauf erledigt hat.
Im Übrigen bleiben wir bei unserem Einsetzungsantrag unter Verweis auf § 2 Abs. 2 Untersuchungsausschussgesetz, in dem steht: „Der Landtag hat auf einen verfassungsrechtlich zulässigen Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.“ Wir werden sehen, inwieweit Sie hier zwar einer Einsetzung zustimmen, um dann möglicherweise – das werden wir sehen, das hat sich vorhin angedeutet – im Untersuchungsausschuss weitgehend zu blockieren. Danke schön.