Bei dieser großen Aufgabe, die wir anpacken müssen, beginnen wir nicht bei null, sondern in den letzten Jahren ist einiges auf den Weg gebracht worden. Ich will mal beginnen mit der Einführung der flexiblen Schuleingangsphase in den 90er-Jah
ren. Damit war der Auftrag an die Grundschulen verbunden, differenziert zu unterrichten, Leistungsunterschieden, Entwicklungsgeschwindigkeiten stärker Rechnung zu tragen. Schon seit 2005 gibt es Berater für den gemeinsamen Unterricht an jedem Schulamt und zwei Jahre später wurden Steuergruppen für die Weiterentwicklung der Förderzentren und des gemeinsamen Unterrichts gebildet. Jede dieser Steuergruppen hat auch ein regionales Konzept entwickelt, zu dem Netzwerkschulen, Kompetenz- und Beratungszentren gehören.
Einen weiteren ganz wichtigen Schritt haben wir mit dem neuen Schulgesetz getan, mit der Festschreibung der individuellen Förderung und damit dem Vorhaben, auch die Lernkultur weiterzuentwickeln und deutlich zu machen, wir müssen es schaffen, in unserem Bildungssystem jedem einzelnen jungen Menschen gerecht zu werden. Wir müssen nicht Kinder und Jugendliche passfähig für die Schule machen, sondern die Schule muss passfähig werden für die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen.
Der gemeinsame Unterricht hat Vorrang und deshalb muss Inklusion auch personell und strukturell unterstützt werden. Wir haben zu Beginn des jetzt zu Ende gehenden Schuljahres dafür gesorgt, dass jede Schule Unterstützung bekommt durch zusätzliches Personal. Die Zahl dieses zusätzlichen Personals richtet sich an der Anzahl der Schüler aus, die sonderpädagogischen Förderbedarf haben und die am gemeinsamen Unterricht teilnehmen. Aber auch Schulen, die noch keine Kinder haben, die im gemeinsamen Unterricht sind, bekommen grundsätzlich erst mal eine halbe Stelle zusätzlich zur Verfügung gestellt, denn es ist ja auch wichtig, dass wir Präventionsarbeit an den Schulen machen. Seit diesem Schuljahr gibt es Teams in allen Schulamtsbereichen, die die sonderpädagogische Begutachtung übernehmen und darüber entscheiden, welche Förderung jedes Kind braucht, um erfolgreich lernen zu können. Ich habe das in der letzten Debatte hier schon deutlich gemacht, der erste wichtige Schritt ist eine gute Diagnose, um deutlich zu machen, worin besteht der Förderbedarf und wo kann er am besten gewährleistet werden.
Wir haben mit dem Beirat für inklusive Bildung ein starkes und kompetentes Beratungsgremium gebildet, das mit seinem Wissen und seinen Erfahrungen dazu beitragen kann, die UN-Konvention hier in Thüringen möglichst gut umzusetzen, und die Arbeitsgruppen setzen eben genau dort an, wo die nächsten Schritte getan werden müssen. Ich will das jetzt hier nicht alles im Einzelnen ausführen. Der Plan, den wir jetzt bis Juni nächsten Jahres vorlegen sollen, ist durchaus eine nicht zu unterschätzende Herausforderung, weil wir auch in Thüringen noch sehr unterschiedliche regionale Bedin
gungen haben. Damit das gelingen kann, müssen alle zusammenarbeiten, die Schulverwaltungen, die Kommunen, die Sozialund Jugendämter, die Haushälter, die Stellenplaner. Natürlich werden die Inklusionskonzepte nach Landkreisen und Städten differenziert auch unterschiedlich aussehen.
Wichtig ist, dass wir dies auch innerhalb der Landesregierung als eine ressortübergreifende Aufgabe verstehen. Kein Ministerium allein kann Inklusion in Thüringen vollständig umsetzen, sondern hier braucht es die Zusammenarbeit aller beteiligten Häuser.
Ich will zum Schluss noch einmal deutlich machen, man kann diese Aufgabe, dafür zu sorgen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt teilhaben können am sozialen Leben, nicht nur auf Institutionen delegieren, auf Parlamente, Regierungen und Verwaltungen, sondern das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur gelingen kann, wenn möglichst viele Menschen an ihr mitarbeiten und dafür sorgen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigte Chancen bekommen. Dieser gemeinsame Antrag aller Fraktionen des Landtags ist dafür ein starkes Signal und deshalb noch einmal ein herzliches Dankeschön für diese breite Unterstützung hier im Parlament.
Danke schön, Herr Minister. Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Damit schließe ich die Aussprache und wir kommen zur Abstimmung. Ich habe keinen Antrag auf Ausschussüberweisung gehört. Ist dem so? Ja, ich sehe keine Beantragung einer Ausschussüberweisung. Dann kommen wir direkt zur Abstimmung des Antrags in der Drucksache 5/4683, Antrag aller Fraktionen des Thüringer Landtags.
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das ist Zustimmung bei der FDP, der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist gegen diesen Antrag? Ich sehe keine Gegenstimmen. Wer enthält sich? Ich sehe auch keine Enthaltung. Damit ist dieser gemeinsame Antrag einstimmig angenommen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufe auf den Tagesordnungspunkt 8
Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD, der FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/4688
Ich frage als Erstes, wünscht jemand aus den Fraktionen die Begründung zu dieser Geschäftsordnungsänderung? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Wir haben uns ja bei der Tagesordnung darauf verständigt, dass wir diesen Tagesordnungspunkt 8 ohne Aussprache abstimmen.
Ich komme damit zur Abstimmung. Wer für diesen Geschäftsordnungsänderungsantrag ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Ich sehe die Zustimmung bei der FDP, der CDU, der SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist dagegen? Ich sehe keine Gegenstimme. Wer enthält sich? Auch keine Enthaltung. Damit ist die Änderung der Geschäftsordnung auf Antrag aller Fraktionen so bestätigt. Vielen Dank.
Politische Bildungsarbeit an Thüringer Schulen konsequent am Beutelsbacher Konsens ausrichten hier: Nummer II Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 5/4357 dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bildung, Wissenschaft und Kultur - Drucksache 5/4574
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich muss es leider kurz machen, weil ich jetzt nicht mit der Schnelligkeit gerechnet habe und eigentlich noch einmal ins Büro hoch wollte und die Unterlagen holen wollte zur Berichterstattung. Es tut mir sehr leid.
Zur Beratung durch Beschluss des Landtags vom 1. Juni 2012 ist die Nummer II des Antrags an den Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur überweisen worden. Der Ausschuss für Bildung, Wissenschaft und Kultur hat die Nummer II des Antrags in seiner 36. Sitzung am 14. Juni 2012 beraten. Die Beschlussempfehlung lautet: Die Nummer II des Antrags wird abgelehnt. Danke.
Danke schön. Ich eröffne die Aussprache und als Erster hat das Wort der Abgeordnete Maik Kowalleck von der CDU-Fraktion.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleicht werden wir in dieser Plenarsitzung unsere Redebeiträge ähnlich wie die Berichterstattung kurz halten.
In der letzten Debatte war es ja doch sehr emotional. Man sollte sich vielleicht dann doch am Antrag entlanghangeln, wenn man solche Themen bespricht, und nicht so sehr ausschweifen. Diese Grundsatzdebatte und diese emotionale Debatte gingen schon ein bisschen an die Substanz, das muss ich hier sagen. Frau Hitzing hatte einen Wortbeitrag, der einem aus persönlicher Sicht sehr nahegegangen ist. Aber wie gesagt, wir sollten es dann vielleicht entsprechend abhandeln.
Im Bildungsausschuss war die Diskussion dann auch sachlicher Natur. In der Berichterstattung haben Sie bereits gehört, dass der Ausschuss die Nummer II des Antrags ablehnte. An dieser Stelle möchte ich deshalb auch nur auf ein paar Punkte eingehen.
Unserer Meinung nach reichen die derzeitigen Regelungen aus. Dem Beutelsbacher Konsens wird bei Informationsangeboten zum Beispiel von der Bundeswehr und anderen Veranstaltungen der politischen Bildung an Schulen selbstverständlich Rechnung getragen. Der Öffentlichkeitsarbeit von der Bundeswehr kommt auch im Hinblick der Notwendigkeit zur Information der Bevölkerung unserer Meinung nach eine wichtige Bedeutung zu. Vor diesem Hintergrund sind zum Beispiel die Jugendoffiziere der Bundeswehr zur politischen Jugend- und Erwachsenenbildung tätig, sie fördern die verantwortliche Teilhabe der Bürger an demokratischen Prozessen. Man muss auch sagen, die Bundeswehr kann für Schulen ein wichtiger Partner sein, zum Beispiel bei Themen wie der Sicherheitspolitik. Entsprechende Veranstaltungen finden auf Anfrage der Schulen auch statt. Die Kolleginnen und Kollegen vor Ort sind sich durchaus ihrer Verantwortung
bewusst. Es braucht nach unserer Meinung deshalb keinen Kriterienkatalog, der Schulleitung, Lehrerinnen und Lehrer an die Hand nimmt. Wir stehen für eine eigenverantwortliche Schule und dazu gehört es, dass es vor Ort ein natürliches Selbstverständnis zur Einhaltung des Beutelsbacher Konsenses gibt. Zur hervorragenden Qualität des Sozialkundeunterrichts in Thüringen hat sich der Minister bereits in der letzten Plenardebatte geäußert. Hier wird nachweisbar ein wichtiger Beitrag zum Verständnis für politische Prozesse und zur politischen Bildung geleistet. Es ist daher nicht notwendig, das Schulgesetz zu ändern und die Zustimmungspflicht von Eltern, Schülern und Lehrern einzuholen.
Die CDU-Fraktion wird daher entsprechend der Empfehlung des Ausschusses die Nummer II des Antrags ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Kowalleck, es ist ja schön, wenn Sie Sachlichkeit anmahnen, gleichzeitig auf die emotionale Debatte in der letzten Plenarsitzung verweisen und dann über einen Antrag sprechen, der jetzt hier überhaupt nicht zur Behandlung steht. Die emotionale Debatte entspann sich nämlich nicht aufgrund der Forderungen unseres Antrags, sondern entlang der Forderungen eines Antrags der LINKEN, der abgelehnt wurde, und zwar mehrheitlich, und der auch nicht an den Ausschuss überwiesen wurde. Insofern finde ich es nicht ganz redlich von Ihnen, einerseits Sachlichkeit zu fordern und auf der anderen Seite nur über den Antrag zu sprechen, der hier überhaupt nicht auf der Tagesordnung steht. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie sachlich zu den drei Punkten Stellung genommen hätten, die tatsächlich im Antrag stehen, den wir hier eingebracht haben und der mit warmen Worten insbesondere vom bildungspolitischen Sprecher der SPD an den Bildungsausschuss überwiesen wurde, dort allerdings nicht wirklich beraten wurde, weil sich dazu fast niemand äußern wollte.
Worum ging es uns? Was sagt der Beutelsbacher Konsens aus? Der Beutelsbacher Konsens beinhaltet drei Kernprinzipien: Zum Ersten das Überwältigungsverbot - sprich, dass keine Indoktrination von Kindern und Jugendlichen passieren soll und darf -, zum Zweiten, dass beachtet werden muss, dass es kontroverse Positionen in Wissenschaft und Politik
gibt und diese auch im Unterricht zum Tragen kommen und zum Dritten das ganz wichtige Prinzip der Befähigung aller Schülerinnen und Schüler, in politischen Situationen ihre eigenen Interessen zu analysieren und sich selbst eine Meinung zu bilden.
Was wir wollten und wollen war und ist, dass gerade in sehr schwierigen Fragen entsprechend unterschiedliche Kooperationspartnerinnen in die Schulen eingeladen werden. Da nehme ich jetzt mal ihr beliebtes Beispiel vom Jugendoffizier. Selbstverständlich kann der Jugendoffizier aus unserer Sicht in die Schule eingeladen werden, um über seine Arbeit zu berichten. Wir wünschen uns aber, dem Beutelsbacher Konsens tatsächlich konsequent zu folgen. Das würde heißen, beispielsweise auch einen Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin des zivilen Friedensdienstes einzuladen oder eine NGO, die sich in Friedens- und Konfliktarbeit auskennt, in diesem Bereich tätig ist, um den Schülerinnen und Schülern die unterschiedlichen Perspektiven zu verdeutlichen. Niemand wollte - jedenfalls von unserer Seite - diesbezüglich etwas verbieten. Wir wollten Handreichungen geben.
Zwei weitere Punkte enthielt unser Antrag, nämlich die Bitte nach einem Kriterienkatalog, der den Schulleitungen und den Lehrerinnen und Lehrern Handlungsorientierung bietet, wie z.B. beim Einsatz von Informations- und Öffentlichkeitsangeboten von nicht zur Schule zugehörigen Personen, und tatsächlich am Beutelsbacher Konsens ausgerichtet werden kann, nicht, weil wir die Lehrerinnen und Lehrer dafür nicht in der Lage halten, sondern weil wir ihnen Unterstützungsangebote gewähren wollten, die übrigens gewünscht sind von Lehrerinnen und Lehrern. Jedenfalls ist das auch an uns herangetragen worden.
Zum Zweiten, das war uns auch wichtig, den Schulen entsprechende Informationen über tatsächlich hochwertige und für schulische Bildung geeignete Vortrags-, Ausstellungs- und Informationsangebote zu unterbreiten, damit so etwas nicht wieder passiert, wie mit einer Ausstellung des Verfassungsschutzes Thüringen zum Thema Rechtsextremismus mit Tafeln, die sowohl didaktisch als auch fachlich falsch sind, die in Schulen kommen, wo dann entsprechende Auseinandersetzungen stattfinden müssen. In einem Falle ist ein sehr gutes Projekt aus der Auseinandersetzung entstanden, das kann man sich anschauen auf der Homepage des Erfurter Ratsgymnasiums, das ist ja inzwischen auch sogar ausgezeichnet worden durch den Innenminister wegen seiner kritischen Auseinandersetzung mit dieser Ausstellung. Das hat aber auch gezeigt, dass es hier eine sehr engagierte Schule mit engagierten Schülern und Lehrern gegeben hat, die das Kontroversitätsgebot nach Protesten von sich aus aufgegriffen hat. Es gibt aber viele Schulen, die sich Unterstützung wünschen. Genau das hatten wir vor. Ich bedauere ausdrücklich, dass
es weder eine tatsächliche Debatte dazu gegeben hat noch eine sachliche Auseinandersetzung, sondern dass hier mit Emotionen und Unterstellungen gearbeitet wurde, die mitnichten etwas mit dem Inhalt unseres Antrags zu tun hatten. In diesem Sinn hoffe ich natürlich immer noch auf Unterstützung Ihrerseits und freue mich darauf, dass wir irgendwann vielleicht tatsächlich einmal in Ruhe und sachlich über dieses Thema diskutieren können. Vielen herzlichen Dank.