Protocol of the Session on January 28, 2010

Sich erst mit den Verbesserungen bei der frühkindlichen Bildung zu brüsten und die Kommunen und letztlich immer dann auch die Eltern dafür bluten zu lassen, wäre mehr als widersinnig. Die Kommunen haben schon die rote Fahne gehisst und verkündet, dass sie dieses Geld nicht aufbringen können. Ich erinnere an meinen Standardsatz fast in jeder Rede: „Kindertagesstätten sind Bildungseinrichtungen und

Bildungseinrichtungen sind nun mal Ländersache!“ Deswegen muss man auch, wenn man die Aufgaben entsprechend überträgt, diese Finanzausstattung den Kommunen mitgeben.

Aber zunächst bin ich erst einmal gespannt auf Ihre Antwort. Vielleicht ist es ja tatsächlich so, dass Sie zu Ihrem Wort stehen und es ernst damit gemeint haben, dass die Mehrkosten des Kita-Gesetzes vollständig vom Land übernommen werden. Vielleicht ist es aber auch so, dass die 93 Mio. € ein Teil der 150 Mio. € sind, die die Kommunen dieses Jahr zusätzlich für ihre Aufgaben bekommen. An dieser Stelle bleibt dann nur die Frage: Reichen die verbleibenden 57 Mio. € für die Kommunen aus, ihre zusätzlichen Aufgaben zu erfüllen oder klafft hier ein so großes Finanzloch, dass sie letztlich doch nicht ohne eine Erhöhung der Kita-Gebühren auskommen?

Meine Damen und Herren, Sie sehen neben den konkreten Inhalten des Gesetzes gibt es bei seiner Umsetzung und Einführung noch zahlreiche Fragen, aber keine, die nicht zügig beantwortet werden können. Es gibt aber auch viel Skepsis. Das geht nicht nur uns so, sondern auch den Eltern, die bei all diesen merkwürdigen Signalen noch mehr Grund haben werden, auf der Straße Unterschriften zu sammeln.

(Beifall DIE LINKE)

Seien Sie versichert, wir werden Sie kräftig dabei unterstützen, bis dieser Gesetzentwurf hier verabschiedet ist. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Für die FDP-Fraktion hat sich der Abgeordnete Koppe zu Wort gemeldet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Kindertageseinrichtungsgesetzes legt uns die Große Koalition einen Vorschlag vor, dessen Ansinnen von der Thüringer FDP grundsätzlich begrüßt wird. Wir stehen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowohl für Frauen als auch für Männer. Da Frauen aber auch heute noch die Hauptlast der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit tragen, ist die Erhöhung der Erwerbsquote von Müttern durch den Ausbau einer bedarfsgerechten Infrastruktur zur Kinderbetreuung und pädagogisch gut ausgestaltete Angebote an Tagespflege und Ganztagskindergärten zu ermöglichen. Dies sagte ich am 19.11. vorigen Jahres genau an dieser Stelle.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Waren Sie da schon im Landtag?)

Mit dem vorgelegten Entwurf kommt die Landesregierung unseren Forderungen mit großer Deckungsgleichheit nah, Herr Mohring. 96 Mio. € sind eine große Aufgabe, der sich das Land stellen will; Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem ersten Lebensjahr, räumliche Anforderungen merklich verbessern und den Betreuungsschlüssel erhöhen, Geld, das erwirtschaftet - jetzt betone ich es außerordentlich, nicht zulasten der Kommunen - und sinnvoll für unsere Kinder ausgegeben werden soll.

(Beifall FDP)

Herr Minister Matschie, ich hoffe, dass der Artikel und die Ursachen des Artikels heute in der Thüringer Landeszeitung eine Ente sind. Ansonsten, glaube ich, haben wir alle zusammen noch viel Spaß. Ich hoffe es und ich lese es in Ihrem Gesicht, dass es so sein wird. Besonders erwähnenswert im Gesetzentwurf aus der Sicht der FDP ist die gemeinsame Förderung von Kindern mit und ohne Förderbedarf, sprechen wir doch gern inzwischen von Inklusion. Mit dem neuen Gesetz wäre zumindest erst einmal eine Integration möglich. Allen Kindern stehen die gleichen Startbedingungen zu. Eine Separierung in immer unterschiedlichere Förderstrukturen dient nicht der besseren Förderung, sondern eher der Abgrenzung.

Mit dem neuen Kita-Entwurf wird diesem Separierungsprozess entgegengewirkt. Das ist jedoch nur mit einem erhöhten Betreuungsschlüssel und gut aus- und weitergebildetem Personal möglich. Hierbei wird die Thüringer FDP die Landesregierung gern bei der ständigen Kontrolle der Qualität unterstützen.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil zur Umsetzung der hohen Ziele ist die vom Gesetz ausdrücklich geforderte Elternmitwirkung. Ich weiß, meine Damen und Herren von der Fraktion DIE LINKE, die fordern Sie bereits bei der Entstehung des Gesetzes ein. Die Partizipation der Betroffenen ist ein großer Baustein zum Gelingen und Umsetzen von Gesetzmäßigkeiten, damit wir nicht in Gutmenschenart topdown agieren. Die Beteiligung - jetzt komme ich noch einmal darauf - ist parlamentarisch geregelt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen, machen Sie Elternsprechervertreter und Elternsprechervertreterinnen zu Ihren berufenen Bürgern und Mitwirkenden in Ihren Arbeitskreisen, so wie verschiedene FDP-Kreisverbände das bereits praktizieren. Elternvertretungen agieren am besten dort, wo ihr unmittelbarer Fokus ist. Die Schülerelternvertretungen geben hier ein gutes Beispiel. Wir begrüßen ausdrücklich, dass eine analoge Regelung

im Kita-Gesetz vorgesehen ist, besonders den Tenor des Gesetzes, der die Kindertagesstätten ab dem ersten Lebensjahr merklich in den Bereich der Bildung rückt. Frühkindliche Bildung ist ein Garant für gleiche Startbedingungen und eine wesentliche Basis für eine Stabilisierung der Familien und die verbesserten Wahlchancen von Frauen und Männern, die sich für die Familie entscheiden.

Noch ein Wort zur Herdprämie - oh, Entschuldigung - zum Landeserziehungsgeld.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Na, na, na.)

Sehen wir es als weitere Wahlfreiheit zur Entscheidung für ein weiteres Familienmodell. Wir Liberalen sprechen unseren Eltern nicht das Vertrauen ab, sich auch selbst um ihre Kinder kümmern zu können.

(Beifall FDP)

In den Fällen, wo es Konflikte gibt, ist sicher Hilfe zur Selbsthilfe auch eine Möglichkeit der sozialen Weiterbildung und besser als staatstragender Dirigismus.

(Beifall FDP)

Wir müssen unseren Bürgern wieder vertrauen, dass sie ihre Angelegenheiten selbst in die Hände nehmen und nach ihrer Wahl ihr Familienleben und ihre Berufsaktivitäten entscheiden.

(Beifall CDU, FDP)

Die Landesregierung gibt mit dem neuen Kita-Gesetz aus unserer Sicht gute Rahmenbedingungen. Bei den Öffnungszeiten geht der Entwurf aus unserer Sicht jedoch noch nicht weit genug.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Habt ihr auch eine Gelddruckmaschine?)

Geregelt wird der Besuch der Kindertageseinrichtung von Montag bis Freitag; § 2 Abs. 4 übergibt den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe gemeinsam mit den Gemeinden die Verantwortung auf ein bedarfsgerechtes Angebot. Das heißt, was über Montag bis Freitag hinausgeht ist dann wieder über Hilfsstrukturen einforderbar. Wir müssen uns in einer sich ständig verändernden Welt langsam eingestehen, dass eine Busfahrerin, eine Ärztin, eine Polizistin und eine Verkäuferin, die samstags oder sonntags arbeiten muss, keine Hilfsstrukturen erfordert, sondern zur Normalität und zum Regelbedarf gehört. Hier wird die FDP-Thüringen auch Ihr kritischer Begleiter sein.

Wir forderten im November mehr qualifiziertes Personal, bessere Öffnungszeiten und bessere Arbeits

bedingungen.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Da kön- nen Sie ja wieder eine Steuersenkung machen.)

Mit dem neuen Gesetzentwurf sind die Möglichkeiten dazu da, wir werden die Umsetzung einfordern. Tagespflege und institutionelle Kinderbetreuung müssen gleichrangig in die staatliche Förderung einbezogen werden. Hier wird uns in den Diskussionen zum Gesetzentwurf die Parallelität von verschiedenen Betreuungsmodellen noch beschäftigen, wie die Diskussion aktuell um die Tagesmütter bereits zeigt.

Die Attraktivität des Berufs der Erzieherin und des Erziehers muss weiter deutlich erhöht werden. Dazu gehört die Qualifikation von Erzieherinnen und Erziehern. In der Präambel des Gesetzentwurfs wird von einer Ausweitung der Fachberatung gesprochen. Ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Vielleicht gelingt es uns dann sogar, auch Männer zunehmend für die interessante Aufgabe der frühkindlichen Bildung zu begeistern und in diesem Bereich Frauen und Männern eine gute Berufschance zu geben. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Emde zu Wort gemeldet.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir reden heute über das Thüringer Kindergartengesetz, das Landeserziehungsgeldgesetz und andere betroffene Gesetze. Es geht uns allen sicherlich darum, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bestmöglich gegeben ist. Das hängt natürlich davon ab, wie Kindergartenplätze verfügbar sind in unserem Land. Ich will sagen, es gibt wohl kaum ein anderes Bundesland, in dem die Verfügbarkeit schon heute so gut ist wie in Thüringen.

(Beifall CDU, FDP)

Jeder, der die Materie kennt, weiß, dass gerade die Zugezogenen aus den alten Bundesländern sehr wohl zu schätzen wissen, was wir hier an Thüringer Kindergartenlandschaft aufgebaut haben. Es hat natürlich auch etwas zu tun mit der Frage der Öffnungszeiten von Kindergärten, denn am Ende muss ja der Kindergarten lange genug geöffnet haben oder muss eine Tagespflege zur Verfügung stehen, damit dann die Berufstätigkeit, auch wenn sie über acht und mehr Stunden dauert, wahrgenommen

werden kann. Darum geht es, und es geht hier um weitere Verbesserungen.

Es geht um kindgerechte Betreuung und das natürlich auch immer dem jeweiligen Alter des Kindes entsprechend. Auch dort wollen wir besser werden. Wir werden da auch besser und werden gleichzeitig erreichen, dass unser pädagogisches Personal in den Kindergärten auch ein Stück weit entlastet wird. Denn es ist ja wohl keinem entgangen, dass gerade in den Gruppen, wo kleinere Kinder betreut werden, doch der Druck recht groß war in den letzten Jahren.

Es geht aber auch darum, die Rolle des Kindergartens als eine Bildungseinrichtung weiterhin zu stärken. Wir haben aus gutem Grund vor einigen Jahren diese Einrichtungen in den Verantwortungsbereich des Kultusministeriums, jetzt des Bildungsministeriums gegeben. Wir haben auch aus gutem Grund einen Bildungsplan für Kinder bis 10 Jahre entwickelt, ganz einfach, weil wir diesen Schwerpunkt unbedingt sehen und hier vorankommen wollen. Nun geht es um die Fragen, wie kann man diesen Anspruch auf mehr Bildung im Kindergarten auch in der Praxis umsetzen? Denn einen Bildungsplan zu schreiben ist das eine, ihn im täglichen Leben umzusetzen, ist das andere. Hier brauchen wir weitere Möglichkeiten, auch weitere neue Strukturen.

Es geht aber auch darum, Familien mit Kindern mit einem Landeserziehungsgeld weiterhin unter die Arme zu greifen, um den Familien deutlich zu signalisieren, wir wollen Familien mit Kindern in diesem Land haben. Wir wollen möglichst viele Familien mit möglichst vielen Kindern haben, weil es für uns alle wichtig ist, dass diese Familien ihren Beitrag leisten für eine gute Zukunft in Thüringen.

Meine Damen und Herren, mit der jetzt vorliegenden Gesetzesnovelle werden natürlich auch die Hauptanliegen der Initiatoren des Volksbegehrens aufgegriffen. Wir haben uns in langen Diskussionen damit befasst, was die Hauptanliegen sind, wie sie umzusetzen sind und wie man sie auch gesetzestechnisch und finanziell solide untermauert.

Das Ganze kostet am Ende natürlich auch mehr Geld; denn wenn Kinder intensiver und länger betreut werden, wenn Bildungspläne umgesetzt werden müssen, dann ist das auch eine Frage des Geldes. Wir haben eine Form gefunden, wie auf der einen Seite über eine erhöhte Landespauschale pro Kind, über andere Landespauschalen für verschiedene inhaltliche Forderungen und Wünsche, aber auch über die Ausgleichszahlungen im Kommunalen Finanzausgleich und über die Infrastrukturpauschale, die wichtig ist für die weiteren notwendigen Investitionen, die Finanzierung gesichert werden kann. Eins sei auch ganz klar gesagt, Eltern werden auch in Zukunft nur

so beteiligt oder mit höheren Elternbeiträgen beteiligt, wie es allgemeine Kostensteigerungen oder Preiserhöhungen in dieser Gesellschaft gibt. Man darf dazu auch ganz selbstbewusst sagen, die Elternbeiträge in Thüringen sind mit die niedrigsten in Deutschland. Das soll auch so bleiben.

Frau Jung, ein Wort noch zu Ihnen. Wir werden uns als Parlamentarier nicht unter Druck setzen lassen, was die Beratung im Landtag angeht. Das hat gute Gründe; denn Sie werden die Ersten sein, die von uns verlangen, dass es ein solides Gesetzgebungswerk ist, das auch Bestand hat. Wenn Sie uns als CDU-Fraktion vorwerfen, wir würden etwas verschieben, verwässern oder sonst irgendetwas wollen, dann kann ich Ihnen nur sagen, die gute Kindergartenlandschaft, die es in Thüringen gibt, die ist auf unserem Mist gewachsen und sie ist dort gut gewachsen.

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: „Mist“ ist der richtige Ausdruck.)

Ja, es gibt Leute, die verstehen nicht viel von der Landwirtschaft, aber Mist ist sehr wichtig, damit Pflanzen gut wachsen können,

(Beifall CDU)

natürliche Düngung, ganz wichtig. Es ist nicht unbedingt was Schlechtes. Im Gegenteil, es ist was Gutes. Diesen Vorwurf, Frau Jung, den können Sie auf gut Deutsch gesagt „stecken lassen“. Uns geht es darum, einen soliden Gesetzentwurf zu haben, und uns geht es auch darum, die Betroffenen vernünftig und ernsthaft anzuhören und mit ihnen im Gespräch zu sein und diese doch relativ umfangreichen Gesetzesänderungen so zu besprechen, dass es dann keine Skepsis mehr gibt. Deswegen, Frau Jung, wird es so sein: Wir werden eine ausführliche Anhörung vornehmen, wir werden ausführlich diskutieren. Wir haben uns als Ziel gestellt, das bis zum April zum Abschluss zu bringen. Ich hoffe, wir können das so halten. Dann ist aus unserer Sicht noch genügend Gelegenheit und Zeit, mit Beginn des nächsten Kindergartenjahres die neue Gesetzeslage einzuführen und umzusetzen.