Protocol of the Session on June 20, 2012

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Frau Präsidentin, das Gedächtnis kann, das Internet kann es nicht: Vergessen. Es klingt paradox, aber eine der größten Leistungen unseres Gehirns ist, dass Dinge auch vergesslich sind. Genau diese Eigenschaft des Vergessens unterscheidet unser Hirn vom Internet und damit den sozialen Netzwerken, denn im Gegensatz zu unserem Gehirn merkt sich das Internet - unser digitales Gedächtnis - alles.

Soziale Plattformen wie Facebook, XING oder StudiVZ sammeln unzählige Datenmengen von ihren Nutzern. Zwar kann man sein Profil bei diesen Portalen wieder löschen, aber aus einem Netzwerk auszutreten heißt nicht, dass die Dinge auch tatsächlich getilgt und damit für niemanden mehr zugänglich sind. Oft werden Profile nur gesperrt, während die Daten weiter auf dem Server der Plattformbetreiber vorhanden sind. Das gilt insbesondere für Facebook, wo das vollständige Löschen der zuvor eingegebenen persönlichen Daten sogar ausdrücklich noch einmal abgefragt wird. XING speichert alle Daten seiner zahlenden Mitglieder, bis sämtliche Rechnungen beglichen sind. Die überwiegend von Jugendlichen benutzte Plattform StudiVZ verspricht in seinen allgemeinen Geschäftsbedingungen zumindest, dass mit dem Ende der Mitgliedschaft alle persönlichen Daten gelöscht werden; wie gesagt verspricht. Da aber selbst gelöschte Daten noch lange in sogenannten Personensuchmaschinen auftauchen, sollte eine Art Verfallsdatum oder ein virtueller Radiergummi für persönliche digitale Daten geschaffen werden, um alle diese Informationen unleserlich und damit für Dritte unbrauchbar zu machen.

Ungeachtet der Frage nach dem vollständigen Löschen von digitalen Privatdaten stellt sich immer häufiger die Frage nach einer unberechtigten Weitergabe solcher Daten. Herr Bergner ist darauf eingegangen.

Insbesondere das weltweit größte soziale Netzwerk Facebook hat in der Vergangenheit immer wieder Aufmerksamkeit durch Datenschutzskandale erregt. Nicht wenige Datenschützer und Juristen vertreten schon seit Längerem die Ansicht, dass vor allem Facebook dem deutschen Datenschutzrecht widerspricht. Allerdings ist bis heute nicht klar beantwortet, ob das deutsche Datenschutzrecht für Facebook überhaupt gilt, da die Firma ihren Sitz in Irland und Kalifornien hat.

Ungeachtet dieser rechtlichen Fragen sollte sich ein Appell zunächst an die Gesellschaft und damit an die zahlreichen Nutzer derartiger sozialer Netzwerke richten. Es gilt an erster Stelle, den Blick der Menschen für einen vorsichtigen Umgang mit ihren privaten Daten zu schärfen, um so diesem Problem bereits präventiv entgegenzuwirken.

(Beifall FDP)

Die beste Möglichkeit allerdings, sich vor Datenmissbrauch zu schützen, ist wahrscheinlich, sich gar nicht erst bei Facebook registrieren zu lassen

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jawohl.)

oder - wenn doch - so wenig wie möglich Daten über sich anzugeben. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist ein Recht, aber es ist auch eine Pflicht jedes Einzelnen. Vielen Dank.

(Abg. Bergner)

(Beifall CDU, FDP)

Vielen Dank. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat das Wort der Abgeordnete Dirk Adams.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, gut, dass wir dieses Thema hier auf der Tagesordnung haben. Die FDP fragt im Untertitel: Sind meine Daten im Netz sicher? Und die ganz einfache Antwort darauf kann nur lauten: Nein, sie sind es nicht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jeder muss erkennen, dass das Weitergeben von Daten - hier kann ich mich auf alle Vorredner beziehen - immer auch ein datenschutzrechtliches Leck, ein datenschutzrechtliches Problem nach sich zieht. Wir müssen erkennen, dass nicht nur das Geben von Daten ein Problem ist, sondern auch das Stärkermachen dieser sozialen Netzwerke, indem immer mehr von uns darin tätig sind, sich darin kommunikativ bewegen, natürlich auch die Wichtigkeit dieser Netzwerke und damit ihre Macht am Ende ständig gesteigert wird. Wichtig ist - auch das wurde hier schon gesagt -, dass jede und jeder kritisch mit dem umgeht, was sie selbst ins Netz stellen. Abweichend zu der zuvor ausgeführten Meinung von Herrn Kollegen Schröter muss man aber eines doch ganz deutlich sagen: Diese sozialen Netzwerke sind kein Teufelszeug.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Sie sind ein ganz wichtiger Teil von Kommunikation zwischen Menschen überall auf der Welt, sie sind sozusagen die kommunikative Globalisierung. Deshalb werden wir sie nicht zurückdrängen, sondern wir müssen sie nur auf eine rechtsstaatliche Basis stellen, klare, verständliche Regeln einfordern und die Daten und Rechte des Einzelnen schützen. Hier gilt es noch viel zu diskutieren. Wir sind nur am Anfang. Damit stehen wir zunächst vor der Aufgabe, darüber aufzuklären, was denn Google macht, wenn Google unsere Straßen filmt, was denn Google macht, wenn wir im Internet unterwegs sind und unsere Wege nachverfolgt werden. Wir müssen aufklären darüber, dass Facebook Gesichtserkennung ermöglicht, wenn wir Freunde auf Bildern markieren, und sie dann auf allen weiteren Bildern wiedererkannt werden. Wir müssen darüber aufklären, dass Facebook, wenn wir das nicht persönlich selbst ausschließen, uns als Bilder oder mit unserer Person für Werbezwecke nutzen wird und vieles, vieles mehr. Wir müssen im Übrigen auch ausschließen, dass die SCHUFA auf die Idee kommt,

soziale Netzwerke als Schnüffelort zu nutzen. Wir müssen darauf achten, dass unsere staatlichen Organe sich hier nicht schnüffelnd betätigen und hier klare Grenzen setzen.

Das alles wird nicht reichen, wenn wir nicht global zu einer Erklärung der Datenschutzrechte, so wie sich die Menschenrechte auch entwickelt haben, kommen werden. Das muss der Kampf sein, den wir angehen, dass wir globale Regeln für den Umgang im Internet in den sozialen Netzwerken festlegen und manifestieren. Mein Kollege Konstantin von Notz hat es ungefähr so gesagt: Wir brauchen grundsätzliche rechtliche Klarstellungen, die über einzelnen Funktionen von Facebook und anderen Netzwerken hinausgehen. Die Bundesregierung ist gefordert, auch die Landesregierung könnte etwas machen. Aber wir wissen, wie die Mehrheiten in diesem Parlament sind. Wir haben vor Kurzem ein Datenschutzgesetz beschlossen, das nicht im Anschein diesen Herausforderungen gerecht wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb die Aufforderung an alle, die sich jetzt hier so vehement eingesetzt haben: Lassen Sie uns das in dieser Legislatur noch einmal angehen und hier Standards, die wir auf der Landesebene setzen können, noch ausbauen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Vielen Dank. Für die SPD-Fraktion hat das Wort die Frau Abgeordnete Marx.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Kollege Adams hat eben die Frage „Sind Daten Thüringer Bürger in sozialen Netzwerken noch sicher?“ richtig beantwortet mit der Antwort: Nein. Man kann auch noch weiter fragen, was für eine nette Frage: Waren sie es denn jemals? Ich würde sagen, noch nie und auch heute nicht. Im Netz wurde vor Kurzem ein nettes Spaßtransparent gepostet, da stand drauf, immer wenn jemand an seinem PC auf „eigene Daten“ klickt, fällt irgendwo ein Google-Mitarbeiter lachend vom Stuhl. Dieser schöne Satz - Satire, was will er uns sagen - zeichnet sich eigentlich durch Übertreibung aus, aber hier bleibt gar nicht so viel an Übertreibung übrig. Persönliche Textverarbeitung kann man noch schützen, aber auch das scheint aus der Mode zu kommen. Denn der digitale, moderne Mensch von heute soll sich nun für einen festplattenfreien PC und das Datenspeichern in einer Cloud entscheiden. Die sozialen Netzwerke, voran Facebook, sind nun dabei, Google als neues Feindbild Nummer 1 abzulösen. Aber bei den derzeit gängigen sozialen Netzwerken sind die persönlichen Daten der Eintritts

(Abg. Schröter)

preis, der für die vermeintlich kostenlose Nutzung bezahlt wird und zu bezahlen ist. Mit der immens gestiegenen Nachfrage nach derartigen Netzwerken ist auch der Preisgabepreis gestiegen. Das ist klassisch liberale Marktwirtschaft sozusagen und der Kollege Bergner hat ja auch darauf Bezug genommen. Am Anfang war der Preis zum Einstieg in ein solches Netzwerk noch überschaubar. Facebook etwa stellte schon von Anfang an klar, dass dort eingestellte Fotos von Facebook genutzt, also nicht nur verbreitet, sondern auch ausgewertet werden dürfen. Dass aufgrund unseres Surf-Verhaltens unsere Sozialdaten und auch die unserer sogenannten Freunde mit zielorientierter Werbung belegt werden, das wussten wir auch schon. Herr Kollege Adams, das kann man auch nicht abschalten, weil die Befeuerung mit Werbung der Preis ist für die kostenlose Teilhabe in diesem Netzwerk. Neu hinzugekommen sind in den letzten Zeiten immer ausgefeiltere Ausforschungstechnologien. Die Gesichtserkennungssoftware ist bereits genannt worden. Es gibt jetzt aber auch die sogenannten Social Plugins, also die Vernetzung verschiedener Seiten mit dem I-like-Facebook-Button. Und da kann es dann passieren, dann ruft man etwa SPIEGEL ONLINE auf und bekommt dann an der Seite mitgeteilt, welcher Facebook-Freund auch gerade diesen Artikel liest. Damit merken wir, dass wir immer genauer verfolgt werden. Es werden durch Zurverfügungstellung von kostenlosen E-Mail-Adressen dann auch gleich Adressbücher mit ausgelesen und wir Nutzer werden also im Wettbewerb des Verkaufs unserer Profile immer genauer gescannt. Da war der versuchte und erst nach öffentlichem Protest vorerst abgeblasene Zugriff der SCHUFA eigentlich nur konsequent. Aber die Frage, die sich stellt, ob Begrenzungen dieses Trends möglich sind, die wäre zu kurz gestellt. Die Frage muss ich auch so stellen: Sind Begrenzungen dieses Trends denn überhaupt gewollt? Also ein Profilierungsverbot, ein Profilverbot ist systemwidrig, solange ich kostenlos bei solchen Netzwerken mitmachen will. Wenn ich keine Werbung haben will, müsste ich sie bezahlen. Wer will das? Das muss sich jeder selber fragen. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt, der gern vergessen wird. Wir haben hier nicht mehr die klassische Gegenüberstellung von dem lieben netten Nutzer und dem bösen Anbieter auf der anderen Seite, der uns ausspäht. Täter, Opfer lassen sich nicht mehr abgrenzen, wir leben in den sozialen Netzwerken in einem Zeitalter multilateraler Ausspähung, könnte man sagen, aber auch von weitgehend unkontrollierbarer Manipulation, denn der Trend geht ja weiter. Ich weiß nicht, wer von Ihnen das neue iPhone 4S benutzt. Da gibt es die Siri. Siri ist unsere Big Sister im iPhone. Siri bietet sich als Sekretärin an. Man kann ihr also wunderbare Fragen stellen oder auch Befehle erteilen, wie zum Beispiel, sag meinem Mann, ich komme heute später nach Hause. Wenn man dies das erste Mal macht, fragt Siri, wer

ist denn dein Mann? Dann kann man sagen, das ist der und der, dann sucht sie ihn im Adressverzeichnis. Wenn man das nächste Mal diesen Befehl gibt, dann schickt sie ihm entweder eine SMS oder eine E-Mail. Und sie übernimmt, so wirbt auch Apple damit, also die Funktion einer Privatsekretärin. Der Witz ist nur, in dem kleinen iPhone sitzt nicht die kleine Privatsekretärin, wie sollte sie auch, sondern die Anfrage, die akustisch, also über das Mikrofon mündlich gegeben wird, und die Antwort kommt auch mit einer netten Frauenstimme, die geht an einen Apple-Zentralrechner, weil sie dort erst überhaupt einmal ausgelesen, umgesetzt wird in entsprechende Impulse und dann auf entsprechende Suchmaschinen geleitet wird. Man kann übrigens da auch nach dem Sinn des Lebens fragen, da kommen lustige Antworten aus Filmen.

Wir diskutieren an vielen Stellen, jetzt zum Beispiel auch bei der EU-Datenschutz-Grundverordnung, Eingriffe in das Recht zum Privatsphäre-Verkauf. Aber wenn wir freiwillig solche Hilfssysteme in Anspruch nehmen wollen, dann sind wir - das wurde auch schon gesagt - auch selber schuld. Die Schutzmechanismen, die wir ausbauen müssen, sind nicht nur eine Frage von Jugendschutz, denn es besteht ein starker sozialer Druck zur Teilnahme. Dieser Druck darf natürlich nicht dadurch verstärkt werden, dass öffentliche Institutionen dort Portale betreiben und möglicherweise sogar Dienstleistungen über solche Netzwerke anbieten. Ja, wir müssen ein Bewusstsein für die immense Bedrohung der Privatsphäre erst neu schaffen. Es ist gut, dass der Thüringer Landesbeauftragte für Datenschutz sich diese Aufklärungsarbeit in Thüringen auf seine Fahnen geschrieben hat; unsere Unterstützung werden Sie dabei haben.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Vielen Dank. Für die Fraktion DIE LINKE hat das Wort der Abgeordnete Hauboldt.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, werte Kollegen der Fraktion der FDP, wie der Name schon sagt, haben Aktuelle Stunden aktuelle Anlässe, Sie haben sich zumindest darauf berufen. Ich gebe gern zu, meine Fraktion hat ähnlich in diese Richtung diskutiert, das Thema in einer Aktuellen Stunde zu bewerten, aber Sie haben ja selbst den Versuch unternommen, dieses Grundsatzproblem in fünf Minuten abzuarbeiten. Das ist relativ schwierig. Sie haben auch den Versuch gestartet, den 9. Tätigkeitsbericht des Landesbeauftragten für Datenschutz hier noch mit zu integrieren. Das ist ein Spagat, wo wir gesagt haben, dass dies so nicht machbar ist. Deshalb verweise ich gern auf den Tagesordnungspunkt 18 in der Hoff

(Abg. Marx)

nung, die nächsten drei Tage dieses Thema mit bearbeiten zu dürfen - schauen wir mal.

Die Aktuelle Stunde zum Datenschutz im Netz ist ja sicherlich, so ist es ja schon benannt worden, durch die neuesten Vorgänge motiviert: Facebook - Stichwort Fotos im Netz; der Versuch der SCHUFA, Facebook für ihre Zwecke zu nutzen und detaillierte Scorings als Personenprofile und Bewertungen der Kreditwürdigkeit zu erstellen. Frau Marx, Sie haben es ja deutlich gemacht, Sie haben mich jetzt von Apple weggebracht, ich kann jetzt für SAMSUNG werben, aber das mache ich nicht an dieser Stelle. Sie haben natürlich deutlich gemacht, wo genau die Knackpunkte zu suchen sind. Ich will auch darauf verweisen, die „Frankfurter Allgemeine“ hat am 09.06. dazu geschrieben, Frau Präsidentin, ich darf noch mal kurz zitieren: Die SCHUFA ist jetzt schon der Datenhorter mit dem größten Einfluss auf das Alltagsleben der Deutschen, schreibt kritisch über apolitische Techniker und fordert ausdrücklich eine Grundsatzdebatte, die notwendig sei. Mittlerweile hat der öffentliche Druck Wirkung gezeigt, die SCHUFA hat sich von ihren Facebook-Plänen verabschiedet.

Es wird immer deutlicher, meine Damen und Herren, die sogenannten sozialen Netzwerke - das ist auch schon einmal kurz angesprochen worden sind nicht das ultimative Kommunikationsparadies an sich - ich will Facebook nicht verdammen -, aber vor allem wenn man an die in einigen Fällen erschreckend deutlich gewordenen Prangerwirkung denkt, außerdem verschleiert ja auch der Begriff „sozial“ so ein bisschen, dass es bei diesen Strukturen in Wirklichkeit auch und ausschließlich um sehr kommerzialisierte und ökonomisierte Veranstaltungen geht. Wenn man den Begriff „soziales Netzwerk“ bewertet, Facebook und Co sind vor allem große, finanziell sehr potente Wirtschaftsunternehmen, deren Handeln ist durchaus von wirtschaftlichen Interessen und Zielen bestimmt, um letztendlich auch Geld zu verdienen und Profit zu machen. Damit werden soziale Beziehungen zwischen Menschen und die Privatsphäre letztendlich auch zur Ware, denn bei kommerziellen sozialen Netzwerken entstehen Informationen und Daten, die zur Ware werden. Das darf nach Ansicht meiner Fraktion nicht passieren. Menschen und ihre Privatsphäre sind keine Ware, dürfen nicht dazu gemacht werden, dürfen nicht zum Instrument von Firmen werden, um daraus Konsum zu generieren. Wie auch andere Datenschutzproblematiken mit anderen Wirtschaftsunternehmen zeigen, stehen sich diese kommerziellen Interessen und der Datenschutz sehr oft völlig konträr und unvereinbar gegenüber.

Meine Damen und Herren, an dieser Stelle sei noch mal den Anhängern der FDP ins Stammbuch geschrieben, es soll gesetzliche Einschränkungen von Unternehmensaktivitäten rechtlicher Natur geben,

auch verfassungsrechtlich ist dies zulässig, denn es gibt kein in den persönlichen Grundrechten zum Beispiel dem Datenschutz gleichwertiges Grundrecht der Gewerbefreiheit. Die Gewerbefreiheit wird durch den geltenden rechtlichen Rahmen bestimmt.

Meine Damen und Herren, die heutige Diskussion zeigt ja auch, hinsichtlich der Nutzungsbedingungen ist das deutlich geworden, bei Facebook gibt es erhebliche Defizite. Es bleibt der Aspekt „Selbstdatenschutz“, der sich auch für nichtkommerzielle Ausgestaltung von Netzwerken stellt. Das Engagement der Nutzerinnen und Nutzer für wirksamen Schutz ihrer Daten ist meines Erachtens unverzichtbar, aber auch der Selbstschutz, so denke ich, braucht eben bestimmte Rahmenbedingungen, sonst kann er nicht wirksam werden. Dass diese notwendigen Rahmenbedingungen vorhanden sind, ist auch und vor allem öffentliche und staatliche Aufgabe. Ich denke, das muss an dieser Stelle noch mal sehr deutlich gesagt werden. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Vielen Dank. Der Innenminister hat das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, das Thema soziale Netzwerke und die damit im Zusammenhang stehenden tatsächlichen und rechtlichen Fragen werden bereits seit geraumer Zeit diskutiert. Insbesondere Facebook, das Online-Netzwerk mit der größten Reichweite, erfreut sich vor allem bei der jüngeren Generation immer größerer Beliebtheit. Soziale Netzwerke gründen ihre Attraktivität darauf, dass sie den Nutzern ermöglichen, das eigene Leben quasi unmittelbar mit den anderen zu teilen und dementsprechend auch am Leben anderer teilzuhaben. Den Chancen dieser Internet-Plattformen stehen im Hinblick auf den Schutz persönlicher Daten allerdings auch Risiken gegenüber. Allgemein und grundsätzlich ist dazu zunächst zu sagen, dass es jedem Bürger freisteht, sich an sozialen Netzwerken zu beteiligen, und jeder Bürger selbst darüber entscheidet, ob und in welchem Umfang er persönliche Daten dort preisgibt. Das Problem besteht darin, dass die dort einmal preisgegebenen Daten nicht mehr uneingeschränkt der individuellen Herrschaft unterliegen und kaum durchschaubar ist, was mit den Daten weiter geschieht. Deshalb ist hier das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Nutzer gefährdet.

Die datenschutzrechtliche Bewertung und Kontrolle der Betreiber von sozialen Netzwerken ist in erster Linie Aufgabe der zuständigen unabhängigen Da

(Abg. Hauboldt)

tenschutzkontrollbehörden. Als datenschutzrechtlich problematisch stellt sich neben Facebooks automatischer Gesichtserkennungsfunktion für Fotos insbesondere die Nutzung der sogenannten social logins und fanpages dar. Social logins, wie beispielsweise der sogenannte Likebutton von Facebook, mit welchem man durch einen Klick die befreundeten Nutzer auf die Webseite aufmerksam machen kann, befinden sich auf zahlreichen Webseiten. Zugleich fließen aber bei einem Klick die gleichen Daten an den Facebook-Server. Dies lässt erahnen, welche Datenmenge allein Facebook angesammelt hat und noch weiter ansammelt, ohne dass transparent wird, was mit diesen Daten geschieht und zu welchen Zwecken sie gespeichert werden. Das gilt auch für die Speicherung von sogenannten Cockies, die bei einer Abmeldung, einem Logout eines Facebook-Nutzers in dessen Browser gesetzt bleiben und dauerhaft gespeichert werden. Diese Art der Datensammlung, die auch eine Erstellung von Nutzerprofilen ermöglicht, wird von den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder als unzulässig angesehen. Diese Auffassung entspricht auch einem im Dezember 2011 vorgelegten Gutachten des Datenschutzbeauftragten der Republik Irland, in der die europäische Facebook-Zentrale ihren Sitz hat. Ein vom hamburgischen Datenschutzbeauftragten wegen der automatischen Gesichtserkennungsfunktion eingeleitetes förmliches Anordnungsverfahren gegen Facebook nach § 38 Abs. 5 des Bundesdatenschutzgesetzes ist gegenwärtig ausgesetzt, weil versucht wird, durch Gespräche mit der irischen Datenschutzbehörde und den Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder eine einvernehmliche Lösung zu erzielen und Facebook zur Einhaltung der europäischen und deutschen Datenschutzbestimmungen zu bewegen. Ziel dieser Gespräche ist vor allem die Herstellung von Transparenz und die Schaffung von Einwilligungs- und Freigabelösungen sowie von Löschungsregelungen im Rahmen von neuen Datenverwendungsrichtlinien, die von den zuständigen Datenaufsichtsbehörden nach § 38 a Bundesdatenschutzgesetz anerkannt werden und deren Einhaltung von ihnen kontrolliert werden kann. Die Gespräche dazu sind noch nicht abgeschlossen.

Insgesamt ist sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Bewertung von sozialen Netzwerken, und hier insbesondere von Facebook, noch nicht abschließend geklärt. Das betrifft zum Beispiel auch die Frage, ob und inwieweit deutsches Datenschutzrecht Anwendung findet. Auch die Innenminister von Bund und Ländern sind mit der Thematik befasst. Der Bundesinnenminister hat erklärt, dass er die Hauptverantwortung für den verantwortungsvollen Umgang mit den Nutzerdaten bei den Betreibern der sozialen Netzwerke sieht. Er setzt auf freiwillige Selbstkontrolle und initiierte im November 2011 unter Federführung der freiwilligen Selbstkon

trolle Multimediadiensteanbieter FSM Verhandlungen mit den führenden Betreibern sozialer Netzwerke über eine Selbstverpflichtung zur Herstellung datenschutzrechtskonformer Nutzungsbedingungen. Diese Verhandlungen sind noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse bleiben abzuwarten.

Die Innenminister von Bund und Ländern werden das Thema weiterhin sehr aufmerksam verfolgen und begleiten. Vor diesem Hintergrund kann ich denjenigen Bürgerinnen und Bürgern, die soziale Netzwerke nutzen oder künftig nutzen möchten, gegenwärtig nur empfehlen, zurückhaltend und vorsichtig mit der Preisgabe ihrer personenbezogenen Daten umzugehen. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vielen Dank, Herr Minister Geibert. Ich schließe die Aussprache zum zweiten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf den dritten Teil

c) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Festsetzung von Überschwemmungsgebieten durch Thüringer Behörden auf Grundlage des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes und ihre unmittelbaren Auswirkungen am Beispiel der Hohenwartetalsperre und der Plothener Teiche“ Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/4586

Ich eröffne die Aussprache und als Erster zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Kummer.