Protocol of the Session on June 1, 2012

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Als Schriftführerin hat neben mir Platz genommen Abgeordnete Meißner und die Rednerliste führt Frau Abgeordnete Hennig.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Abgeordneter Bergner, Abgeordneter Günther, Abgeordneter Krauße, Abgeordneter Recknagel, Abgeordnete Hitzing zeitweise, Abgeordneter Schröter zeitweise, Minister Geibert, Minister Reinholz, Ministerin Taubert, Minister Carius zeitweise, Minister Dr. Voß zeitweise und Ministerin Walsmann zeitweise.

(Unruhe im Hause)

Ich sage mal nichts zum Kabinett.

Folgender Hinweis zur Tagesordnung: Zum Tagesordnungspunkt 22 wurde ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drucksache 5/4509 verteilt. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung sind die Änderungsanträge zu selbstständigen Vorlagen, die keinen Gesetzentwurf enthalten, nur mit Zustimmung der Antragsteller zulässig. Ich frage deshalb die Fraktionen der CDU und SPD: Erteilen Sie die Zustimmung zur Einbringung des Änderungsantrags in der Drucksache 5/4509? Nein. Damit ist der Änderungsantrag nicht zulässig.

Weiterhin ist zu diesem Tagesordnungspunkt ein Alternativantrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/4515 verteilt worden.

Wird Ergänzung zur Tagesordnung gewünscht? Ich sehe, das ist nicht der Fall, dann rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 24

Überprüfung der Abgeordneten des Thüringer Landtags auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) oder dem Amt für Nationale Sicherheit (AfNS) Bekanntgabe der Feststellung des erweiterten Gremiums über das Ergebnis der Bewertung zur Prüfung des Einzelfalls des Abgeordneten Kuschel

dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 5/4451

Ich werde gleich ans Rednerpult treten, um als Vorsitzende des erweiterten Gremiums die Feststellung des Gremiums bekanntzugeben. Nach § 7 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Gesetzes zur Überprüfung von Abgeordneten kann der betroffene Abgeordnete zur bekanntgebenden Feststellung durch die Vorsitzende des erweiterten Gremiums eine Erklärung abgeben. Herr Abgeordneter Kuschel hat mitgeteilt, dass er davon Gebrauch machen möchte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, gemäß des Thüringer Abgeordnetenüberprüfungsgesetzes werde ich Ihnen nun den Bericht des aus neun Mitgliedern bestehenden erweiterten Gremiums über das Ergebnis der Bewertung zur Überprüfung des Einzelfalls des Abgeordneten Kuschel verlesen.

Bericht über das Bewertungsergebnis zur Prüfung des Einzelfalls des Abgeordneten Kuschel im Ergebnis der Sitzung des erweiterten Gremiums vom 3. November 2011, 13. Dezember 2011, 24. Januar 2012 und 1. März 2012.

I. Ergebnis: Das erweiterte Gremium stellt mit einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner stimmberechtigten Mitglieder Folgendes fest: Aufgrund der Überprüfung steht zur gesicherten Überzeugung der stimmberechtigten Mitglieder des erweiterten Gremiums fest, dass der Abgeordnete Kuschel wissentlich als inoffizieller Mitarbeiter mit dem Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit zusammengearbeitet hat und er deshalb unwürdig ist, dem Thüringer Landtag anzugehören.

II. Tatbestand: Die Abgeordnetenüberprüfung wurde mit Schreiben der Landtagspräsidentin vom 18.02.2010 an die Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes - im Weiteren nur noch die/der Bundesbeauftragte genannt - mit der Bitte um Übermittlung von Unterlagen zum Zweck der Überprüfung der Mitglieder der 5. Thüringer Wahlperiode eingeleitet. Die Bundesbeauftragte übersandte am 14.12.2010 eine Auskunft bezüglich des Abgeordneten Kuschel. Nachdem alle Auskünfte über die unter den Geltungsbereich des Thüringer Gesetzes zur Überprüfung von Abgeordneten fallenden Abgeordneten eingetroffen waren, konstituierte sich das Gremium nach § 3 des Thüringer Abgeordnetenüberprüfungsgesetzes - im Folgenden Gremium genannt - am 10.05.2011. In dieser Sitzung gab sich das Gremium eine Verfahrensordnung mit folgenden Paragraphen:

- § 1 Gremium zur Entscheidung über eine Einzelfallprüfung,

- § 2 Grundlagen der Entscheidungsfindung des Gremiums,

- § 3 Verfahrensrechte des betroffenen Abgeordneten,

- § 4 Maßnahmen zur Gewährleistung von Vertraulichkeit und Datenschutz.

Wegen der näheren Einzelheiten der Regelungen verweise ich auf Anlage 1 der Drucksache.

Am 24.06.2011 beschlossen die Mitglieder des Gremiums bei 1 Stimmenthaltung aufgrund der von der Bundesbeauftragten übermittelten Unterlagen, dass im Fall des Abgeordneten Kuschel der begründete Verdacht einer wissentlichen inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS/AfNS besteht und daher eine Einzelfallprüfung durchzuführen ist.

Über diese Entscheidung des Gremiums wurde der Abgeordnete Kuschel nach Maßgabe des § 3 der Verfahrensordnung informiert. Gleichzeitig wurde er auf seine in der Verfahrensordnung geregelten Verfahrensrechte hingewiesen.

Am 20.09.2011 konstituierte sich das erweiterte Gremium nach § 4 des Thüringer Überprüfungsgesetzes und gab sich ebenfalls eine Verfahrensordnung. Die Verfahrensordnung enthält folgende Paragraphen:

- § 1 Gremium zur Durchführung der Einzelfallprüfung (im Folgenden erweitertes Gremium),

- § 2 Maßnahmen zur Gewährleistung von Vertraulichkeit und Datenschutz,

- § 3 Verfahrensrechte des betroffenen Abgeordneten,

- § 4 Grundlagen der Entscheidungsfindung des erweiterten Gremiums,

- § 5 Bekanntgabe des Ergebnisses der Einzelfallprüfung.

Wegen des Näheren dieser Verfahrensordnung verweise ich auf die Anlage 2 in Drucksache 5/4451.

Das erweiterte Gremium beschloss in seiner ersten Sitzung außerdem, vom Bundesbeauftragten eine ergänzende Stellungnahme bezüglich des zu überprüfenden Abgeordneten Kuschel zu erbitten. Danach sollte die Frage beantwortet werden, ob die Auskunft vom 14.12.2010 zu Herrn Abgeordneten Kuschel in vollem Umfang der Auskunft entspreche, die die Präsidentin des 4. Thüringer Landtags von der Bundesbeauftragten erhalten habe. Falls dies nicht der Fall sei, bat das erweiterte Gremium darum, ihm die bislang nicht zur Verfügung gestellten Unterlagen ebenfalls zuzuleiten. Außerdem bat das erweiterte Gremium für den Fall, dass in der zurückliegenden 4. Wahlperiode zu Herrn Abgeordneten Kuschel weniger Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien, um Darlegung, welche Auskünfte in dieser Wahlperiode zusätzlich erteilt worden seien.

Der Bundesbeauftragte sandte die ergänzende Stellungnahme am 07.10.2011 zu und erklärte, dass dem erweiterten Gremium der 5. Wahlperiode nunmehr die vollständige Akte des Staatssicherheitsdienstes zu Herrn Abgeordneten Kuschel und damit dieselben Unterlagen vorlägen wie die der 4. Wahlperiode.

Aus den vom Bundesbeauftragten übermittelten Unterlagen ergibt sich nun folgender Sachverhalt:

a) Zu Herrn Kuschel liegen eine Personal- und eine Arbeitsakte des MfS/AfNS vor.

b) Am 10.03.1988 wurde Herr Kuschel auf der Grundlage interner Überprüfungsergebnisse zur Werbung als IM vorgeschlagen. Ziel der Werbung war dessen Einsatz zur abwehrmäßigen Sicherung der Personen, die „im Zusammenhang mit der Unterbindung und Zurückdrängung von Antragstellern (Übersiedlungsersuchende) Aufgaben zu erfüllen haben“ und der Erhalt von zweckgerichteten Informationen zu Antragstellern auf ständige Ausreise.

c) Am 30.03.1988 fand ein Werbegespräch statt, in dem Herrn Kuschel als IM-Kandidat deutlich gemacht wurde, dass das MfS zur Bekämpfung und Zurückdrängung von Übersiedlungsersuchenden sowie zum rechtzeitigen Erkennen und zur vorbeugenden Verhinderung von Straftaten, Informationen zum Personenkreis der Übersiedlungsersuchenden benötigt. Ihm wurde erklärt, dass er für eine inoffizielle Zusammenarbeit mit dem MfS angesprochen wurde, weil er eine positive Einstellung zur DDR sowie ein klares Feindbild besitze und weil sich aus seiner Tätigkeit als Bürgermeister für Inneres objektive Möglichkeiten für die Erlangung von Informationen zu Übersiedlungsersuchenden ergeben. Dabei wurde darauf eingegangen, dass die Zusammenarbeit mit dem MfS auf konspirative Art vonstatten geht.

Im Ergebnis des Werbungsgespräches schrieb und unterzeichnete Herr Kuschel am gleichen Tag eine Verpflichtungserklärung und wählte zur Gewährleistung einer konspirativen Verbindung und zur Unterzeichnung von Berichten den Decknamen „Fritz Kaiser“. Dabei verpflichtete er sich zur Wahrung von Geheimhaltung und zum Einhalten der Regeln der Geheimhaltung.

Als IM war Herr Kuschel in der Zeit vom 30.03.1988 bis zur Auflösung des Staatssicherheitsdienstes erfasst.

Am 18.01.1989 quittierte Herr Kuschel den Empfang einer Prämie in Höhe von 200 Mark mit seinem Decknamen. Auszeichnungen, mit Ausnahme der soeben erwähnten Prämie, und regelmäßige Vergütungen oder Auslagenerstattungen sind nicht aktenkundig.

Herr Kuschel wurde von der Kreisdienststelle Ilmenau geführt. Es liegen 14 Berichte von Füh

(Präsidentin Diezel)

rungsoffizieren zu 13 Treffs vor. Zum Treff am 18.01.1989 liegen zwei Berichte vor, da der Führungsoffizier gewechselt hatte und beide, neuer und alter Führungsoffizier, zu diesem Treff einen Bericht verfasst haben. Laut dem Bericht des Führungsoffiziers vom 14.04.1988 über das Treffen am 13.04.1988 informierte Herr Kuschel über die Wirksamkeit einer gebildeten Arbeitsgruppe im Wohnund Freizeitbereich im Rahmen des Rückdrängungskonzepts gegen Übersiedlungsersuchende sowie über „Kaderproblematik“ aus seinem Arbeitsbereich. In der Konsequenz werden entsprechende Maßnahmen angeordnet - Zitat: „Einleitung von Kontrollmaßnahmen zu Übersiedlungsersuchenden“, „Beauftragung der Arbeitsgruppen in den Wohnbezirken“, „Schaffung von Kontrollen mit geeigneten Personen, die über die Übersiedlungsersuchenden im Wohnbereich auskunftsfähig sind.“

Der Bericht des Führungsoffiziers vom 22.04.1988 über das Treffen am 21.04.1988 enthält Informationen zur Kaderproblematik im Bereich Inneres des Rates der Stadt, über gewonnene Kontaktpersonen sowie über geführte Aussprachen mit Übersiedlungsersuchenden. Dabei wird eine der Personen als undiszipliniert beschrieben.

Den Bericht des Führungsoffiziers vom 29.04.1988 über das Treffen vom 29.04.1988 liegen zwei handschriftliche Berichte von Herrn Kuschel bei, die dieser jeweils mit Decknamen unterschrieben hat. In dem einen Bericht geht es um eine übersiedlungswillige Familie und in dem anderen um Stellenbesetzungen im Arbeitsbereich von Herrn Kuschel. Beiden Berichten werden konkrete Maßnahmen zugeordnet. Dem ersten Bericht „Erarbeitung einer Information zum Verhalten des Ehepaars“ - Name ist geschwärzt - „bei Feststellung relevanter Handlungen ist sofort zu informieren“ und dem zweiten Bericht „TRE! und Parteiinformation“.

Der Bericht des Führungsoffiziers vom 10.06.1988 über das Treffen am 09.06.1988 geht auf die Kadersituation im Rat der Stadt Ilmenau sowie auf die unterschiedlichen Auffassungen zwischen Bürgermeister und Herrn Kuschel zur Problematik der Wehrerziehung ein.

Dem Bericht des Führungsoffiziers vom 12.07.1988 über das Treffen am 08.07.1988 liegt das Protokoll einer Aussprache von Herrn Kuschel mit zwei Personen zur Unterschriftensammlung des Operativen Vorgangs „Ökologie“ bei. Das Protokoll ist mit der Kopfzeile des Rates der Stadt versehen und mit Klarnamen und Amtsbezeichnung unterzeichnet. In der Konsequenz werden entsprechende Maßnahmen angeordnet - Zitat: „1. Erfassung (geschwärzte Namen) Operativer Vorgang ‚Ökologie’ nach SVA 1.4; 2. Info an Abt. XX, Beachtung (ge- schwärzte Namen) der Landeskirche Eisenach; 3. Info an Genossen Rath zur Operativen Akte.“

Der Bericht des Führungsoffiziers vom 11.08.1988 über das Treffen am 11.08.1988 und ein ergänzender dazugehöriger Bericht des Führungsoffiziers vom 12.08.1988 beziehen sich auf die ehrenamtliche Arbeitsgruppe in den Wohngebieten. Als Maßnahme wird angeordnet, dass Herr Kuschel auf eine Person Einfluss nehmen sollte, um deren Aktivitäten wesentlich zu erhöhen. Die Berichte des Führungsoffiziers vom 20.01.1989 sowie vom 23.01.1989 über das Treffen am 18.01.1989 zeugen von der Übergabe des IM „Fritz Kaiser“ an einen neuen Führungsoffizier. Herr Kuschel wird dabei eine Geldprämie in Höhe von 200 Mark übergeben, die er mit Decknamen quittiert.

Laut eines weiteren Berichts des Führungsoffiziers am 23.01.1989 über ein Treffen am 20.01.1989 diente dieses zur Kontrolle der Vorbereitung einer Karnevalsveranstaltung in Großbreitenbach. Als Maßnahme vermerkte der Bericht, dass sämtliche Mitglieder des Elferrates eingeschätzt und die operative Basis überprüft werden sollte.

Ein dritter Bericht des Führungsoffiziers am 23.01.1989 über ein Treffen am 23.01.1989 beschreibt die Auswertung einer Faschingsveranstaltung in Großbreitenbach. Dabei wird aus der Büttenrede eine mit Namen und Arbeitsstelle genannte Person zitiert.

In dem Bericht des Führungsoffiziers vom 02.03.1989 über das Treffen am 01.03.1989 geht es um eine „erzieherische Maßnahme“ gegenüber dem IM wegen einer Verletzung der Konspiration gegenüber dem Rat der Stadt sowie um Informationen zu Kandidaten der bevorstehenden Kommunalwahl. In der Folge gab Herr Kuschel eine schriftliche Erklärung zur Verletzung der Konspiration ab. Ich zitiere: „Ich erkenne diesen Fehler und erkläre hiermit, dass ich künftig über meine Zusammenarbeit mit der Kreisdienststelle des MfS absolutes Stillschweigen wahre. Da ich in meiner Funktion beim Rat der Stadt Ilmenau öfters offiziell mit der Kreisdienststelle des MfS zusammengearbeitet habe, war es auch für mein Umfeld in diesem Haus keine Besonderheit, dass ich auf diese Zusammenarbeit verwiesen wurde.“

Dem Bericht des Führungsoffiziers vom 10.03.1989 über das Treffen am 07.03.1989 liegt eine offizielle Liste des Rates der Stadt mit den Mitgliedern des Wahlvorstandes und eine von Herrn Kuschel handschriftlich verfasste Liste der Bürger, die für den Wahlvorstand nicht mehr zur Verfügung stünden, mit Angabe von Name, Anschrift und Gründen bei.

In dem Bericht vom 23.06.1989 über das Treffen am 23.06.1989 geht es um die Personeneinschätzung eines Mitarbeiters des Rates der Stadt und einer weiteren Person, die negative Bewertungen enthält sowie um die Einschätzung der Kommunalpolitik in Großbreitenbach. In der Personeneinschätzung heißt es zum Mitarbeiter, dass diesem